Kapitel 38
Gleich am nächsten Morgen stellte Anja den Antrag auf Beurlaubung. Der Chef bedauerte zwar, dass er die Kollegin für ein Jahr verlieren wurde, verstand aber auch ihre Beweggründe. Kinder gingen vor, und die Liebe wahrscheinlich auch. Finanziell schien es auch an nichts zu fehlen, noch dazu da ein Arzt als Ehemann in Sicht war.
Sie meldete dann gleich auch noch ihre Kinder telefonisch in der Grundschule an, die Papiere würde sie dann vorbeibringen. Jetzt hatte sie den Kopf wieder frei für ihre Klasse, oder zumindest fast frei. Ein paar braune Augen tauchten schon immer wieder plötzlich im Mathebuch auf, ein paar Mal musste sie schon tief durchatmen, wenn sie an die letzte Nacht dachte.
Uschi nahm sie in der Pause in den Arm. „Sag mal, Anja, du wirst jeden Tag jünger und hübscher! Wie machst du das bloß?"
„Das macht mein hübscher Junge!"
„Mit dem du jetzt endlich eine Beziehung hast?" Sie und ihr Mann hatten sich immer kringelig gelacht, wenn Anja behauptet hatte, sie seien kein Paar, nur Freunde. Dabei hatte ihnen die Liebe zueinander förmlich aus den Augen geleuchtet!
Sie waren so süß gewesen, die beiden, der Junge mit den immer etwas zu langen Haaren und dem hübschen Gesicht, dem Ohrring, dem schelmischen Grinsen, dem Schalk in den Augen, den flippigen Klamotten, aber auch sehr intelligent, sehr schlagfertig!
Die schöne Anja, die aufblühte, strahlte an seiner Seite, mit ihm lachte, ständig Händchen hielt, plötzlich durchs Leben tanzte, aber natürlich jegliches Verliebtsein weit von sich wies!
„Ja, jetzt haben wir eine Beziehung! Damals waren wir nur Freunde!" sagte sie lachend über ihre damalige Sturheit.
Da sah Uschi die Ringe. „Ah, ihr seid schon verlobt! Na dieses Mal macht er wohl Nägel mit Köpfen!" Anja nahm die Freundin in den Arm. „Du, Uschi? Nächstes Schuljahr bin ich nicht da! Ich lasse mich beurlauben!"
Uschi lachte: „Ich auch nicht! Ich bin schwanger!"
Die Meldung haute Anja fast um. Die Freundin und Christoph waren seit zehn Jahren verheiratet, und bisher hatte es einfach nicht klappen wollen mit einem Kind! Sie tanzte mit Uschi durch die Halle. „Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz! Ich freue mich so!"
Lukas freute sich mittags genau so sehr. Er hatte die beiden immer gemocht. Mit ihnen konnte man lachen, aber auch ernsthafte Diskussionen und Gespräche führen. Außerdem war Anja in ihrer Gesellschaft immer sehr offen verliebt in ihn, fast so als wären sie in diesen paar Stunden wirklich ein Paar.
Zu Hause sprachen sie mit den Kindern über die Schule.
„Also, Mäuse: Papa und ich haben entschieden, dass ihr ab Herbst in die Schule bei uns geht, weil ich nächstes Jahr zu Hause bleiben werde."
„Supi!"freute sich Chiara. „Dann haben wir alle unsere Freunde in der Klasse!"
„Aber nicht, dass du sie alle heiraten willst!" warnte Florian.
„Pah! Die sind mir doch alle zu jung!"
Lukas und Anja bekamen einen Lachanfall. „Vielleicht kommt diese Tochter doch nach dir?" japste Lukas. Sie fielen sich in die Arme, schnappten nach Luft.
„War das gut?" fragte Chiara, stolz auf den Witz, der ihre Eltern so zum Lachen gebracht hatte. Die beiden sahen sich ungläubig an, prusteten erneut los.
„Ja, meine Süße, das war sehr gut!" Lukas fuhr seiner Tochter übers Haar.
Dann machten sie Brotzeit. Lukas hatte schon alles hergerichtet, die fertigen Brote standen im Kühlschrank bereit.
„Hei, Papa, du bist ja echt zu gebrauchen!" Florian taute immer mehr auf.
„Da bin ich aber froh, mein Sohn!" lachte der über den eher introvertierten Jungen. Nach dem Essen fragte Chiara: „Mama, kriegen wir ein Eis?"
„Ja, ausnahmsweise!"
„Manno! Du musst nein sagen!"
Anja sah sie verständnislos an. Lukas bekam schon wieder einen Lachanfall und erzählte ihr von seinem Handel mit den Kindern gestern.
„Also, ich habe nachdacht! Ihr habt gestern bestimmt viel Süßes gegessen! Dann lieber heute kein Eis!" Anja spielte das Spiel mit.
„Papa, bitte!" schmachtete die Tochter den Vater an.
„Ich hole euch gleich eines!"
„Also, Lukas, das finde ich jetzt gar nicht gut!" Anja sah ihn übertrieben böse an. Die Kinder lachten sich kringelig.
„Wenn meine Kinder ein Eis wollen, bekommen sie auch eines!" Er grinste sie an, legte das Eis vor die beiden. „Dafür kriegt Mama einen Kuss! Dann schaut sie auch wieder lieb!"
Und er behielt Recht.
Die Kinder gingen in den Garten. „Könnten wir heute mal in meine Wohnung fahren, Süße? Ich müsste mal langsam anfangen, meine Bücher und den anderen Kram zu holen!" schlug Lukas vor.
„O ja! Ich möchte gerne wieder einmal in deine Wohnung!" Anja war Feuer und Flamme. „Nachdem wir gestern so ausführlich die erste Nacht analysiert haben!"
Er grinste sie an, streichelte ihr Gesicht. „Erinnerungen auffrischen?"
„Na, wir hatten schon schöne Tage und Nächte dort, oder?" Sie sah ihn verträumt an. „Das war ja meistens nach einem Ball oder nach dem Kino oder einer Fete oder der Disco! Da waren wir immer ganz schön angeheizt!" Lukas lachte.
„Rede lieber nicht so, Mädchen!" Er küsste sie vorsichtig. „War schon eine schöne verrückte Zeit! Ich musste mir immer irgendeinen Grund ausdenken, um dich zu mir zu locken, wenigstens am Anfang!"
„Jetzt hängen wir schon wieder in der Erinnerungsschleife fest!" Sie lächelte ihn an. „Es scheint, als hätten wir da noch eine Menge aufzuarbeiten!"
Er zog sie vorsichtig an sich. „Aber erinnern ist auch schön!"
Die Kinder kamen herein.
„Jetzt pappen die schon wieder zusammen!" beschwerte sich Chiara.
„Sei nicht so frech!" schimpfte Florian mit ihr. „Sonst musst du wieder einmal in die Ecke!"
„Pah! Du hast mir gar nichts mehr zu sagen! Ich habe jetzt einen Papa, der ist der Mann im Haus!"
Florian lachte mit den Eltern. Er setzte sich auf Papas Schoß, umarmte ihn: „Ich bin froh, dass du da bist! Ich werde nicht mehr fertig mit ihr!" Er grinste seinen Vater glücklich an, ließ sich bereitwillig abküssen. Er war als Kind auch so gewesen. Es hatte ihn nicht gestört, wenn er abgeküsst wurde, und wenn ihn Anja abküsste, störte es ihn auch heute noch nicht.
„Also, fahren wir?" schlug er schließlich vor.
„Wohin?" fragte Chiara.
„In Papas Wohnung!" erklärte Anja.
Die Kinder erstarrten, sahen ihren Vater erschreckt an. „Bleibst du dann wieder dort?" fragte Florian.
Lukas schossen wieder die Tränen in die Augen. Er nahm sie beide fest in den Arm: „Nein, meine Süßen! Ich muss nur noch etwas holen!"
Ganz überzeugt waren die Kleinen noch nicht, gingen still zu seinem Auto. Anja erklärte ihnen auf der Fahrt noch einmal genau, warum sie in die Stadt fahren müssten.
„Schaut, der Papa fängt doch in ein paar Wochen im Krankenhaus an zu arbeiten! Da braucht er noch seine Bücher, okay?"
Langsam fassten die zwei wieder Vertrauen in die Worte der Erwachsenen.
„Und wer bringt uns dann in den Kindergarten, wenn Papa auch arbeitet?" wollte Florian wissen.
„Da müssen wir sehen, wann ich Dienst habe! Entweder die Mama oder ich."
„Oder der Onkel Peter! Der war auch schon lange nicht mehr da!" stellte Chiara fest.
Anja zuckte ein wenig zusammen, sah Lukas von der Seite an. Der lächelte beruhigend. „Oder der Onkel Peter, genau! Da müssen wir ihn halt fragen!"
Er drückte Anjas Hand. Alles ist gut ist! hieß das. Ich weiß, dass ihn die Kinder brauchen in ihrem Leben!
Sie drückte seine Hand. Danke, dass du verstehst! hieß das.
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