Kapitel 54: Prätorianer
Mehrere Fahrzeuge erwarteten sie bereits am Militärflughafen unweit der Hauptstadt, den Hydra nach dem Scheitern von Projekt Insight weiterhin erfolgreich unter ihrer Tarnung in Sokovia betrieb. Die anschließende Fahrt durch die Wälder zog sich wie Kaugummi, war das Wegenetz doch mindestens so rückständig wie das gesamte kriegsgebeutelte Land jenseits der Karpaten.
Sollte er Unsicherheit verspüren, ließ sich Rumlow nicht einmal einen Hauch davon anmerken. Als sie sich endlich nach über einer Stunde der Burg eines längst untergegangenen Adelsgeschlechts näherten, die als weithin sichtbarer Trutzbau auf einem Felsen das Tal von Novigrad überblickte und bereits seit mehreren Jahren als geheimer Hydra-Stützpunkt diente, strahlte der Kommandant immer noch eine seltsame Gelassenheit aus, die Seizew wiederum in immer größeren inneren Aufruhr versetzte.
Ein Gefühl in seiner Magengegend verriet ihm, dass er gerade irgendeine verflucht wichtige Scheiße verpasste und dieser Umstand zerrte an seinem Nervenkostüm, das dieser Tage ohnehin extrem dünn geworden war. Verräterisch zuckten die Finger seiner rechten Hand, je länger er grübelnd auf die Landschaft starrte, die im Eiltempo hinter dem Fenster an ihnen vorbeizog. Zu gerne hätte Seizew in diesem Moment sein Gegenüber am verbliebenden Haarschopf gepackt und Rumlows hässliche Bortschfresse so lange gegen die gepanzerte Glasscheibe des Fahrzeugs gedonnert, bis der Typ endlich mit der Wahrheit herausrückte.
Aber natürlich hielt er sich zurück, behielt die zugegebenermaßen recht amüsante kleine Fantasie für sich, während er seinen Blick über die weiteren Passagiere wandern ließ.
Angeregt unterhielt Rumlow sich nun schon eine ganze Weile mit einem Mann namens Ryder, der sie persönlich am Flughafen empfangen hatte und offensichtlich ein höheres Tier unter dem Kommando des Barons war. Die Beiden kannten sich anscheinend gut von früheren Operationen in Osteuropa, ihm selbst war der Typ noch nie unter die Augen gekommen.
Allerdings war das auch keine Überraschung, denn wo Rumlow sich innerhalb ihrer Organisation über die Jahre hinweg weit vernetzt hatte, war Seizew stets ein Einzelkämpfer geblieben, dem selten der Sinn nach Geselligkeit mit anderen Hydra-Mitgliedern gestanden hatte. Diese geheuchelte Kameradschaft empfand er schon seit jeher als lächerliche Farce. Noch schlimmer waren nur diese dümmlichen Treuebekundungen, die seine Mitstreiter bei jeder Gelegenheit lauthals hinaus posaunten, ohne zu begreifen, dass das Leben eines Einzelnen in den Augen ihrer Anführer nicht mehr wert war, als das der Bauern bei einem Schachspiel. Zahlreich, ersetzbar, unbedeutend. Randerscheinungen, kleine Zahnräder in einem System, dessen Mechanismen sie nicht einmal ansatzweise durchschauten oder verstanden.
Schweigend lauschte Seizew dem Gespräch der beiden Männer, studierte dabei Agent Ryder aufmerksam. Der Kerl war ein Hüne, sicherlich über zwei Meter groß mit ausladenden Schultern und einem beeindruckenden Stiernacken. Eine Hakennase verlieh seinem Gesicht etwas Raubvogelartiges und dieser gefährliche Eindruck wurde zusätzlich von seinen dunklen Augen verstärkt, die aus tiefliegenden Höhlen hervor spähten. Dieser Mann war ein ganz anderes Kaliber als Jones, dieser inkompetente Jammerlappen, dessen Anwesenheit Seizew glücklicherweise nie wieder ertragen musste, soviel ahnte er bereits in ihrer kurzen gemeinsamen Zeit.
„Der Baron war außer sich, als er vom Verlust der Basis und der Waffe erfahren hat."
Warum der Agent in gedämpftem Tonfall zu ihnen sprach, war Seizew ein Rätsel, schließlich saßen sie allein im Innenraum des gepanzerten Trucks, der sich über die holprigen Straßen von Sokovia quälte, die wohl seit dem Mittelalter existierten und wohl eher für Pferdefuhrwerke oder Eselkarren ausgelegt waren als für schwere Militärfahrzeuge. Außer ihnen und Schedler war sonst niemand im wackelnden, hinteren Teil des Wagens und das Doktorchen steckte bereits wieder mit der Nase in seinen Aufzeichnungen, die er immerzu in einem kleinen Aktenkoffer mit sich herumschleppte.
„Ein bedauerliche Rückschlag, zweifellos", kam Rumlows Antwort und nur ein Zucken unter seiner vernarbten Gesichtshaut, die sich wie wulstiges Leder über seine Schläfen spannte, verriet, wie sehr diese erneute Niederlage gegen die Avengers den Mann immer noch in Rage versetzte. „Allerdings hast du mich ja bereits wissen lassen, dass ihr ebenfalls mit Verlusten in den eigenen Reihen zu kämpfen habt."
Ryders dunkle Augenbrauen schossen bei diesen Worten kurzzeitig in die Höhe und auch Seizews Interesse war geweckt, als er bemerkte, wie sich nach und nach ein spöttisches Grinsen im Gesicht des Hydra-Agenten ausbreitete.
„In der Tat, mein Freund. Die beiden Talente sind kurz nach Pierce' Niederlage in Washington aus ihren Zellen entkommen und seitdem untergetaucht. Niemand weiß, wo sie sich im Augenblick aufhalten, ob sie das Land nicht schon längst verlassen haben."
„Struckers geliebte Zwillinge entpuppen sich als Verräter!" Rumlow ließ sich diese neueste Entwicklung in Sokovia, die allem Anschein nach für den Kommandanten keine wirkliche Neuigkeit darstellte, genüsslich auf der Zunge zergehen.
Seizews Neugier war nun ebenfalls erwacht. Natürlich hatte er auch schon von diesem ominösen Zwillingspärchen gehört. Im Grunde waren es aber nicht mehr als Gerüchte, die er in der Hydra-Basis aufgeschnappt hatte. Angeblich war Baron von Strucker in den Besitz einer mächtigen außerirdischen Technologie gekommen und hatte diese verwendet, um Experimente an Menschen durchzuführen. Die Zwillinge waren offenbar die einzigen Probanden, die diese Prozedur überstanden hatten und dem Gerede nach hatten beide infolgedessen übermenschliche Fähigkeiten entwickelt.
Zu gerne hätte er erfahren, was genau es mit dieser neuartigen Technologie auf sich hatte und über welche Fertigkeiten die Geschwister nun genau verfügten, doch bei seinen eigenen Nachforschungen war er auf eine Mauer des Schweigens gestoßen und auch Rumlow hatte es nicht für nötig gehalten, ihn über die genauen Entwicklungen in Sokovia zu informieren.
Er hasste es im Dunkeln zu tappen, überhaupt ging ihm die verfluchte Geheimniskrämerei seines Vorgesetzten seit der Niederlage gegen die Avengers und dem Verlust der Telepathin gehörig auf den Sack. Seizew hatte schon immer einen Riecher dafür, wenn an einer Sache etwas faul war und so ließ ihn seit ihrem Aufbruch in den Staaten das Gefühl nicht los, dass er ein entscheidendes Detail in dieser Angelegenheit übersehen hatte.
„Es war von vornherein ein Fehler, Zivilisten für Dr. Lists Experimente heranzuziehen, wenn du mich fragst. Strucker hat diese Leute mit falschen Versprechungen geködert und nun haben ihn seine künftigen Supersoldaten bei der erstbesten Gelegenheit im Stich gelassen. Als wir dann von Red Stars erneutem, überraschenden Auftauchen in Kenntnis gesetzt wurden, war der Baron regelrecht besessen von der Aussicht, die Telepathin so schnell wie möglich in die Finger zu bekommen", Ryder lehnte sich etwas aus seinem Sitz zu dem Hydra-Kommandanten nach vorne und seine Augen verengten sich zu schwarzen Schlitzen. „Aber die Frau ging an den Feind verloren, mehr noch, der Winter Soldier ist ebenfalls wieder in Erscheinung getreten, hat sich mit seinem alten Kampfgefährten gegen uns verbündet. Die Verluste in den USA waren ein weiteres Mal erheblich und für diesen Rückschlag muss Strucker nun einen Sündenbock finden, wenn er nicht vollends das Gesicht verlieren will."
Rumlow entgegnete daraufhin nichts. Bis zu ihrer Ankunft im vorgelagerten Innenhof der Burg herrschte ein nachdenkliches Schweigen im Fahrzeuginneren und für Seizew bestand nunmehr kein Zweifel, dass Brock Rumlow seiner eigenen Hinrichtung entgegensteuerte, denn spätestens seit Ryders Ausführungen dürfte sogar Dr. Schedler, der im Verlauf des Gesprächs wie ein Häufchen Elend neben Seizew immer tiefer in seinem Sitz nach unten gerutscht war, klar geworden sein, dass ihr kleiner Sokovia-Trip für ihren Kommandanten kein gutes Ende nehmen würde.
Seizew fragte sich einmal mehr, warum Rumlow den kleinen, grauen Mann überhaupt mitgenommen hatte. Er würde sie in ihrer Sache ganz sicher nicht weiterbringen und bei ihren Ankunft wohl nur noch an Dr. Lists Rockzipfel hängen. Struckers rechte Hand und der Leiter seiner Forschungsabteilung schien in den Augen des Wissenschaftlers so etwas wie ein verfickter Gott zu sein, sprach er doch stets mit verklärtem Gesichtsausdruck von der Arbeit seines einflussreichen Hydra-Kollegen.
Seizew rümpfte die Nase, sprang hinter Rumlow aus dem Fahrzeug, als dieses zum Stehen kam. Sie waren im Innersten der Festungsanlage angekommen.
„Immer mir nach", verkündete Ryder und trabte dann gemächlich voran. „Wir werden schon erwartet."
Unauffällig ließ Seizew seinen Blick schweifen. Die schmucklosen Mauern des weitläufigen Burghofes ragten in den klaren Mittagshimmel, wurden nur ab und an in regelmäßigen Abständen von bogenförmigen Fenstern und senkrechten Nischen unterbrochen, die wohl einst als Schießscharten bei Angriffen gedient hatten. Eine Rampe führte sie im Zickzackkurs zu einem höher gelegen Teil des Hauptgebäudes und wie er innerhalb kürzester Zeit feststellte, schien an jeder strategisch wichtigen Stelle ein bewaffneter Wachposten zu lauern. Auf ihrem weiteren Weg zählte Seizew mehrere Dutzend Hydra-Soldaten, vermerkte aus Gewohnheit die Position jedes Einzelnen in einem gedanklichen Lageplan des verwinkelten Komplexes aus Mauern und umbauten Räumen.
Über eine kleine Brücke erreichten sie ein Portal mit mächtigen dunkelgrünen Türflügeln, die von zwei Wachen mit einem knarrenden Geräusch geöffnet wurden. Hinter Ryder traten sie in einen schmalen Gang, in dem unzählige Treppenstufen gleich einer Himmelsleiter steil nach oben führten. Ein ziemlich unpassender Vergleich, schoss es durch Seizews Kopf, immerhin erwartete sie am Ende ihres Weges wohl eher das Inferno, als dass sie plötzlich in paradiesische Gefilde eintauchen würden. Einzig der Schein von Fackeln, die im Abstand einiger Meter an den Wänden befestigt waren, erfüllte den Durchgang mit einem schummerigen Licht und Seizew konnte bei diesem gewollt dramatischen Entree nur mit den Augen rollen. Als Nächstes würden wohl Herolde mit Posaunen ihre Ankunft verkünden.
Das Ganze hier entwickelte sich mehr und mehr zu einem schlechten Film, an dessen Ende Rumlow unweigerlich einen Kopf kürzer gemacht werden würde, doch zumindest konnte Seizew hoffen, dass ihm selbst bei dieser Scheiße nur eine Statistenrolle zuteilwurde.
Mit einem Mal landete Rumlows Hand schwer auf seiner Schulter, riss ihn aus seinen Überlegungen und bedeutete ihm sein Tempo etwas zu verlangsamen, um eine gewisse Distanz zwischen sich und ihren Begleiter zu bringen. Offensichtlich wollte der Kommandant den anderen Mann außer Hörweite wissen.
„Interessierst du dich für Geschichte, Seizew?"
Er hatte mit so einigen Fragen gerechnet, aber diese war wohl die mit Abstand dämlichste, die dem Hydra-Kommandanten in diesem Augenblick in den Sinn kommen konnte. Mit einem abfälligen Schnauben schüttelte Seizew die Hand ab.
„Das interpretiere ich als Nein", Rumlows Visage verzog sich im Fackelschein zu einer dämonischen Maske. „Dann weißt du wohl auch nichts vom Ende des römischen Kaisers Caligula?"
„Eine Geschichtsstunde? Dein Ernst, Rumlow?", knurrte Seizew, genervt von dem seltsamen Geschwafel seines Vorgesetzten, das nicht einmal als Galgenhumor zu etwas taugte.
Der Kommandant ließ sich in seinem Monolog jedoch nicht beirren, sprach unbeeindruckt weiter, so als würden sie sich über das Wetter unterhalten, während jede weitere Stufe sie der Konfrontation mit Baron von Strucker ein kleines Stückchen näher brachte.
„Caligula wurde von jenen verraten, die ihm am nächsten standen, denen er blind vertraute, von seiner eigenen Leibgarde, den Prätorianern. Diese Krieger hatten erkannt, dass ihr Herrscher zögerlich geworden war, paranoid, schwach. Unter seiner Führung drohte das römische Imperium auf kurz oder lang zu zerbrechen. Also beschlossen die Prätorianer, die Geschichte umzuschreiben mit dem Blut ihres Kaisers." Rumlow machte eine fast schon theatralische Pause. Sein Blick bohrte sich derweil in Seizews Seite. „Sie ermordeten ihren Herrscher hinterrücks, stachen ihn ab wie ein Schwein, opferten ihre eigene Ehre, ihre Treue für das Imperium und für all das, wofür Rom in der damals bekannten Welt stand."
Seizew ließ sich die kryptische Anekdote durch den Kopf gehen, während sie unaufhaltsam auf ihr Schicksal zusteuerten, das sie am Ende des Treppenaufgangs erwartete. Es ging nicht um das Ableben eines beschissenen Kaisers bei Rumlows kleiner Geschichtslektion, überhaupt erstaunte ihn das ganze pseudo-philosophische Gequatsche, das der Hydra-Kommandant soeben von sich gegeben hatte.
Ihm blieb jedoch nicht genug Zeit, um sich auf das Gesagte einen Reim zu machen, denn schon fanden sie sich vor dem Durchgang wieder, dessen hölzerne Tür Ryder mit einem knarzenden Geräusch aufstieß. Hinter dem Hydra-Agenten und Rumlow betrat er einen ausladenden Raum, seinerseits gefolgt von Dr. Schedler, dessen schwerfälliger Atem unangenehm in seinem Nacken kitzelte.
Das Bild, das sich ihm hier bot, versetzte Seizew in Erstaunen und für einen kurzen Augenblick verweilte er im Türrahmen, ließ seine Augen über die fast schon unwirkliche Szenerie gleiten, die sich vor ihm entfaltete.
Sie befanden sich offensichtlich in einem ehemaligen Thronsaal. Die schiere Dimension dieser unerwarteten Umgebung war beeindruckend, denn hinter den blanken Mauern der Festung hatte Seizew nichts Dergleichen vermutete. Steinerne Säulen trugen ein kuppelförmiges Gewölbe, von dem sich ein gigantischer schmiedeeiserner Kronleuchter in der Mitte des Saals hinab schraubte. An den Wänden unterbrachen Rundbögen das Mauerwerk und durch die filigranen Fenster drang das Tageslicht nur als fahler Glanz ins Gebäudeinnere ein.
Bei ihrem Eintreffen verstummten schlagartig die Gespräche unzähliger Männer, die hier versammelt waren und als Seizew eine Art Podest am anderen Ende des Raumes ausmachte, verstärkte sich der Eindruck, dass sie soeben Teil einer königlichen Audienz geworden waren, denn dort saß tatsächlich auf einem hölzernen Thron mit hoher Rückenlehne der unangefochtene Herrscher ihrer Organisation.
Baron Wolfgang von Strucker trug nicht nur einen Adelstitel, wie Seizew feststellte, als sich seine Beine mit einem Mal fast schon mechanisch in Bewegung setzten und er Agent Ryder und Brock Rumlow in gebührendem Abstand nachfolgte. Der Mann war ein verfickter König, blickte mit der Arroganz und Entschlossenheit eines unangefochtenen Anführers auf seine Vasallen hinab. Für ihn waren sie nichts weiter als die Überbringer schlechter Nachrichten und Seizew erinnerte sich nur zu gut daran, was man in früheren Zeiten mit Boten gemacht hatte, die von den Schlachtfeldern zu ihren Fürsten mit nichts als einer Niederlage im Gepäck zurückgekehrt waren. Er konnte sich glücklich schätzen, in diesem Augenblick nicht in Rumlows hässlicher Haut zu stecken und nach den Mienen der übrigen anwesenden Hydra-Mitglieder zu urteilen, war Seizew mit diesem Gedanken wohl nicht alleine.
Ihre Schritte hallten gespenstisch durch den Saal, als ihre kleine Gruppe sich langsam den Stufen näherte, die zu dem Podest führten, auf dem der Baron im wahrsten Sinne des Wortes über ihnen allen thronte. Neben ihm stand ein Mann in einem schwarzen Anzug mit grau meliertem Haar, der wohl kein anderer als Dr. List sein konnte.
„Willkommen in Sokovia, Kommandant Rumlow!"
Die Stimme des Barons klang alles andere als einladend, als er sich ruckartig von seiner Sitzgelegenheit erhob, um im Anschluss nur noch erhabener über seinen Untergebenen aufzuragen. Struckers olivgrüne Uniform ließ ihn wie einen Militärangehörigen wirken, unterstrich seinen drahtigen Körperbau. Seizew spürte den Blick seiner forschenden Augen kurzzeitig auf sich, bevor der Baron seine volle Aufmerksamkeit Rumlow angedeihen ließ. Unter dem Monokel blitzte sein wacher Geist für den Bruchteil einer Sekunde auf und allein das Mahlen seiner Unterkiefer verriet Seizew, dass in ihrem Gegenüber ein Zorn brodelte, den er nur mit Mühe und Not im Zaum halten konnte.
„Heil Hydra, Herr Baron!", grüßte Rumlow ihren Anführer mit fester Stimme.
„Heil Hydra, Kommandant", erwiderte der Baron, bedachte den Angesprochenen dabei aber mit einem vernichtenden Blick.
Erneut breitete sich ein angespanntes Schweigen in dem von Menschen gefüllten Saal aus. Seizew beobachtete wie Rumlow sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte, ein klares Anzeichen dafür, dass der Mann angespannt war, selbst wenn seine ruhige Fassade nach außen hin einen anderen Eindruck vermitteln sollte.
„Sie kommen mit leeren Händen, Kommandant", fuhr Strucker nach einer Weile in eisigem Tonfall fort. „Sie haben mir eine Waffe versprochen, aber stattdessen wurden unsere Truppen jenseits des Atlantiks erneut von S.H.I.E.L.D.s Marionettentheater geschlagen, ja mehr noch, die neue Waffe ist nun endgültig dem Feind in die Hände gefallen."
Wieder folgte Stille. Niemand wagte es in diesem Augenblick auch nur ein Wort zu murmeln. Alle Blicke ruhten auf Rumlows Rücken, der sich unter seinen schweren Atemzügen merklich bewegte. Zu gerne hätte Seizew nun die sonst so selbstgefällige Fratze des Mannes gesehen, andererseits wollte er in der jetzigen Situation ganz sicher nicht mit dem Kommandanten tauschen, geschweige denn an seiner Seite sein, um ebenfalls als Zielscheibe für Struckers kommenden Wutanfall herzuhalten. Nein, wenn er es recht bedachte, dann war er mit seiner derzeitigen Position in zweiter Reihe als mehr oder weniger unbeteiligter Beobachter bei dieser Anhörung ganz gut bedient.
„Haben Sie etwas zu Ihrem wiederholten Scheitern zu sagen, Kommandant?"
Rumlow schwieg immer noch, hielt dem nun offen feindseligen Blick des Barons stand, mit dem dieser seinen Untergebenen geradezu durchlöcherte.
„Seizew, vortreten!", durchschnitt auf einmal Struckers harscher Befehl den Raum.
Mit einem innerlichen Fluch bewegte sich Seizew nach vorne, kam neben Rumlow vor dem Baron zum Stehen. Soviel also zu seinem neutralen Zuschauerposten.
„Sie haben die Telepathin auf Rumlows Befehl aufgespürt?"
„Jawohl, Herr Baron."
„Und unter Einsatz Ihres Lebens beim Angriff auf die Basis versucht, unseren wertvollsten Besitz dem feindlichen Zugriff zu entziehen?"
„Jawohl, Herr Baron."
„Und Ihr Kommandant war in der Zwischenzeit wo?", hakte Strucker nun nach, wobei sein Oberkörper von der kaum noch zurückgehaltenen Wut regelrecht geschüttelt wurde.
Seizew bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Rumlow seine Brust straffte. Die Atmosphäre war zum Zerbersten angespannt und es bedurfte nur eines einzigen unüberlegten Wortes, um ihr Schicksal zu besiegeln, das wurde Seizew innerhalb eines Atemzuges klar.
Natürlich wusste er, worauf Strucker mit seinen Fragen hinaus wollte. Rumlows Versagen sollte wohl für jedermann offengelegt werden, bevor den Hydra-Kommandanten die Strafe für sein neuerliches Scheitern ereilen würde. Wie diese Bestrafung aussah, war nicht sonderlich schwer zu erraten, immerhin waren mehrere bewaffnete Hydra-Soldaten an den Wänden des Thronsaales positioniert.
Rumlow war am Arsch. Sein Todesurteil war in dem Moment gefällt worden, als seine Füße sokovischen Boden berührt hatten. Nun galt es, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
„Der Kommandant -", hob Seizew gerade zu einer Erklärung an, doch der Angesprochene legte ihm ein weiteres Mal innerhalb weniger Minuten die Hand auf die Schulter.
Ihre Blicke kreuzten sich für den Bruchteil einer Sekunde und als Brock Rumlows dunkle Augen ihn aus dem Flickenteppich anstarrten, der einst das Gesicht eines charismatischen Mannes gewesen war, setzten sich die Puzzleteile in Seizews Kopf mit einem Mal zusammen.
Rumlow wandte sich von ihm ab, erklomm mit unbekümmerter Miene die Treppenstufen zu ihrem Vorgesetzten hinauf. Ungläubiges Raunen breitete sich unter den Anwesenden aus und auch auf Struckers Gesicht zeichnete sich bei diesem respektlosen Betragen seines todgeweihten Untergebenen echte Verwunderung ab.
„Herr Baron", begann nun Rumlow und ein halbseitiges Grinsen verzerrte seine kaputte Fratze einmal mehr zu einer grotesken Maske, als er sich wie ein Schauspieler auf einer Theaterbühne zu seinem Publikum drehte. „Wollen Sie mir wirklich eine Predigt halten über Feigheit vor dem Feind? Ausgerechnet Sie, unser großer Anführer, der sich nun schon seit Jahren hinter den dicken Mauern dieser Festung am Ende der Welt versteckt?"
Das Gemurmel unter den übrigen Hydra-Mitgliedern schwoll zusehends an, während Rumlow eine Stufe unterhalb des Barons innehielt.
„Seht euch mein Gesicht an, geschätzte Hydra-Freunde!"
In einer dramatischen Geste breitete Rumlow seine Arme vor seinen Zuschauern aus. Sein Blick fiel auf Seizew und das triumphierende Funkeln in den Augen des Hydra-Kommandanten ließ auch White Death zusammenfahren. Es war der Wahnsinn, der in diesem Augenblick ganz deutlich auch Brock Rumlows Visage sprach. Er war vollkommen wahnsinnig.
Und sie hatten ihn alle unterschätzt. Baron von Strucker hatte ihn unterschätzt.
Seizew hatte keine Ahnung, wie Rumlow es angestellt hatte, aber auf einmal schien sich das Momentum zu seinen Gunsten zu verschieben, das Blatt hatte sich innerhalb eines Herzschlages gewendet und plötzlich war nicht mehr der Mann mit dem Narbengesicht der Angeklagte, sondern der Hydra-Anführer selbst, der noch kurz zuvor unerreichbar wie ein absolutistischer Herrscher über ihnen allen geschwebt hatte.
„Ich frage euch, ist dieses Gesicht, das Gesicht eines Feiglings, eines Zauderers?", fuhr Rumlow fort und der Raum bebte unter seinen wütenden Worten, die er regelrecht hinausspie, als er sich mehr und mehr in Rage redete. „Während meine Männer und ich in den Staaten ein weiteres Mal für unsere großartige Organisation geblutet haben, hat unser Anführer es nicht für notwendig erachtet, unsere Bestrebungen auch nur im Geringsten zu unterstützen. Mehr noch, unter seiner Aufsicht sind zwei unserer wertvollsten Soldaten zu Verrätern an unserer Sache geworden. Die Zwillinge sind verloren, der Winter Soldier macht sogar nach Alexander Pierce' Versagen in Washington gemeinsame Sache mit dem Feind. Und nun sind kurz nach der Schlacht am Triskelion erneut viele gute Männer gestorben. Wofür frage ich euch? Unsere neueste Waffe ist dem Feind in die Hände gefallen, eine ganze Basis wurde ausgelöscht."
Mit funkelnden Augen starrte Rumlow in die gebannten Gesichter seiner Zuhörerschaft. Geflüsterte Worte machten die Runde, zustimmendes Nicken war zu sehen, als Seizew einen kurzen Blick über seine Schulter warf.
„Und was tut unser Anführer? Was tut Baron Wolfgang von Strucker?"
Rumlows kratziger Schrei ließ das anschwellende Getuschel auf der Stelle verstummen. Er hatte sich dem Baron zugewandt, das verschlagene Grinsen war vollständig aus seinen Zügen gewichen.
„Er tut gar nichts, verkriecht sich stattdessen, wartet lieber ab, hofft darauf, dass die Augen unseres Feindes ein weiteres Mal blind dafür sind, was sich in diesem abgelegenen Teil der Welt im Verborgenen hinter den Mauern dieser Festung abspielt. Feigheit, Zögerlichkeit, Schwäche."
„Sie wagen es -", zischte Strucker aufgebracht, doch das Klicken entsicherter Waffen ließ ihn über seine eigenen Worte stolpern.
„Raum gesichert, Kommandant Rumlow", verkündete plötzlich Agent Ryder und trat mit unbewegter Miene vor die unterste Treppenstufe, ein Maschinengewehr in Händen.
Ungläubiges Rufen wurde laut, als auch der letzte Anwesende realisierte, dass sie von zwei Dutzend Bewaffneten umzingelt waren, die Pistolen und Maschinengewehre auf sie richteten. Seizew selbst war so sehr von dem Schauspiel vor seinen Augen eingenommen gewesen, dass ihm ebenfalls entgangen war, was sich im Hintergrund des Thronsaals abgespielt hatte. Reflexartig glitt seine Rechte zu dem Kampfmesser, das er immer an seinem Körper trug.
Egal, was in den kommenden Minuten passieren würde, er war fest entschlossen diesem Irrsinn lebend zu entkommen. Eine geeignete Fluchtroute hatte er sich längst gedanklich zurechtgelegt, für den Fall, dass hier gleich die Hölle losbrechen würde.
„Was erlauben Sie sich, Rumlow? Haben Sie nun endgültig den Verstand verloren?"
Struckers keifende Stimme überschlug sich beinahe, nachdem er sich von dem ersten Schock erholt hatte und nun einen wütenden Schritt auf den Kommandanten zumachte.
„Ist das nicht offensichtlich, Herr Baron?" Das frühere Schmunzeln kehrte in Rumlows Gesicht zurück und er ging mit verschränkten Armen vor seinem Vorgesetzten auf und ab. „Das nennt sich Revolution! Das Prinzip dürfte Ihnen als Angehörigem des Adels doch geläufig sein. Wir haben es verdammt nochmal satt, die Fußsoldaten zu spielen, als Kanonenfutter in sinnlosen Scharmützeln verheizt zu werden, während wir von ein paar wenigen Zauderern und Schwächlingen befehligt werden. Der Wind hat sich gedreht, Herr Baron! Jetzt sind wir am Drücker! Und wir werden Hydra in ein neues Zeitalter führen."
Rumlow hielt kurz inne, überblickte triumphierend die versammelte Menge. Seine dunklen Augen fixierten erneut Seizew. Und plötzlich verstand er, was der Hydra-Kommandant von ihm wollte, warum er ihn über seine geheimen Pläne nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Es war ein Test! Dieser verdammte Bastard hatte ihn auf die Probe gestellt, hatte seine Reaktion im Angesicht ihrer Vernichtung sehen wollen.
Seizew hatte Brock Rumlow in der Tat unterschätzt, er hatte seinen Ehrgeiz unterschätzt. Er war geisteskrank, keine Frage, der Wahnsinn sprach aus seinem hitzigen Blick, strömte aus jeder Pore seines Körpers. Und das machte ihn zu einem gefährlichen, unberechenbaren Mann.
„Hydra wird wieder zu alter Stärke zurückfinden", fuhr Rumlow fort. „Doch zuvor muss noch getreu dem Motto unserer Organisation ein Kopf abgeschlagen werden, nicht wahr, Herr Baron?"
Seizew konnte den Blick des Kommandanten immer noch auf sich spüren. Ein knappes Nicken von Rumlow war alles, was er als Aufforderung brauchte. Er schoss nach vorne, bewegte sich so schnell, dass Strucker nicht einmal mehr seine Arme schützend hochreißen konnte. Die Klinge seines Messers bohrte sich in den Brustkorb des Mannes, durchschnitt mit Leichtigkeit Fleisch und Muskelfasern.
„Seizew, Sie -", Struckers Schrei verwandelte sich in ein unverständliches Gurgeln.
Mit einem Röcheln ging der Baron in die Knie. Ungläubig glotzte er von dem Messergriff, der aus seinem Körper ragte, in das Gesicht seines Henkers. Dann schoss ein Schwall Blut aus seinem Mund, besudelte Seizews Kleidung. Einige warme Spritze konnte er auf seinen Lippen schmecken, zog den vertrauten, metallischen Geruch tief durch seine Nase ein. Die zittrigen Finger seines Opfers kratzten hilflos über Seizews Hand, die langsam und genüsslich den todbringenden Stahl in seinem Herzmuskel drehte, die Klinge immer tiefer in das Fleisch trieb.
„Tut mir leid, Baron, aber so wie es aussieht, bin ich wohl ein Prätorianer!"
Seizew stemmte einen Fuß gegen Struckers Brustkorb, zog mit einem schmatzenden Geräusch seine Waffe aus dem Körper des Mannes.
„Was haben Sie getan?", kreischte Dr. List in der einsetzenden Stille, die sich wie ein Leichentuch über den Saal legte.
Fassungslos stürzte er zu seinem strebenden Anführer, als dieser mit einem Ächzen vor Seizew zusammensackte.
„Das einzig Richtige", kam Rumlows Antwort und er drehte dem Baron mit einem letzten abschätzigen Blick den Rücken zu, während sein einstiger Vorgesetzter zu ihren Füßen lag und im Todeskampf zuckte.
Mit einem dumpfen Schlag landete schließlich Struckers Kopf auf dem harten Untergrund. Klirrend fiel das Monokel neben Seizews Kampfstiefel. Immer weiter strömte das Blut aus dem geöffneten Mund und der Messerwunde, färbte innerhalb kürzester Zeit den grauen Stein in ein tiefes Dunkelrot und bildete einen zähflüssigen See um Baron Wolfgang von Strucker. Die weitaufgerissenen Augen des einstigen Hydra-Führers waren von Leere erfüllt.
Er war tot. Ihr Kaiser war tot.
Rumlow hielt sich freilich nicht lange mit dem Ableben seines Vorgängers auf. In weltmännischer Manier widmete er seine volle Aufmerksamkeit den übrigen Hydra-Mitgliedern, die dem makaberen Schauspiel mehr oder weniger hilflos beigewohnt hatten. Stimmengewirr erhob sich, einzelne Schreie wurden laut, fast schien es, als würde die Stimmung jeden Moment kippen.
Eine plötzliche krachende Salve aus einem Maschinengewehr, die in die hohe Decke über ihren Köpfen abgefeuert wurde und Putz wie zarte Schneeflocken auf die Anwesenden niederrieseln ließ, brachte die aufkommenden Diskussionen jedoch schlagartig zum Erliegen. Agent Ryder stemmte zufrieden seine Waffe in die Hüfte, warf den umstehenden Männern einen warnenden Blick zu, der wohl auch dem letzten Anhänger des Barons klar machte, dass Widerstand purer Selbstmord war.
Die Festung gehörte ihnen, Seizew konnte es kaum fassen. Rumlow hatte hoch gepokert und gewonnen.
„Meine Freunde, meine Hydra-Mitstreiter, ein neues Zeitalter erwartet uns, eine neue Generation wird Hydra in eine glorreiche Zukunft führen!" Rumlow genoss ganz offensichtlich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, die ihm nun schlagartig zuteilwurde. „Das Versteckspiel ist vorbei! Es ist an der Zeit, der Welt zu zeigen, wozu Hydra wirklich im Stande ist. Es ist an der Zeit, ihre Paläste niederzureißen, ihre Techniktempel in Flammen aufgehen zu lassen. In den Vereinigten Staaten wird es beginnen. Wir werden unsere Feinde dort treffen, wo sie es am wenigsten erwarten, wo sie am verwundbarsten sind. Wir werden uns für den Tod unserer Waffenbrüder tausendfach rächen. HEIL HYDRA!"
„Heil Hydra!", kam das donnernde Echo aus unzähligen Mündern, wurde von den Steinmauern zurückgeworfen und verstärkt, als wären es hunderte Männer, die soeben Brock Rumlow als Hydras neue, unangefochtene Nummer Eins anerkannten.
Es war faszinierend, wie lange die vielbeschworene Treue innerhalb ihrer Organisation tatsächlich fortbestand, wenn es ums nackte Überleben ging.
Seizew hatte mit Vielem gerechnet, als sie nach Sokovia aufgebrochen waren, doch niemals mit einer Revolte, an deren Ende sich sein einstiger Kampfgefährte und früherer Kommandant zu Hydras erstem Mann aufschwingen würde. Für einen kurzen Augenblick hatte er abgewägt, ob er während Rumlows kleiner Rede intervenieren sollte, um dem Baron seine Loyalität zu beweisen und nicht gemeinsam mit dem Kommandanten in den Abgrund gerissen zu werden. Doch wie so oft hatte ihn ein unbestimmtes Bauchgefühl innehalten lassen und einmal mehr hatte sich seine Intuition für ihn ausgezahlt.
„Dieser verfluchte Hurensohn", murmelte Seizew kaum hörbar vor sich hin, während er kurz darauf gemeinsam mit Schedler ihrem neuen Anführer und einem vollkommen konstatierten Dr. List nachfolgte.
Ihr Weg führte sie tief in das Innerste der Festungsanlage. Eine stählerne Tür öffnete sich am Ende eines langen Ganges automatisch und brachte sie in das unterirdische Tunnelsystem unterhalb der Burg.
„Zeigen Sie es mir, Doktor", war alles, was Rumlow verlauten ließ.
Der Mann schien seine Forderung zu verstehen, lotste sie stumm durch Labore und Lagerhallen, vorbei an Untersuchungsräumen, Waffenarsenalen und allerlei Gerätschaften.
„Ich sehe, Sie waren äußerst produktiv, Dr. List", stellte ihr Anführer mit einem zufriedenen Grinsen fest, als sie mehrere futuristische Rüstungen passierten, die hinter runden Vitrinen wie Ausstellungsstücke aufgereiht waren.
Nach einiger Zeit erreichten sie ein großes Labor, das von einigen Männern in grauen Kitteln bevölkert wurde, die beim Erscheinen der Neuankömmlinge in ihrer Arbeit innehielten. Rumlow ignorierte die irritierten Gesichter der Wissenschaftler, schritt stattdessen zu einem Tisch, auf dem ein eigenartiger Gegenstand gleich einer Reliquie aufgebahrt war.
„Das Zepter", hörte Seizew neben sich Dr. Schedler flüstern.
Ehrfurcht und Begeisterung schwangen gleichermaßen in der Stimme des Wissenschaftlers mit und Seizew besah sich dieses Ding nun ebenfalls etwas genauer. Das Zepter, wie Schedler es nannte, war geschwungen, fast schon anmutig gefertigt aus einem Metall, das Seizew noch nie zuvor gesehen hatte. Auf ihn wirkte es eher wie der Stab eines Magiers, denn am oberen Ende war ein bläulich leuchtender Stein in das Material eingelassen, dessen Strahlkraft unmissverständlich deutlich machte, dass dieses Ding nicht aus dieser Welt stammte.
„Lokis Zepter", raunte nun auch Rumlow, umkreiste dabei mit bewunderndem Blick das Objekt seiner Begierde.
„Wir haben bei unseren Untersuchungen bisher nur an der Oberfläche gekratzt", warf Dr. List ein, verfolgte mit unruhigen Augen das Mienenspiel im verunstalteten Gesicht seines neuen Anführers. „Dieses Artefakt verfügt über eine Macht, die alles übersteigt, was wir bisher erforscht haben."
„Und außer den Zwillingen haben tatsächlich keine weiteren Testpersonen die Experimente überlebt?", wollte Rumlow wissen.
„Die Maximoffs waren die einzigen. Die Körper der anderen Probanden waren anscheinend nicht stark genug, nicht ausdauernd genug."
„Welche Fähigkeiten manifestieren sich, sollte man die Prozedur überstehen?", mischte sich nun Seizew ein, fasziniert von der Vorstellung, dass dieser blaue Klunker dazu in der Lage sein sollte, aus einem Normalsterblichen einen Übermenschen zu machen.
„Das können wir nicht abschätzen. Wir wissen nur, dass der Stein im Zepter die menschliche DNA verändert. Alles ist denkbar, Telepathie, Telekinese, übermenschliche Stärke und Schnelligkeit oder andere Eigenschaften, die wir früher ins Reich der Mythen verbannt hätten."
„Was meinst du, Seizew?", Rumlow legte seinen Kopf leicht schief, bedachte ihn mit einem wissenden Lächeln, als er den Gedankengang seines russischen Kampfgefährten scheinbar erriet.
Seizew erwiderte das Schmunzeln seines Anführers. Es gab also noch einen weiteren Grund, warum der Kommandant ihn nach Sokovia mitgenommen hatte und so wie es aussah, hatte er gerade sein Ticket für ein neues Upgrade gelöst. Seizews Blick wanderte zurück zu dem Zepter, verlor sich in dem pulsierenden Leuchten des blauen Steins.
„Wann fangen wir an?"
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