Kapitel 13

Ihr erstes Weihnachtsfest stand bevor.
Sonja und Oliver überredeten Anja, mit ihnen in den Ferien nach Fuerteventura zu fliegen. Lukas bestärkte sie in dem Vorhaben.

„Ich muss die Feiertage mit meinen Eltern und Verwandten verbringen. Da hätte ich sowieso keine Zeit für dich." bemerkte er relativ kühl. Er gab ihr sein Weihnachtsgeschenk. Sie fand in dem schönverpackten Riesenkarton eine Menge an wunderschönen Kleidungsstücken, alles Sommersachen.

 „Für deinen Urlaub!" sagte er nur.
Also flog sie. Sie bezogen eine wunderschöne Finca mit einem wahnsinnigen Meerblick und einem Weg zu einer kleinen idyllischen Bucht. Sie fühlte sich ziemlich verlassen, ohne ihn an diesem wunderschönen Ort, nahm sich aber vor, den Urlaub zu genießen. Am ersten Abend gingen sie essen in ein tolles Restaurant. Sie hatte keinen rechten Appetit, stocherte lustlos in den feinen Speisen herum.

„Na, vermisst du wohl den anderen Teil deiner Nichtbeziehung?" frotzelte Oliver.
„Quatsch!" wehrte sie vehement ab. „Mir gefällt es hier supertoll!" Sie versuchte, mit einem Lächeln ihre Aussage zu unterstreichen. Sonja und Oliver sahen sich vielsagend an.
Plötzlich brachte der Ober ihr ein Glas Champagner. „Von dem jungen Herrn an der Bar!" sagte er auf Deutsch. Anja drehte den Kopf, ein wenig genervt, wer sich denn da eine solche Freiheit herausnahm.

Sie erstarrte, war fassungslos, glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Da stand Lukas, wunderhübsch in einem hellen Leinenanzug mit einem tollen Shirt darunter in ihrer Lieblingsfarbe für ihn. Er hob sein Glas, prostete ihr zu. Sie stand wie ferngesteuert auf, ging zu ihm.
„Hallo, schöne Lady! Hätten Sie vielleicht Lust, heute Abend mit mir tanzen zu gehen?"
„Ja, mit so einem hübschen Jungen würde ich heute gerne tanzen gehen!" flüsterte sie.

Der Ober beobachtete die Szene verwundert. Die schöne Deutsche verließ das Lokal mit dem gutaussehenden Mann, ohne lange nachzudenken.
Sie tanzten die halbe Nacht, küssten sich, schenkten sich Zärtlichkeiten, tanzten engumschlungen, knutschten vor dem Tanzclub bis an die Grenze der Beherrschung.

Er brachte sie zur Finca, wusste seltsamerweise, wo sie wohnte, schloss seltsamerweise die Türe auf, führte sie in ihr Zimmer, in dem seltsamerweise noch ein Koffer stand, der ihr nicht gehörte, liebte sie, wie nur Lukas sie lieben konnte. Irgendwann in der Wahnsinnsnacht, die folgte, erzählte er von seinem Hinterhalt, in den er sie gelockt hatte.

Nie war sie glücklicher in ihrem ganzen Leben! Was diesem hübschen Jungen alles einfiel! Sonja und Oliver waren eigentlich in einer Nachbarvilla untergebracht, Lukas hatte dieses Traumhaus für sie beide gebucht, schon im letzten Sommer, nach dem Urlaub in den Bergen.

Sie verbrachten knapp drei Wochen – die Ferien waren in diesem Jahr extra lang – im absoluten Glückstaumel.

Sie genossen die Wärme, das Meer, die Liebe. In diesem Urlaub war sie wie verwandelt! Nicht ein einziger Hinweis auf andere, passendere Partner, keine Sticheleien, wenn er ihr sagte, dass er sie liebte, keine Zurückhaltung in der Öffentlichkeit.

Sie hörte seinen Liebesliedern mit verträumten Augen zu, die er am Strand zur Gitarre für sie sang, erzählte nicht allen Leuten, die sie kennenlernten, dass sie nur Freunde waren. Die ganze Zeit über waren sie ein ganz normales Liebespaar. Wenn ein Mädchen ihren hübschen Jungen anschmachtete, hielt sie ihn den ganzen Abend an der Hand oder im Arm, damit die Fronten geklärt waren.

Als Lukas fragte, woher dieser Sinneswandel käme, lächelte sie ihn süß an und sagte: „So ein heißer Urlaubsflirt mit einem hübschen Jungen darf schon mal sein!" Er war glücklicher als je in seinem Leben. Anja wusste aber genau, warum sie in diesen Wochen so locker sein konnte. Hier drohte keine Gefahr, dass er eine andere Frau, eine andere Partnerin kennenlernte, so weit weg von zu Hause.

****

Nach diesem Urlaub hielt Lukas nur zwei Tage durch, bis er sie mit Konzertkarten in die Stadt und in sein Bett lockte, er hoffte auf dauerhafte Veränderung, aber schnell fiel sie wieder in ihr altes Verhaltensschema zurück, war aber nicht mehr ganz so streng.

Ihrem Mann hatte sie relativ bald erklärt, dass sie die Scheidung wollte. Sie nahm ihren Mädchennamen wieder an, die Scheidung brachten sie ohne größere Probleme hinter sich.

Sie zierte sich nicht mehr, die Sachen anzunehmen, die er ihr mitbrachte. Guten Freunden durfte man doch Geschenke machen, wenn man es wollte. Einmal war er besonders glücklich und besonders mutig.

Er kaufte ein Herz aus Weißgold mit einem großen Saphir, ließ es auf der Rückseite mit „Lukas" gravieren. Dazu eine kurze Panzerkette. Er hatte Bammel vor ihrer Reaktion, richtete sich auf längere Diskussionen ein, als er es ihr am Abend umhängte.

Aber wieder einmal überraschte sie ihn. Sie sah sich im Spiegel an, küsste den Anhänger, wischte sich eine Träne aus dem Auge, sah die Gravur, wischte zwei Tränen aus den Augen
Sein Herz! dachte sie. Dieses wird bleiben, wenn das andere geht!

„Danke!" sagte sie nur und küsste ihn.
Sie nahm die Kette nie wieder ab.

*****

Wenn sie ausgingen, zahlte immer er, auch den Urlaub. Er fuhr einen teuren Sportwagen, Geld schien keine Rolle zu spielen, scheinbar kam er aus einer vermögenden Familie. Anja fragte nie, wollte keinerlei Familienanschluss.

Sie selbst musste ihr Geld zusammenhalten, vor der Scheidung war das Haus auf sie überschrieben worden, es steckte eh nur Geld von ihren Eltern drin, und ihr Ex wollte sie nicht auch noch heimatlos machen, wenn er sie schon betrogen hatte. Dafür musste sie aber dann alleine die Zinsen und Tilgung für das Bankdarlehen zahlen. Sie konnte es stemmen, aber größere Ausgaben waren nicht drin.

Einmal unternahm sie den Versuch, sich an den Kosten der gemeinsamen Unternehmungen zu beteiligen, hätte dann halt ihre Eltern um einen Zuschuss gebeten, die relativ wohlhabend waren.
„Mach dir keine Gedanken, süße Anja! Geld habe ich genug!" Er sah ihr tief in die blauen Augen.
Was mir fehlt ist deine Liebe, dein Vertrauen in uns! dachte er.

So vergingen fast zwei Jahre, die sie in einer Nicht-Beziehung lebten, meistens erfüllt und glücklich, manchmal von Ängsten geplagt, es könnte zu Ende gehen, wenn einer von ihnen einen neuen, einen passenden Partner fand.

Anja wusste, dass es auch ganz schnell vorbei sein konnte, wenn er einen Studienplatz in einer anderen Stadt bekam. Sie hatte ihm klargemacht oder klarzumachen versucht, dass für sie eine Fern-Nicht –Beziehung auf keinen Fall in Frage kam.

Das hätte sie auch wirklich nicht durchgestanden. Hätte ihn dauernd vor Augen gehabt, wie er mit jungen Mädchen zusammen war, mit ihnen lachte und sonst was machte, um dann am Wochenende zu ihr zu kommen. Und sie wusste auch, dass der Zeitpunkt näher rückte, er wartete schon fast vier Jahre!


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