Trennungsschmerz
Emma
Pünktlich wie verabredet stehe ich vor Steves Tür. Und schaffe es wie jeden Sonn- und Freitag nicht sofort zu klingeln.
Steve ist nach unserer Trennung ausgezogen. In eine kleine Wohnung in Brooklyn. Es ist jedes Mal ein halbe Ewigkeit, die ich hierher fahren muss, um Ophelia herzubringen oder abzuholen.
Ich war bisher noch nie in seiner Wohnung gewesen. Auch wenn er mich mehrmals schon auf einen Kaffee nach drinnen eingeladen hatte.
Aber was sollte ich dort? Sachen von Peggy finden, die hier hin und wieder übernachtete. Diese Blöße würde ich mir nicht geben.
Nicht, dass ich davon wüsste, weil ich ihn beobachtet oder seine Gedanken gelesen habe. Absolut nicht. Auch wenn ich es ganz zu Beginn unserer Trennung durchaus in Erwähnung gezogen hätte. Hätte, wohlgemerkt.
Wer es aber tat, ist Wolverine. Und das auch nicht allzu bedeckt. Seit unserer Trennung ist er, nun ja, wohl nicht ganz so parteiisch wie es Natasha oder auch Charles ist.
Logan lässt seine Frust nur allzu gern an Steve aus. Nicht körperlich. Auch wenn er es wohl gern tun würde, nachdem sich Captain America vor anderthalb Jahren von mir getrennt hat.
Gut, ich gebe zu, dass unsere Trennung und die darauf folgende Scheidung nichts waren, was nicht vorhersehbar gewesen war.
Wir stritten immer mehr. Es gab Wortgefechte, die kein Bündnis zwischen Phoenix und Wächter hätten überbrücken können.
Und das alles nur aus Kleinigkeiten heraus.
Ich brauchte Zeit mit meinem Vater. Ich brauchte Zeit,herauszufinden, wer ich war. Was ich eigentlich bin. Zu was ich fähig war.
Zeit, die Steve seelisch immer mehr mitnahm - und ich wusste nicht warum.
Er sprach nie mit mir darüber. Igelte sich immer mehr ein.
Und so fand ich eines Tages, nach einem weiteren Streit, den wir nur mit Müh und Not vor Ophelia versteckt hatten, einen Brief auf dem Sofa von ihm vor.
Er würde ausziehen. Das war das Beste für uns. Ophelia sollte ich an dem Wochenende zu ihm bringen, da sie in der Woche zur Schule gehen musste. Er wird sich um sie kümmern. Und wäre auch für mich da. Wenn ich ihn bräuchte.
Am Anfang tat ich das ganze noch mit einem Lächeln ab. Steve hatte in so viele Alternativwelten gesehen. Und uns immer gemeinsam entdeckt.
Also eigentlich kein Grund für mich, sich Sorgen zu machen.
Dachte ich anfangs.
Aber je näher die Scheidung rückte und irgendwann durch war, umso mehr wurde mir klar, dass dies hier wohl keine alternative Welt war.
Viel zu oft liege ich jetzt nachts wach und frage mich, ob wir es nicht einfach geschafft hätten. Indem wir miteinander geredet hätten. So wie früher.
Mit zittrigen Händen strecke ich die Finger nach der Klingel der Haustür aus und drücke sie.
Ein Klingeln ist zu vernehmen.
Daraufhin höre ich Ophelia nach mir rufen. Voller Entzückung.
Ich weiß, wie sehr es sie zusetzt, ihren Vater nur noch am Wochenende zu sehen. Sie liebt ihn so abgöttisch. Und trotzdem ist es zumindest ein kleiner Trost, wenn ich sie am Sonntag zum späten Nachmittag nach mir rufen höre.
Die Tür öffnet sich vor mir und eine breitgrinsende Ophelia stürmt auf mich zu und wirft ihre Arme um meine Mitte.
Ein wenig benommen von dieser plötzlichen Umarmung zucke ich zusammen, lege dann aber meine Arme um sie und streichle über ihr braunes Haar. „Ein schönes Wochenende gehabt?" frage ich sie lächelnd und bemerke wie meine angestaute Sorge sich langsam auflöst.
Meine Tochter löst sich ein Stück von mir und sieht zu mir auf. „Dad und ich waren Angeln gewesen. Wir haben einen richtig großen Fisch gefangen, den wir dann am Abend gegessen haben! Das war richtig cool gewesen."
Angeln. Ich ziehe eine Braue nach oben, versuche mir meine Skepsis aber nur bedingt anmerken zu lassen. „Na ... prima!"
Gut. Versuch gescheitert.
Genauso wie meine Chance ohne Steve zu sehen, zu entkommen. Zumindest denke ich das, als ich einen Schatten an der Tür wahrnehme.
Aber es ist Sharon. Na ganz große Klasse. Sharon Carter.
Anscheinend gehen die Carters hier ein und aus. Und so wie sie aussieht, nackte Beine und an ihrem Oberkörper mit einem Hemd bekleidet, dass wohl nicht aus ihrem eigenen Kleiderschrank stammt, scheint sie hier auch übernachtet zu haben.
Sie lächelt freundlich und reicht Ophelia ihren Rücksack. „Wir hatten ziemlichen Spaß beim Campen gehabt, nicht?"
Campen? Wenn Steve mich quälen will, ist er wirklich auf einem verdammt guten Pfad damit!
Wie aufs Stichwort taucht jener Mann nun hinter Sharon auf - und verliert dabei sämtliche Gesichtszüge als er mich sieht.
„Emma."
Ich schenke ihm ein halbherziges Lächeln. Vor Ophelia will ich nicht streiten. Zumindest nicht zu sehr.
„Ja, das bin ich. Das Vorjahresmodel in Sachen Campingbegleitung. Schön, dich zu sehen."
Er verdreht die Augen. Allerdings nicht, weil er genervt scheint, sondern von Sharons Auftreten eher peinlich berührt. Er schiebt sich an ihr vorbei und kommt zu mir auf den Gang vor seiner Wohnung.
Sein Gesicht zeigt Reue.
Gut.
... Oder auch nicht.
„So ist das nicht. Ich wollte dich auch fragen, ob du mitwillst. Ein Familienausflug. Aber ich weiß, wie eingeschränkt deine Zeit gerade ist." Versucht er höflich zu erklären.
Meine Augen fahren zu zwei Schlitzen zusammen. Wie eingeschränkt meine Zeit ist.
Er weiß, dass ein Wesen nach den Steinen, meinem Vater, unserer Tochter und mir her ist. Wahrscheinlich auch hinter den anderen fünf Phönixen.
Er weiß, dass ich recherchieren muss.
Und das nennt er eingeschränkt?
„Gibt es etwas Neues in der Angelegenheit?" fragt Steve vorsichtig nach und ich erkenne wie er mit der Hand wohl nach meiner greifen will. Lässt es aber sogleich bleiben.
Sicherlich könnte ich ihm sagen, dass ich Gabriel gefunden habe. Den besten Sex seit langem hatte und zwei geschlagene Stunde mal nicht an das Chaos in meinem Leben denken musste.
Aber ich belasse es bei einen freudlosen Lächeln. Ophelia zu liebe. „Eventuell. Ist noch in der Klärung."
Steve nickt. Ein Mal. Ein zweites Mal und auch ein drittes Mal. Dann richten sich seine ozeanblauen Augen wieder auf mich. „Geht es dir gut?"
„Ob es mir gut geht?" wiederhole ich seine Frage scharf.
Ist das sein Ernst?
Nach all den Wochen, Monaten in denen ich geweint habe. Gebrochen bin. Nicht weiß, was und wer lich noch bin. Wie ich mit all diesem
Chaos klarkommen soll, fragt er mich wie es mir geht?
Ophelia sieht zu mir auf.
Steve und ich streiten oft. Versuchen es jedoch nie vor ihr auszutragen. Aber jetzt, hier in diesem Moment, spüre ich wie das Phoenix-Feuer in mir aufkommt. Wie es die Oberhand bekommen will.
Ohne Steve zu haben, der dieses Feuer mit wenigen Worten in mir zügeln kann, funktioniert es kaum, mich zu beruhigen.
Aber ich habe es so satt, auf ihn angewiesen zu sein. Ich muss selbst lernen, mit diesem Feuer in mir umzugehen.
Aber für diesen kleinen Moment erlaube ich mir, auszubrechen. „Du fragst mich ernsthaft, wie es mir geht, nach dieser Begrüßung?" sage ich und deute auf die leicht bekleidete Sharon hin. „Mir gehts bombastisch! Ich könnte Bäume ausreißen vor guter Laune! Merkt man mir das nicht an?"
Sanft zieht Ophelia an meiner Hand. Wie jedes andere Kind hasst auch sie es, wenn wir streiten. Ihre Angst und Unsicherheit ist spürbar.
Reiß dich zusammen, Emma. Wenigstens für diesen kleinen Moment sage ich mir, atme tief ein und versuche wieder Herrin meines Temperaments zu werden.
„Wenn nichts weiter ist, sehen wir uns am Freitag." gebe ich kühn zurück.
Steve nickt wie ferngesteuert. „Natürlich." Auch er merkt, wie unwohl sich Ophelia fühlt.
Die beiden verabschieden sich herzlich, bevor ich mit ihr zum Auto laufe.
Die Fahrt verläuft angenehm und unterhaltsam. Neben einer kleinen Gesangseinlage zu Ophelias Lieblingsliedern, reden wir auch über den Campingausflug und wie gut sie sich mit Sharon versteht. Semi-toll für mich, aber es freut mich, dass es ihr gut geht.
Zurück in der Schule treffen wir gleich auf dem Parkplatz Olivier und Wolverine an. Beide scheinen schon auf uns gewartet zu haben.
Vorbei ist Ophelias Lust, mit mir einen gemeinsamen Frauenabend zu machen. Nicht, wenn Olivier, der Sohn von Gambit und Rogue, in der Nähe ist.
Die beiden sind seit Urzeiten befreundet und laut Steve und seinem Blick in die Zukunft, vielleicht sogar mal ein Paar.
Nach einer langen Umarmung der beiden, zeigt Olivier hinter sich in Richtung der Schule. „Hey, Ophelia! Logan und ich haben den ganzen Tag an Iglus gebaut. Willst du sie mal sehen?"
Ophelia nickt wild auf und lässt ihre Augen vor Begeisterung funkeln. „Oh ja!"
Der junge Mutant grinst nun genauso begeistert auf. „Cool! Willst du danach auch noch mit uns Pizza essen kommen? Mom und Dad backen heute welche."
Meine Tochter nickt schon fleißig los, als ich ihr wohl plötzlich durch die Gedanken fliege. Rasch dreht sie sich zu mir um. „Mama, darf ich mit Olivier und seiner Mama und Papa Pizza essen?"
Was bleibt mir da noch für eine Entscheidungsgewalt. „Wenn es für die drei in Ordnung geht, gern.
Du bist aber spätesten zwanzig Uhr Zuhause, ja?"
Die beiden rennen schon los. „Ja, Mommy!"
Seufzend blicke ich den beiden hinterher. „Es sind immer die Männer, die sie mir wegnehmen."
Logan gesellt sich zu mir. „Zwischen dem Kleinen und deinem Ex würde ich aber deutlich differenzieren."
Ich zucke mit den Schultern und wende mich wieder dem Auto zu. „So viel Unterschiede gibt es nicht. Ophelia liebt sie beide abgöttisch. Manchmal mehr als gut für sie wäre."
Ich öffne den Kofferraum und hole ihren Rucksack heraus. Gefolgt von den beiden Kuscheltieren.
Beide drücke ich Logan in die Hände. Da er hier auf mich wartet und anscheinend reden will, kann er auch helfen. „Wie war das Treffen mit Captain Allwissend?"
Hab ich schon gesagt, dass Logan Steve seit der Trennung von mir seelisch und moralisch gefressen hat?
Ich verdrehe die Augen und schließe den Kofferraum. „Sharon war da. Bekleidet mit seinem Hemd. Wahrscheinlich NUR seinem Hemd. Ich hoffe, die beiden haben wenigstens Rücksicht auf Phelie genommen."
„Hoffe ich für ihn." knurrt Logan und folgt mir in die Schule hinein.
Nach der Hälfte des Weges gestehe ich Wolverine von unserem Streit. „Er bringt mich jedes Mal mit seinem moralischen Gut-Getue so auf die Palme, dass ich förmlich spüre, wie der Rauch aus meiner Nase steigt. Irgendwann werde ich ihn grillen."
Logan zuckt nur mit den Schultern. „Würde mich nicht stören."
„Aber unserer Tochter. Ophelia liebt ihn. Was sie ja auch soll. Er ist ein toller Dad."
„Aber ein beschissener Ehemann."
Auch dem kann ich nicht gänzlich zustimmen. Steve war ein klasse Partner gewesen. Bis er sich einfach getrennt hat.
Als wenn wir das nicht auch hinbekommen hätten.
Aber so war es eben.
„Der kann vorerst bleiben, wo der Pfeffer wächst. Nächste Woche holt er sie hier ab. Dann muss ich mir zumindest nicht die nächste seiner Auserwählten treffen." brumme ich und biege um die nächste Ecke.
Wolverine gibt es lachendes bellen von sich. „Lass mich sie ihm doch bringen. Das würde mir unendlich viel Freude bereiten."
Ein kleines Lächeln kann ich mir tatsächlich nicht verkneifen. „So toll auch die Vorstellung wäre, so sehr würde es auf mich aber den Anschein machen, dass ich mich verstecke. Und das will ich auf keinen Fall. Nachher kommt er noch hierher und will mit mir reden oder mich gar trösten."
Logan lacht noch einmal laut auf. „Und dann öffne ich ihm die Tür. Fall erledigt. Für immer."
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