Kapitel 59: Offene Worte

Es war, als hätte jemand einen Eimer Gletscherwasser über ihm ausgeschüttet. Von einer Sekunde auf die andere fühlte er sich, als sei er aus seinem eigenen Körper herausgerissen worden, nur um dann mit unvorstellbarer Wucht wieder zurückgeschleudert zu werden. Bucky blinzelte mehrmals hintereinander, um die grellen Lichter zu vertreiben, die wie ein Schwarm grün leuchtender Glühwürmchen in seinem Sichtfeld auf und ab tanzten. Sein Schädel dröhnte, als sei er mit einem Baseballschläger bearbeitet worden. Die verdammten Kopfschmerzen würden ihn wie so oft in den kommenden Stunden begleiten.
Plötzlich bewegte sich der Untergrund. Mehrere schwere Atemzüge später realisierte Buckys halbwacher Verstand jedoch, dass es nicht der Fußboden seines Apartments war, der wie ein bockendes Pferd beim Rodeo mit aller Kraft versuchte ihn abzuschütteln. Nein, er fand sich zwar eindeutig auf den harten Fliesen neben der Couch wieder, auf der er eingeschlafen sein musste, doch weder konnte er sich erklären, wie er dort gelandet war, noch warum plötzlich ein Mensch aus Fleisch und Blut unter ihm lag und gegen ihn ankämpfte.
Ein Paar allzu vertrauter Augen starrte Bucky im dämmrigen Licht des Raumes entgegen, weit aufgerissen, so als hätten sie ein Schreckgespenst erspäht. Die nächtlichen Lichter der Metropole warfen einen blassen Schimmer durch die gegenüberliegende Fensterfront, ließen ihn die zarte Silhouette der Frau nur erahnen, die er ganz offensichtlich unter sich begraben hatte.
Heftig schnappte Becca nach Luft, wand sich wie ein Aal, wohl in der Hoffnung durch ihre Bemühungen freizukommen. Ein aussichtsloses Unterfangen, denn voller Entsetzen stellte Bucky im nächsten Moment fest, dass seine Metallfaust ihre schmalen Handgelenke über ihrem Kopf unbarmherzig zusammendrückte, während sein schieres Körpergewicht sie trotz ihrer unablässigen Gegenwehr an Ort und Stelle fixierte.
Augenblicklich ließ er von ihr ab. Sein eigener Körper zitterte merklich und in seinen Schläfen hämmerte der alte Schmerz in ungeahnter Intensität weiter. Ein Stöhnen bahnte sich einen Weg aus seiner Kehle, die sich mit einem Mal staubtrocken anfühlte, rau und viel zu eng, um genügend Sauerstoff in seine Lungenflügel zu ziehen. Für einen flüchtigen Augenblick geisterten die Finger seiner menschlichen Hand über das ihm zugewandte Gesicht, unsicher, ob Rebecca nicht bloß eine Halluzination war. Unter seiner Berührung fühlte sich ihre Haut erhitzt an, unnatürlich warm. Als hätte er sich an einer Herdplatte verbrannt, riss Bucky seine Hand zurück.

„Becca, was hast du getan?"

Kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, machte Bucky das stechende Ziehen in seiner Körpermitte bewusst, dass die Frage viel eher lauten sollte, was er im Begriff gewesen war zu tun. Sein Geist mochte zwar träge sein, immerhin war er mitten aus dem Tiefschlaf gerissen worden, doch ein Blick in Beccas Gesicht und ihre großen angsterfüllten Augen verriet ihm alles, was er es in dieser Situation zu wissen gab.
Ekel, Wut und Scham stürmten mit aller Macht auf ihn ein. In Sekundenschnelle rappelte Bucky sich vom Boden auf, brachte so viel Abstand wie irgend möglich zwischen sich und Rebecca, die ihren Oberkörper nun ihrerseits langsam aufrichtete. Im Halbdunkel beobachtete er, wie sie sich unter Schmerzen abwechselnd über die Handgelenke rieb. Dabei wirkte sie mindestens so verloren wie er selbst.

„Was ist passiert?" Seine eigene Stimme war nur ein Flüstern, während er krampfhaft versuchte, sich einen Reim auf seine derzeitige Lage zu machen.

„Du hattest einen Alptraum." Beccas schlichte Antwort war ebenfalls nicht mehr als ein leises Wispern.

„Aber woher -" Bucky verstummte, als ihm klar wurde, was genau sie ihm damit sagen wollte. „Sie haben dir den Halsreif abgenommen?"

Ihr zartes Ja drang kaum zu ihm durch. Übermannt von seinem plötzlich auflodernden Zorn sprang Bucky auf, befahl J.A.R.V.I.S. die Deckenbeleuchtung zu aktivieren und starrte dann fassungslos auf die Telepathin, die zu seinen Füßen am Boden kauerte und seinem bohrenden Blick erfolgreich auswich.

„Sie nehmen dir das verfluchte Ding endlich ab und du hast nichts Besseres zu tun, als mitten in der Nacht hier rein zu spazieren, weil ich angeblich schlecht geträumt habe!"

„Es tut mir leid, Bucky." Rebeccas Beine wirkten unstet, als sie sich mühsam erhob, um ihm nun direkt in die Augen zu sehen. „Das war kein normaler Alptraum. Dein Geist war so laut, dass mich die Schreie sogar in meinem Apartment aufgeweckt haben. Ich musste einfach nachsehen, was da vor sich geht."

Beschwichtigend hob sie ihre Hände, machte einen Schritt auf ihn zu. Doch in Buckys Kopf setzten sich in diesem Moment die fehlenden Puzzelteile zusammen und er wich vor ihr zurück.

„Du hast es wieder getan, nicht wahr?"

Er war außer sich. Wie oft hatte er sie gebeten, sich aus seinen Gedanken zu halten, wie oft musste er Rebecca noch sagen, dass er sie nicht in seinem Kopf haben wollte? Warum konnte die Telepathin ihn nicht einfach in Frieden lassen? Warum konnten sie ihn alle nicht endlich in Frieden lassen?

„Hat Steve dich dazu überredet oder war es Romanoff?"

Irritiert runzelte Becca die Stirn, suchte dann offensichtlich nach den richtigen Worten.

„Niemand hat mich zu irgendetwas überredet. Es war meine Entscheidung. Ich wollte dir helfen, so wie du mir geholfen hast."

„Indem du wieder in meinem kranken Hirn herumstocherst? Bist du noch ganz bei Trost?"

Binnen eines Herzschlages war er bei ihr, hielt sie grob an ihren Handgelenken fest. Schmerz durchzuckte ihr Gesicht, doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Beccas bemüht tapfere Fassade vermochte Bucky jedoch nicht mehr zu täuschen. Er konnte die erneute Panik in ihren Augen erkennen, als er sie an jener Stelle berührte, wo seine Metallhand zuvor rote Abdrücke hinterlassen hatte.

„Ich hatte es unter Kontrolle", brachte sie trotzig zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

„Unter Kontrolle, ja? Hast du überhaupt eine Vorstellung, was hätte passieren können?" Seine Hände umfassten plötzlich ihre Schultern. „Weißt du immer noch nicht, wozu der Soldier fähig ist? Wozu ich fähig bin?"

Seine Finger bohrten sich immer tiefer in ihre nackte Haut. Er war so wütend, so verdammt wütend auf Rebeccas sorglose Art. Glaubte sie wirklich, dass der Soldier sie verschonen würde, dass er die Bestie in seinem Kopf beliebig im Zaum halten konnte?

„Diesmal war kein Wallenstein da, um mich aufzuhalten. Diesmal hätte ich dich fast -"

Er merkte erst jetzt, dass er auf sie einschrie und ihren zierlichen Körper wie von Sinnen durchschüttelte. Geschockt von seiner Unbeherrschtheit taumelte Bucky rückwärts, schlug die Hände vor seine Augen, als die Migräne endgültig wie eine Flutwelle über ihn hereinbrach und grässliche Bilder mit sich führte, die er verzweifelt aus seinem Kopf zu verbannen versuchte.

„Es ist nichts passiert, Bucky. Mir geht es gut."

Sanft strich ihre Hand über seinen menschlichen Arm und für einen kurzen Augenblick der Schwäche genoss er die vertraute Berührung. Dann jedoch wandte er sich von ihr ab, ertrug ihre Nähe einfach nicht mehr, wollte ihren mitleidigen Blick nicht auf sich wissen.
Er hatte ihre Fürsorge nicht verdient. Nicht, nachdem er sich ein weiteres Mal in ihrer Gegenwart in dieses Monster verwandelt hatte. Mehr als alles andere wollte er sie vor den Gefahren in der Welt beschützen, dabei schlummerte doch in ihm selbst das Ungeheuer, vor dem Becca sich am meisten fürchten sollte.
Noch immer hallte die Stimme in seinem Innersten wider, leise, doch voll boshafter Intensität. Die Stimme, die ihm befohlen hatte, ihr wehzutun. Die Stimme, die ihm gesagt hatte, er solle erst dann aufhören, wenn sie sich nicht mehr wehrte, er solle sie zerreißen und für immer zum Schweigen bringen.

„Verschwinde."

Erstaunen zeichnete sich bei seiner geknurrten Aufforderung in ihrer Miene ab, aber sie bewegte sich keinen Zentimeter.

„Ich sagte, verschwinde!", fuhr Bucky sie an und in seiner Stimme schwang Verzweiflung mit.

„Das werde ich nicht", kam es von seinem Gegenüber. „Ich lass dich nicht alleine. Nicht in diesem Zustand."

„Ich will dich nicht hier haben, verstehst du das nicht?", platzte es aus Bucky heraus. „Du machst mit deinen Psychospielchen alles nur noch schlimmer. Ich will dein Mitleid nicht, Becca, ich will deine Hilfe nicht, wann begreifst du das endlich?"

„Bucky, ich will doch nur - "

„Deine Schuld wiedergutmachen, ist es das?", fiel er ihr atemlos ins Wort. „Aber das geht nicht. Du kannst das, was die Chimäre angerichtet hat, nicht einfach rückgängig machen, Becca. Du kannst Jahrzehnte voller Mord und Grausamkeit nicht ungeschehen machen. Niemand kann das!"

Etwas in ihrem Blick veränderte sich auf einmal, als sie ihn schweigend musterte. Er hatte schon so viele Emotionen in diesem hübschen Gesicht gesehen, doch der Ausdruck in Beccas Augen, der ihm nun entgegenschlug, war dennoch vollkommen neu für Bucky. Er hatte sie wütend erlebt, traurig, albern, fröhlich und stur, doch nie zuvor war das Blau von einer solch maßlosen Enttäuschung durchtränkt gewesen, nie zuvor hatte er das Gefühl gehabt, Rebecca so tief verletzt zu haben wie in diesem Augenblick.

„Ich verstehe sehr gut", brachte sie hervor, bemüht um einen kalten Tonfall.

Dann stürzte sie in geduckter Haltung an ihm vorbei in Richtung des Aufzuges, wohl in der Hoffnung, dass er das verräterische Glänzen in ihren Augen nicht bemerken würde.
Er sollte ihr folgen, sie aufhalten und in seine Arme schließen. Er sollte ihr erklären, dass seine Wut vielmehr auf sich selbst als gegen sie gerichtet war, dass er Angst um sie gehabt hatte und davor, was er ihr womöglich hätte antun können, wenn er nicht rechtzeitig aus seiner Trance erwacht wäre. Er sollte sie erst dann wieder loslassen, bis sie verstanden hatte, dass er sie doch nur beschützen wollte. Sie sollte wissen, dass sie ihm so unendlich wichtig war, dass die Vorstellung, ihr ein Leid zuzufügen, ihn in einen Zustand der Raserei versetzte, in dem er nicht mehr klar denken konnte und Dinge tat und sagte, die er anschließend bereute.
Aber Bucky war wie an Ort und Stelle festgefroren. Unfähig sich zu bewegen oder auch nur einen weiteren Ton von sich zu geben, konnte er nur mitanhören, wie sich hinter seinem Rücken die automatische Aufzugtür öffnete und anschließend mit einem leisen Surren wieder schloss. Das Geräusch hatte etwas schrecklich Endgültiges an sich.

Die nachfolgende Stille lastete wie Blei auf ihm.

Es dauerte einige Zeit, bis Bucky wieder zu halbwegs geordneten Gedankengängen fähig war. Hinter den Glasscheiben zog bereits das Grau eines neuen Tages herauf. Er stand vor der Fensterfront, starrte in das Zwielicht von New Yorks Straßen. In der Ferne konnte er zwischen den Häuserschluchten den Central Park erahnen und allein die Erinnerung an diesen Ort ließ ihn den Blick schuldbewusst abwenden.
Er musste raus, raus aus dem verfluchten Tower, dessen Wände ihn förmlich zu erdrücken schienen. Er wollte ein weiteres Mal die heilsame Luft unter den Bäumen atmen, wollte zur Ruhe kommen, wollte endlich diese verdammten Kopfschmerzen loswerden.
Hastig zog er sich in seinem Schlafzimmer wahllos einen Kapuzenpullover an, streifte die Turnschuhe über seine Füße. Die Fahrt mit dem Aufzug dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Dann fand er sich endlich in der Empfangshalle wieder. Als er eilig das Oval durchschritt, beäugte ihn das Wachpersonal zwar kritisch, doch niemand versuchte ihn daran zu hindern, durch die Eingangstür das Gebäude zu verlassen. Offensichtlich war das Babysitting beendet oder J.A.R.V.I.S. hatte längst Steve, Clint Barton oder gleich das ganze Team der Avengers über seinen kleinen Ausflug in Kenntnis gesetzt. Bucky war es in seiner derzeitigen Gemütslage zumindest herzlich egal, ob sein Verschwinden überhaupt irgendjemandem auffiel oder gleich einen mittelschweren Ausnahmezustand auslöste.
Er zog sich die Kapuze so tief in die Stirn wie irgend möglich, vergrub seine Hände in der Bauchtasche seines Pullovers, während er durch die noch relativ menschenleeren Straßen seinem Ziel fast schon entgegenrannte. Die Lichter der Großstadt, die letzten Nachtschwärmer und ersten Frühaufsteher, gelbe Taxis und grelle Werbereklamen, das alles rauschte wie hinter dem Fenster eines Zugabteils an ihm vorüber.
Bucky versuchte sich auf seine Atmung zu konzentrieren, aber wieder und wieder drifteten seine Gedanken zurück in sein Apartment im Avengers Tower. Nur die Abscheu vor sich selbst übertraf die erdrückenden Schuldgefühle, wenn er an den Ausdruck des blanken Horrors in Beccas Augen zurückdachte, als er sie brutal unter sich auf den Boden gedrückt hatte.
Und dann überlagerte sich dieses Bild gegen seinen Willen mit der Erinnerung an den etwas unbeholfenen Abschied vor der Tür ihres Apartments nach ihrem gemeinsamen Spaziergang am Vortag. Fast hatte er in diesem Moment geglaubt, dass sie ihn bitten würde, bei ihr zu bleiben, den Abend einmal mehr gemeinsam zu verbringen - wie damals in der Benfield Lodge. Becca hatte nichts dergleichen gesagt, aber dennoch hatte Bucky die unausgesprochene Frage in ihrem Gesicht ablesen können. In ihrem Lächeln, in ihrer Stimme hatte eine solche Wärme gelegen, dass Buckys Eingeweide sich krampfhaft zusammenzogen, wenn sich Beccas bezauberndes Lächeln in seinen kruden Gedanken schlagartig mit ihren aufgerissenen, panischen Augen vermengte.
Seine eigene Scham und die Furcht vor sich selbst hatten ihn dann dazu gebracht, sie ein weiteres Mal von sich zu stoßen, ihr nicht nur mit seinen Händen sondern auch seinen unüberlegten Worten wehzutun.
Gequält atmete Bucky ein und aus, konnte die magische Stimmung unter dem herbstlichen Laub nicht genießen, als er die Parkanlage in einem letzten Sprint erreichte, um dann ziellos auf den geschlungenen Pfaden zu wandern. Er passierte mehrere Parkbänke, ließ sich irgendwann auf einer der Sitzgelegenheiten nieder und wartete darauf, dass die Sonne sich über dem Häusermeer von Manhattan erhob. Wie so oft verlor er das Zeitgefühl, als er mit düsterer Miene vor sich ins Leere starrte, das Pochen in seinen Schläfen seine einzige Gesellschaft.

„Ist der Platz noch frei?"

Ein Mann in einem langen, grauen Mantel mit einem ebenso grauen Hut stand urplötzlich vor ihm. Sein sonst hervorragendes Gehör hatte ihn im Stich gelassen, fast schien es, als sei der Neuankömmling wie von Zauberhand aus dem Nichts aufgetaucht.
Bucky brummte etwas, das selbst in seinen eigenen Ohren unverständlich klang, doch der Mann schien sich an seiner abweisenden Haltung nicht weiter zu stören. Mit einem Ächzen nahm er langsam Platz, streckte anschließend seine Beine vor sich aus, so als würden sie ihm Schmerzen bereiten.

„Ich komme jeden Tag hierher. Seit fast zehn Jahren warte ich morgens auf meiner Lieblingsbank, bis die Sonne über New York aufgegangen ist. Alte Gewohnheit, wenn man so will." Das Lachen brachte seinen weißen Bart zum Beben und die Falten um seine Augenpartie vertieften sich noch mehr, verliehen seinem Gesicht das Aussehen eines zerknitterten Pergamentpapiers. „Jetzt sind die warmen Monate leider vorbei und bei jedem Wetterumschwung machen mir meine alten Knochen mehr zu schaffen. Rheuma nennen die Ärzte das heutzutage. Zum Teufel, sage ich, solange ich es noch irgendwie aus dem Bett schaffe, lasse ich mir meinen Morgenspaziergang nicht nehmen."

Als Bucky nach längerem Schweigen immer noch nichts erwiderte, musterte ihn sein Sitznachbar so intensiv, ja beinahe herausfordernd durch die leicht getönten Gläser seiner Brille von der Seite, bis er ihm schließlich seinerseits das Gesicht zuwandte und den Mann mit einem kritischen Blick bedachte.

„Du solltest zu ihr gehen und dich entschuldigen, Junge."

„Was?"

Ein Grinsen zeichnete sich im Gesicht seines Gegenübers ab, als dieser Buckys überraschte Reaktion zur Kenntnis nahm.

„Na, zu deiner Frau, Freundin, was auch immer."

Bucky konnte nicht vermeiden, dass sich sein gesamter Körper anspannte. War dieser ältere Mann vielleicht auch ein Gedankenleser? Gab es mehr Menschen, die ähnliche Fähigkeiten besaßen wie Becca? Diese Möglichkeit hatte er bisher noch nie in Betracht gezogen, dabei war es im Grunde doch nur logisch, dass sie nicht die Einzige sein konnte.

„Woher wissen Sie - "

Seine Stimme verweigerte ihm den Dienst. Saß er gerade allen Ernstes mitten im Central Park und plauderte mit einem wildfremden Menschen über etwas, das er nicht einmal mit Steve besprechen wollte?

„Ich war mehr als 40 Jahre verheiratet", hakte der Mann ein und zwinkerte ihm zu. „Da weiß man, wie ein Kerl aussieht, der Mist gebaut hat. Küss das Mädchen. Sag ihr, dass es dir leidtut, ganz egal, was genau du ausgefressen hast."

Ein humorloses Lachen war Buckys erste Antwort. Dann ließ er seinen Blick über die Wolkenkratzer am Rande des Central Parks schweifen.

„So einfach ist das nicht."

„Liebst du sie?"

„Was?"

Erneut glotzte Bucky seinen Banknachbarn wie eine Jahrmarktsattraktion an.

„Ob du dein Mädchen liebst?"

Jetzt redete der Alte auch noch in einem Tonfall mit ihm, als wäre er entweder schwerhörig oder begriffsstutzig.

„Rebecca ist nicht -"

„Rebecca heißt die Glückliche also." Der Mann verschränkte die Arme vor seiner Brust und schenkte ihm ein wissendes Lächeln. „Ein hübscher Name. Meine Judy war auch eine Klasse für sich, ja, das war sie. Die schönste Frau der Welt, auch dann noch als der Krebs nach und nach ihren Körper zerfressen hat und sie mir jeden Tag ein Bisschen mehr entglitten ist. Man muss die gemeinsame Zeit nutzen, sag ich dir. Viel zu schnell ist sie vorbei und man bleibt alt und einsam zurück."

„Mhm", war alles, was Bucky herausbrachte

„Bestimmt ist deine Rebecca auch ein tolles Mädchen."

„Mhm."

„Und hat das Herz am rechten Fleck."

„Mhm."

„Dann frag ich mich, warum zum Henker du gerade um 7 Uhr in der Früh neben einem alten Knacker wie mir auf einer Parkbank hockst und Trübsal bläst, wenn du stattdessen bei dieser Frau sein könntest."

„Es ist nicht so einfach!", presste Bucky zum wiederholten Male hervor, irritiert, dass er ausgerechnet mit diesem seltsamen Kauz über seine Unfähigkeit im Umgang mit der Telepathin diskutierte.

„Das sagen doch nur Feiglinge." Sein Gesprächspartner machte eine abwehrende Geste mit seiner knorrigen Hand und stierte ihn ein weiteres Mal aus seinen dunklen, greisen Augen an. „Du siehst mir aber wie keiner aus."

Bucky war unschlüssig, ob er sich beleidigt oder geschmeichelt fühlen sollte. Der Mann und seine fast schon fürsorglich-väterliche Art verwirrten ihn zusehends.

„Worauf wartest du eigentlich, mein Junge?" Nun nahm das ihm zugewandte Gesicht strenge Züge an. „Sie wird dir ganz sicher nicht hinterherlaufen, wenn du etwas angestellt hast. Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen, den ersten Schritt machen, auch wenn's schwerfällt. Tolle Frauen wachsen schließlich nicht auf Bäumen."

„Und wenn sie mir dieses Mal nicht verzeihen kann?"

Er hatte nicht weiter nachgedacht. Die Frage hatte Buckys Mund verlassen, bevor ihm klar wurde, dass er seine tiefsten Zweifel gerade mit einem Fremden auf einer Parkbank geteilt hatte.

„Das Risiko musst du wohl in Kauf nehmen."

Unerwartet fest klopfte der Alte ihm auf die Schulter. In dem Moment warf die Sonne die ersten Strahlen über die Dächer von Manhattan, tauchte ihre Umgebung in zarte Goldtöne. Becca hätte diesen Augenblick sicherlich geliebt, durchzuckte es Bucky unvermittelt.
Hastig erhob er sich. Er hatte keine Ahnung, wer der Kerl eigentlich war, der ihn hier ungefragt an seinen Altersweisheiten teilhaben ließ. Im Grunde war es auch bedeutungslos. Der alte Mann war die dringend benötigte Stimme der Vernunft, die all das Chaos beiseite drängte, das Bucky selbst bis an diesen friedlichen Ort verfolgt hatte.
Wie oft hatte er sich in den vergangenen Tagen und Wochen geschworen, dass er nie wieder davonlaufen würde? Aber genau das hatte er vor wenigen Stunden getan. Er war vor Rebecca geflüchtet, hatte sie verletzt und sich wie ein Idiot aufgeführt. Er hatte sich genauso impulsiv und rücksichtslos verhalten, wie während ihrer gemeinsamen Zeit in der Benfield Lodge, dabei hatten sie sich gerade erst am Tag zuvor wieder einander angenähert.

Gott, er war so er verdammter Holzkopf!

Schon wandte er sich von der Parkbank ab, um zu dem Weg zurückzukehren, der ihn wieder in die Straßen von New York führen würde. Bucky konnte es auf einmal gar nicht schnell genug gehen, diesen Ort hinter sich zu lassen. Er warf einen prüfenden Blick über seine Schulter.

„Sag es ihr, Junge! Frauen können es gar nicht oft genug hören."

Der Mann zwinkerte ihm ein letztes Mal zu.

„Dass es mir leidtut?", erkundigte Bucky sich gerade so laut, dass der Andere ihn hören konnte.

„Ja." Nun wirkte das Lächeln des Mannes fast schon mitleidig. „Das auch."

Damit drehte Bucky sich um, setzte eilig einen Fuß vor den anderen.

„Viel Glück, Junge!", hörte er den Mann noch rufen, bevor er hinter hochgewachsenen Büschen aus dem Blickfeld seines unbekannten Ratgebers verschwand.

Die Strecke zum Tower legte Bucky in Rekordzeit zurück. Mehrmals mähte er in seiner Eile um ein Haar andere Fußgänger um, die mittlerweile wieder deutlich zahlreicher die Straßen von Manhattan bevölkerten. Und während der Big Apple um ihn herum allmählich im ersten Licht des Tages zu neuem Leben erwachte, fand er sich am Fuß von Starks Wolkenkratzer wieder.
Bevor er das Gebäude betrat, atmete Bucky einmal tief und kontrolliert ein und aus. Dann straffte er seine Schultern, durchquerte den Eingangsbereich und bedachte die Angestellten, die sich nun neben dem Wachpersonal im Foyer eingefunden hatten, mit einem knappen Nicken. Fast konnte er den Stein hören, der den Security-Mitarbeiten zweifellos in dem Moment vom Herzen fiel, als sie ihn unversehrt und offensichtlich wohlauf von seinem Ausflug zurückkommen sahen.
Er betrat den Aufzug, der ihn zur oberen Ebene des Towers befördern würde. Wieder hatte er den Innenraum ganz für sich alleine. Seufzend ließ er sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken. Er streifte sich die Kapuze vom Kopf, fuhr sich durch die wirren Haare.

Vielleicht sollte er sie abschneiden lassen? Auf dem alten Foto im Smithsonian hatte er doch auch den typischen Kurzhaarschnitt der Army gehabt.

Diese und weitere vollkommen unbedeutende Fragen gingen ihm durch den Kopf, als er den Weg zu Rebeccas Gästeapartment fortsetzte, ohne dass ihm auch nur ein einziger anderer Mensch begegnete. Dann stand er endlich vor ihrer Tür und schlagartig stürmten die Erinnerungen an die vergangene Nacht auf ihn ein, ließen seine menschliche Hand, die er bereits zum Klopfen erhoben hatte, zurück an seine Seite sinken.

„Reiß dich verdammt nochmal zusammen, Barnes!", herrschte er sich innerlich an.

Energisch pochte seine Faust im nächsten Moment gegen die Zimmertür. Einmal, zweimal. Wieder und wieder. Erst als der Durchgang einen Spalt breit geöffnet wurde, bemerkte er, dass er wohl wie ein Irrer auf das Material eingehämmert haben musste.

„Was zum -", die nachfolgenden deutschen Schimpfwörter verkamen zu einem kaum verständlichen Kauderwelsch, während Becca die Tür vollends aufriss, um dann wie vom Donner gerührt vor ihm zu stehen.

Ihre Augen waren gerötet, ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Die nackten Arme verschränkte sie vor ihrer Brust. Beinahe misstrauisch war der Blick, den sie ihm zuwarf.
Er sollte irgendetwas sagen. Irgendetwas, um die mehr als unangenehme Stimmung aufzulockern, die wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen schwebte.

„Hi."

Verflucht, fiel ihm denn wirklich nichts Besseres ein als so eine dumme Begrüßungsfloskel? Am liebsten hätte er seinen Schädel gegen die Wand neben der geöffneten Tür gerammt, dann wären seine Kopfschmerzen zwar noch heftiger, aber vielleicht würde der Zusammenstoß seinem ganz offensichtlich überforderten Sprachzentrum ein Wenig auf die Sprünge helfen.

„Hi", kam es von der anderen Seite der Türschwelle, während Bucky sich innerlich zum hundertsten Mal einen Idioten schimpfte.

„Ich-ich wollte -"

Auf dem Weg zurück zum Avengers Tower hatte er sich so viele passende Sätze zurechtgelegt. Es gab so viele Dinge, die er ihr sagen wollte, so viele unausgesprochene Wahrheiten. Und sie alle begannen mit einer Entschuldigung, die er nun nicht einmal ohne zu Stottern über die Lippen bekam. Frustriert mahlten seine Kiefer aufeinander.
Der Bucky von früher hätte gewusst, was in einem solchen Moment zu tun war. Selbst der alte Mann im Park hätte sich wohl weniger dämlich angestellt als er.
Ohne ein weiteres Wort wandte Becca ihm den Rücken zu und verschwand in ihrem Apartment. Die Tür blieb offen. Bucky nahm die Einladung dankbar an, blieb jedoch bereits nach ein paar Metern stehen, da seine ungewohnt stille Gastgeberin in der Mitte des Raumes verweilte, das Gesicht abgewandt, so als würde sie auf seine nächsten Worte warten.

„Becca, ich - es tut mir leid."

Langsam näherte er sich der Telepathin, die ihren Blick nach wie vor auf ihre nackten Füße gerichtet hatte. Aus ihrer Haltung sprach Erschöpfung. Es war noch früh am Morgen, sie hatte bestimmt eine mindestens ebenso beschissene Nacht wie er selbst hinter sich und wahrscheinlich hatte er sie durch sein wildes Klopfen geradewegs aus dem Bett befördert. Dafür sprachen auch die Shorts und das Top und vor allem ihre offenen Haare, die wild und leicht zerzaust in alle erdenklichen Richtungen von ihrem Kopf abstanden und ihn an die Mähne eines Löwen erinnerten.

„Was ich zu dir gesagt habe, es tut mir leid. Ich war -"

„Nicht ganz du selbst", vervollständigte sie den Satz und drehte sich zu ihm, um intensiv sein Gesicht zu studieren.

„Ja, und ich - ." Bucky rang um Worte. „Gott, Becca, bitte sag mir, dass ich dir nicht wehgetan habe!"

Ein tiefer Seufzer entfuhr ihr. Die Anspannung verschwand aus ihren Zügen, wich einem weicheren sorgenvollen Ausdruck.

„Du hast mir nichts getan, Bucky." Langsam kam sie auf ihn zu, blieb eine Armlänge entfernt von ihm stehen. „Ich war leichtsinnig und dumm, in dein Unterbewusstsein vorzudringen ohne dein Wissen und Einverständnis. Es ist nur so, dass ich - "

Nun verlor sich Beccas Stimme. Bucky konnte den inneren Kampf in ihrem zaghaften Lächeln ablesen, stand hilflos vor ihr, während sie nun ihrerseits fieberhaft nach den richtigen Worten suchte. Becca war weder wütend noch ängstlich, vielmehr schien die Telepathin selbst von Gewissensbissen geplagt zu sein. Und es war seine Schuld, schließlich hatte er mit seiner hitzigen Ansprache alte Wunden aufgerissen und längst verdrängte Erinnerungen in Rebecca geweckt.
Also tat Bucky das, was der alte Mann im Park ihm geraten hatte. Er war nicht gut in so etwas. Dennoch machte er einen letzten Schritt nach vorne und zog sie zu sich.

„Es war mehr als dumm in meinen Kopf einzusteigen, Becca, das ist richtig", murmelte er gegen ihr Haar. „Aber es war auch verdammt mutig und es tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe. Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, was ich gesagt habe. Aber als du unter mir lagst, panisch und vollkommen aufgelöst, wusste ich, dass du in dem Moment nur den Soldier in mir gesehen hast und ich konnte nur noch daran denken, was hätte passieren können. Und ich hatte so eine Scheißangst, Becca."

Als Antwort schlang sie die Arme um seinen Körper, schmiegte den Kopf noch enger an seine Brust. Eine Weile standen sie so beieinander, genossen die stille Nähe des Anderen. Irgendwann hob Becca ihren Kopf, sah ihm fest in die Augen.

„Kannst du dich an den Traum erinnern, Bucky? Ich meine, weißt du, was passiert ist?"

„Nein, dieses Mal nicht."

Sie löste sich aus seiner Umarmung, bewegte sich auf die Couch zu, um dort Platz zu nehmen. Bucky folgte ihrem Beispiel, ließ sich neben ihr auf dem Sitzkissen nieder. Einige Zeit starrte sie nur auf den niedrigen Glastisch, die nackten Beine eng an ihren Oberkörper gezogen.

„Natasha war gestern Abend bei mir", fing sie leise an. „Und mir sind einige Dinge klar geworden."

Bucky versteifte sich neben ihr. Romanoff selbst hatte ihn informiert, dass sie Rebecca besucht hatte, dass sie ein Gespräch unter Frauen geführt hatten, was auch immer das bedeuten sollte.

„Ich habe es satt mich selbst zu verleugnen, Bucky, so satt. Seit vier Jahren lebe ich eine Lüge aus Angst vor Hydra, vor meinen Mitmenschen und mir selbst. Ich kann so nicht weitermachen. Ich will es nicht. Und ja, ich will dir helfen, mehr als alles andere sogar. Weil ich dazu fähig bin, weil ich wahrscheinlich die einzige Person auf diesem Planeten bin, die es mit dem Winter Soldier aufnehmen kann." Becca hielt kurz inne und ein trauriges Lächeln umspielte ihren Mund. „Du hast Recht. Es war riskant und ziemlich überheblich, einfach in deinen Verstand zu tauchen. Und es tut mir leid, Bucky, es tut mir schrecklich leid, dass ich dich in eine solche Lage gebracht habe. Du hattest allen Grund wütend zu sein. Aber ich habe eine Lösung gefunden, ich weiß jetzt, wie wir die Programmierung umgehen können, wie wir die Chimäre besiegen können. Der erste Schritt ist schon getan und wir -"

„Becca." Buckys menschliche Hand fand wie von selbst den Weg zu ihrer kleineren Hand, mit der sie ihr Knie umfasst hielt. „Ich werde nicht zulassen, dass du dich meinetwegen noch einmal in Gefahr bringst."

„Das musst du auch gar nicht, Bucky. Ich weiß jetzt, wie ich den Soldier ausschalten kann, wie ich deine Erinnerungen zurückbringen kann. Vielleicht nicht alle, aber mit der Zeit immer mehr. Wenn wir die Anderen um Hilfe bitten, können wir es gemeinsam schaffen, ohne dass irgendjemand zu Schaden kommt. Da bin ich mir sicher."

Hoffnungsvoll leuchtete ihm das Blau ihrer Augen entgegen. Sie glaubte wirklich daran, dass er zu retten war, dass James Barnes nicht für immer verloren war. Und nach all dem, was sich in den vergangenen Wochen und Tagen ereignet hatte, fand Bucky in diesem Augenblick der Versöhnung nicht die Kraft, ihr zu widersprechen.

Im Gegenteil, er wollte ihr sogar glauben.

„Wir holen uns das zurück, was Hydra dir genommen hat. Wir geben dir einen Teil deines alten Lebens zurück. Du musst es nur wollen, Bucky. Du musst mir nur vertrauen."

So hatte er Rebecca Goldstein kennengelernt - dickköpfig, kämpferisch, selbstbewusst. Endlich saß ihm wieder die Frau gegenüber, die es geschafft hatte, seine kalte Hülle zu durchbrechen, die ihn dazu brachte, sich trotz allem wie ein ganz normaler Mann zu fühlen.

Ja, er wollte ihr glauben, er wollte ihr vertrauen. Er hatte das Gefühl, dass sie es vereint wirklich schaffen konnten.

Bucky überraschte sich selbst, als er, ohne weiter darüber nachzudenken, ihre Taille umschlang und sie auf seinen Schoß zog. Ihre Hände fanden sich auf seiner Brust wieder, die sich unter seinen eigenen Atemzügen ungewohnt schnell auf und ab bewegte.

„Ist das ein Ja, Mr. Barnes?"

Bucky ertappte sich dabei, wie seine eigenen Mundwinkel leicht nach oben zuckten, als Beccas Lächeln bei ihrer Frage verspielte Züge annahm. Mit seinen Händen umfing er ihr Gesicht, blickte in ihre Augen, während ihre Finger langsam durch seine Haare glitten. Sanft fuhren ihre Nägel dabei über seine Kopfhaut, zeichneten wieder und wieder ein Muster nach, das nur sie zu kennen schien. Ihre Berührungen jagten ihm einen wohligen Schauder nach dem nächsten über den Rücken, ließen sein Herz immer kräftiger gegen seinen Brustkorb schlagen. Langsam beugte er sich zu ihr nach vorne, versuchte das Kribbeln in seiner Magengegend zu ignorieren, das sich dort immer dann einnistete, wenn er Rebecca nahekam. Das schmerzhafte Pochen in seinen Schläfen glich in diesem Moment nur einem weit entfernten Donnergrollen.
Wie hatte der alte Mann doch gleich gesagt? Er solle das Mädchen küssen und sich entschuldigen. Die angeratene Reihenfolge hatte Bucky wohl etwas durcheinander gebracht, aber als er seinen Mund auf ihren Mund senkte und Beccas Kuss schmeckte, war auch dieser Gedanke auf einmal wie weggeblasen.
Es gab nur noch sie und ihn, seine Lippen auf ihren und die Gewissheit, dass sie sich endlich gefunden hatten.
Seine Metallhand wanderte ihre Wirbelsäule entlang nach unten. Zärtlich fuhr er ein ums andere Mal die Kurve nach, in der sich ihre Taille in ihre Hüfte erstreckte. Beccas Griff in seinen Haaren verstärkte sich derweil. Immer stürmischer wurde der Kuss und auf einmal war es nicht mehr genug, sie in seinen Armen zu halten und seine Lippen auf ihren zu spüren. Auf einmal war da der Wunsch, die Sehnsucht nach mehr.
Seine Hand schob sich unter den Stoff ihres Tops, streichelte über ihren unteren Rücken. Ruckartig unterbrach Becca den Kuss, wollte sich seiner Berührung entziehen.
Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete Bucky, dass er zu weit gegangen war, doch als ihr Kichern ertönte, begriff er, dass es lediglich seine metallischen Finger gewesen waren, deren unnatürliche Kälte Becca aufgeschreckt hatte.

„Verfluchtes Mistding!", schimpfte Bucky mit gespieltem Ernst, aber gleichzeitig schob er ein weiteres Mal seine Metallhand unter das Oberteil, um die empfindliche Haut zu reizen.

Ihr helles Lachen war Musik in seinen Ohren, als sie sich ungestüm gegen seine Kitzelattacke zur Wehr setze.

„Aufhören!", brachte sie mit einem atemlosen Glucksen hervor. „Bitte Bucky!"

„Tut mir leid", erwiderte der Angesprochene mit einer Unschuldsmiene, so als wäre er selbst nicht Herr der Situation. „Ich kann es einfach nicht kontrollieren, Becca. Mein Arm hat sich verselbstständigt."

Anstatt von seinem Opfer abzulassen, strafte er sein eigenes Wort Lüge, nahm sogar seine zweite Hand zu Hilfe, um sie erbarmungslos zu kitzeln. Er stimmte in ihr Lachen ein, das sich fast überschlug und einfach zu ansteckend war. Tränen sammelten sich bereits in ihren Augenwinkeln, ihr gesamter Körper zitterte, als er endlich von ihr abließ. Jedoch nur, um Becca sanft mit dem Rücken auf die Couch zu drücken.

„Mistkerl!", brachte sie zwischen zwei tiefen Atemzügen hervor, während sie ihn mit ausgestreckten Armen auf Abstand hielt.

Dabei schien Becca nicht einmal zu bemerken, dass sie wie so oft in einem unüberlegten Moment in die Sprache ihres Heimatlandes verfallen war. Mit einem frechen Grinsen hob sie schon an, um etwas zu ergänzen, sicherlich weitere blumige Kraftausdrücke in ihrer Muttersprache, aber Bucky beugte sich blitzschnell zu ihr herab und verschloss ihren Mund mit seinem, küsste sie tief und innig. Er genoss das Gefühl wie von kleinen elektrischen Impulsen, das seinen gesamten Körper überzog, wenn sich ihre Zungen berührten und dieses eigenartige und dennoch so vertraute Spiel aus Zärtlichkeit und Verlangen vollführten.
Am kommenden Tag, sagte Bucky sich insgeheim, würde er wieder in aller Früh in den Central Park gehen und sich bei dem namenlosen älteren Herrn bedanken.

Er hatte Recht behalten. Es war so viel besser, hier bei Rebecca zu sein.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top