Kapitel 66

Sein Herz klopfte schon wieder ein paar Takte zu schnell, als er die Nummer von Ben wählte, den er am häufigsten in den letzten Jahren getroffen hatte. Automatisch stellte er auf Lautsprecher.
„Hallo, Ben! Lukas hier!"
„Hallo, alter Junge! Wieder in der Stadt?" Der Kumpel klang echt erfreut, von Lukas zu hören.
„Ja, ich bin fertig mit Heidelberg, für immer und ewig! Ich wollte fragen, ob du morgen Abend Lust und Zeit hättest, dich mit uns im Club zu treffen!"

„Mit uns?" Hatte der Topf Lukas doch endlich einmal einen Deckel gefunden? Wahrscheinlich wieder einmal so eine Zwei-Tages-Beziehung!
„Ja, mit mir und Anja!" Lukas grinste. Ihm war klar, dass das für die Freunde die Sensation wäre. Das Thema Anja war bei seinen sporadischen Treffen mit ihnen absolutes Tabuthema gewesen. Sie war weg aus seinem Leben – aus!

„Anja? Sag bloß!" Ben verschlug es die Sprache. Sie hatten nie erfahren, warum sie plötzlich aus seinem Leben und damit auch aus ihrem verschwunden war. Auf Nachfragen reagierte Lukas stets sehr ungehalten.
„Na klar, Anja! Wer denn sonst?"
„Das ist ja super! Ich frage grad mal Micha, meine Frau!" Lukas hörte den Freund mit jemandem sprechen.

„Ja, geht klar! Wir sind dabei! Machen wir halt am Donnerstag blau, kein Problem!" scherzte der Freund. „Sollen wir den Rest der Bande anrufen?"
„Das wäre toll, Ben! Meldest du dich dann nochmal?"
„Klar, Alter! Aber, wenn Anja kommt, werden nicht viele absagen! Wir haben sie ja ewig nicht gesehen, die kleine, lustige Prinzessin deines Herzens!"
Anja schossen die Tränen in die Augen.

Sie hatte nie bemerkt, dass die anderen sie so gut leiden konnten!
Sie hatte auch die Freunde vermisst in den fünf Jahren, das Geplänkel, die Wortspiele, den Spaß, die Scherze, das Gefühl, jung zu sein, auszugehen, zu feiern, als Frau ernst genommen zu werden, das alles hatte sie vor Lukas nicht gekannt.

Es waren zwar seine Freunde gewesen, aber sie war vollkommen akzeptiert, war eine von ihnen, auch wenn sie ein paar Jahre älter war als alle.

Das war bei Peter anders gewesen. Seine Kumpel waren seine Handballkollegen, sie war immer ein Anhängsel gewesen in diesem Super-Macho-Verein. Hatte kein Thema gefunden, über das sie sprechen konnte mit ihnen, auch mit ihren Frauen nicht, hatte sich anfangs gegen die ewigen sexistischen Sprüche gewehrt, hatte aber irgendwann aufgegeben, hatte mache Grapscherei ertragen müssen, manche Eifersüchtelei der Ehefrauen.

In Lukas' Freundeskreis herrschte ein ganz anderes Niveau, konnte man intelligente Scherze machen, die auch verstanden wurden, behandelte man Frauen respektvoll und gleichberechtigt, hörte man sich gegenseitig zu.

Eine Stunde später rief Ben zurück. „Alle sind dabei, Lukas! Alle freuen sich auf dich, aber natürlich noch mehr auf deine kleine Schönheit! Nicht alle Mädels können, Babysitterprobleme und so, aber da kannst du ja nicht mitreden, Alter!"
„Hast du eine Ahnung, Ben! Wir haben viereinhalbjährige Zwillinge! Damit schlage ich euch wahrscheinlich alle!"

„Ihr habt was?" Der Freund fiel aus allen Wolken. Wie sollte denn das zugegangen sein?
„Ich erzähle euch morgen alles, okay? Also, um neun?"
„Klaro! Ich freue mich, ich freue mich riesig! Vor allem, dass ihr es doch geschafft habt! Wäre schade gewesen um eine solche Liebe!"
Ihr liefen die Tränen übers Gesicht. Alle hatten es begriffen, nur sie nicht!

Lukas sah sie wortlos an. „Noch Fragen, Süße?" Sie schüttelte wortlos den Kopf.
„Das war mein bester Freund, der immer gnadenlos ehrlich war und ist! Nur zu deiner Information!"
„Ich weiß!"
„Und du vergisst es nie mehr?"
„Nein, Lukas, nie mehr!"
„Und du weißt, was es bedeutet, dass zehn Männer um die 30, mit Familien und Berufen, sich Zeit nehmen, um uns an einem Mittwochabend im Club zu treffen?"

Sie nickte.
„Sag es!" bat er.
„Sie können mich wahrscheinlich leiden!" stieß sie hervor.
„Gut! Und auch das vergisst du nie mehr?" Lukas auch etwas feuchtere Augen als sonst.
„Nein, Lukas, auch das vergesse ich nie mehr! Und es macht mich wirklich sehr glücklich, dass deine Freunde mich mögen, mich nach all den Jahren nicht vergessen haben!"
„Wer könnte dich denn je vergessen? Du hast die Runde immer unterhalten, du hast für gute Laune gesorgt, du hast die Stimmung immer angeheizt, du hast immer den meisten Spaß gebracht! Dein Charme hat jeden Abend zu etwas Besonderem gemacht! Das haben alle gemerkt, nur du nicht!"

Er nahm sie in den Arm. „Aber das war ja nicht deine Schuld, Süße! Dein Selbstvertrauen hat er zerstört! Deshalb brauche ich auch noch ein wenig, um ihn als Freund zu sehen!" Er küsste sie zärtlich. „Ab jetzt gilt nur noch: Kopf hoch! Denn du bist Superanja! Warst es schon immer! Anja, die Schönste, Anja, die Beste, Anja, die Liebste, Anja, die Süßeste, Anja, die Klügste! Anja, die Charmanteste, Anja, die Lustigste! Okay?"
„Okay! Ich liebe dich, Lukas! Ich bin verrückt nach dir, Lukas! Du bist mein Leben, Lukas!" brach es aus ihr heraus.

„Das klingt gut!" kam es gepresst von ihm.
„Küss mich! Liebe mich, Lukas!" Seine Worte, die Freude über ihn, über seinen Stolz auf sie, hatten sie wieder einmal atemlos gemacht.
„Jetzt gleich?" Seine Stimme war nur noch ein Stöhnen.
„Ja! Jetzt! Gleich!" Ihre Stimme war nur noch ein Hauch.
Sie flogen die Treppe hinauf und verloren sich in der Leidenschaft. Ihre Körper wurden eins, ihre Seelen waren es schon seit sieben Jahren!

Dann fiel ihm noch etwas ein. Er wählte die Nummer des Clubs. „Hallo, Nadja! Lukas Sieber!"
„Hey, Lukas! Schön, wieder einmal von dir zu hören!" Die Clubchefin sah den jungen Mann seit Jahren gerne , er war schon eine Augenweide. Leider machte er sich seit ein paar Jahren recht rar.

„Danke, Nadja! Ich wollte fragen, ob das Nebenzimmer für morgen noch zu reservieren ist!"
„Für uns beide, mein Süßer?" Sie flirtete ihn schon immer an, wusste aber, dass sie vollkommen chancenlos war.

Lukas lachte. „Nein, sorry! Anja und ich treffen uns morgen mit der alten Clique!"
„Ah, Anja! Gegen die kommt wohl keine Frau an?" War sie wieder aufgetaucht, die kleine Schönheit mit den Wahnsinnshaaren, die alle Männer zum Träumen gebracht hatte, die aber nur Augen für Lukas gehabt hatte!

„Nein, gegen Anja kam und kommt nie eine Frau an!"
„Das war ja klar! Sie hat dich ganz schön am Wickel, oder? Sind jetzt auch schon ein paar Jahre!"
„Und es werden noch ganz viele werden, Nadja!"
„Okay, habe verstanden! Also, Nebenzimmer, morgen ab neun? Geht klar, Lukas Sieber, der leider für die Damenwelt verloren war, seit sie aufgetaucht ist!"

Grinsend legte Lukas auf. Die Nadja! Die hätte ihn auch nicht von der Bettkante gestoßen!
Als könnte sie seine Gedanken lesen, scherzte Anja: „Steht die immer noch auf dich?"
„Na, klar! Alle Frauen stehen auf mich! Nur Pech für sie, dass ich nur auf eine einzige stehe!"

„Ist das schön, in einen so uneingebildeten Mann verliebt zu sein!" zog sie ihn auf.
„Ich bin nicht eingebildet! Ich bin selbstbewusst! Wenn einen eine solche Frau liebt, kann man das auch sein!" Er sah sie an, der Schalk blitze aus seinen Bernsteinaugen. „Jetzt habe ich es dir aber gegeben! Jetzt weißt nicht einmal du mehr eine Retourkutsche!"

Anjas Herz war wieder einmal kurz vor dem Platzen. Wenn er so losgelöst war, so aufgedreht, wusste sie auch damals schon nicht, wohin mit dem ganzen Gefühl in sich, dem Gefühl, für das sie nicht einmal einen Namen gehabt hatte.
„Ja, komm! Was ist jetzt? Gibst du auf? Gibst du zu, dass ich gewonnen habe? Denn dann kann ich mir endlich meinen Preis abholen!"

„Und was möchtest du denn gewonnen haben für deinen Etappensieg?"
„Etappensieg! Pf! Von wegen! Das war der Toursieg!" Er sah sie siegessicher an. „Und gewonnen habe ich ein Engelchen!"

„Das kannst du haben! Was sollte ich denn mit einem Engelchen anfangen?"
Er sah sie gespielt erschrocken an. „Jetzt hat sie schon wieder aufgeholt! 1 : 1" Er sah ihr tief in die Augen. „Aber ich könnte dir zeigen, was ein Mann mit einem Engelchen anfangen kann! Würde dich das interessieren?"
„Nicht wirklich! Das hat ja keinen praktischen Nutzen für mich, wenn ich weiß, was ein Mann mit einem Engelchen anfangen kann!"
Lukas rollte auf den Rücken, hielt sich den Bauch vor Lachen. „Keinen praktischen Nutzen! Ich geh kaputt!"

Sie drehte sich auf den Bauch, fuhr mit dem Finger von seiner Nasenwurzel über seine Lippen, seinen Hals, seine Brust, seinen Bauch, die feine Haarspur weiter nach unten.
„Aber was mich dagegen brennend interessieren würde ist, was ein hübscher Teufelsjunge mit einer Frau anfangen kann!" flüsterte sie ihm ins Ohr, wobei sie ihre Zunge mit seinem Ohrläppchen spielen ließ. Lukas zog den Atem zwischen den Zähnen ein.

„Would you treat me like a devil tonight?" flüsterte er zurück, wobei er an ihrem Ohrläppchen knapperte. „Und das hätte dann einen praktischen Nutzen für dich?" Seine Worte kamen nur noch abgehackt.
„Durchaus!" Ihre Stimme war fast komplett weg.
„Also, dann pass gut auf, damit ich es dir nicht zweimal zeigen muss!" krächzte er stockheiser. Und er begann ein besonders teuflisch quälendes Programm, das aber ihr und auch ihm himmlische Erfüllung brachte. Der Flug war so hoch, dass sie beide danach, engumschlungen wie immer, fast sofort einschliefen.


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