Kapitel 52
Lukas spielte drei Stunden mit seinen wunderbaren Kindern. Florian gewann meistens, Chiara war zu hibbelig und aufgedreht, er selbst zu ungeübt.
Dann hielt er es nicht mehr aus ohne Anja. „So, Mäuse!" sagte er schließlich, „Jetzt muss ich aber Mal nach der Mama sehen!"
Die zwei räumten verständnisvoll die Spiele zusammen.
„Das war schön!" sagte Florian und drückte sich an seinen Vater.
„Das war Supi!" sagte Chiara und sprang in seine Arme.
Lukas stieg zwei Stockwerke nach oben, um seine Süße zu suchen. Sie saß am Schreibtisch, vor sich einen Packen Zeichnungen, ihr Blick war entrückt.
„Hallo, Schönheit!" sagte er nur.
Sie drehte sich zu ihm um. „Ich war auf Reisen in die Vergangenheit!" sagte sie leise.
„Und, wie war es da, Süße?"
„Schön, schwer, wundervoll, richtig, falsch, wunderschön, chaotisch, himmlisch, schmerzlich, wunderschön!" flüsterte sie.
„Ja! Vor allem wunder- , wunderschön!" Er nahm sie in den Arm, hielt sie fest, fest für den Rest seines Lebens, hielt sie vorsichtig in den Armen, denn sie war das Kostbarste in seinem Leben.
„Ich hab dir oft wehgetan!" flüsterte sie.
„Am Anfang vielleicht! Als ich noch so verunsichert war. Ich war so jung und liebte eine so tolle Frau! Aber im Lauf der Zeit habe ich ein dickeres Fell bekommen. Nur manchmal war es schon ziemlich heftig!"
„Wenn ich abgehauen bin am Morgen!"
„Und immer nach den schönsten Nächten! Immer dann, wenn ich gedacht habe: Sie ist mir so nah! Wir sind uns so nah! Ich habe dann regelmäßig meine Wohnung zerlegt!"
Anja musste lachen. „Und dann musstest du wieder aufräumen!"
„Doppelte Bestrafung! Das gibt es in keinem Gesetzbuch der Welt!" lachte er mit ihr.
„Aber der Hammer war, als du mich mit diesen Gören verkuppeln wolltest! Da war ich nah dran aufzugeben!"
Ihr stiegen die Tränen in die Augen. Sie zog ihn fest an sich. „Ich mache alles wieder gut, ich verspreche es dir!"
„Das hast du doch schon, süße Anja! Als du mir das Gartentor aufgemacht hast, als ich dich küssen durfte nach fünf Jahren, als wäre nur ein Tag vergangen seit dem letzten Mal, da hast du alles mehr als gut gemacht!"
Er küsste sie, bis beiden die Sinne schwanden, sie ließen sich auf das kleine Sofa sinken, begannen sich auszuziehen, waren nicht mehr Herr ihrer Sinne.
„Mama, Papa, wo steckt ihr denn?" rief Chiara und raste die Treppen hinauf.
Schnell brachten sie ihre Kleidung in Ordnung, saßen ganz brav, aber vollkommen benebelt nebeneinander.
„Hallo, Mama! Du kannst wieder runterkommen!" sagte die Kleine.
„Dankeschön!" stammelte Anja heiser.
„Hast du dich erkältet?" fragte ihre Tochter besorgt.
„Nein, nein!" Sie räusperte den Frosch aus dem Hals. „Ich muss nur, ich muss nur, ich muss nur was trinken!" Endlich hatte sie das Wort gefunden, das sich irgendwo in der Watte versteckt hatte.
„Wir duschen dann mal!" verkündete Chiara und sprang die Treppen hinunter.
„Puh!" stöhnte Lukas. „Jetzt könnte ich einen Sprung in die Donau gebrauchen!"
Anja lachte: „Damit du danach wieder im Sterben liegst!"
„Das war schön, wie du mich gepflegt hast!" sagte er grinsend. „Ich war direkt enttäuscht, dass ich keine Lungenentzündung bekommen habe!"
„Du hast sowieso zwei Tage simuliert! Die Medikamente hatten schon längst gegen den meist tödlichen Männerschnupfen gewirkt!"
„Ha! Hast du mich durchschaut damals? Ich hätte schon noch länger deine Fürsorge genossen, aber meine Beherrschung war am Limit! Und ein sterbender Mann kann kaum sein Mädchen lieben!"
Sie gingen lachend die Treppe hinunter. Die Erregung war bei beiden etwas abgeklungen.
Die Kinder kamen gerade aus dem Bad. Die Erwachsenen duschten abwechselnd gleich danach. Anja machte ein paar Brote, sie setzten sich mit Kaffee und Milch auf die Sitzgruppe unter dem Apfelbaum.
Chiara plapperte ohne Punkt und Komma, wurde immer lauter.
„Pst, Chiara, leise reden! Du bist nicht alleine auf der Welt!" bat Florian.
Sie senkte ihre Stimme, hatte aber bald wieder die Mahnung ihres Bruders vergessen.
„Chiara! Nicht so laut!"
Sie wurde leiser, bald wieder lauter.
Da machte Florian das Time-Out-Zeichen.
Sie verstummte, als hätte man einen Stecker gezogen.
Lukas verschluckte sich an seinem Kaffee, während er die Szene beobachtete. Die beiden waren schon der Hammer!
„Danke, Florian, jetzt kommen wir wenigstens auch einmal zu Wort!" Anja strich ihrem Sohn über die Haare, der sie stolz anlächelte.
Kurz nachdem sein Vater gekommen war, hatte sie aufgemuckt gegen seine Erziehungsversuche, aber jetzt hatte er ihn wieder in Griff, den kleinen, süßen Wildfang!
„Also, wir müssten heute mal einen Großeinkauf machen, bevor wir noch verhungern hier heraußen! Fahren wir alle oder teilen wir uns wieder auf?" erklärte Anja.
„Wir fahren schon alle, oder?" bat Lukas. Es gab noch so viele Situationen im Familienleben, die er noch nie mitbekommen hatte.
„Okay, dann los!" Sie fuhren zu einem Großmarkt am Rand der Stadt, beluden einen Wagen mit allem, was ihnen in den Sinn kam. Gesunde Sachen, weniger gesunde Sachen, für Lukas einen Berg an Süßigkeiten, für Anja eher Salziges, für die Kinder Joghurt. Lukas schob noch eine Großpackung Kondome unter die Lebensmittel, wenn sie doch schon mal hier waren.
„Wer bekommt denn die ganzen süßen Sachen?" fragte Florian verwundert.
„Euer Papa! Der fällt manchmal in Unterzucker!" erklärte Anja und lächelte ihren hübschen Jungen an.
Das stimmte sogar. Immer wenn er sich sehr verausgabte, wurde ihm leicht schwummrig. Ein paar Schokoriegel brachten seine Form dann schnell wieder zurück!
„Kleines Biest! Sorgst du schon vor?" flüsterte er in ihr Ohr.
„Logo!"
Die anderen Kunden konnten den Blick nicht abwenden von der Bilderbuchfamilie. Ein großer, gutaussehender Mann, der seine schöne Frau festumschlungen hielt, sie immer wieder küsste und streichelte, die ihn anstrahlte, zwei wunderhübsche Kinder, die sich an den Händen hielten und leise miteinander sprachen, brav hinter den Eltern, deren Miniaturausgaben sie waren, hergingen.
„Wollt ihr euch was zum Lesen mitnehmen?" fragte Lukas.
„Au ja! Komm, Chiara!" rief Florian.
„Wie bist du eigentlich auf den Namen Chiara gekommen?" fragte Lukas.
„Keine Ahnung! Als ich erfuhr, dass es ein Pärchen wird, waren diese beiden Namen sofort in meinem Kopf! Ich habe weitergesucht, aber sie hingen fest!"
„Ich finde es nur so ulkig, weil ich Viertelitaliener bin, aber das wusstest du ja gar nicht!"
„Nein, jetzt im Ernst?" Anja war von den Socken.
„Ja, mein Großvater Luca war einer der ersten Gastarbeiter in Deutschland. Er fand hier seine Irene, sie bekamen meine Mutter und einen Sohn, Onkel Max."
„Jetzt wundert mich gar nichts mehr! Deine Augen, dein Feuer im Blut und deine soziale Ader!"
Er drückte sie lachend an sich. „Pass auf, was du sagst, Kleine!" warnte er.
„Warum?" tat sie unschuldig, „Deine Augen sind wunderschön! Und deine soziale Ader ist mir auch sehr wichtig!"
„Wichtiger als das Feuer im Blut?" fragte er flüsternd.
„Eine sehr schwere Frage, das heißt die Antwort auf diese Frage ist schwer!"
Plötzlich kreischte Chiara los wie eine Sirene. Lukas erschrak bis ins Mark, sah sich nach den Kindern um. Ein wildfremder Mann hatte Chiara auf dem Arm. Sie schrie wie am Spieß, patschte ihm ins Gesicht. Lukas riss das Kind an sich, Anja nahm es auf den Arm, kreidebleich. Lukas holte aus und versetzte dem Typen einen Kinnhaken, der ihn ausknockte.
Kunden waren angelaufen gekommen, als das Mädchen zu schreien begann, Personal versammelte sich um die Gruppe, einer hatte schon die Polizei gerufen.
Der Mann kam zu sich, sah die Menschenmenge um sich. „Ich wollte doch nur nett sein!" stammelte er. „Sie ist so hübsch!"
Lukas hatte Mordgedanken, wollte sich erneut auf den Mann stürzen. Andere Männer hielten ihn zurück. „Die Polizei ist schon unterwegs!" versprach der Marktleiter.
Lukas sah sich nach Florian um. Der stand vollkommen verunsichert neben den Zeitschriften.
Schnell nahm er ihn auf den Arm. „Alles gut, Junge, alles gut! Chiara hat alles richtig gemacht!"
Er ging zu Anja und der Kleinen, nahm sie beide in den Arm. „Brav Chiara! Das hast du sehr gut gemacht! Ich bin stolz auf dich!"
„Ich habe es genau gemacht, wie du gesagt hast: Schreien und Hauen! Zum Kratzen bin ich nicht mehr gekommen, da hast du ihn schon umgehauen!"
Anja musste lachen, obwohl sie noch am ganzen Leib zitterte, sah Lukas ein wenig verständnislos an.
Der erzählte ihr von seinem Gespräch mit den Kindern heute Morgen.
„Na, das war ja eine Punktlandung!" sagte sie erleichtert. Sie hatte schon auch ihren Kindern erklärt, dass niemand sie anfassen durfte, aber seine drastischen Worte hatten auf jeden Fall ihre Wirkung nicht verfehlt. Mittlerweile waren zwei Polizisten eingetroffen. Lukas fragte seine Tochter, die das Ganze am wenigsten zu beeindrucken schien: „Was hat der Mann denn zu dir gesagt?"
„So ein hübsches Püppchen! Willst du ein Eis haben? Dann hat Florian gesagt: Nein, wir wollen kein Eis, wir können uns schon selber ein Eis kaufen. Er soll weggehen! Dann hat er mich hochgehoben, und ich habe geschrien, weil ich das ja nicht wollte!"
Lukas küsste seine beiden Kinder ab, dann seine Anja, die sich langsam beruhigte. Er ließ Florian bei seiner Mutter, ging zu den Polizisten, um seine Aussage zu machen.
„Wir hatten in letzter Zeit schon ein paar Anzeigen, dass hier ein Mann kleine Mädchen belästigt, haben ihn aber nie fassen können!" berichtete der eine Polizist. „Das hat Ihre Kleine gut gemacht! Meistens erzählen die Kinder dann erst viel später ihren Eltern davon, dann haben wir es natürlich schwer, den Kerl zu kriegen!"
Die Familie versprach, aufs Revier zu kommen, sobald sie die Lebensmittel nach Hause gebracht hatten
Lukas gab seine Aussage zu Protokoll, bevor er zu dem Kinnhaken kommen konnte, berichtete Hauptwachtmeister Richter, dass fünf Zeugen übereinstimmend ausgesagt hätten, der Täter habe Lukas angegriffen, der sich daraufhin zur Wehr gesetzt hatte.
„Okay! Die werden es schon richtig gesehen haben!" stimmte Lukas zu. Die Personalien sorgten dann für etwas Konfusion. „Also, Dr. Lukas Sieber, Chiara Sieber."
„Chiara Berentz!" verbesserte Lukas.
„Aber Sie sind der Vater?"
„Er hat uns letzte Woche geschenkt bekommen!" Das vorlaute Mädchen konnte wieder seinen Mund nicht halten.
Die Beamten sahen Lukas fragend an.
„Also, ich bin der Vater, bin auch als solcher in der Geburtsurkunde eingetragen, Anja Berentz ist die Mutter, wir sind noch nicht verheiratet, deshalb heißen die Kinder wie sie."
„Und wieso geschenkt bekommen?" Den Beamten war schon einiges untergekommen in ihrem Berufsleben, sie wollten auf Nummer sicher gehen.
„Sorry! Das ist privat!"
„Herr Dr. Sieber, bei der Polizei ist nichts privat! Können Sie irgendwie belegen, dass sie der Vater sind?"
Lukas war relativ genervt. Wenn die kleine Plaudertasche nicht geplaudert hätte, wären sie schon auf dem Weg nach Hause!
„Nein! Normalerweise nehme ich das Stammbuch nicht zum Einkaufen mit!"
„Dann sehen wir mal im Melderegister nach! Welche Gemeinde?"
„Sinzing!"
Der Beamte suchte im Computer. „Aha, da haben wir es! Anja Berentz, Kinder Florian und Chiara Berentz, Vater Dr. Lukas Sieber, gemeldet seit gestern unter der Familienadresse, vorher Heidelberg.
Ausweise haben Sie beide dabei?"
„Ja, natürlich!"
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