Kapitel 53

Endlich konnten sie nach Hause fahren. Die Familie stand unter einem mehr oder weniger großen Schock. „Jetzt wird es aber Zeit, dass wir heiraten! Dieser ewige Zirkus mit den Namen, und dann unsere kleine Plaudertasche, die jedem unsere Familiengeschichte auf die Nase binden muss!" merkte Anja an.

„Welchen Namen möchtest du denn nach der Hochzeit haben?" fragte Lukas.
Anja sah ihn überrascht an. „Na, ich denke, wir werden dann alle Sieber heißen, oder nicht?"

Er lächelte sie stolz an. „Danke, Süße! Aber es hätte ja sein können, dass du einen Doppelnamen möchtest, oder dass alle Berentz heißen, oder dass alles so bleibt, wie es ist!"
„Nein, sorry! Da bin ich altmodisch!"
„Ich auch!" Er streichelte ihr liebevoll übers Gesicht.

In Lukas formte sich ein Plan, er fing gleich an, ihn in die Tat umzusetzen. „Ich muss mal kurz an den Computer!" Eine weitere Erklärung gab er nicht ab.
Um die Kinder zu abzulenken, legte Anja ihnen eine Kassette ein. Sie überlegte, ob sie zu Lukas hochgehen sollte, wollte ihn aber nicht stören. Die Telefonstation bingte ein paar Mal, er schien oben zu telefonieren.

Nach einer Stunde kam ihr das Ganze komisch vor, sie wurde unruhig. Aber sie wollte kein Kontrollfreak sein, nicht misstrauisch.
Die Kinder waren eingeschlafen, sie ging in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Sie wollte heute wieder einmal etwas kochen.
Ständig grübelte sie, was er da oben so lange trieb.

Was befürchtest du denn? Dass er mit seiner Geliebten spricht, chattet, skypt? fragte sie sich selbst.
Da wäre er doch nicht zu ihr gekommen! Sie würde doch jetzt nicht plötzlich nach sieben Jahren eifersüchtig werden!
Zwei Stunden saß er jetzt schon da oben!

Sie schnitt die Zutaten für den Salat, machte das Dressing, panierte die Schnitzel, kochte Kartoffeln. Jetzt schau ich aber nach! dachte sie. Ich muss ja wissen, wann er bereit ist, sich zum Essen herunter zu bemühen!

Sie wollte gerade ihren Fuß auf die erste Treppe setzen, als sie ihn oben die Türe schließen hörte, sie ging schnell zurück.
Lukas sprang pfeifend die Stufen herunter, kam in die Küche, nahm sie in den Arm. „Entschuldige Süße, das hat jetzt länger gedauert!"

Sie tat teilnahmslos. „Passt schon!"
„Oh Oh! Wenn meine Süße sagt: Passt schon! ist ein Gewitter in Anzug!" Er versuchte, sie zu küssen, sie wich ihm aus.
„Ich muss kochen!"
„Du musst mich küssen!"
„Ich muss kochen!"
„Du musst mich küssen!" Er hielt sie fest. „Küssen kommt immer vor kochen!"
„Nicht mehr! Wir haben Kinder!"

„Oooo! Die werden jetzt gleich den Hungertod sterben, weil die schöne Anja mir einen klitzekleinen Kuss schenkt!"
Sie versuchte nicht zu grinsen. Sie wollte auch nicht fragen, nicht die eifersüchtige Frau sein, die sie aber zugegebener Maßen im Augenblick war. Trotzdem rutschte ihr die Frage heraus. „Mit wem hast du die ganze Zeit telefoniert?"

„Ah, da liegt der Hase begraben! Die süße Anja, die mich zwei Jahre lang mit jedem weiblichen Wesen unter 28, das nicht schnell genug den Baum hinauf kam, verkuppeln wollte, ist eifersüchtig!"
„Bin ich nicht!"
„Dann küss mich!"

Sie gab ihm einen schnellen Kuss.
„Küssen habe ich gesagt! Nicht ein Küsschen für Onkel Lukas!"
„Affe!"
„Äffchen! Duftendes, süßes, verführerisches, eifersüchtiges Äffchen!" Er war eigentlich total aufgedreht, nicht so, als ob er gerade mit einer anderen Frau geturtelt hätte.

Sie streckte sich hoch, zog seinen Kopf zu sich und erfüllte seinen Wunsch ausgiebig.
„Mit wem hast du telefoniert?" fragte sie dann eigentlich mehr zum Spaß.
Er hob sie hoch, drehte sich mit ihr im Kreis. „Überraschung! Ich sag's dir, wenn die Kleinen im Bett sind!" Er stahl sich noch ein paar Küsse.
„Und jetzt raus aus der Küche. Ich koche fertig!"

„Du? Warum?"
„Weil du die meiste Arbeit schon gemacht hast, und ich dann vor meinen Kindern als Meisterkoch brillieren kann!"
„Du Kasper! Du hast es wirklich faustdick hinter den Ohren!"

„Merkst du das jetzt erst, Anjamaus? Ich habe es sogar zweifaustdick hinter den Ohren!"
„Auf manchem Gebiet sogar dreifaustdick!"
„Und auf welchem Gebiet meinst du jetzt genau?" Seine Hand hatte sich aufreizend langsam unter ihre Bluse geschoben, fuhr die Wirbelsäule hoch. Sie bog sich ihm aufstöhnend entgegen.
„Auf dem Gebiet Frauen verrückt machen!" stöhnte sie.

„Frauen? Was heißt da Frauen? Bist du eine gespaltene Persönlichkeit?" Seine Hand setzte ihren Weg fort. Seine Lippen quälten und liebten ihren Mund. Sein Körper presste sich an sie. Sie presste sich an ihn. Natürlich kamen in diesem Moment die Kinder in die Küche.

Das Kartoffelwasser kochte über, das Fett in der Pfanne qualmte schon.
„Irgendwann brennt das Haus ab, aber unsere Eltern küssen sich!" stellte Florian fest. Die beiden mussten wieder einmal so lachen, dass sie auf die Erde zurückkamen.

Hätten wir früher solche Aufpasser gehabt, wäre mancher Ausrutscher nicht passiert! dachte Anja.
Hätten wir früher solche Aufpasser gehabt, hätte ich sie nicht so oft ins Bett gekriegt! dachte Lukas.
Und das wäre verflixt schade gewesen! dachten beide.

Lukas schaltete die Platten zurück.
„Bratkartoffeln?" fragte er.
Anja nickte.

„Gut! Die kann ich! Also raus mit euch, bevor ich euch alle drei als Vorspeise anknabbere!"
Chiara kicherte. „Da hast du uns aber einen lustigen Papa ausgesucht!"
Lukas hatte schon wieder Tränen in den Augen, schloss die Türe hinter den dreien.

Eine halbe Stunde später deckte er den Tisch, servierte perfekt gebratene Schnitzel, knusprige Bratkartoffeln und einen sehr wohlschmeckenden Salat.
Die Kinder lobten seine Kochkünste aufs Höchste, er aß mit stolzgeschwellter Brust.

„So ein Bratkartoffelverhältnis hat durchaus seine Reize!" flüsterte er seiner süßen Anja, der Liebe seines Lebens, ins Ohr.
„Vor allem, wenn der Koch so reizvoll ist!" flüsterte sie zurück.
„Und die Vorköchin so reizend!"

„Entweder sie küssen sich oder sie flüstern! Ist das normal, oder habe wir komische Eltern erwischt?" fragte Chiara ihren Bruder.
„Was weiß denn ich! Ich hatte noch nie Eltern!" antwortete der.

Lukas erstickte wieder einmal fast vor Lachen, stand auf und holte seine Kladde, schrieb den neuesten Spruch auf. Die beiden waren echt gut! Nach dem Essen machten die komischen Eltern die Küche sauber.

Dann kuschelten sich alle vier auf das Sofa. Lukas überrollte eine Glückswelle, die ihm komplett den Atem nahm. Vor einer Woche war er atemlos vor Angst hierher gefahren, und jetzt saß er atemlos vor Glück mit seiner Familie hier und kuschelte.

Er hatte die Wahnsinnsfrau zurück, in die er sich mit 22 Jahren hoffnungslos verliebt hatte, im wahrsten Sinne des Wortes hoffnungslos.

Er war zu jung, hatte es im Leben noch zu nichts gebracht, hatte nichts erreicht, er hatte nur sein gutes Aussehen zu bieten.
Sie hatte fertig studiert, einen guten Beruf, war wunderschön, charmant, intelligent, sexy, umwerfend, reizend, humorvoll, interessiert an allem.

Was sollte diese Frau von ihm wollen?
Und doch blieb sie, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, fast zwei Jahre lang bei ihm.
Anfangs hatte er täglich damit gerechnet, dass sie Schluss machte.

Dass sie sagte: „Lukas, ich wollte eine Nacht! Es waren jetzt ein paar mehr, aber jetzt ist es genug!"
Nach einiger Zeit merkte er schon, dass sie die Zeit mit ihm genoss, seine Verrücktheiten mochte. Aber sie glaubte nie an eine Zukunft mit ihm, an ein Leben mit ihm, ein ganzes Leben, wie er es wollte!
Jetzt, nach fünf Jahren, war ihm klar geworden, woher ihre Ängste kamen. Doch sie hatte immer die Seiten verdreht.

Peter hatte sie nicht verlassen, weil sie ihn nicht halten konnte. Er hatte sich von ihr getrennt, weil er sie nicht halten konnte. Sie war ihm intellektuell haushoch überlegen. Er konnte nicht mehr mit ihr mithalten, versuchte sie kleiner zu machen, um größer zu erscheinen.

Er hätte das aus vielen Bemerkungen, die sie über ihre Ehe während der zwei Jahre gemacht hatte, heraushören müssen.
Aber er war damals zu jung gewesen, um solche Gedankengänge nachzuvollziehen.
Er war zu beschäftigt mit seiner Verliebtheit, um solch komplizierte Gefühlszusammenhänge zu begreifen!

Aber trotz aller Fehler, die er gemacht hatte, aller Punkte, die sie trennten, saß er heute hier an ihrer Seite, neben ihnen die zauberhaftesten Kinder der Welt. Er war fünf Jahre durch die Hölle gegangen und dann direkt in den Himmel katapultiert worden.

Er drückte sie fest an sich, dann küsste er seine Kinder ab, küsste die Frau an seiner Seite ab. Alle vier kicherten vor Glückseligkeit.
Plötzlich hatte Chiara doch Redebedarf über die Ereignisse im Supermarkt. Lukas hatte einige Semester Kinderpsychologie mitgenommen, hatte sich schon gewundert, hatte Angst, dass die Kleine verdrängte, was schlimm gewesen wäre.

„Du Papa? War der Mann heute ein Verbrecher, weil die Polizei gekommen ist?"
Lukas sah Anja an, sie hob die Hände. Sag du, du bist der Vater und der Fachmann, bedeutete diese Geste.
„Ja, Chiara, das war ein ganz schlimmer Verbrecher!"
Sie sah ihn stolz an. „Und du hast ihn umgehauen! Was hat er denn angestellt?"

„Er ist ein sehr böser Mann, weil er kleine Mädchen mag! Und ein erwachsener Mann sollte Frauen mögen und keine kleinen Mädchen! Das ist ganz schlimm! Deshalb müssen kleine Mädchen und auch kleine Jungen immer ganz laut schreien, fest hauen, kratzen und beißen, wenn fremde erwachsene Männer sie anfassen wollen. Und sie müssen es immer ihren Eltern erzählen, wenn die mal nicht dabei sind!"

Die beiden hatten ihm aufmerksam zu gehört. „Gut, das machen wir!" versprach Florian. „Und wenn ihr mal nicht dabei seid, bin ja ich da! Ich passe ja immer auf sie auf!" Die vier umarmten sich.
„Willst du noch etwas wissen, Chiara? Du weißt, dass du alles fragen kannst, was du willst?"
„Nein, alles Klaro!"
„Und du Florian?"

„Also, wenn jemand Chiara hochnimmt und küssen will, darf ich ihn dann auch schlagen, kratzen und beißen?" Dem Jungen gingen schon noch Gedanken durch den Kopf.
„Das musst du, mein Sohn! Unbedingt!"
„Und es schimpft mich keiner?"

„Nein, niemals Florian, niemals!" versprach Lukas.
Sie brachten die beiden schließlich ins Bett, sahen sich verliebt und glücklich über diese unglaublichen Kinder in die Augen, nahmen sich in den Arm, drückten sich.


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