Kapitel 48

Ein paar Mal waren sie am Donaustrand eingeschlafen, bei Sonnenaufgang aufgewacht, kein Problem!

Er hatte sie nach Hause gebracht, sie hatte geduscht, sie hatten gefrühstückt, wenn etwas im Kühlschrank zu finden war, wenn nicht, hatten sie an der Tankstelle einen Kaffee getrunken und ein Croissant gegessen, dann hatte er sie in die Schule gefahren.

Dort war sie dann ein paar Stunden die perfekte Lehrerin gewesen.
Wenn sie eigentlich Aufsätze korrigieren musste, hatte er sie in ein Flugzeug nach London geschleppt, kein Problem.

Sie hatte die Blätter einfach eingepackt und im Flugzeug korrigiert.
Er hatte sie immer mit irgendwelchen Unternehmungen überrascht, sie hatte nie auch nur eine Sekunde überlegt, hatte in die Hände geklatscht, gepackt und los ging es.
Daneben hatte sie aber ihre Arbeit so gut gemacht, dass sie die beste Beurteilung bekommen hatte.

„Chaos fördert die Kreativität!" zitierte Lukas sie heute, fünf Jahre später. Sie lächelte ihn verliebt an. Er hatte sich auch erinnert an diese beiden Jahre voller Chaos und Liebe, die partout keine sein sollte, und doch die größte war.
„Und meinst du nicht, dass das den Kindern schadet, dieses ungeregelte Leben?" wollte sie sich absichern.

„Nein, Süße, das glaube ich ganz und gar nicht! Wir sind ja keine Hippies, die sie von einem Event zum anderen zerren! Und es wird ja auch wieder ruhiger, wenn ich arbeiten muss! Aber die Zeit bis dahin dürfen wir schon alle zusammen ein bisschen chaotisch sein, oder? Brav und tüchtig waren wir jetzt lange genug!"

„Mit Worten hast du es schon immer drauf gehabt!" Anja war froh, dass er ihre Bedenken zerstreut hatte. „Und nicht nur mit Worten!"
„Lockst du mich schon wieder, kleiner Teufel?" fragte er mit glasigen Augen.
„Nein, nein! Ich muss deine Manneskraft schonen!"

Lukas bekam einen Lachanfall. „Das musst du bestimmt nicht, süße Anja! Mach dir da nur keine Sorgen!"
In diesem Augenblick kamen die Kinder herein. „Worüber soll sich Mama keine Sorgen machen?" fragte Chiara.

„Darüber, ob unsere süßen Kinder wohl Lust hätten, mit uns in den Biergarten zu gehen." wand sich Lukas heraus.
„Schon wieder?" wunderte sich die Kleine.
„Gibt es jetzt gar kein Zuhauseessen mehr?" fragte Florian überrascht.
„Irgendwann einmal schon wieder!" Lukas notierte sich im Geist die Bemerkung seines Sohnes.

„Schmeckt dir Mamas Essen nicht?" fragte Chiara, die das häufige Ausgehen schon mit Papas Wiederkommen in Zusammenhang brachte.
„Doch Mama kocht sehr gut, aber wir müssen doch das schöne Wetter ausnutzen!" versuchte Lukas seine Kinder zu überzeugen und zu beruhigen.

„Dann gehen wir jetzt so lange Essen, bis es wieder Winter ist?" fragte Florian. „Ich weiß nicht, ob ich so viel Geld im Sparschwein habe!"
„Ich habe ein ganz dickes Sparschwein mitgebracht!" versprach Lukas.
„Echt? Zeig es uns mal!" forderte Chiara.
Anja saß auf dem Stuhl, hielt sich den Bauch vor Lachen. Sie kannte ja die Endlosschleife, in die man geraten konnte, wenn man mit den beiden zu diskutieren anfing.

Lukas sah sie hilfesuchend an. „Oder kochen wir vielleicht doch einfach etwas?" meinte er.
Anja wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Also, los jetzt, umziehen, frisieren, Hände waschen, Ende der Diskussion!" Die beiden flitzten nach oben.

Aha! dachte Lukas . So geht das! Ende der Diskussion! Das musste er sich merken!
„Ich ziehe mir auch schnell eine Jeans an!" sagte Anja.
„Soll ich dir helfen?" fragte er und blinzelte sie an.

„Gut! Sperr schnell die Kinder in den Keller und komm!" Sie hüpfte die Treppe hinauf, musste innehalten, die Hand auf ihr Herz pressen, damit es nicht platzte vor Glück.
Eine Familie, die aus vier wunderschönen Menschen bestand, lief durch die Straßen des Dorfes zum Biergarten.

Sie sahen sich nach einem freien Tisch um, entdeckten Uschi und Christoph, die sich verliebt an den Händen hielten und anhimmelten.
Sie begrüßten die beiden, die sich sehr freuten. Christoph umarmte Lukas. „Schön, dass du wieder da bist!"

„Danke!" brachte Lukas nur hervor. Es tat so gut, von allen Seiten gesagt zu bekommen: Schön, dass du wieder da bist! Und keine Vorwürfe, dass er weg gewesen war. Aber alle wussten ja, dass er nicht gegangen war damals, sondern dass Anja ihn weggeschickt hatte!
Auch Uschi fiel ihm um den Hals. „Schön, dass sie ihren hübschen Jungen wieder hat!" flüsterte sie ihm zu.

Lukas beglückwünschte sie zu dem bevorstehenden freudigen Ereignis, Uschi war schon im fünften Monat, sie hatte nur noch nichts erzählt, aus Angst, etwas zu bereden.
Die Kinder gingen zu den Schaukeln, Lukas sah ihn eine Weile zu, sprang auf, ging zu ihnen.

„Nicht so wild, Chiara!" Er hatte panische Angst, sie könnte herunter fallen. Florian schwang gemächlich hin und her, aber sie überschlug sich fast! Wild wie die Mama, dachte er.
„Chiara, bitte, mach langsamer!"
„Die ist immer so verrückt! Auf der Dult heult sie jedes Mal, weil sie nicht in die großen Karussells darf!"

„Das hat sie von der Mama!"
„Ich weiß, wir waren oft da mit Sonja und Oliver! Die Mama fährt mit den ganzen wilden Sachen! Hoffentlich muss ich da nicht hinein, wenn ich groß bin!"

Lukas lachte. „Das habe ich auch gedacht, als ich mit der Mama das erste Mal auf einem Volksfest war! Aber man gewöhnt sich daran!"
„Chiara, komm jetzt bitte runter! Wir müssen doch essen bestellen!"

„Na gut!" meinte die Kleine. „Fang mich!" und ließ sich in vollem Schwung von der Schaukel in seine Arme fallen, die er gerade noch hochbekam. Er bekam den Schreck seines Lebens!

„Mach das nie wieder!" schimpfte er laut. Sie verzog das Gesicht zum Heulen. Florian kam, streichelte seine kleine Schwester. „Nicht weinen! Der Papa ist doch nicht böse auf dich! Der hat nur Angst gehabt, dass dir etwas passiert! Das musst du erst üben mit ihm!"

Vorsichtig sah sie ihren Papa an. Er lächelte sie entschuldigend an. „Ich bin furchtbar erschrocken, Chiara! Ich wollte dich nicht anschreien!"
Die neben den Schaukeln sitzenden Gäste beobachteten die Szene. Mein Gott, waren die drei süß miteinander!

Lukas nahm seine Kinder an der Hand, ging zu den anderen zurück. Anja hatte auch alles mitgekriegt.
„Bei der brauchst du starke Nerven!" sagte sie lächelnd.
„Das scheint bei den Frauen in dieser Familie so zu sein!" antwortete er. Er nahm sie in den Arm, sein Herz klopfte noch immer schnell.
Dann bestellten sie Brotzeiten. „Ich komme gar nicht mehr zum Kochen!" sagte Anja leise zu Uschi.

„Ich glaube, da gibt es Schlimmeres!" lachte die Kollegin. Nach dem Essen spielten die beiden Kinder wieder Schnick-Schnack-Schnuck, redeten leise, lachten leise. Sie wussten von ihrer Mama, dass man bei anderen Leuten nicht so laut sein durfte.
Uschi sah ihnen eine Weile zu. „Ob unseres auch so brav wird?"

„Natürlich! Bei so braven Eltern!"
Lukas und Christoph unterhielten sich über Lukas' Stelle, seine Zukunftspläne.
„Sei froh, dass du die Praxis deiner Eltern übernehmen kannst! So ein Krankenhaus ist eine Tretmühle!"

Lukas wusste schon , dass er sehr privilegiert war. Ihm war zeitlebens alles in den Schoß gefallen! Nur an der Liebe seines Lebens hätte er sich beinahe die Zähne ausgebissen! Und dann wären alle Privilegien sinnlos gewesen!
„Christoph, ich bin dir sehr dankbar, dass du dich so um Anja gekümmert hast!" sagte Lukas beim Abschied.

„Du kannst dich ja revanchieren, wenn unser Nachwuchs da ist!" lachte der Frauenarzt.
„Na, ich hoffe, ihr braucht mich nicht wirklich, außer zum Impfen und zu den Vorsorgeuntersuchungen!"

Sie trugen ihre müden Zwillinge nach Hause. Als Anja zu keuchen begann, nahm Lukas beide auf die Arme. „Gut, dass meine Armmuskeln zur Zeit so gut trainiert sind!" lachte er.
Anja verstand erst nicht, doch plötzlich fiel der Groschen. Sie grinste ihn frech an. „Du meinst, gut dass du so wissbegierig bist?"

„Yep!" sagte er nur. Zu Hause duschten sie ihre zwei noch schnell und legten sie in ihre Betten. Augenblicklich schliefen die beiden ein. Die Eltern hielten sich an den Händen, sprachlos vor Glück. „Ich dusche auch noch schnell!" flüsterte Anja.
„Ja, ich dann auch nach dir!"

Seltsamerweise waren sie nie im Badezimmer zusammen, unausgesprochen akzeptierten sie gegenseitig diese Intimsphäre des anderen.
„Kann ich mir nachher die Zeichnungen in der Mappe ansehen?" fragte sie.
Er holte die Bilder, schrieb einstweilen ein paar Sprüche seiner Kinder in seine Kladde.

Als sie zurückkam, duftete sie wie die Sünde.
Teufelchen! dachte er. Na, hoffentlich reichen die Kondome dieses Wochenende!
Er ging auch schnell ins Bad. Okay! dachte er. Gut duften kann ich auch!

Sie hatte das Band entknotet, sah die Bilder durch, war wieder einmal verblüfft, wie gut er sie getroffen hatte.
Er setzte sich neben sie. „Warum sind da diese Löcher, wie von Reißzwecken?" fragte sie leicht benebelt von seinem Duft.

Lukas lachte. „Weil ich mein Zimmer in Heidelberg damit tapeziert hatte!"
„Und wenn - wenn Besuch kam, hast du sie schnell jedes Mal abgenommen?" Sie wollte diese Frage nicht stellen, sie blieb ihr auch fast im Hals stecken.

Lukas nahm sie in den Arm. „In meinen Wohnungen hatte ich nie wieder Besuch nach dir!" Das musste als Antwort genügen, und das tat es auch.
Hinter der letzten Zeichnung tauchte ein Notenheft auf.


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