Kapitel 6
Lukas sah ihr vom Fenster aus nach, wie sie die Straße entlang ging. Ihre Locken flogen im Wind. Männer drehten sich nach ihr um, lächelten ihr nach.
Er hatte Tränen in den Augen, schimpfte aber bald mit sich: Hör jetzt bloß auf zu heulen! Du wusstest es von Anfang an, dass das nichts wird!
Aber wer hätte denn gedacht, dass sie so toll ist, so nett, so intelligent, so humorvoll ist, dass es so unglaublich ist mit ihr im Bett?
Dass sie sich so von mir lieben lässt, dass ich fast den Verstand verliere? antwortete er sich selbst. Dass sie mich so anlächeln würde? Mein Gott, diesen Blick, als sie den Höhepunkt erreichten, würde er nie wieder vergessen!
Und jetzt? fragte die Stimme, mit der er sich unterhielt.
Ja, was jetzt? Sie ist weg, wir sehen uns nicht wieder, es passt halt von der Lebensplanung her nicht! So waren die Spielregeln!
Er ließ sich aufs Sofa fallen, körperlich und emotional erschöpft, holte den versäumten Schlaf der letzten Nacht nach.
Abends aß er endlich mal einen Happen, zog sich schick an, ging in seine Stammdisco, um sich abzulenken.
Er traf auf Charly. „Hallo, Lukas! Na, hast du Anja wiedergesehen?"
„Ja!" antwortete er nur.
„Und? Hatte ich recht? Das ist eine ganz süße Maus, oder?"
„Ja!"
„Und, warum bist du jetzt alleine hier?"
Lukas verdrehte die Augen. Konnte der ihn nicht einfach in Ruhe lassen?
„Es passt einfach nicht! Ich bin 22 und sie ist 28, ich fange irgendwann an zu studieren, sie ist fertige Lehrerin!"
„Du findest, sie ist zu alt für dich?"
„Nein, sie findet, ich bin zu jung für sie!"
Seine Antwort überraschte ihn selbst ein wenig.
Nach dem Ball, als er ihr Alter erfahren hatte, war er schon der Meinung gewesen, sie sei zu alt für ihn.
Aber jetzt merkte er, dass das kein Problem für ihn mehr wäre, nicht das geringste Problem!
„Dann kann ich mein Glück wieder versuchen? Ich war ja eigentlich dran an ihr, du bist mir da etwas dazwischen gekommen!" fragte Charly.
„Ja, kannst du!" Er glaubte, an diesen Worten zu ersticken. Aber es könnte sein, dass ich dich dafür umbringe! dachte er.
„Hast du ihre Nummer?" fragte Charly noch.
„Nein!" log Lukas. „Ich habe sie weggeworfen!"
„Na, die kriege ich schon über meine Schwester raus!"
Lukas ließ ihn stehen, holte sich einen Cuba Libre an der Bar, den er auf einmal hinunter kippte, und gleich den nächsten, mit dem er sich an einen Tisch setzte.
Es lief ein Schmusesong nach dem anderen, er dachte an den Ball.
Zu diesen Liedern hatten sie getanzt, eng, noch enger.
Er hatte sich verliebt in ein wunderschönes, junges Mädchen, hatte eine Nacht verbracht mit einer wunderschönen Frau, für die er zu jung war. Und es passte ja wirklich nicht mit ihnen.
Eine Beziehung war einfach unmöglich, oder?
Und immer wieder sah er ihr Lächeln vor seinen geistigen Augen, fühlte ihr Streicheln auf seinem Gesicht!
Er sah sich um, forderte ein Mädchen auf, das ihm vor ein paar Tagen ganz gut gefallen hatte.
Er musste Anja vergessen.
Er zog das Mädchen an sich, streichelte sie geistesabwesend, sie schmiegte sich eng an ihn, aber er fühlte - nichts.
Er brachte sie zu ihrem Platz zurück.
Hier würde es passen! dachte er. Aber hier empfinde ich nichts!
Lass dir ein wenig Zeit, Lukas! sagte sein innerer Gesprächspartner.
Du hast recht! Das kann man jetzt auch nicht erzwingen. Die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden.
Er blieb noch eine Weile sitzen, hörte der Musik zu, trank langsam aus, hing seinen Gedanken nach. Er merkte nicht, wie sehnsüchtig die Kleine, mit der er getanzt hatte und mit der alles passen würde, zu ihm herübersah. Er spürte dafür, wie sehnsüchtig er an eine Frau dachte, mit der es aber leider nicht passte.
Er ging nach Hause, schaltete den Fernsehapparat ein, es lief irgendeine Talkshow, von der er kein Wort mitbekam.
Um elf hielt er es nicht mehr aus.
So sehr seine innere Stimme auch warnte, so sehr er auch mit sich kämpfte, er musste ihre Stimme hören, musste ihr sagen, was die Nacht für ihn bedeutet hatte, vor allem, bevor Charly sich an sie ranmachte.
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