Kapitel 36
Endlich gelang es ihm, seine Gefühle einigermaßen in Griff zu bekommen.
„Gestern an der Donau trafen mich plötzlich wie der Blitz diese Gedanken, ähnlich wie du sie jetzt geschilderst hast! Und ich hatte das Gefühl, endlich verstanden zu haben! Aber damals war ich wohl doch noch zu sehr der Junge, um zu verstehen! Zu wenig Mann, um zu begreifen, dein Leben vor mir zu begreifen!"
Er trank sein Glas leer.
„Ich bin nie verletzt worden wie du! Für mich schien alles so einfach: Ein Mann liebt eine Frau und sie liebt ihn! Von Ängsten hatte ich einfach keine Ahnung! Die habe ich erst in der Zeit mit dir kennengelernt! Ich habe ständig damit gerechnet, dass du jemanden findest, der besser passt. Ich habe schon auch versucht, eine andere zu finden, aber ich habe einfach nichts gefühlt, ich konnte mich nicht mehr verlieben!"
Er bog seinen Kopf zu ihr, um sie wenigstens auf die Wange zu küssen.
„Aber heute brauchen wir ja keine Angst vor dem Verlieren mehr zu haben, oder, Liebe meines Lebens?"
„Nein Lukas! Nie wieder müssen wir diese Angst haben!" Sie drückte seine Hand.
„Und wie war es bei dir? Wann hat sich das Gefühl: Sie ist zu alt für mich! in etwas anderes umgewandelt?"
Okay, dachte Lukas, das ist nur fair! Sie hatte ihm ihr Innerstes offenbart, dann durfte sie auch eine Antwort von ihm einfordern.
„Eigentlich auch bei diesem Spaziergang durch die Stadt. Oder schon vorher? Im Alex wollte ich zwar vernünftig sein, es schien ja wirklich nicht zu passen mit uns, aber ich konnte deine Hand nicht loslassen, mich nicht von deinen wunderschönen Augen lösen. Als ich dann gesagt habe: Laufen wir noch ein paar Schritte? habe ich mich gewundert, warum ich das gefragt hatte! Aber ich wollte die schöne Anja noch nicht gehen lassen, wollte sie näher kennenlernen. Auf dem Weg durch die Stadt fand ich dich einfach süß. Dein Humor, deine Schlagfertigkeit, deine offensichtliche Intelligenz bei den Wortspielereien, dein Lachen, deine Stimme, dein Lächeln, deine Schönheit natürlich auch! Da war schon eine große Portion Verliebtheit im Spiel! Und ich dachte: Pfeif doch auf die Jahre, Lukas, sie ist zuckersüß, sie ist erregend schön, sie ist humorvoll, intelligent, sie ist perfekt! Aber wie krieg ich eine solche Frau in mein Bett?"
Er trank ihr Glas leer. „Sorry, aber so denken Männer nun mal! Und nach dem ersten Mal war ich fix und alle! So etwas hatte ich noch nie erlebt: Diese Hingabe, diese Ruhe, mit der du meine Zärtlichkeiten angenommen hast, die Zeit, die du mir geschenkt hast, deinen Körper zu genießen, das Gefühl, deinen Körper genießen zu wollen, immer und immer wieder! Nach dieser ersten Nacht war ich verloren, habe ich dich geliebt, wirklich geliebt, Anja! Aber, ich habe keine Zukunft gesehen für mich bei dir! Was solltest du von mir wollen, eine Frau wie du? Und es ging mir wirklich nicht nur um Sex, als ich abends bei dir angerufen habe. Es ging mir ums Lachen, ums Reden, ums Wohlfühlen zusammen, ums Freunde werden!"
Sie drehte sich um, lag auf ihm, küsste ihn unendlich zärtlich. Sie wussten beide, es war alles gesagt zur Vergangenheit. Sie waren beide erwachsen geworden in der Liebe, ihre Liebe war mit ihnen erwachsen geworden.
Sie hatten vieles richtig gemacht in ihren wunderbaren zwei Jahren, sie hatten manche Fehler gemacht, aber nur, weil sie es nicht besser wussten, weil einfach Manches zu neu für sie war, weil sie beide noch lernen mussten, was die Liebe anging, damals!
Aber damals war fünf Jahre her, damals hatte ihnen zwei wunderbare Kinder beschert, damals hatte den Grundstock für ihr heutiges Glück gelegt.
„Jetzt hätte ich direkt das Bedürfnis zu rauchen! Und ich habe schon Jahre nicht mehr geraucht! Aber dieser Seelenstriptease hat schon Kraft gekostet!" Anja sah ihn lächelnd an.
Lukas stand auf, ging zur Garderobe, kam mit einer Schachtel Zigaretten zurück.
„Du rauchst?" Anja war überrascht, sie hatte ihn noch nie mit einer Zigarette gesehen.
„Manchmal, wenn die Gefühle mich überwältigen!" sagte er lächelnd.
Sie gingen auf die Terrasse, Lukas hatte ihre Gläser nochmals gefüllt.
Sie standen unter dem Sternenhimmel, rauchten und tranken Rotwein, wurden ruhig, waren überglücklich, waren angekommen in der Gegenwart, konnten die Ängste der Vergangenheit hinter sich lassen. Doch die wundervollen Momente der Vergangenheit nahmen sie mit sich, und das waren sehr viele!
Als sie wieder im Zimmer waren, zog Lukas sie liebevoll in die Arme und begann leise zu singen: „Please forgive me, i can't stop loving you" und sie sang mit, dieses Mal ohne Tränen, die sie so oft vor seinem Bild vergossen hatte.
Lukas schaltete das Radio ein, suchte einen ruhigen Sender, drehte sich weiter mit ihr zur Musik, genoss die Ruhe in ihm.
„Danke, Anja!" sagte er nach einer Weile. „Danke, dass du sie bekommen hast, meine wundervollen Kinder! Hast du je daran gedacht, am Anfang meine ich...?" Er konnte es nicht aussprechen.
„Abzutreiben? Nein, Lukas, nicht ernsthaft! Als du weg warst, habe ich kurz mit dem Gedanken gespielt, mir die Pille für danach zu besorgen, ich wusste ja, wie kritisch der Zeitpunkt war. Aber dann habe ich mir gedacht: Soll es kommen, wie es kommt! Nach dem Test wusste ich nicht recht, ob ich Panik bekommen oder mich freuen sollte. Aber als Christoph mir sagte, dass es zwei werden, war alles entschieden! Ich hätte niemals zwei Kinder von dir umbringen können!"
Die Tränen liefen ihm wieder einmal über die Wangen.
Sie wischte sie mit dem Daumen fort. „Bei den Kassetten ist auch mein Babytagebuch, das kannst du einmal lesen, dann weißt du, was ich gefühlt habe damals!"
Eine lange Zeit schwiegen sie, tanzten ruhig weiter. Dann musste Lukas noch eine Frage stellen: „Wenn ich diese dummen Worte nicht gesagt hätte, da auf dem Sofa, wenn ich gesagt hätte: Ich würde mich freuen oder so ähnlich, hättest du mir dann Bescheid gegeben, dass du schwanger bist?"
„Nein, Lukas! Hast du gedacht, ich wollte dich bestrafen für eine im Abschiedsschmerz gesagte Bemerkung?
Es hat es mir ein bisschen leichter gemacht, das schon, aber es war nicht der Hauptgrund , was du gesagt hast! Der Hauptgrund war, dass du deinen Weg gehen musstest, dass ich nicht schuld sein wollte, wenn du irgendwann einmal etwas bereut hättest!"
„Und wenn du nicht schwanger gewesen wärst, hättest du mich hereingelassen, als ich vor deiner Türe stand?"
„Puh! Du willst aber heute viele Antworten! Beim ersten Mal wahrscheinlich nicht! Aber beim zweiten oder dritten Mal schon, glaube ich! Da hätte mir dann wahrscheinlich der Grund gefehlt, nicht aufzumachen! Und auch die Kraft!"
Und dann rutschte Lukas die Frage heraus, die er eigentlich nie stellen wollte, aus Angst vor ihrer Antwort und auch einer Gegenfrage.
„Hat es einen anderen Mann gegeben in diesen fünf Jahren?"
„Nein, Lukas! Ich habe es ein paar Mal probiert! Aber ein bisschen Kribbeln im Bauch beim Küssen reicht nicht! Aufwachen wollte ich nur neben meinem hübschen Jungen!"
Er küsste sie leidenschaftlich und dankbar. Dann sah er sie an, wartete. „Keine Gegenfrage?" flüsterte er.
„Nein, du bist ja da!" Sie wollte nichts wissen von anderen Frauen. Es hatte sie gegeben, da war sie sicher, aber sie hatten nicht gezählt.
Dann war es aber gut mit Fragen und Antworten, mehr wollte er nicht mehr wissen, zumindest für heute oder für jetzt!
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