Kapitel 4 - Schwarz
Schwarz. Schwarz wie die Kleidung aller Leute in der Kapelle. Schwarz wie der Sarg.
Scott würde seine momentanen Gefühle als schwarz betiteln, wenn er müsste. Er passte also perfekt in diesen Raum. Auf diese Bank. Neben Claire, in ihrem schwarzen Kleid. Vor Ryan in seinem schwarzen Sarg
Er hörte nicht was der Prediger sagte. Er hörte nicht die Rede von Ryans Tante und Onkel oder die Lieder die zwischendurch gesungen wurden. Erst als Alexa sich von ihrem Platz neben Claire erhob und nach vorne trat erwachte er aus seiner Trance. Ihn ihm steckte die Hoffnung, dass sie etwas sagen würde, das sie alle erlösen würde.
Sie atmete tief ein, schob eine Strähne ihres tiefschwarzen Haares zurück und öffnete dann ihre blauen Augen, fokussiert auf Ryans Bild am Rand der kleinen Bühne.
„Ryan war wie die Sonne. Er war wie die Sterne, wie ein wilder Tornado und wie sanfte Wellen. Und er war vor allem zu lieb, zu ehrlich, zu...jung um zu sterben. Nicht so. Nicht so hilflos, nicht so unfair, nicht so früh. Es ist einfach nicht fair, dass ich lebe und er nicht. Es ist nicht fair, dass mir erst meine Eltern und jetzt mein kleiner Bruder genommen werden."
Sie machte eine kurze Pause und sah zu Scott und Claire. Ihre Worte klangen wie ein Flehen als sie weitersprach.
„Ich vermisse ihn. Gott, ich vermisse ihn mit jeder Faser meines Körpers. Meine Seele schreit nach seiner Zuneigung und Liebe, die mir viel zu früh genommen wurden. Und ich bereue jede Sekunde, die ich verschwendet habe und jedes Wort, das ich ihm noch sagen wollte, das jedoch nie meinen Mund verlassen hat. Und das schlimmste ist, das ich nichts machen kann. Ich kann ihn nicht zurückholen. Gäbe es einen Ort, ich würde mich dorthin durchkämpfen, morden, sterben nur damit ich ihn wiederhabe. Doch so funktioniert es nicht und ich hoffe, dass dort wo er jetzt ist, dass er dort sicher ist und genauso wie zuvor. Genauso intelligent, schön und lebenslustig. Ich hab dich lieb kleiner Bruder!"
Einen kurzen Augenblick war es still, dann fing sie an zu schreien. Und sie schrie auch noch als Claire und Scott raustrugen, um sich schlagend und weinend, bis sie die Sonne auf ihrem Gesicht spürte und den Wind in ihrem Haar.
Als sie aufgehört hatte zu schreien schwieg sie komplett. Sie setzte sich zurück auf die Bank neben Claire und sah zu wie Scott auf die Bühne stieg.
Seine Stimme war vorsichtig und leise als er, seinen Blick starr auf Alexa gerichtet, begann zu reden. „Ich kann das, was Lexa gesagt hat, nicht besser ausdrücken. Doch ich habe mich entschieden etwas zu erzählen. Ich hätte es Ryan sagen sollen, doch ich war zu feige und jetzt bereue ich es, denn es ist jetzt zu spät. Also sage ich es euch allen an seiner Stelle. Ich habe Ryan geliebt. Ich habe ihn geliebt, doch nicht nur wie einen Freund, wie einen Vertrauten, ich habe ihn mehr geliebt. Viel mehr!"
Es war nicht klar ob die Leute aus Überraschung, Entrüstung oder Rührung schwiegen, doch sie schwiegen. Dadurch klangen seine Schritte viel lauter als er aus der Kapelle ins Freie stürmte.
Der schwarze Sarg stand nun alleine auf der Bühne.
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