Kapitel 64: Terror
„Wow, ich muss gestehen, dass ich mich ganz schön in dir getäuscht habe, Cap", vernahm er Annas samtige Stimme ganz dicht an seinem Ohr, während sie genüsslich ihre Fingerspitzen über seine Schultern wandern ließ.
„Unter Kaffeetrinken habe ich mir ehrlich gesagt auch etwas Anderes vorgestellt", brachte Steve mit dunklem Lachen hervor und versuchte damit die Verlegenheit zu überspielen, die heiß auf seinen Wangen brannte.
Ein wissendes Funkeln schlich sich in Annas braune Augen, als ihr Blick über die Theke der Einbauküche glitt, auf der sie kurzerhand Platz genommen hatte, kaum dass sie in den frühen Morgenstunden Steves Apartment betreten hatten. Mittlerweile war der Espresso, den er für sie aufgegossen hatte, zu einer erkalteten schwarzen Masse mutiert, aber Steve und seine Begleiterin waren viel zu sehr mit dem jeweils anderen beschäftigt gewesen, um auch nur einen einzigen Gedanken an Koffein zu verschwenden.
„Wenn du drauf bestehst, mach ich uns einen Neuen", schlug Anna mit einem kecken Lächeln vor.
Als Antwort schüttelte Steve nur vehement den Kopf, denn zeitgleich fuhr die Brünette mit ihrer Hand über seine Brust, deren Muskulatur sich unter dem dünnen Stoff seines T-Shirts erwartungsvoll verkrampfte, je weiter südlich die Berührungen sich verlagerten.
Steve schluckte schwer, starrte gebannt auf diese vollen Lippen, die nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt waren und wie eine süße Einladung vor ihm schwebten. Gegen seinen Willen verselbständigten sich seine Hände, streichelten über die nackte Haut von Annas Schenkeln, schoben den störenden Stoff ihres Kleides nach oben. Als käme sie einer unausgesprochenen Aufforderung nach, schlang die Frau ihre Beine um seine Hüften und kurz darauf landeten ihre Lippen warm und fordernd auf seinem Mund. Ihre Fingernägel bohrten sich regelrecht in seine Gesäßmuskulatur und erst als Steve ein heiseres Stöhnen entwich, ließ sie von ihm ab und musterte ihn aus Augen, die ihn an geschmolzene Schokolade erinnerten.
„Du hast noch viel zu viel Stoff an dir", schnurrte Anna an seinem Ohr und zupfte neckisch am Saum seines Shirts. „Ich will endlich wissen, welchen Wahnsinnskörper du unter deiner Captain America-Uniform versteckst."
Steves verlegenes Lachen verkam zu einem Keuchen, als binnen eines Herzschlages das Kleidungsstück über seinen Kopf gezerrt wurde und Annas Mund wie ein Lavastrom brennend über seine zuckende nackte Brust fuhr. Ihr Stöhnen brannte wie heißer Dampf auf seiner Haut, als sich seine Hände unter ihr Kleid stohlen und ihren entzückenden Hintern massierten.
„Oh mein Gott, Steve!" Anna warf den Kopf in den Nacken und ihre braunen Locken umtanzten wild ihr Gesicht, das ein entrücktes Lächeln zierte, während er sich am Verschluss ihres Kleides zu schaffen machte.
„Steve!"
Mit einem Mal klang Annas Stimme viel tiefer und auch irgendwie leicht genervt.
„Steve!"
Jemand stieß recht unsanft gegen seine Schulter. Einmal, dann ein zweites Mal.
„Steve, hey, Steve, jetzt wach schon auf!"
Mit einem leisen Schrei auf den Lippen schoss Steve in die Vertikale, sah sich desorientiert um. Heftig pumpte er unter schweren Atemstößen, fühlte sich, als habe er soeben den Sprint seines Lebens hinter sich gebracht. Er saß in seinem Bett, das Zimmer vom Tageslicht schmerzhaft grell durchflutet und zu seiner Rechten stand Sam Wilson und bedachte ihn mit einem spöttischen Grinsen.
„Das muss aber ein süßer Traum gewesen sein, wenn dich sogar JARVIS' lautes Geplärre nicht wecken konnte, Dornröschen."
Stöhnend fuhr sich Steve an die Stirn und wäre am liebsten zurück in die weiche Matratze gesunken, zurück in die verführerische Traumwelt, die sein Unterbewusstsein im Nachgang des gestrigen Abends so plastisch geformt hatte. Sams Augen musterten ihn prüfend, so als könnte er seine Gedanken erraten, wenn er ihn nur lange genug fixierte. Es gab jedoch nur eine Person im Avengers Tower, die dazu in der Lage war, und glücklicherweise hatte ihn Rebecca nicht soeben aus dem Schlaf gerissen und ihn damit unwissentlich um den Höhepunkt seiner nächtlichen Fantasie gebracht.
Was machte Wilson überhaupt am frühen Morgen in seinem Apartment? Irgendetwas musste geschehen sein, dass Sam unangemeldet in seine Privatsphäre platzte. Schlagartig sponn Steves erwachendes Bewusstsein die schlimmsten Horrorszenarien zusammen, die sich ereignet haben könnten, während er seelenruhig in seinem Bett geschlummert hatte. Wobei die Bezeichnung „seelenruhig" wohl die Untertreibung des Jahrhunderts darstellte, wenn Steve an seinen äußerst lebhaften Traum zurückdachte.
„I-ist was passiert? Ist etwas mit Bucky, mit Rebecca?", sprudelte es aus ihm heraus, während er sich eilig aus dem Bett schwang.
Er stolperte in Richtung Kleiderschrank, zog sich die erstbeste Jeans an, die ihm in die Hände fiel, gefolgt von einem dunklen Shirt. Sam quittierte seine fahrigen Bewegungen mit einem süffisanten Gesichtsausdruck.
„Hast wohl heute Morgen einen anderen Weckdienst erwartet, was Cap? Dabei war es doch deine Idee, dass ich auf der Couch in deinem Apartment übernachte. Du hättest mal Annas enttäuschtes Gesicht sehen müssen. Mann, Cap, du weißt echt, wie man so einen Abend richtig schön ausklingen lässt", Wilson verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte mit gespielter Betroffenheit den Kopf. „Ach, und zu deiner Info, den beiden Turteltäubchen geht es bestimmt ausgezeichnet. Ich nehme mal an, dein alter Kumpel ist auf seine Kosten gekommen, so enthusiastisch wie der gestern Nacht seine Becca in Richtung Aufzug geschleppt hat. Aber da warst du wohl zu sehr damit beschäftigt, mit der kleinen Ex-Stripperin zu tanzen, um das mitzubekommen."
Steve verschluckte sich an seiner eigenen Spucke, beugte sich dann eilig nach vorne, um seine Schnürsenkel zu binden, damit sein Gegenüber nicht bemerkte, wie peinlich ihm dessen offenherzige Worte waren.
„Was soll der ganze Aufstand überhaupt", brummte er genervt vor sich hin, um seine Unsicherheit weiter zu überspielen. „Warum wirft uns Starks elektronischer Butler zu einer so unchristlichen Zeit aus den Federn?"
„Die unchristliche Zeit ist 11.30 Uhr, mein Lieber", verkündete Sam mit einem amüsierten Schnauben. „Außerdem haben wir doch gestern alle verabredet, dass wir uns die Live-Übertragung vom New Yorker Energiekongress beim Brunch ansehen wollen. Schon vergessen?"
Langsam kehrte Steves Erinnerungsvermögen zurück. Tatsächlich hatte Tony voller Stolz erzählt, dass seine Lebensgefährtin Pepper Potts diesen Kongress mit einer Rede über erneuerbare Energiequellen der Zukunft eröffnen würde, weshalb die Chefin von Stark Industries auch zeitig die Party verlassen hatte, um am nächsten Tag ausgeschlafen für diesen wichtigen Termin zu sein. Irgendwie war es fast schon niedlich, dass Stark seine Teamkollegen und Gäste zusammentrommelte, um den TV-Auftritt seiner Freundin gemeinsam zu verfolgen, so als ginge es dabei um ein gesellschaftliches Großereignis wie den Super Bowl oder die Vereidigung eines neuen Präsidenten.
Derlei Überlegungen hing Steve noch immer nach, als er zusammen mit Wilson das Partydeck betrat, wo bereits der Hausherr mit Maria Hill sowie Patrick und Anna an einem reich gedeckten Tisch saß und sich feixend mit dem Barkeeper unterhielt. Auf dem monströsen Monitor an der Wand lief die Vorberichterstattung zu der mehrtägigen Konferenz, die in dem berühmten Hotel „Waldorf Astoria" unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in Manhattan stattfinden sollte. Immerhin kam dort das Who's who der Weltwirtschaft zusammen, um die Weichen für eine emissionsneutrale Zukunft zu stellen.
„Ah, die Herren geben sich auch einmal die Ehre", kommentierte Tony mit gewohnt sarkastischem Unterton, als Steve und Sam die Runde begrüßten und dann Platz nahmen.
Die nachfolgenden Ausführungen von Stark verkamen zu einem bloßen Rauschen, als Steve braune Augen auf sich spürte und mit hochrotem Kopf feststellte, dass Anna just in diesem Moment eine filigrane Espressotasse zu ihren Lippen führte, kurz innehielt und ihn dann mit einem verführerischen Lächeln bedachte. Eilends stürzte er ein Glas mit Orangensaft in sich, das vor ihm auf dem Tisch stand. Dann fixierte er wie ein verschüchterter Schuljunge den Korb mit allerlei Brötchen und Croissants, der in der Mitte des langen Tisches über allen erdenklichen Köstlichkeiten thronte.
Wie sollte er Anna nur gegenübersitzen und so tun, als wäre alles beim Alten? Wie sollte er Gelassenheit ausstrahlen, wenn sein Gehirn bei jeder ihrer Bewegungen sofort in eine sehr bildhafte Episode seines ganz sicher nicht jugendfreien Traumes abdriftete? Was stimmte nur in letzter Zeit mit ihm nicht? Woher kam dieses drängende Interesse an einer Frau, über die er im Grunde kaum etwas wusste?
„Oh, die anderen Senioren haben auch mal ausgeschlafen!"
Es war eine Erlösung, als Tonys Stimme ihn aus seinen Gedanken riss. Steves Kopf schnellte herum und sein zuvor mürrischer Gesichtsausdruck hellte sich sofort auf, als er Bucky und Becca erblickte, die nebeneinander auf die Gruppe zusteuerten.
Etwas hatte sich verändert. Ein kurzer Blick in Buckys ungewohnt entspannte Miene und Steve wusste, dass das ewige Hin und Her der beiden nun ein Ende gefunden hatte, dass sie endgültig zueinandergefunden hatten.
Was hatte Wilson noch einmal gemeint, Bucky hätte Becca praktisch gestern Abend vom Partydeck entführt? So ein offensives Verhalten passte eigentlich überhaupt nicht zu dem in sich gekehrten Mann, den Steve in den vergangenen Wochen immer besser kennengelernt hatte. Trotzdem breitete sich ein warmes Gefühl in seiner Brust aus, wenn er daran dachte, dass Bucky endlich über seinen Schatten gesprungen war, endlich den letzten Schritt auf die Frau zugemacht hatte, die für ihn so viel mehr war als eine Leidensgenossin und Freundin.
Ein ehrliches Lächeln umspielte Steves Mund, als er Bucky zunickte, der seine Geste wortlos erwiderte.
„Sind wir zu spät?", erklang Beccas zögerliche Stimme und sie nestelte an einem Bändel ihres hellblauen Kapuzenpullovers, der locker über ihre dunkle Jeans fiel.
Sie wirkte mit dieser Kleidung viel jünger, als in der eleganten Robe, die sie am Vorabend getragen hatte und in der sie glatt als Schauspielerin auf einer Gala hätte durchgehen können.
Becca warf einen scheuen Seitenblick zu Bucky und Steve bemerkte, wie sie den Impuls unterdrückte, nach dessen menschlicher Hand zu greifen, die etwas steif neben ihrer eigenen Hand an der Seite des einstigen Winter Soldiers ruhte. Stattdessen streifte sie nur ganz sanft den Handrücken des Mannes, doch in Buckys Zügen konnte Steve ablesen, wie sehr ihm diese kleine Berührung Sicherheit gab.
„Ihr kommt gerade richtig. Peppers großer Auftritt steht erst noch an", mischte sich Anna ein, bevor Stark die Gelegenheit hatte eine weitere Spitze anzubringen, und bedeutete ihrer Freundin sich zu ihr zu setzen.
Bucky nahm seinerseits auf einem Stuhl neben Steve Platz, betrachtete Becca jedoch mit versonnenem Blick, während diese von einer leise tuschelnden Anna völlig in Beschlag genommen wurde. Nun konnte Steve sich ein breites Grinsen nicht länger verkneifen.
Das fühlte sich richtig an, so verdammt richtig. Sie alle zusammen, Bucky und Becca zusammen, das war etwas Gutes, etwas Schönes und er hätte diesen Moment, diesen stinknormalen und dennoch so kostbaren Augenblick, als sie alle gemeinsam am Tisch saßen, miteinander scherzten und zusammen aßen, am liebsten für alle Zeiten eingefroren und in einer Endlosschleife wieder und wieder durchlebt.
Das war das echte Leben und Bucky, Rebecca und er selbst waren ein Teil davon. Endlich. Jetzt wusste er auch, wonach er sich in den vergangen Jahren unbewusst gesehnt hatte, warum eine Frau wie Anna ihn auf einmal vollkommen aus dem Konzept brachte.
Normalität. Er wünschte sich nichts mehr als ein normales Leben im Kreis der Menschen, die ihm wichtig waren. Jetzt, da Bucky zu ihm zurückgekehrt war, schien dieser Wunsch kein bloßes Hirngespinst mehr zu sein. Jetzt hatte er den Mut, endlich den Mann hinter Captain America wiederzuentdecken, den Mut, sein eigenes Leben zu leben. Jetzt erst hatte er das Gefühl, dass er es verdiente zu leben. Im Hier und Jetzt.
„Ah, es geht los", verkündete Tony in feierlichem Tonfall und tatsächlich wurde im Fernsehen nun ein großer Saal eingeblendet, in dem unzählige Stuhlreihen halbkreisförmig vor einem Podest angeordnet waren, auf dem wiederum ein Rednerpult stand, an das in diesem Augenblick eine rothaarige Frau in dunklem Kostüm trat.
„Wir hören nun die eröffnenden Grußworte des CEO von Stark Industries, Miss Pepper Potts", ertönte die Stimme des Reporters und die Kamera zoomte auf das konzentrierte Gesicht von Tonys Lebensgefährtin.
„Sir, ein eingehender Anruf von Miss Romanoff", erklang plötzlich JARVIS' Stimme.
„Soll später anrufen", winkte Tony genervt ab.
„Aber Sir!", hob JARVIS fast schon entrüstet an.
„Klappe halten! Ich will verdammt nochmal hören, welche unbequemen Wahrheiten meine Süße diesen Lackaffen unter die Nase reibt. Romanoff kann sich hinten anstellen."
Damit war für Stark das Thema offensichtlich beendet und auch Steve ignorierte das ungute Bauchgefühl, dass ihn bei JARVIS' Meldung kurzzeitig beschlichen hatte. Als er seinen Blick vom Bildschirm abwandte, spürte er Rebeccas helle Augen auf sich und konnte in ihnen für einen Herzschlag dieselbe irrationale Angst ausmachen, die sich wie ein dumpfer Schmerz ebenfalls in seinen Eingeweiden ausbreitete. Dann hob und senkte sich der Brustkorb der Blondine unter einem schweren Atemzug. Sie schüttelte sachte den Kopf und schenkte Steve ein aufmunterndes Lächeln, so als könne sie seine Besorgnis spüren, doch vertraute darauf, dass er sich unnötig Gedanken machte.
In der Zwischenzeit sprach Pepper bereits zu dem versammelten Publikum und Tony grinste wie ein Honigkuchenpferd, als seine Freundin so einige wortreiche Ausführungen zur Weltwirtschaft und Ressourcenverschwendung anbrachte, die ein lautes Raunen bei der Zuhörerschaft hervorriefen.
„Das ist mein Mädchen!", lachte Stark, als Pepper einen besonders gewagten Vergleich zog und dafür mit dem Applaus vieler Zuhörer belohnt wurde.
Steve wollte schon in die allgemeine Fröhlichkeit einstimmen, als plötzlich ein ohrenbetäubender Knall wie von einer großen Detonation alles übertönte. Schrille Schreie waren zu hören. Dann bestand die Übertragung mit einem Schlag nur noch aus einem schwarzen Bild, das von vereinzeltem weißem Rauschen durchsetzt war.
„Scheiße, was zum -", stieß Wilson aus, wurde aber von Tony unterbrochen, der wie von der Tarantel gestochen aufsprang und zu der bodentiefen Fensterfront rannte.
Steve und Bucky taten es ihm gleich und gemeinsam wurden sie Zeugen, wie eine Rauchwolke sich zäh wie der Qualm eines erlöschenden Lagerfeuers zwischen den Häuserschluchten von Manhattan in den grauen Herbsthimmel schlängelte. Als hätte er einen Schlag in den Unterkörper abbekommen, krampfte sich Steves Magen zusammen. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, dröhnte wie der Nachhall der Explosion in seinen Ohren.
„Heilige Scheiße", entfuhr es Pat und ein kurzer Blick über die Schulter verriet Steve, dass alle Anwesenden völlig verstört zwischen der Fensterfront und dem immer noch pechschwarzen Bildschirm hin und her sahen.
„Ein Terroranschlag?", kam Hills tonlose Frage, die eher einer grausigen Feststellung glich.
„Bei einer Energiekonferenz?", ertönte Sams ungläubige Gegenfrage.
„Ich muss sofort -"
Weiter kam Tony nicht, denn mit einem Mal wich das schwarze Bild einer Übertragung, auch wenn in dem Tumult aus Rauch, Schreien und Schüssen zunächst kaum etwas zu erkennen war. Wie bei einem schrecklichen Autounfall starrten Steve und seine Freunde auf den Monitor, wollten und konnten nicht verstehen, was sich da gerade vor ihren Augen, nur wenige Meilen vom Avengers Tower entfernt, abspielte.
So hilflos hatte Steve sich noch nie in seinem Leben gefühlt, wurde zum Zuschauer einer Tragödie, die er in seiner derzeitigen Situation nicht verhindern konnte. Sie waren alle dazu verdammt, zuzusehen. Untätig, in ihrem eigenen Schockzustand gefangen. Ein weiteres Mal trafen Steves Augen auf Beccas und aus ihrem bleichen Gesicht sprach all das Grauen, vor dem sie sich zeit ihres Lebens gefürchtet haben musste und das sie an diesem Tag in anderer Gestalt ein weiteres Mal eingeholt hatte.
Plötzlich zoomte die Kamera erneut auf das Rednerpult. Eine Gestalt erhob sich aus dem Chaos, warf eine schwarze Flagge mit einem blutroten Emblem lässig über das Pult. Ein verhasstes Symbol, das Steve noch in tausend Jahren wiedererkennen würde.
„Hydra", zischte Bucky neben ihm.
Das war unmöglich! Hydra in aller Öffentlichkeit in New York, vor der Haustür des Avengers Towers!
Steve wollte seinen Augen nicht trauen, verspürte eine plötzliche Übelkeit, als eine Frau an den Haaren auf das Podest geschleift wurde. Nicht irgendeine Frau.
„Pepper", war Tonys erstickte Stimme zu vernehmen.
Angst und blanker Horror ließen sie zu einem bloßen Flüstern verkommen. Der Mann, der als Iron Man Verbrecher jeder Couleur das Fürchten gelehrt hatte, wurde beim Anblick seiner Lebensgefährtin leichenblass, zitterte merklich vor Wut und Verzweiflung. Tony wusste wie alle anderen Anwesenden auch, dass er selbst in seinem Anzug niemals schnell genug bei Pepper sein konnte, um sie vor den Männern zu schützten, die ihr Leben und das weiterer hunderter unschuldiger Menschen in ihren Händen hielten.
Die Kamera zoomte weiter auf den Mann, der eine schwarze Maske trug, die einzig die obere Hälfte seines Gesichts zu erkennen gab. Er positionierte sich in aller Seelenruhe hinter dem Podest. Pepper wurde von zwei Vermummten durch das Bild gezerrt, das Makeup zu schwarzen Streifen unter ihren Augen verschmiert, eine Waffe an ihrer Schläfe. Untermalt wurde die unwirkliche Szene von dem Schluchzen und Flehen panischer Menschen, die wahrscheinlich in diesem Augenblick von den Terroristen wie Schafe vor der Schlachtbank zusammengetrieben wurden.
Und dann ertönte eine Stimme, die Steve augenblicklich das Blut in den Adern gefrieren ließ, denn sie war voll Hass und bösartigem Kalkül.
„Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Zuschauer an den Fernsehbildschirmen. Es ist an der Zeit, diese Farce zu beenden."
Der Mann ließ bedeutungsschwer seinen Blick schweifen, empfand wohl eine perverse Freude dabei, dass nun so viele Menschen voller Grauen und Todesangst an seinen Lippen hingen.
„Ihr dachtet, weil ihr einen Kopf abgeschlagen habt, sei die Bestie besiegt? Ihr dachtet, nach Washington sei alles vorbei? Ihr haltet lächerliche Kongresse ab über Energie und Klimaschutz, während die Welt von Korruption und Verrat zerfressen wird? Ihr denkt, das Leben könnte einfach so weitergehen wie bisher? Ihr denkt, dass ihr sicher seid? Ihr wünscht euch Frieden?", der Sprecher stieß ein verächtliches Lachen aus, machte dann erneut eine vielsagende Pause. „Wir werden euch Frieden geben. Wir werden eure Banken und Regierungen zerschlagen, eure verlogene Gesellschaft ausbluten lassen. Wir haben tausend Köpfe, wir sind der Zorn der Gerechten, die Stimme der Wahrheit. Wir zermalmen eure Weltordnung und errichten auf dem Schutt eurer Zivilisation ein nie dagewesenes Imperium. Und dann wird Frieden in der Welt sein. Frieden unter der Herrschaft von Hydra."
Verzweifelte Schreie und Hilferufe übertönten kurzzeitig die Stimme des Mannes. Weitere Schüssen waren zu hören, dann erfüllte gespenstisches Schweigen den Saal.
„Das hier ist eine Botschaft, eine Botschaft an Captain America und seine dreckigen Spießgesellen", fuhr der Mann unbeirrt fort. „Hydra sendet freundliche Grüße in den Avengers Tower."
Dann wandte er sich ruckartig an einen der Vermummten, die mit schweren Maschinenpistolen seine Rechte und Linke flankierten.
„Feuer!"
Salven aus automatischen Waffen zerrissen augenblicklich die ohnmächtige Stille, die wie ein Leichentuch über dem Partydeck lag. Steve zuckte bei dem Krachen der Schüsse und den Schreien der Geiseln zusammen. Grelle Lichter explodierten vor der Kamera. Dann wurde die Übertragung erneut unterbrochen und sie starrten auf die schwarze Oberfläche des Monitors.
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