Kapitel 112 Epilog
Es war sein 50. Geburtstag. Er saß auf der Terrasse, sah seinen fünf Kindern zu, die den Garten dekorierten.
Es würde wieder ein großes Fest geben heute. Sie hatten viele Feste gefeiert in den letzten Jahren, sie hatten viel Übung darin.
Anja war in der Küche, bereitete die Salate vor.
Seine großen Zwillinge waren heute 25 geworden.
Die quirlige Chiara war wider Erwarten weder Stuntfrau noch Profisurferin geworden, sondern bald fertige Kinderärztin, war eine seiner Kolleginnen am Klinikum, würde ihn mit Sicherheit als Chefärztin ablösen.
Florian hatte die Mathematik und Physik gewählt, war dabei, sich als Astrophysiker einen Namen zu machen.
Die kleinen Zwillinge Philipp und Leonie hatten mit 17 Abitur gemacht wie die großen, hatten beide Anjas Talente geerbt und Germanistik und Kunst studiert. Ihr Erstlingsroman, den sie gemeinsam verfasst hatten, war ein gut besprochener Überraschungserfolg geworden. Ihre Kunstwerke hingen in einigen Galerien der Stadt und natürlich im elterlichen Haus.
Sein Augenstern, die Tochter, die ihnen das Schicksal noch geschenkt hatte, vollkommen ungeplant, aber höchstgewollt, Maja, war ebenfalls eine Überfliegerin. Sie studierte Informatik, hatte als Programmiererin schon einige Erfolge vorzuweisen.
Als Maja sich ankündigte, sehr schnell nach der Geburt von Phillip und Leonie, war es für Anja zuerst ein Schock gewesen.
Doch dann begann sie zu lachen. „Wir machen wohl so weiter, bis wir eine ganz normale Schwangerschaft zu zweit erleben!"
Und das wurde es dann auch: Eine ganz normale Schwangerschaft, mit tanzenden Hormonen, Gelüsten nach Süßem und Sauren, Brechattacken, Komplexen wegen ihrer Figur, fettigen Haaren, schlechter Laune.
Doch Lukas nahm alles stoisch hin, war nur dankbar für sein Glück, das alles erleben zu dürfen.
Wenn sie es ein wenig zu bunt trieb, zog er sie nur auf. „Bin ich froh, dass ich das die letzten beiden Male nicht aushalten musste!"
„Ich kann mich ja wieder ins Koma verabschieden!" haute sie ihm dann böse hin, musste aber auch lachen, wenn sie merkte, wie biestig sie war.
Als Ben sie zum ersten Mal so erlebte, blieb ihm der Mund offen stehen.
„Da schau her! Die süße Anja ist mutiert!" stieß er hervor.
Sie knuffte ihn, lächelte aber dabei.
Doch die Geburt eines wunderschönen blonden Mädchens mit bernsteinfarbenen Augen entschädigte die Eltern für ein paar Monate mit etwas gereizter Stimmung.
Sie hatten keines ihrer Kinder zu irgendetwas gedrängt. Es war ihnen nur wichtig, dass sie glücklich waren.
Sie hatten angebaut, als sich das fünfte Kind ankündigte, hatte die Zwillinge irgendwann auch einmal dazu überreden können, getrennte Zimmer zu beziehen, die kleinen wie die großen.
Sie waren eine überglückliche Familie, und deshalb wollten sie von ihrem Glück auch etwas abgeben. Sie hatten immer dann, wenn das Konto überzulaufen begann, Sozialwohnungen gebaut. Hatten sich als Familie unsagbar gut dabei gefühlt, die Häuser zu planen, die Mieter glücklich zu sehen.
Den Hauptteil verdiente Anja mit ihren Engelbüchern, aber danach fragte niemand im Familienverband.
Doch auch Lukas war höchst erfolgreich. Vor zwei Jahren war er Chefarzt der Station für Früh- und Krankgeborene geworden, außerdem hatte er ein Patent für einen verbesserten Inkubator, der in ganz Europa zum Einsatz kam.
Anja kam aus dem Haus zu ihrem hübschen Ehemann. Leicht fassungslos sah sie ihn wieder einmal an, wie seit so vielen Jahren.
Er sah so umwerfend aus!
Lukas blieb fast die Luft weg, als er sie ansah. Sie war noch immer die schönste Frau, die er je gesehen hatte!
Ihre blauen Augen, ihre Locken, ihre Wahnsinnsfigur, nichts hatte von seiner Anziehungskraft verloren!
Sie war noch immer die schöne Lady, nach der er in ihrer ersten gemeinsamen Nacht so verrückt gewesen war!
Die er immer wieder lieben musste! Er dachte noch immer an ihre zwei verrückten Jahre, genoss die Erinnerung wie die an die letzten Jahre.
Er dachte an all die Urlaube auf Fuerte, mit den großen Zwillingen, mit den kleinen und den großen, mit den kleinen, den großen und seiner Tochter.
Aber immer mit ihr, mit Anja, der Liebe seines Lebens! Er dachte an viele heiße Nächte, in der Finca, in der Bucht!
Erst vor ein paar Wochen waren sie dagewesen, und die Leidenschaft hatte gebrannt wie seit vielen, vielen Jahren.
Er nahm seine Frau in den Arm.
Ja, sie war die Liebe seines Lebens!
Er hatte es mit 22 schon gewusst, sie hatte etwas länger gebraucht!
Aber sie hatte sich gebeugt, hatte nachgegeben, hatte ihn angenommen, hatte ihn zum Mann genommen, hatte ihm sein Leben gegeben!
Sie war 56, na und? Sie war noch immer die Schönste!
„Ah! Mein Geburtstagsgeschenk kommt!" sagte er strahlend und streckte die Hand nach ihr aus.
Sie setzte sich auf seinen Schoß, kuschelte sich an ihn, wie sie es seit Jahren so gerne tat. An seine breite Brust gedrückt, von seinen starken Armen umfangen. Sein Duft stieg ihr in die Nase, machte sie beinahe schon wieder schwindelig.
„Und wann darf ich es auspacken?" Er grinste sie schelmisch an.
„Lustmolch!" flüsterte sie zurück.
„Logo!" antwortete er nur und knabberte ein wenig an ihr herum. Sie schmeckte verdammt gut.
„Und was gibt es heute sonst noch zu essen?"
„Wenn du so weitermachst, gar nichts!"
„Das könnte ich sogar verkraften! Schließlich habe ich mich unsterblich in eine schöne Lady verliebt, die nicht kochen kann!" erinnerte er sie.
Ihre Kinder standen im Garten und beobachteten sie lächelnd. Das war ja klar, dass die Eltern wieder einmal aneinander klebten! Sie kannten es ja nicht anders!
Lukas sah die Blicke des Nachwuchses. „Klappe!" warnte er und küsste seine Schöne provozierend lange.
Langsam trudelten die Gäste ein. Die engsten Freunde, Ben und Micha mit ihren drei erwachsenen Kindern machten den Anfang. Ihre Tochter Inga und Florian sahen sich mit leuchtenden Augen an. Anja und Lukas hatten schon seit einer Weile das Gefühl, dass die beiden mehr als Freundschaft füreinander empfanden.
Florian war natürlich genau der Herzensbrecher geworden, den sie erwartet hatten. Er war in die Fußstapfen seines Vaters als Liebling der Frauen getreten, Phillip war auf dem besten Weg dahin. Beide behandelten die Frauen respektvoll, machten aber ziemlich schnell der Damenwelt klar, dass sie keine Beziehung anstrebten.
Florians Herz schlug allerdings seit ein paar Wochen etwas schneller, wenn er Inga sah, die Freundin seiner gesamten Jugendzeit. Lange hatte sie sein Werben abgewiesen, hatte keine Lust gehabt, eine auf einer langen Liste von Eroberungen zu sein, so verdammt gut der Typ auch aussah.
Doch vor zwei Wochen hatte sie sich einen Kuss erlaubt, ein paar Zärtlichkeiten zugelassen, schwebte seitdem in einem Himmel, der nahe am siebten war.
Chiara hatte in der zweiten Klasse beschlossen, ihren Lehrer zu heiraten, in der dritten gab es verschiedene Kandidaten aus der Klasse über ihr. Im Gymnasium hatte Florian Mühe, den Überblick zu behalten.
Doch mit sechzehn verliebte sie sich schwer in einen seiner Freunde. Anja sah das Ganze mit großer Sorge. Sie fürchtete, dass ihre wunderschöne Tochter ihren eigenen Fehler wiederholte, sich zu früh band.
Doch nach Svens Abitur-Abschlussfahrt machte er Schluss. Lukas hatte viel zu tun, seine Große zu trösten. Um sie abzulenken, nahm er sie öfter einmal auf seine Station mit und weckte damit unbewusst ihre Liebe zur Medizin, die sie danach nicht mehr losließ und die Heiratskandidaten auf Platz zwei ihrer Interessen verwies – mit einem riesigen Abstand zu Platz eins.
Sie hatte immer wieder ein Date, traf sich eine Weile mit jungen Männern, war dann wieder wochenlang zu Hause, lernte Abend für Abend.
Zur Zeit warb ein junger Kollege, der wie seine Tochter die Facharztausbildung bei ihm machte, um sie. Lukas hatte ihn zur Geburtstagsparty eingeladen.
Chiaras Augen leuchteten ein wenig heller, als er ihr zum Geburtstag gratulierte.
„Kuppler!" schimpfte Anja.
„Wegbereiter!" rechtfertigte er sich.
Leonies Liebesleben schien vorerst nur in den Geschichten stattzufinden, die sie sich pausenlos ausdachte. Sie füllte Computerstick nach Computerstick mit Romanen, die nie jemand lesen durfte, nicht einmal ihre andere Hälfte, Philipp.
Keiner wusste, dass sie sich nach ihrem Hauptdozenten verzehrte, dass alle romantischen Träume sich um den Vierzigjährigen drehten.
Der Dr. der Germanistik ahnte als einziger von ihrer Verehrung, hatte sich schon oft vorgenommen, mit ihr oder ihrem Bruder zu sprechen, hielt es aber dann immer wieder für zu gefährlich. Zum einen bekam man schnell etwas angehängt, wenn etwas davon nach außen drang, zum anderen war sie schon auch eine Versuchung, wäre durchaus eine Sünde wert gewesen! Da wollte er der Gefahr lieber aus dem Weg gehen.
Maja war Lukas' Liebling, auch wenn das ja nicht sein sollte, dass ein Vater ein Lieblingskind hatte.
Aber diese Tochter war das einzige Kind, das er vom Moment der Zeugung an hatte genießen dürfen. Deshalb war er ihr ganz besonders zugetan.
Sie war ein außergewöhnliches Mädchen. Als sie ihren Studienwunsch – Informatik - geäußert hatte, hatte er sich an seinem Wasser verschluckt, die Tatsache aber dann gottergeben akzeptiert. Sie hatte Mumm wie zehn Kerle, redete wie ein Wasserfall, war mit Sicherheit auch die Intelligenteste aller fünf.
Die 69 Kommilitonen, die sie anfangs belächelt hatten, lagen ihr zu Füßen, küssten den Boden, über den sie schwebte, bewunderten aber auch bedingungslos ihre Begabung.
Wo immer sie an der Uni auftaucht, hatte sie einen Tross an jungen Männern um sich, was sie genoss, aber auch nicht zu hoch bewertete.
Dass sie mit 18 noch Jungfrau war, störte sie nicht. Ihre geliebte Mama hatte mit 28 die Liebe ihres Lebens gefunden, den Fehler, den die in jungen Jahren gemacht hatte, brauchte sie ja nicht zu wiederholen. Sie würde schon irgendwann einmal über einen Mann stolpern, der war wie ihr traumhafter Papa, der sie so behandelte, wie der seine große Liebe!
Es wurde ein wunderschönes Fest mit Menschen, die sich seit vielen Jahren kannten, die Freud und Leid geteilt hatten, so abgedroschen das auch klang. Aber Lukas vergaß nie, wie seine Freunde ihm beigestanden hatten während der Trennung, während Anjas Koma.
Er spielte mit Ben auf der Gitarre, tanzte mit seiner schönen Lady, alberte mit dem zahlreichen Nachwuchs der Freunde aus Jugendtagen, die es ihnen wohl nachmachen wollten mit der Anzahl der Kinder, aber keiner hatte es geschafft!
Ben fasste seine Gedanken dann auch in Worte. „Wenn uns das mit 20 jemand gesagt hätte, dass wir heute hier sitzen und unsere Nachfahren kaum noch zählen können! Und vor allem, dass unser Lukas die Riege mit fünfen anführt!" Lachend klatschte Lukas den Freund ab.
Klar, mit zwanzig hätte er den Gedanken weit von sich gewiesen!
Mit 22 sah die Sache schon anders aus, ein wenig zumindest!
Als nur noch die Familie um die Feuerschale saß, holte Lukas noch einmal seine Gitarre.
Er hatte während der letzten Nachdienste, die er auch als Chefarzt noch immer schob, ein Lied für seine Familie geschrieben.
Die Schwestern, die ihn noch immer vergötterten, ihren Doc Hollywood, waren vor der Türe gestanden und hatten mit Tränen in den Augen gelauscht.
Die Liebe ihres Chefs zu seiner Frau war legendär. Das war aber auch eine ganz Süße! Immer noch kam sie wöchentlich und las für die schwerkranken Kinder aus ihren Büchern. Jedes Mal hatte sie Geschenke dabei. Später begleiteten sie ihre eigenen wunderschönen Kinder, die lange bei den Patienten blieben, mit ihnen spielten und scherzten.
Der Mittwoch war seit Jahren das Highlight jeder Woche.
Lukas spielte sich ein wenig ein, schluckte einen verlegenen Knödel hinunter. Da musste er jetzt durch! Es war Zeit, einmal Danke zu sagen zu den sechs wichtigsten Menschen in seinem Leben.
Jede Strophe richtete sich an eines seiner Kinder. In wunderschönen Worten erklärte er jedem Einzelnen, was es für ihn bedeutete, es zu haben.
Die letzten Verse gehörten Anja. Er sang von seiner Dankbarkeit, dass er sie lieben durfte, dass sie ihn liebte, dass sie ihm diese wundervollen Kinder geschenkt hatte.
Als er fertig war, waren alle aufgelöst in Glückstränen, hielten sich in den Armen.
Die coole Chiara schaffte es, die Stimmung zu drehen. „Ich hab's ja schon vor zwanzig Jahre gewusst! Da hast du uns einen prima Papa ausgesucht!"
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