Kapitel 29

Die beiden hatten geduldig bei Papas neuem Auto gewartet, ein bisschen die Augen verdreht über die langsamen Erwachsen, hatten wieder ins Haus geschaut, sahen Mama auf Papas Schoß sitzen und mit ihm flüstern, wollten nicht stören, falls Papa noch Fragen stellen musste. Sie gingen wieder hinaus, die Nachbarin fing mit den beiden ein Gespräch an, erfuhr ein wenig mehr über Lukas.

Die Eltern sprangen auf, liefen hinaus, zum Glück standen die beiden brav im Vorgarten, plauderten mit Karin.
Lukas packte schnell die Picknicksachen, die er vorbereitet hatte, schnappte die Decke, die immer noch im Regal im Vorratsraum lag wie damals, nahm noch zwei Flaschen Mineralwasser mit.

Er lud alles zusammen mit Frau und Kindern in sein Auto. Dann fuhren sie an die Donau.
Anja sah sich in dem neuen Wagen um, er war schon edel, Donnerwetter! Und zog auch gut ab!
„Na, wenigstens Porsche, oder?" lachte sie und verwuschelte seine dichten dunklen Haare.
Er fuhr rechts ran, stieg aus, öffnete ihr die Türe.

„Los! Fahr du ein Stück!" forderte er sie auf. Sie stieg aus.
„Echt jetzt?" Den Flitzer hatte er sie nie fahren lassen. Wenn sie ihn gebeten hatte, sie ans Steuer zu lassen, hatte er immer die Stirn gerunzelt und gesagt: „Anja, du kannst alles von mir haben, aber ich bin ein ganz schrecklicher Beifahrer!"

„Du hast nur Angst um dein Auto!" hatte sie ihn immer geneckt.
Sie setzte sich auf den Fahrersitz, verstellte Sitz und Spiegel und fuhr los. Es war ein Traum, diesen Luxusschlitten zu fahren. „Super! Toll! Echt!"
„Dann tauschen wir einfach!"
„Ja, ganz bestimmt! Du fährst meinen Golf! Wer's glaubt wird selig!"
„Mir ist das vollkommen egal! Solche Sachen wie Autos sind doch ganz und gar unwichtig!"

„Lukas! Lukas! Jetzt werde mir nur nicht spießig!"
„Doch! Morgen kaufe ich mir einen Trainingsanzug und einen Kasten Bier, weiße Tennissocken und Sandalen!"
Sie lachten beide bei der Vorstellung.
„Und für dich eine Kittelschürze!" spann er den Gedanken weiter.
„Das wird immer besser!"

„Obwohl du sicher auch in einer Kittelschürze reizend aussiehst!"
„Was ist eine Kittelschürze?" fragte Chiara. Lukas erklärte es ihr.
„Das ist nicht hübsch, oder?"
„Nein, das ist überhaupt nicht hübsch!" Anja schüttelte es vor Lachen.
Mittlerweile waren sie an ihrem alten Picknickplatz angekommen. Zum Glück war alles frei, sie legten die Decke in den feinen Sand, Lukas packte aus. Er hatte an alles gedacht, alle ließen es sich schmecken.

Die Kinder warfen ein Paar Steine ins Wasser, Lukas ließ ein Paar Steine hüpfen. Die Kinder sahen staunend zu, wie oft sie aufschlugen. Dann spielten sie Fangen, spritzten sich nass, tollten an dem Stück Sandstrand, bauten eine paar Steinmännchen, waren Vater und Kinder, die einfach Spaß hatten miteinander. Er drehte sich im Kreis mit ihnen, warf sie in die Luft, fing sie auf.

Anja sah ihnen eine Weile glücklich zu, dann schlief sie ein. Sie wusste, ihre Kinder waren in besten Händen.
Lukas nahm seine kleinen Engel an die Hand, ging ein Stück weiter flussabwärts mit ihnen, dort ließ er sich mit ihnen im Sand nieder, damit sein großer Engel schlafen konnte. Bald schliefen auch die Kinder mit dem Kopf auf seinem Bauch ein.

Lukas' Gedanken gingen wieder in die Vergangenheit. Wie oft waren sie hier gewesen in ihren beiden Sommern! Sie hatten gegrillt, Picknick gemacht, Lagerfeuer angezündet, er hatte Liebeslieder gesungen für sie. Und was hatte sie gesagt? „Ich hoffe, du findest eine Frau, für die diese Lieder alle passen!" Er hatte jedes Mal gedacht, an seinen Tränen ersticken zu müssen. Warum konnte sie nicht damals ein wenig so denken wie heute? Sie hatte doch die Einheit bei ihnen gespürt, warum sollte es denn partout keine Liebe sein?

Da kam ihm ein Gedanke, der neu für ihn war, auf den er damals auch nicht gekommen war. Vielleicht hing es mit ihrer Vergangenheit zusammen?
Er war erst der zweite Mann für sie gewesen.
Mit dem ersten war sie dreizehn Jahre zusammen, fast die Hälfte ihres Lebens, und doch hatte er sie dann betrogen.

Vielleicht hatte sie deshalb so eine große Angst, dass ihr das noch einmal passieren würde, vielleicht lag es erst in zweiter Linie an seinem Alter, vielleicht hatte sie nur Angst vor einer weiteren Enttäuschung gehabt, und hatte die Wahrscheinlichkeit, verlassen zu werden bei einem jungen Mann einfach noch höher eingeschätzt als bei einem älteren.

„So, Lukas, jetzt ist Schluss mit dem ewigen Grübeln!" mahnte er sich selbst. Keiner konnte die Zeit zurückdrehen. Nichts in der Vergangenheit ließ sich ändern! Es war eine schöne Zeit, allermeistens jedenfalls, wahrscheinlich war die Zeit der Trennung wichtig, er musste vorwärts sehen. Er war im Himmel, warum sollte er sich dauernd mit der Erinnerung an das Fegefeuer oder die Hölle quälen?

Er durfte mit der Liebe seines Lebens und mit zwei wunderbaren Kindern zusammen sein. Weiß Gott, ob er während des aufreibenden Studiums überhaupt wahrgenommen hätte, dass er Kinder und eine Frau hatte!
Alles war gut wie es war, daran musste er in Zukunft denken. Es war einfach Schicksal gewesen und niemandes schuld! Er wurde müde, durfte aber auf keinen Fall einschlafen, er hatte die Verantwortung für zwei Kinder, zwei wundervolle Kinder.

Anja wachte auf, wusste erst nicht, wo sie war, erschrak fürchterlich.
Mein Gott, wo sind die Kinder? war ihr erster Gedanke.
Dann sah sie Lukas im Sand liegen, die Kinder schlafend bei ihm.
Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, stand auf und machte ein paar Bilder von einem sie anlächelnden Vater und zwei schlafenden Kinder. Sie war mehr als glücklich, hockte sich neben ihn in den Sand, streichelte sein Gesicht.

Er schloss die Augen.
„Teufelchen!" formten seine Lippen.
Er atmete tief ein und aus.
Er sah so umwerfend gut aus!
Und er wollte unbedingt sie lieben, dann sollte er doch, oder? dachte sie.
Damals war sie zu dumm, zu verunsichert von der Trennung von Peter, zu unerfahren, um seine Liebe zu begreifen, auch, um ihre Liebe zu begreifen. Aber jetzt nahm sie diese Liebe einfach glücklich an.

Pfeif doch auf die Vergangenheit, Anja, lass sie dort, wo sie hingehört, und genieße die Gegenwart und die Zukunft!
Sie beugte sich zu ihm, um ihn zu küssen.
„Ich liebe dich Lukas! Ich liebe dich sehr!" flüsterte sie. „Ich hatte keine Ahnung, wie sehr man lieben kann, wenn man bereit ist, die Liebe zuzulassen!"

Er hielt ihren Kopf fest, damit er sie weiter küssen konnte.
Es war ihm egal, ob er an seiner unerfüllten Sehnsucht gleich sterben würde, es wäre ein wunderbarer Tod!
Er wollte mit ihr schmusen, knutschen wie damals auf dem Ball.
Da hatte er schließlich auch überlebt, nur knapp zwar, aber immerhin!
Zwischen zwei Küssen sah sie ihn lächeln.

„Woran denkst du denn?" fragte sie.
„An den ersten Piratenball! An das Schmusen! Dass ich es damals irgendwie überlebt habe, dass du gegangen bist!"
Sie musste auch lächeln. „Das war schön da, oder?"
„Oh ja! Das war schön! Nächstes Jahr gehen wir da wieder hin, tanzen ein bisschen, schmusen ein bisschen, tanzen ganz eng, schmusen ein bisschen heißer, streicheln uns!" Ihr wurde heiß und kalt bei seinen Worten. „Oh, Lukas hör auf so zu reden! Mir wird ganz anders!"

„Das macht nichts! Mir ist schon lange ganz anders!" Er knutschte einfach weiter, schmuste weiter, küsste sie weiter, glaubte fest daran, es zu überleben, denn er musste ja auch morgen mit ihr knutschen, schmusen, sie küssen!

„Das zweite Mal war dann nicht so toll, oder?" fragte sie später.
Lukas erinnerte sich und lachte leise. „Na, der Anfang zumindest nicht! Manchmal hatte ich schon Mordgedanken!"

„Ja, manchmal war ich auch echt krass drauf! Und so unlogisch! Ich habe dich geliebt und es vor mir selbst vehement abgestritten! Du hast gesagt, dass du mich liebst, wenn du durftest, und je öfter du es gesagt hast, desto verbohrter wurde ich! Ich wollte, dass wir passende Partner finden, und war verrückt vor Angst, dass du machst, was ich dir dauernd predigte! Ich war doch irre!"

Lukas lachte leise. „Also, da auf diesem zweiten Piratenball war ich der Meinung, dass du nicht weit davon entfernt bist!"
„Und ganz zu Recht!"


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