Verschmelzung von Sternen und Diamanten

Emma


Ich starre den Mann vor mir an. "Wie willst du unsere Kräfte miteinander verbinden? Willst du dir zwei Beine abschneiden und sie an mich kleben? Oder willst du einen Androiden wie Vision erschaffen? Dir ist schon bewusst, dass wir uns hier in einem Zug befinden und wir beide nicht so sonderlich viel Ahnung von der Materie haben?"

In einem Zug, der gerade eben losgefahren ist - und damit auch unser Countdown.

Steve lässt die Arme von mir ab und zieht mich in Richtung des großen Kingsize Bettes. Mit einer eindeutigen Kopfbewegung gibt er mir zu verstehen, mich setzen zu sollen. Kaum findet er seinen Platz neben mir, dämpft er erneut die Stimme. "Bruce Banner hat vor Jahren seiner Cousine Jennifer Walters Blut spenden müssen, als sie angeschossen wurde und kurz davor war zu sterben. Das Hulkgen übertrug sich und kurze Zeit nachdem sie seine Spende bekommen hat, wurde sie zur She Hulk."

Ich sehe Steve entgeistert an. "Und du willst jetzt mein Blut mit meinen X-Genen haben, um aus dir einen echten Telepathen mit Diamantenhaut zu machen?", schießt es aus mir heraus,"Da kannst du dir auch gleich den Knadenstoß geben, wenn du des Lebens so müde bist."

Als würde er nur über den Kauf eines neuen Staubsaugers reden, zuckt er unschuldig mit den Schultern. "Einen Versuch ist es wert, Emma."

"Du weißt aber schon, dass sich eine sehr geringe Anzahl an Genen im Blut befinden? Ganz davon abgesehen, und wenn deine Idee wirklich funktionieren sollte, hättest du nur vier oder fünf Stunden Zeit das zu lernen, wofür ich Jahrzehnte gebraucht habe, um es zu erlernen ... wenn dich nicht die Stimmen zuvor verrückt machen, die du auf einmal hören kannst. Die Idee ist wahnsinnig, Steve!" Und lebensgefährlich.

Aber das scheint Steve nicht wirklich zu kümmern. "Alles, was mich interessiert, ist eine kompatible Blutgruppe und dass es einen Hauch einer Wahrscheinlichkeit gibt, dass es  funktionieren kann, Emma. Mehr will ich nicht. Mehr interessiert mich nicht. Und da ich weiß, dass wir beide Blutgruppe 0 haben und ich die Geschichte von Banner und Walters kenne, wird es klappen. "

Ich habe einen Verrückten geheiratet. Jetzt ist es amtlich. Oder ist es doch nicht Steve? Ist es etwa doch wieder Timmyboy, der wieder seine Gestalt angenommen hat?

Nein. Oder.

Argh. Zum ersten Mal wünsche ich mir, es wäre wirklich nicht mein Mann.

"Du weißt, dass es dann kein Zurück mehr gibt, Steve! Dein Leben wie es jetzt ist, wird sich ändern. Komplett und für immer."

Er zuckt mit den Schultern. Seine Augen sind nur auf mich gerichtet. Zielstrebig, entschlossen und zuversichtlich. Für ihn wird es keinen anderen Weg mehr geben. Und vielleicht ist es ja wirklich unser einziger Weg, den wir noch haben. "Ein verrücktes Genexperiment bin ich schon seit '43 und solange wir damit alle retten können, bin ich gern bereit noch ein bisschen weiter zu mutieren."

Seufzend nicke ich. Immerhin würden so unsere zukünftigen Zweikämpfe interessanter werden. ... Wenn es denn dann noch welche geben wird. "Dann brauchen wir nur noch eine Infusionsnadel, einen Schlauch und einen Blutbeutel. Eine Idee, wo wir das herbekommen?"

Grinsend erhebt sich Rogers und zieht etwas aus seiner hinteren Hosentasche. "Ich hoffe, meine Frau hat keine Angst vor ein bisschen Blut und einer Nadel?" surrt er und hält mir zwei kleine eingeschweißte Pakete mit einer Hand hin.

Freudlos pruste ich durch die Nase und kann förmlich spüren, wie mir die Mundwinkel immer weiter nach unten drohen zu sinken. "Ernsthaft, Rogers, wenn du mir jetzt damit sagen willst, dass du seit unserer ersten Begegnung mit sowas rumläufst, um Völkerverständigung zwischen Mutanten und Menschen zu betreiben, lass ich mich scheiden." Ich nehme das erste kleine Paket mit dem Infusionsbesteck entgegen und reiße es an der obersten Stelle auf.

Rogers kniet sich vor mir hin und sieht mir mitfühlsam entgegen. Wahrscheinlich, weil er weiß, dass ich kein allzu großer Freund von Nadeln bin. Blutspenden durfte ich ja nie aufgrund meiner veränderten DNA. Was auch gut so ist. Außer den nötigsten Spritzen versuche ich alles mit Nadeln zu umgehen. Aber ich schätze, wenn die Welt davon abhängt, kann man durchaus mal über seinen Schatten springen ... oder?

"Ich sagte dir ja, dass ich mit dem großen Typen alleine war. Und als hätte ich damit gerechnet, in so eine Situation zu kommen, habe ich mir zwei von den Teilen eingepackt, als der Kerl wieder auf die Füße gekommen ist. Ich konnte mir schon vorhin nicht vorstellen, dass sie nur Interesse an mir haben würden."

Vielsagend hebe ich eine Braue an und reiche Steve die Kabelei mit Nadel, den Venenstauer behalte ich selbst. Das mit den Einstechem soll mal schön er machen. "Du Held." murmle ich und schiebe mir das grüne Band um den Oberarm und ziehe es straff.

Allmählich spüre ich wie meine Finger nass werden.

Steve derweil ist noch ein Stück näher an mich gerückt und packt die Nadel aus der Sicherheitshülle aus. "Was meinst du, wie viel Zeit sie uns geben, bis sie ihren ersten Besuch bei uns abstatten?" fragt er und nimmt meinen Arm in seine Hand, während er in der anderen Hand die Nadel einsatzbereit festhält.

Ich zucke mit den Schultern und weiche den Blick auf meinem Arm aus. Stattdessen betrachte ich das Gesicht meines Lieblingssoldaten, der mir die Kanüle setzt. Ich spüre nur ein leichtes Stechen und etwas Kühles, das in meine Haut dringt. Nichts schmerzt. Nichts tut weh. Als hätte er magische Hände. "Sicherlich werden sie es sich nicht nehmen lassen, uns zum Abendessen einzuladen."

Er lächelt zart zu mir auf, ehe seine Aufmerksamkeit dem kleinen Beutel gilt, den er in den Händen beginnt zu bewegen, damit das Blut nicht gerinnt. "Um zwei Uhr in der Nacht?"

"Ein anderer Vorwand fällt mir gerade nicht ein. Aber wenn ich davon ausgehe, dass keinerlei Wachen vor unserer Tür stehen und auch das Zimmer hier Wanzen- und Kamerafrei ist, werden sie uns wohl auf andere Art und Weise beobachten wollen. Ich glaube, sie wollen uns wirklich das Gefühl geben, dass uns hier nichts passieren kann."

"Du meinst, sie vermitteln uns das Gefühl von Freiheit, um es uns anschließend durch Nørs beginnende Herrschaft wieder auszutreiben? Nette Taktik."

Kopfschüttelnd sehe ich von Steve ab und blicke zum Fenster. Die Außenwelt huscht in schwarzen Schatten an uns vorbei. Nur vereinzelte helle Lichtpunkte zeigen, dass sich der Zug überhaupt bewegt. "Meinst du, sie wollen auch Charles und Jean?" frage ich irgendwann, als ich genug von all der Dunkelheit habe und wieder zu Steve sehe.

"Ich schätze, wenn Nør sie haben wollte, säßen sie jetzt hier und nicht wir." Rogers Finger legen sich wieder an meinen Arm. Er zieht die Nadel in meiner Vene vorsichtig heraus und verbindet rasch die blutende Stelle mit einem Druckverband. Als alles fertig ist, sieht er zu mir auf. Zuversicht blitzt wie ein wildes Feuer in seinen tiefblauen Augen auf. „Wir werden das hier packen, Em."

Die Frage ist, ob du es packst, mein Hübscher ...
Müde schüttle ich meinen Kopf. „Soll ich dir helfen? Ich habe zwar noch niemandem eine Nadel gesetzt, aber ich kann's ja mal versuchen."

Lächelnd erhebt er sich vor mir. „Wenn du eines solltest, dann schlafen. Wir haben nur noch ein paar Stunden Zeit, bis uns die anderen finden sollten und dann werden wir nicht mehr viel Zeit haben, um uns auszuruhen. Schick Logan die Nachricht und dann leg dich aufs Ohr."

Wie bitte? Ich soll schlafen, während er gleich um sein Leben kämpfen könnte? „Du wirst meine Hilfe brauchen." setze ich beinahe empört an.

"Ich bekomm das hin, Emma. Ruh dich aus und schlaf. Damit würdest du mir am meisten helfen."

Schwer atmend nicke ich. Steve wird eh nicht mehr viel mit sich verhandeln lassen. Also streife ich meine High Heels von den Füßen, sende Logan eine mentale Nachricht, auf die er sofort antwortet und mir versichert, augenblicklich noch einen Trupp zusammenzustellen. Dann lege ich mich auf das viel zu bequeme und gemütliche Bett und bekomme nur noch aus dem Schleier der Müdigkeit mit, wie sich Steve die Nadel am Bettrand setzt und dabei zusieht, wie der Beutel, den er mit der anderen Hand über seinen Kopf hinweg nach oben hält, leerer wird.

Noch bevor ich mich der Müdigkeit hingeben kann, höre ich Logans leise Stimme, die sanft in meinem Kopf spricht. Wir sind unterwegs, Emma. Wir alle. Haltet aus. Wir werden diesem Bastard zeigen, wie sehr X-Men und Avengers dem Sackgesicht in die Eier treten können! Ophelia ist in Sicherheit bei Rogue und Gambit. Genau wie der Rest der Kinder.

Bitte lass das hier funktionieren. Ich kann einfach nicht noch jemanden verlieren.

*

Es fühlt sich nach Stunden an, die ich auf dem Bett mehr oder minder im Halbschlaf geschlafen habe, bis mich ein innerliches Gefühl weckt. Als ich die Augen öffne, erkenne ich sofort neben mir Steve, der die Füße ausgestreckt hat und sich an den Bettkopf gelehnt hat. Doch als meine Augen ein Stück an seinem Körper nach oben wandern, setzt mein Herz schlagartig aus. Eine dicke dunkelrote lange Blutspur hat sich aus seiner Nase einen Weg hinunter zu seinem Mund gebahnt. Sie ist längst geronnen. Gott, Steve! Bitte lass es ihn gut gehen!

Ich schwinge mich im Bett herum und greife mit beiden Händen nach seinen Schultern. Mein Herz springt wie ein wildes Pony in meiner Brust auf und ab. Bitte lass es ihm gut gehen! Nein! Nein! Nein! Nein! Bitte lass es kein Fehler gewesen sein, ihn nicht davon abzubringen!

"Steve!" ich schüttle ihn bestimmend und mit voller Inbrunst.

Quälend langsam öffnen sich Steves Augen. Mein Herz beginnt sich dabei mit jeden seiner Augenschläge zu entspannen. Gott, er lebt.

Mir fällt ein Stein vom Herzen ab. "Gott sei Dank." seufze ich aufgebracht und lasse dabei von Steve ab, um mich wieder auf meine Bettseite fallen zu lassen.

"Schlaf, Emma." höre ich es aus seinem Mund murmeln als der Soldat längst wieder die Augen schließen will.

Ich glaube, ich träume! Sofort sitze ich wieder vor ihm und starre den schlaftrunkenen Captain an. "Schlafen? Ich habe schon viel zu lange geschlafen! Der Zug wird bald die Hälfte der Strecke passieren und wir müssen uns vorbereiten! Noch dazu wissen wir nicht einmal, ob es funktioniert hat!"

"Der Zug steht, Emma. Schlaf weiter. Du brauchst deine Kräfte noch."

Der Zug steht? Wann soll das denn passiert sein?

Ich springe vom Bett ab und laufe zu dem großen Fenster hinüber. Auch wenn es immer noch Nacht ist, erkenne ich eine stillstehende Steppe vor meinen Augen. Tatsächlich stehen wir.

"Seit wann?" frage ich dem Fenster zugewandt.

"Seit zwei Stunden. Ich habe einen Mann gehört, der sagte, dass ihnen irgendein Tier vor den Zug gesprungen sein muss. Sie müssen erst mal alles prüfen, bevor wir weiterfahren können."

Sofort weiß ich, dass es sich hierbei definitiv nicht um irgendein Tier gehandelt haben muss. Soviel Zufall kann es gar nicht geben. Nicht, wenn es Logan gibt.

Vielleicht ist er längst schon hier. Vielleicht sind sie alle schon hier. 

Ich sehe zu den Wänden unseres Zimmers, lasse vorsichtig meine sensiblen Sensoren frei und taste die Umgebung nach Stimmen ab. So langsam und vorsichtig, dass Timeon meine Kräfte hoffentlich nicht fühlen kann.

Seltsam. Niemand scheint auch nur in der Nähe von uns zu sein. Kein einziger Gedanke lässt sich erkennen. Auch nichts von Logan.

Dann können unsere Freunde schon einmal nicht da sein.

Seltsam. ... hätte ich es nicht auch hören müssen, wenn hier jemand langgekommen ist?

"Du hast es gehört?" frage ich Steve zugewandt und sehe mit an, wie mein Mann auf meine Frage hin nickt.

"So laut und deutlich, als würde er neben mir stehen."

Dann hätte ich es gehört. Schon das Klackern der Schienen hat mich doch die ganze Zeit im Halbschlaf gehalten. Eine kräftige tiefe Männerstimme hätte ich hören müssen.

Habe ich aber nicht.

Ich schlucke schwer. Das kann nur eines heißen.

Stimmen hören, die urplötzlich in einem Kopf sind. Stimmen die Gedanken sind.
Die von Telepathen gehört werden können.

„Du kannst Gedanken lesen."

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