Kapitel 33

Da fiel Anja das Problem ein, das sie eigentlich mit ihm besprechen wollte.
Sie erzählte von der Ablehnung ihres Teilzeitantrages, von ihren Überlegungen wegen einer Beurlaubung, von ihrem Ärger über die Bürokratie, von ihren Unwillen, sich die nächsten Jahre weiter zwischen Schule und den Rechten auf viel Zeit, die Kinder nun einmal hatten, aufzureiben, von ihrem Wunsch, auch für sie beide mehr Zeit zu haben.

Lukas hörte gebannt zu, bekam eine Ahnung, was die letzten Jahre ihr abverlangt hatten. Bei ihrem letzten Satz ging ihm das Herz auf.

Er nahm sie in den Arm, suchte nach den richtigen Worten. „Es wäre schön, wenn du das mit der Beurlaubung machen könntest, Süße! Ich würde mich wirklich freuen! Aber du musst wissen, ob du deine Arbeit vermissen würdest!"

„Vermissen? Nein, ich glaube nicht! Es wird auch immer schwieriger, mit den Schülern, den Eltern, dem ganzen Schreibkram, den das Kultusministerium ausgeheckt hat! Ich werde es ein Jahr ausprobieren! Ich glaube, das tut uns allen gut!"

Er küsste seine tüchtige Anja und bereute es bald, dass sie nicht nach oben zum Besprechen gegangen waren, ebenso wie sie.
Mit pochendem Herzen setzte sie sich auf den Stuhl, versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
„Irgendetwas wollte ich doch noch sagen?" Sie kramte in ihrem Kopf.

„Ach ja! Wegen der Einschulung! Die beiden werden im September fünf. Ich habe einen Antrag auf vorzeitige Einschulung gestellt, sie haben einen Test gemacht, den sie natürlich bestanden haben. Ich habe einen Gastschulantrag für meine Schule gestellt, der auch genehmigt ist. Jetzt habe ich halt überlegt, was besser ist. Jetzt in die erste, eigentlich gehörten sie ja in die zweite, aber dann sind sie immer viel jünger als die Mitschüler. Oder wir lassen sie noch ein Jahr im Kindergarten, und sie gehen dann gleich in die zweite Klasse, aber bis dahin können sie wahrscheinlich wirklich Wurzeln ziehen!"

„Also Anja, da bist du jetzt wirklich kompetenter als ich!"
„Und so vom Gefühl her, was meinst du? Oft sind ja Fachleute ein wenig betriebsblind!"

„Vom Gefühl her würde ich sagen, jetzt in die erste. Sie sind groß genug für Schulkinder, stabil vom Gesundheitszustand her, sozial bestens drauf, dadurch, dass sie Zwillinge sind und eine fabelhafte Mutter haben. Ich denke, wenn sie eine gute Lehrerin bekommen, kann die sie schon auch fördern, sie können auch anderen helfen. Außerdem können sie ja ihre Übungshefte mitnehmen, wenn die anderen eins plus eins rechnen, ziehen sie halt Wurzeln. Das muss die Lehrerin ja nicht an die große Glocke hängen! Und dann können wir ja später mal überlegen, ob sie die zweite oder dritte Klasse überspringen! Oder eine Gymnasiumklasse!"

Anja sah ihren Lukas fassungslos an. „Bist du auch wirklich sicher, dass du Medizin studiert hast und nicht aus Versehen Pädagogik?"

Er grinste sie frech an. „War das gut?"
Sie lachte. Das war früher auch einer seiner Sprüche, wenn er etwas gesagt hatte, das sie zum Lachen oder Staunen brachte.

„Das war sehr gut, mein hübscher Mann!" Früher hatte sie immer geantwortet: „Mein hübscher Junge!" Anfangs hatte es ihn ein kleines bisschen gestört, aber mit der Zeit war es ein Kosewort für ihn geworden, das einzige, das sie über die Lippen brachte.

„Nach diesem Satz sind wir meistens im Bett gelandet! Ich habe dann immer daran denken müssen, was du beim ersten Treffen zu mir gesagt hast: Weißt du, Lukas, gegen eine Nacht mit so einem hübschen Jungen hätte ich nichts einzuwenden!" erinnerte er sie.

Sie konnte nur noch heiser flüstern. „Da war ich ganz schön frech! Ich kann heute noch nicht richtig glauben, dass ich das wirklich gesagt habe!"
„Zum Glück hast du es gesagt!" Er küsste sie leidenschaftlich.
„Hättest du etwas zu mir gesagt?" fragte sie nahezu atemlos. Sie hatten noch nie so richtig über diese erste Nacht gesprochen.
„Natürlich! Ich hätte es nicht überlebt, nicht mit dir schlafen zu dürfen!" Auch seine Stimme war komplett weg.
„Was hättest du gesagt?"

„Kommst du mit zu mir, süße Anja? Ich möchte dich eine Nacht lang spüren! Ich möchte mit dir schlafen! Und wenn du nein sagst, werde ich es nicht überleben."
Er küsste ihren Nacken, wusste genau, dass sie dort sehr erogene Zonen hatte. „Und was hättest du mir geantwortet, Süße?"

„Gegen eine Nacht mit so einem hübschen Jungen hätte ich nichts einzuwenden!"
Beinahe verloren sie den Verstand, beinahe hätte er sie nach oben gebracht, beinahe hätten sie der brennenden Sehnsucht nachgegeben.
Aber Lukas löste sich von ihr. „Haben wir jetzt die Kinder im Keller eingesperrt oder sind sie so brav?"

„Sie sind so brav!" lachte Anja. „Ich glaube fast, die haben schon Antennen entwickelt für unsere Gefühlsausbrüche!"
„Wie ist es denn jetzt wieder dazu gekommen? Wir haben über die Einschulung gesprochen und plötzlich kleben wir atemlos aneinander!" Lukas schüttelte grinsend den Kopf.
Anja sah ihn liebevoll an. Der Junge von damals kam immer deutlicher zum Vorschein, er wurde immer lockerer.

„Das war doch immer so! Wir haben einen ganz belanglosen Satz gesagt und lagen eine Minute später im Bett!"
„Und dann hat meine superdoofe Anja jedes Mal gesagt: Lukas, das muss aufhören! Wir sind nur Freunde!"

Sie musste wieder lachen.
Er hatte sie gut imitiert!
„Aber du hast nie widersprochen!"

„Oh! Oh! Hört! Hört! Ich habe höchstens nach dem tausensten Mal aufgegeben!" Sie lagen sich in den Armen und lachten Tränen! Endlich konnten sie ohne Schmerz die Vergangenheit aufarbeiten, sich glücklich erinnern!
„Also, dann machen wir das so? Sie kommen heuer in die erste Klasse, aber hier in der Gemeinde und ich lasse mich ein Jahr beurlauben?" versuchte sie die Kurve wieder zum Ausgangsthema zu bekommen.
„Yep, schöne Lady, das ist perfekt!"
Anja lächelte glücklich. Dieses „Yep" war auch wieder da!


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