Kapitel 47
Sie setzten sich mit den Kindern an den Tisch. „Also, Mäuse! Hättet ihr Lust, mit mir und meiner Klasse zwei Wochen in den Bayerischen Wald zu fahren? Ihr müsstet halt vormittags mit in den Unterricht und brav sein, nachmittags gehen wir dann wandern oder ins Schwimmbad, wir basteln, machen Lagerfeuer und solche Sachen!"
„Und Papa?" fragte Florian vorsichtig.
„Ich muss ja im Krankenhaus arbeiten, oft auch in der Nacht, ich hätte keine Zeit für meine zwei Süßen!" antwortete er.
„Aber, du bist noch da, wenn wir wiederkommen?" Sein Sohn sah ihn ernst an.
„Natürlich, mein Schatz! Ich habe euch doch versprochen, dass ich nie mehr weggehe! Nur in die Arbeit, aber da komme ich doch immer wieder nach Hause!"
„Und du bist nicht böse, wenn wir dich alleine lassen, und alle drei wegfahren?" Der Kleine war immer noch sehr ängstlich, was seinen Papa betraf.
„Nein, Florian, böse bin ich natürlich nicht! Das muss ja sein, dass die Mama dahin fährt! Manche Dinge müssen einfach sein, die müssen Erwachsene machen, weil sie es versprochen haben!"
Florian dachte nach. „Und du hast versprochen, immer hier zu bleiben! Darum musst du das auch machen!"
„Genau! Siehst du, genauso ist es!"
„Gut! Dann fahren wir mit! Oder Chiara?"
Sie nahm ihren Bruder in den Arm. „Jawollja! Dann fahren wir mit Mama mit, weil Papa ja da ist, wenn wir wiederkommen!"
Alle nahmen sich in den Arm, weil sie sicher sein konnten, dass nie mehr einer von ihnen weggehen würde, ohne wiederzukommen.
Die Kinder liefen in den Garten. Lukas sah den beiden nach. „Also, manchmal vergisst man schon, dass die beiden erst viereinhalb sind! Unglaublich, wie schlau die Kleinen sind! Wie sie sich ausdrücken können, welche Gedanken sie haben! Das hast du echt toll gemacht, Anja! Da habe ich echt höchsten Respekt vor dir!"
„Danke!" Sie wehrte sein Kompliment nicht ab, es war ihr auch nicht peinlich. Sie wusste, diese beiden hatte sie gut hingekriegt! „Aber sie haben natürlich auch tolle Gene!"
„Ja, von dir vielleicht!" sagte Lukas lächelnd.
„Ah ah ah! Stop fishing, Herr Dr. med. summa cum laude mit Prädikat und Veröffentlichung!
Mein hübscher Junge, dem die Damenwelt zu Füßen lag und liegt! Mein Charmebolzen, den alle lieben, die das Glück haben, ihn kennen zu lernen!"
Sie himmelte ihn an.
„War's das schon mit den Komplimenten?" Er lächelte sie sehr, sehr verliebt an.
„Also in Bezug auf Gene, die die Kinder von dir haben, schon! Aber auf einem anderen Gebiet hätte ich schon noch eine Reihe auf Lager!" Ihre Stimme klang verheißungsvoll, ihre Augen sahen ihn verheißungsvoll an.
„Aber das wäre jetzt sicher zu gefährlich, mir diese Komplimente zu machen?"
„O ja! Das wäre viiiiel zu gefährlich!"
Er küsste sie heiß, hungrig, und das war eigentlich noch gefährlicher!
In diesem Moment läutete es an der Türe. „Dankeschön für die Rettung, wer immer es auch ist!" stöhnte Lukas.
Anja öffnete mit glasigen Augen.
Es war Peter. „Komm rein!"
Ihr Ex erkannte die Erregung in ihren Augen, sein Herz zog sich schmerzhalt zusammen. So hatte sie während ihrer gemeinsamen Zeit nie ausgesehen!
Im Wohnzimmer traf er auf Lukas. „Hallo, Lukas! Ich wollte nicht stören! Aber wie macht ihr es jetzt mit den Kindern, wenn du ins Schullandheim fährst? Soll ich sie nehmen?"
„Nein, danke, Anja nimmt sie mit!" Lukas hielt sich bedeckt, sie konnten ihre familiären Angelegenheiten schon selbst lösen!
„Ah, das ist eine gute Idee!" Er stand noch ein bisschen hilflos in seinem ehemaligen Haus herum. „Könnte ich, ich meine, könnte ich sie vielleicht eine Stunde mit zum Spielplatz nehmen?"
„Natürlich!" Sie rief die beiden. Die Kinder flogen in die Arme ihres „Onkels". Freudig gingen sie mit ihm.
Anja sah Lukas vorsichtig an. „Ist es okay für dich?"
„Ja, ist schon okay!" sagte er, obwohl es in ihm schwer rumorte. Gut, er war Teil des Lebens seiner Kinder, er war Anja beigestanden, als sie allein mit zwei Kindern war, aber er wollte nicht so sehr an die Uneigennützigkeit des Ganzen glauben!
Seltsamer Weise spürte Anja nichts von seiner inneren Abwehr. Sie hatte nur einen Gedanken: Eine Stunde kinderfrei!
„Und, wollen wir ein bisschen kniffeln?" fragte sie lächelnd.
Er grinste sie spitzbübisch an, seine Bernsteinaugen leuchteten. Sie schmiegte sich an ihn, strahlte ihn mit ihren Saphiraugen an.
„Weißt du Anja, gegen eine Stunde im Bett mit so einem hübschen Mädchen hätte ich nichts einzuwenden!"
Wortlos führte er sie ins Schlafzimmer, auf vielen Stufen hielten sie an, küssten sich heiß, zärtlich, leidenschaftlich, vorsichtig, hungrig. „Wenn du jetzt nicht mit mir schläfst, überlebe ich das nicht!" flüsterte er.
Und nur, um sein Leben nicht zu gefährden, sank Anja mit ihm in das Bett, das ihr vor fünf Jahren schon den Himmel auf Erden beschert hatte. Sie flogen auf Wolke sieben, und beide waren froh, dass ihnen Wolke 4 oder 5 nie genügt hatte.
Peter blieb lieber zwei Stunden mit den beiden Kindern auf dem Spielplatz. So, wie Anja und Lukas ausgesehen hatten, hätten sie gegen eine Zusatzstunde kinderfrei sicher keine Einwände. So konnte er sich vielleicht ein bisschen unentbehrlich bei beiden machen!
Er wusste, dass er Fehler gemacht hatte, hatte sie klein halten wollen, weil er eine so starke kluge Frau, wie die, die aus dem bildhübschen Mädchen geworden war, sicher nur schwer halten hätte können! Dann dieses blöde Verhältnis, von dem sie nie hätte erfahren sollen! Aber er hatte in den letzten Jahren alles für sie getan!
Auch im Bett hatte er ihr wohl damals nicht geben können, was sie wollte, brauchte! Er hatte durch die Frauen, die nach ihr kamen, viel dazugelernt über die Bedürfnisse von Frauen. Hatte verstanden, wie unerfahren er mit 17 und die Jahre danach war.
Hatte begriffen, dass er ihre Signale nie richtig verstanden hatte. Aber sein Herz hatte ihr sehr lange gehört. Als er sich entschlossen hatte , die andere zu verlassen, zu ihr zurückzukommen, mit ihr neu anzufangen, war es zu spät. Da hatte sie gerade Lukas kennengelernt.
Und sie hatte die Kinder bekommen, die er sehr gern hatte. Er würde weiter in Anjas Leben bleiben, würde da sein, wenn Lukas genug von Familie haben würde! Wenn Lukas erst wieder weg wäre, würde er sie wieder trösten, und dann würde sie verstehen, was wirklich zählte!
Florian und Chiara suchten unten nach ihren Eltern.
„Mama! Papa! Wir sind wieder da!" rief Chiara.
„Hallo! Eltern! Wo seid ihr?" rief Florian.
Die beiden Alt- und Frischverliebten hörten die Kinder zwar, konnten im Moment aber nicht antworten, erst ein paar Minuten später schaffte es Anja, aus dem Bett zu kommen, in ihre Kleider zu steigen und die Treppe hinunter zu taumeln. Nach der letzten Stufe fing Peter sie auf, er hatte die Kleinen davon abgehalten, nach oben zu stürmen.
Na, da hatten zwei Stunden wohl noch nicht gereicht, ein Gedanke, der in seiner Seele zwickte.
Anja hatte ihm in den fünf Jahren stundenlang von Lukas erzählt, all die kleinen und großen Liebesbeweise geschildert, viele Tränen über ihre eigene Dummheit vergossen, aber auch immer wieder von der Hoffnung gesprochen, dass er vielleicht zurückkommen würde.
Er hatte zugehört, immer wieder, hatte versucht ihr klar zu machen, dass kein so gutaussehender junger Mann so lange auf eine Frau warten könnte, dass er sie längst vergessen hatte.
Dass sie ihn vergessen müsste!
„Hoppala!" sagte er bemüht lächelnd zu seiner Exfrau. „Noch ein bisschen wackelig?"
Sie grinste ihn an. „Danke für die beiden Stunden!" flüsterte sie
Er verbeugte sich galant. „Immer wieder gerne!" sagte er und erstickte fast an den Worten.
Die Kinder liefen zu ihrer Mutter, erzählten beide gleichzeitig von den Erlebnissen auf dem Spielplatz.
Plötzlich hielten sie inne, sahen ihre Mutter besorgt an. „Bist du krank, Mama?" fragte Florian.
Ja! dachte sie. Schwer krank! Schwer liebeskrank!
„Nein!" sagte sie. „Wir haben uns nur ein wenig hingelegt und sind eingeschlafen!"
„Schon wieder?" fragte Chiara. „Bevor Papa gekommen ist, hast du nie am Nachmittag geschlafen!"
„Das kommt bestimmt davon, weil Papa sie immer so viel fragen muss!" stellte Florian fest.
„Genau, weil er so wiss...Wie heißt das Wort? Wissbegierig ist!" bestätigte Chiara.
Lukas hörte oben der Unterhaltung zu, biss sich auf die Fingerknöchel, um den Lachanfall zu unterdrücken, der sein Zwerchfell kitzelte. Er stieg noch einen Stock höher. Irgendwo hatte er noch eine leere Kladde. Er musste einmal all die Sprüche aufschreiben, die seine Kinder so vom Stapel ließen.
Er ging hinunter. Anja sah das leere Heft in seiner Hand. „Ist das für die Adjektive?" fragte sie.
Lachend nahm er sie in den Arm. „Nein, da vertraue ich schon auf deinen Einfallsreichtum! Das ist für die Sprüche der beiden wunderbarsten Kinder der Welt!"
Als Peter gegangen war, stand Anja mit einem Anflug von Verzweiflung vor dem Kühlschrank. Lukas sah sie fragend an. „Ich habe schon wieder nicht an ein Abendessen gedacht!" stöhnte sie. „In dieser Woche habe ich genau zweimal gekocht!"
„Na ja! Im Vergleich zu früher aber eine Mordsrate!"
„Ja, früher konnte ich ja nicht kochen!"
Lukas zog ein Unterlid mit dem Finger nach unten, grinste sie an. Das hatte er früher auch immer gemacht. „Du kannst mir viel erzählen! Du glaubst doch nicht, dass ich dir das abnehme!" hatte das bedeutet. Vor allem, wenn sie nach einer heißen Liebesnacht erzählt hatte, dass sie nicht zusammenpassten, dass sie ihn nicht liebte, dass er ihr nur gut tat.
Sie sah ihn erstaunt an. „Du hast es gewusst?"
„Yep!" sagte er lächelnd. „Sonja hat mal ziemlich am Anfang so eine Bemerkung gemacht, dass deine Kochkünste legendär seien in der Familie!"
Sie war baff! „Und warum hast du nie etwas gesagt?"
„Weil ich kein Hausmütterchen wollte, das mich betütelt und bekocht! Weil ich nicht zum Essen zu dir kommen wollte, sondern, um dich zu lieben, mit dir zu reden, zu lachen, zu leben! Um nichts auf der Welt wollte ich ein Bratkartoffelverhältnis mit dir haben!"
Sie konnte ihn nur wortlos in den Arm nehmen, ihn, der dachte wie sie, fühlte wie sie, liebte wie sie – und der das, wie sie, auch schon immer getan hatte!
„Genau aus diesem Grund habe ich behauptet, dass ich nicht kochen kann!"
„Das war mir schon klar! Und ich habe es großartig von dir gefunden, dass du gedacht hast wie ich! Und vor allem sehr beruhigend! Denn für gute Freunde könnte man ja ruhig kochen, oder?"
Sie sah ihn wieder einmal verwundert an. „Du hast in mir gelesen wie in einem Buch, oder?"
„Manchmal! Wenn du es zugelassen hast! Manchmal habe ich deine Sprache aber auch nicht recht verstanden!"
Sie schmunzelte ihn an. „Manchmal habe ich meine Sprache selbst nicht verstanden!"
Er nahm sie in den Arm. „Aber im Großen und Ganzen haben wir uns sehr gut verstanden oder?"
„O ja! Das haben wir!"
Er küsste sie vorsichtig, liebevoll.
„Und jetzt? Was essen wir jetzt?" fragte sie einige Zeit später.
„Gehen wir eben noch einmal in den Biergarten! Früher waren wir auch fast täglich dort!" schlug er vor.
„Ich habe immer alles perfekt in Griff gehabt in den letzten Jahren! Einkaufen, gesunde Sachen kochen, geregelter Tagesablauf für die Kinder, Konsequenz in allen Bereichen. Irgendwie habe ich es gebraucht, um alles durchzuhalten! Aber jetzt ist alles ein bisschen chaotisch!" stellte sie fest. „Und ich finde Chaos wunderbar!"
Er drückte sie noch fester an sich. Ja, Chaos hatte sie wunderbar gefunden, immer schon, seine erfolgreiche Lehrerin. Chaos hatte er in ihr Leben gebracht, und sie hatte alle seine Verrücktheiten mitgemacht.
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