Kapitel 71
Am Morgen brachte er seine Zwillinge wieder überglücklich zum Kindergarten, gratulierte Julia, seiner möglichen zukünftigen Schwiegertochter zum Geburtstag, tröstete sie, weil Florian an ihrer Party am Samstag nicht teilnehmen konnte, ging beschwingt, die Welt umarmend nach Hause.
Er schlüpfte zu seinem Engel ins Bett, ließ sich von ihr mit Zärtlichkeiten verwöhnen, verwöhnte sie ebenso, frühstückte ausgiebig und in aller Ruhe mit ihr auf der Terrasse, brachte ihr Manuskript zur Post, was sie natürlich vergessen hatten, kaufte Brotzeit ein, nahm Grillfleisch mit und Salat, kaufte zwei Großpackungen Kondome für den Urlaub, quatschte eine Weile mit Heiner, fuhr noch in die Nachbargemeinde in ein Juweliergeschäft, kaufte zwei Goldkettchen mit Kreuzen, suchte das Pfarrhaus, bat den Pfarrer, die Kreuze zu weihen, nahm noch Papa-Mama-Kindersemmeln mit und ein Baguette, fuhr glücklicher als je nach Hause.
„Du warst lange weg!" sagte Anja lächelnd.
„Ich habe mein Leben hier in Besitz genommen!" erklärte er, und sie verstand. Er war immer mehr dabei anzukommen.
„Heute Abend machen wir ein Abschiedsgartenfest!" verkündete er. Er fragte nicht: Können wir...?
„Ich habe alles mitgebracht!"
Anja lächelte glücklicher als je.
Ja, ihr hübscher Junge, der er immer bleiben würde, war aber auch ein Mann geworden, der wusste, was er wollte! Der nicht mehr voll Unsicherheit fragte, ob es in Ordnung wäre, ob es ihr recht wäre, ob er konnte, ob er sollte!
Er telefonierte mit den Nachbarn, alle sagten zu, bei manchen war der Nachwuchs zu Besuch, mit dem er damals gespielt hatte, auch die ehemaligen Kinder würden gerne kommen, ihn gerne wiedersehen.
Er fuhr noch einmal weg, holte mehr Fleisch, stand den halben Nahmittag in der Küche, machte Nudelsalat, Kartoffelsalat, Kräuterbutter, legte das Fleisch ein.
Er war nicht mehr der Besuch bei Anja, er war der Mann an Anjas Seite, der Vater ihrer Kinder.
Er war der Arzt, der seinen Weg gehen würde, der Frühchen retten würde, der etwas leisten würde in seinem Leben.
Er war nicht mehr der privilegierte Junge, er war ein Mann.
Er wollte feiern heute, seinen neuen Lebensweg feiern, und er war glücklich, dass sie verstand, dass sie nicht fragte, dass sie einfach verstand!
Sie holte die Kinder ab, weil er zu beschäftigt war, meldete sie für den nächsten Tag ab, lernte Julia kennen, die erste kleine Liebe ihres Sohnes, was ihr Herz berührte.
Lukas stellte Biertische und -bänke auf, war vollkommen aufgedreht vor Glück und Zufriedenheit.
Die Stunden in der Stadt hatten ihm seinen Weg gezeigt, die Innigkeit mit Anja hatte ihn bestärkt.
Seine Leidenschaft flackerte auf, ließ sich nicht in Griff bekommen. Er bat seine Kinder um eine Stunde mit Mama, sie sahen sich eine Kassette an.
Er musste nicht warten, bis sie das organisierte, er war der Vater!
Er taumelte mit ihr ins Schlafzimmer, absolut betrunken vor Glück, liebte sie sehnsüchtig, zärtlich, leidenschaftlich. Spielte danach mit seinen Kindern Fußball, Fangen, Verstecken, Blinde Kuh, küsste seine zukünftige Frau, küsste die Liebe seines Lebens, war fast erschöpft vor Glück.
Der Abend verlief großartig. Das Essen schmeckte phantastisch, die Stimmung war losgelöst, harmonisch, die Nacht war lau. Lukas sang und spielte auf der Gitarre, alle sangen mit. Er hatte auch noch Nachspeise gemacht, sie lobten seine Kochkünste, waren glücklich, dass er wieder da war, dass er die Lücke, die sein Wegbleiben geschaffen hatte, wieder gefüllt hatte.
Ab und zu verschwand er mit seiner Süßen hinter einem Busch, holte sich ein paar Küsse ab, sagte ihr, wie sehr er sie liebte, ließ sich sagen, wie sehr sie ihn liebte, bekam die Sehnsucht und die Leidenschaft in Griff.
Er sang ein paar Liebeslieder, die Paare tanzten, Anja himmelte ihn an, die Kinder saßen auf ihrem Schoß. Der Anblick der drei nahm ihm den Atem. Er musste eine Pause einlegen, einen Schluck Wein trinken, eine Zigarette rauchen.
O Gott, ich danke dir so sehr für dieses Glück, für dieses unglaubliche Glück! Barbara, ich danke dir und ich hoffe, du bist ein Engel, der über uns wacht!
Er spielte weiter, rockige Songs für den Nachwuchs der Nachbarn, Anja war geflasht über sein Repertoire. Sie tanzte mit ihren Kindern.
„Ist der Papa ein Sängerstar?" fragte Chiara beeindruckt.
„Ja!" sagte Anja. „Unser eigener Papa-Sänger-Star!"
„Das hat auch nicht jeder!" meinte Florian trocken.
Sie küsste ihn ab. „Nein, mein Sohn, das hat nicht jeder!"
Eine Stunde später brachte sie die Kinder ins Bett. Plötzlich stand Lukas hinter ihr, nahm sie in die Arme.
„Ich liebe dich, Anja! Ich liebe dich so sehr! Ich liebe das Leben mit dir, ich liebe die Zukunft mit dir!"
Er riss sie in seine Arme, küsste sie hungrig, fassungslos über sein unendliches Glück.
Es war noch nicht lange her, als er Heidelberg hinter sich gelassen hatte.
Als er nach Regensburg gefahren war, als er von seiner Wohnung zu ihr gefahren war, mit einer klitzekleinen Hoffnung im Herzen.
Es war noch nicht lange her, als er am Gartentor gestanden war, als sie zu ihm gekommen war, als er sie geküsst hatte, als er seine Zwillinge das erste Mal gesehen hatte.
Es war noch nicht lange her, als er sie gefragte hatte, ob er bleiben könnte, bei ihr, bei seiner Familie. Und es war noch nicht lange her, dass sie ja gesagt hatte.
Und in dieser kurzen Zeit war er angekommen, war er nach Hause gekommen, hatte er seine Zukunft gefunden.
Fünf Jahre lang hatte er sich nach der Vergangenheit gesehnt, die großartig gewesen war, ohne eine Ahnung zu haben, wie großartig die Zukunft sein würde!
Arm in Arm gingen sie wieder zu ihren Gästen zurück. Sie unterhielten sich über Anjas Bücher, ihren letzten Talkshowauftritt, über seine Pläne für die Zukunft.
Die Nachbarn erzählten ihm, wie sehr sie Anja immer bewundert hatten, wie gut sie das mit ihren Kindern hingekriegt hatte, aber auch wie leid es ihnen getan hatte, dass er damals einfach verschwunden war.
Die halbwüchsigen Kinder von damals, mittlerweile Gymnasiasten oder Studenten, holten sich Ratschläge von ihm ein zum Studium, zur Berufswahl.
Er fühlte sich als Mann aufgenommen in dieser Runde, wie er damals als lustiger Junge aufgenommen worden war.
Sein Mädchen saß auf seinem Schoß wie damals.
So konnte er sie schnell mal küssen, bestimmte Stellen zum Streicheln waren so auch leichter zu erreichen.
Die letzten Würstchen wurden verdrückt, die letzten Salate verspeist. Lukas holte noch ein paar Flaschen Wein, Bier hatten sie nicht im Haus, wer eines wollte, musste es von zu Hause mitbringen, das wussten sie schon alle.
Gegen zwölf verabschiedeten sich die Gäste, umarmten Lukas.
„Willkommen zu Hause!" sagte Hans
„Du hast uns gefehlt!" meinte Rudi.
Und so ging es weiter.
Lukas hatte direkt Tränen in den Augen.
„Nicht nur ich habe dich vermisst!" flüsterte Anja.
„Es ist schön, heimgekommen zu sein!" flüsterte er zurück. Sie räumten Teller und Schüsseln in den Geschirrspüler, schalteten die Maschine ein.
„Das war heute dein Fest! Das Fest für dein neues Leben, nicht wahr?" Eigentlich hätte sie gar nicht fragen müssen, doch sie wollte ihm zeigen, dass sie verstanden hatte.
Das war das Fest des Dr. Lukas Sieber, Mann an ihrer Seite, Vater ihrer Kinder – für immer!
Eigentlich hätte sie ihm gar nicht zeigen müssen, dass sie verstanden hatte, er hatte es gefühlt. Stumm nahm er sie in den Arm, sah sich satt an ihrer Schönheit, füllte sein Herz auf mit ihrem Verstehen, seine Seele mit seinem Glück!
„Ich liebe dich Anja, und ich wünschte, es gäbe Worte, die nicht so oft verwendet werden, ich hab dich lieb, kleiner Kobold, in bin in dich verliebt, schöne Lady, jede Stunde mehr als vorher, ich bin in dich verknallt, noch immer wie damals, beim ersten Blick auf dein Lächeln, in deine Augen!" Er küsste zärtlich ihre Lippen, ihre Augen, ihr Näschen, ihre Wangen, ihre Stirn.
„Verträgst du noch ein Glas Wein?" fragte er leise. Er wollte noch mit ihr anstoßen auf ihre gemeinsame Zukunft.
„Ich habe erst eines getrunken den ganzen Abend!"
„Ich auch. Komm!"
Er schenkte zwei Gläser ein, zündete zwei Zigaretten an.
Sie setzten sich auf die Terrassenstühle, hielten sich an einer Hand, stießen an, tranken, rauchten, sprachen nicht ein Wort, verstanden sich aber besser als je zuvor.
Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht, sie strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn.
Er küsste ihre Hand, ihre Finger, den Ringfinger noch einmal extra.
Seine Finger zeichneten die Konturen ihres Gesichtes nach, der Handrücken strich über ihre makellose Haut.
„Wunderschöne Lady! Würdest du jetzt bitte mit mir schlafen?" fragte er atemlos.
„Ja!" flüsterte sie. „Ich möchte jetzt mit Herrn Dr. Lukas Sieber schlafen, dem Mann, der seinen Weg gefunden hat, einen schweren Weg, aber seinen!"
„Und ich würde gerne mit der wunderhübschen Anja Berentz schlafen, dem Star unter den Kinderbuchautorinnen, die jeden Weg mit mir gemeinsam gehen wird!"
Sie tranken ihre Gläser aus, küssten sich den Wein von den Lippen, war augenblicklich betrunken vor Sehnsucht.
Doch sie ließen sich Zeit, viel Zeit, brachten sich hoch, machten Pause, erregte sich erneut, hielten ein, ließen wieder Zärtlichkeiten zu, bis sie miteinander sehr hoch oben ankamen. Vollkommen atemlos lagen sie eng nebeneinander, hielten sich wie Ertrinkende fest aneinander.
„Danke für deine Liebe, Anja!" brachte er schließlich heraus. „Ich brauche sie zum Überleben!"
„Ich könnte doch gar nicht anders, als dir meine Liebe zu geben! Wo sollte ich denn hin damit?"
„Dann ist ja alles gut!" flüsterte er noch und schlief ein.
Anja genoss noch lange seine Nähe, seine Haut, seinen Körper, seinen Duft, seinen Atem, der über ihr Gesicht strich. Sie ließ das Licht an, um ihn ansehen zu können, ihren hübschen Jungen, ihren schönen Mann.
Der Gedanke machte sich wieder einmal atemlos. Sie, Anja Berentz, hatte sich auf diesem Ball damals dieses Prachtexemplar von Mann geangelt, und nicht nur für eine Nacht, sondern für ein Leben!
Mit diesem Gedanken schlief auch sie ein.
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