Nachbarn

Gabriels Wagen parkt vor Xaviers Schule.

Wir haben es weit nach zwanzig Uhr als wir endlich ankommen. Doch statt Freude oder Müdigkeit verspühre ich eher Trauer.

Trauer darum, das dieser Tag endet. Ein Tag, der so furchtbar begonnen hat und nun doch mit solch großartigen Erfahrungen endet. Ich weiß nicht wie der Tag morgen wird. Wann ich Gabriel wiedersehe oder ich die Gelegenheit habe als Phoenix durchs All zu reisen. Vielleicht wird morgen wieder ein Tag wie jeder andere werden. Vielleicht sehe ich Steve. Vielleicht Ophelia.

Keine Gewissheit mehr zu haben, was der nächste Tag bringt, ist etwas, was mir früher so gut lag. Als White Queen des Hellfire Clubs. Heute sieht das anders aus. Aber damit muss ich klarkommen.

Gabriel, der den Motor gerade zum Verstummen gebracht hat, lässt den Blick über das in nachtschwarz gekleidete Anwesen gleiten. Zwar sieht man nur Bruchstücke des beleuchteten Schulgebäudes durch die Büsche am Eingangstor des Anwesens, aber für Gabe scheint es dennoch zu reichen.

Seine linke Braue zieht sich skeptisch nach oben. „Das ist sie also. Die weltberühmte Schule der Mutanten."

Grinsend lehne ich mich im Sitz nach vorne, um meine Handtasche vom Boden zu nehmen „Betitelst du dich nicht selbst auch als Mutant? Womöglich hättet du hier deinen Spaß gefunden. Als Mutant lebt man hier ganz gut. Zumindest als Schüler bis man von Charles in seine X-Men-Crew aufgenommen wird und ständig diesem Moralapostel ausgesetzt ist."

Gabriel lacht kurz auf. „Ich gehöre hier definitiv nicht her. Die Welt ist auf ein, vielleicht auch noch einen zweiten Phoenix vorbereitet. Auf mehr sind weder die Menschen, noch die Mutanten vorbereitet. Zumindest nicht die meisten von ihnen."

„Und stattdessen hast du dich lieber in Zinspapiere, Wertanlage und die Vermögen der anderen gekümmert und ein eigenes Unternehmen gegründet. Das ist ja auch eine Art von ... Offenbarung." sage ich mit zuckersüßer Stimme und klimpere mit den Wimpern.

Lachend sieht Gabe zu mir. „Auslegungssache, Frosti."

Sein charmantes Grinsen lässt das Kribbeln in mir neu entfachen. „Dann nehme ich an, hast du kein Interesse daran, mit auf einen Kaffee zu mir zu kommen. Fernab von Charles Zimmer, falls das ausschlaggebend für dich sein sollte."

Eigentlich erwarte ich vieles. Gabe und ich haben eine bedingungslose Affäre miteinander. Außerdem schulde ich ihm noch etwas dafür, dass er mir hilft, die anderen Phönixe zu finden und gegen unseren Feind zu kämpfen. Ihn mit zu mir einzuladen, so denke ich noch im selben Moment, nachdem ich die Einladung ausgesprochen habe, wird er ablehnen. Vielleicht habe ich damit auch diese kleine wohltuende Affäre zwischen uns ruiniert.

Aber nach diesem Tag möchte ich wohl gerade nichts sehnlicher haben als für einen einzigen Abend, eine einzige Nacht wieder so etwas wie Normalität zu haben.

Doch im Gegensatz zu meiner Erwartung, grinst Gabriel immer noch.

Eine kleine dunkle Locke hat sich von seiner Frisur gelöst und hängt ihm frei in der Stirn.

Absolut ansehnlich für mich.

„Haben dir die drei Mal am Strand nicht gereicht?"

Mir wohl genauso wenig wie ihm. Aber as gehört wohl zu unserem kleinen Spiel dazu. So lächle ich wieder charmant und versuche mir meine aufkommende Freude nicht allzu sehr ansehen zu lassen. „Haben sie dir gereicht?"

Gabriel streckt den Arm und legt ihn auf meine Stuhllehne ab. „Wie kann mir der Sex mit der berühmten White Queen nicht reichen? Ich wäre ein Narr, wenn ich nicht davon provitieren würde, dass du eine, wie war das, eine ausgebildete Sextherapeutin bist?"

Ich schnaufe auf und wieder trifft mich ein Stecknadelgroßer Schmerz im Herz. „Ja. Ja, das bin ich. Sollte mal ein zweites Stammbein werden, wenn meine Karriere im Hellfire Club in die Brüche geht. Ist aber nie was daraus geworden. Und in Charles Schule als Lehrerin musste ich keine Sekunde auch nur darüber nachdenken."

Gabriel zieht belustigt die Brauen hoch. „Ach, es gibt bestimmt ein paar Mutantenteenies, die deinen Rat gern erhalten hätten."

Der Schmerz breitet sich immer weiter aus. Zurück kommen die Erinnerungen an jenen Abend, an dem Steve mich das erste Mal mit zu sich genommen hatte. Unsere erste gemeinsame Nacht. Er war zu Beginn so unbeholfen gewesen. Er hatte vor mir noch nie mit einer Frau geschlafen - was man allerdings nicht bemerkt hatte.

„Hey." ertönt plötzlich Gabriels weiche Stimme und lässt meine Gedanken verpuffen.

Seine Hand liegt mitfühlend auf meinem Oberschenkel. Sein Körper ist leicht zu mir nach vorne gebeugt. „Ist keine leichte Zeit für dich. Das kann ich verstehen - und ich sehe auch, dass du darum kämpfst, wieder in das Leben zu kommen, was du vor deinem Wächter hattest. Aller Anfang ist schwer, Frost. Vor allem nach so einer intensiven Beziehung."

Ich nicke und sehe zu ihm auf.

Die Dunkelheit der Nacht hat sein Gewicht fast komplett in Schatten gelegt. Lediglich seine grünen Augen sind noch zu erkennen. Für manche vielleicht fast schon ein erschreckender Anblick. Mich erinnert es aber viel mehr an das Licht eines Leuchtturms auf stürmischer See.

Vielleicht sind es diese Augen, die mir aus dem Schmerz helfen können. Ich genieße bewusst das Gefühl, das sich mir bei den Gedanken an Steves und meiner ersten gemeinsamen Nacht bietet. Fühle es. Leb es einen kurzen Moment.

Dann erkläre ich es mir selbst als beendet. Ich bin nicht meine Vergangenheit. Ich habe sie geliebt. Mein frühere Zeit. Steve und unsere kleine Familie. Aber ich kann sie nicht zurückholen und ganz ehrlich? Nach all dem Leid und der Trauer, die ich durchleben musste, will ich das nicht mehr.

Verdrängen ist nie gut. Ich koste es aus. Ich lebe das Gefühl, was sich mir bietet. Und dann will ich weiterleben. Für mich. Für meine kleine zerbrochene Familie. Das bin ich uns allen schuldig.

„Das sind die nettesten Worte, die ich je von dir gehört habe, Green!" gebe ich lächelnd zurück und lege den Kopf schief.

Seine Augen beobachten mich noch einen weiteren langen Wimpernschlag, bevor er mir meine Gefühlsänderung abnimmt. Dann lächelt auch er wieder. „Ich habe vor dir heute den größten Seelenstripp meines Lebens hingelegt, Frost. Du wirst mich kein drittes Mal dazu bringen, dir zu sagen, dass ich dich nicht komplett uninteressant finde."

Ich schnaufe lachend auf. „Wow. So romantische Worte habe ich selten gehört. Ich bin interessant. Es lohnt sich, mich nicht zu töten. Du bist ein wahrer Meister der Worte. Sag mal, Gabriel, sind all deine Brüder so? Ansonsten werde ich wirklich Probleme haben mich bei all euch Charmbolzen zu entscheiden!"

Gabe löst die Hand von meinem Bein und schnallt sich ab. „Nicht unbedingt. Früher als Phönixe waren wir alle gleich. Allerdings bezweifle ich, dass sie sich mit der Verteilung im Universum nicht geändert haben sollen. Ich würde sogar soweit gehen, dass ich nicht glaube, dass du großes Interesse an ihnen haben wirst, wenn sie eine völlig andere Spezies sind. Ich bin wirklich gespannt, was uns dahingehend noch erwarten wird."

Wieder nicke ich. „Ich werde Magik morgen mal nach dem neusten Stand fragen. Vielleicht konnte sie schon einen weiteren deiner Brüder auffinden."

„Hoffen wir mal."

Auch ich löse den Gurt des Autos und sehe dann wieder zu dem grünen Phoenix auf. „Genauso hoffen, wie deine Begleitung in meine Wohnung?"

Nah, Frost, dünnes Eis. Hauchdünnes Eis. So sehr habe ich mich wohl wirklich selten einem Typen aufgedrängt.

Doch meine Wünsche scheinen von Erfolg gekrönt zu sein.

Gabriel zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss heraus und dreht sich mir erneut zu. „Wenn ich das mache, sorgst du aber dafür, dass ich morgen früh nicht auf deinen Professor stoße, der mich mit einer Anmeldung für die X-Men wirbt!"

Mein Bauch macht einen Freudensalto. Nur schwer kann ich mir das Lächeln verkneifen. „Ich bin Telepathin. Da sollte es Wege und Mittel geben, dich unbemerkt rauszubringen. Was ich jedoch nicht versprechen kann, ist, dass der Anmeldebogen nicht doch morgen früh unter deinem Scheibenwischer klemmen wird. Charles hat da so ein paar Ticks."

Gabe lacht belustigt auf. So heiter und freundlich, wie ich es zuvor noch nicht von ihm gehört habe. Und ich mag es unglaublich.

„Damit kann ich leben. Kann ich gleich hier parken oder soll ich mich woanders hinstellen?"

Sicherheitshalber und auch, um Charles nicht gleich eine Steilvorlage zu geben, parken wir das Auto doch wo anders und laufen dann gemeinsam in die Schule hinein.

Gott sei Dank scheinen die meisten hier schon zu Schlafen, was uns dazu bringt, dass ich Gabriel nun doch die Schule zeigen kann. Er scheint auch alles andere als desinteressiert zu sein.

„Und du hast hier auch mal unterrichtet?" fragt Gabriel als wir durch einen der Flure gehen.

„Ja." sage ich sogleich und laufe mit ihm ums nächste Eck. „Eine zeitlang. Dann allerdings habe ich mich ein wenig daneben benommen, wurde verhaftet und bin als Strafe zu den Avengers gekommen."

Gabe lacht keck auf. „Du wurdest verhaftet? Das wusste ich nicht."

Ich gebe einen brummenden Laut von mir. „Ich habe Scott Summers telepathisch furchtbare Schmerzen spüren lassen. Vielleicht war es aber auch meine Diamantenfaust, die seinen Magen getroffen hat, als ich in seinen Gedanken gelesen habe, dass er, obwohl er mir jeden Morgen seine absolute Treue und Liebe geschworen hat, nur an Jean gedacht hat. Wie gut sie sich anstelle von mir anfühlt. Wie gut der Sex mit ihr war. Ach naja."

Erstaunt zieht Gabriel beide Brauen an. „Und deshalb musstest du zu den Avengers?"

Ich winke ab. „Mehr oder minder. Wie sich später herausgestellt hat, war nichts davon wirklich dem Zufall überlassen. Alles in allen bereue ich meine Aktion dennoch nicht."

„Solltest du auch nicht." pflichtet mir der Green Phoenix bei.

Gemeinsam betreten wir den Flur, in dem die Wohnungen für das Lehrpersonal untergebracht sind. Meine winzige Wohnung ist am Ende des Ganges.

Eine Wohnung die vorher Beast gehört hat. Minimalistisch. Aber es reicht für mein Himmelsbett und ein gemütlich großes Sofa und ein kleines Zimmer in dem Ophelia schlafen, spielen und lernen kann.

An der Tür bleiben wir stehen und ich krame den Schlüssel aus meiner Handtasche hervor.

Ich führe den Schlüssel ins Schloss und will herumdrehen als ich die Tür gegenüber von meiner höre, wie sie sich öffnet.

Jeans Tür. Mir entfährt ein brummender Laut, den Gabriel mit einem frechen Kichern kommentiert.

„Nicht einmal hier hat man hier seine beschissene Ruhe!" grummle ich vor mir her und drehe mich um.

Der Höflichkeit wegen, da sie nun schon mehrfach mein Leben, wenn auch nicht immer freiwillig, gerettet hat, drehe ich mich zu Jeans Tür herum, um ihr wenigstens Hallo zu sagen.

Doch das was ich sehe, lässt einen tiefen Frustierten Laut aus mir kommen. Einen, den Gabriel noch mehr amüsiert. Schön für ihn.

Scott Summers zieht sich gerade die Lederjacke zu als er mein Stöhnen vernimmt, zu mir aufsieht und dann Gabriel bemerkt.

Seine Brauen wandern so hoch, das ich glaube, dass sie längst bis zum Haaransatz gewandert sind. „Emma. Welch Überraschung, dich hier zu sehen."

Ich setze mir ein übertrieben freundliches Lächeln auf.

Bei Jean mag ich noch die versöhnliche spielen, aber bei diesem Typen würde ich lieber auf den Mond auswandern als ihn auch nur ein halbherziges Lächeln zu schenken.

„Scott Summers! Mensch! Ja, das stimmt! Jede Sonnenfinsternis tritt häufiger auf als ich an meine Tür. Ich bin ein reines überraschendes Wunderwerk! Mensch, das man sich hier mal sieht. Quasi so als Nachbarn von direkt gegenüber!"

Der Typ sieht mich an wie ein Reh, das ein herankommendes Auto anstarrt. „Wir haben uns seit deiner Scheidung nicht mehr gesehen."

Ja, richtig. Seit dem vermied ich es, zur selben Zeit wie er aus dem Haus zu gehen. Blitzmerker.

Scotts Blick richtet sich erneut auf Gabriel, der sich lässig mit verschränkten Armen vor der Brust gegen die Flurwand gelehnt hat. „Und du bist nicht alleine, wie ich sehe!"

Ich öffne voller Begeisterung den Mund. „Mein Gott, Scott! Sowas erkennst aber auch wirklich nur du. Ich frage mich wirklich Jahr um Jahr wieso die nächste Evolutionsstufe nicht von dir aus gestartet wird! So ein Genie, und diese Auffassungsgabe, gibt es wirklich nur einmal."

„Emma, hör auf hier die Komikerin zu spielen! Wir sind alle um dich besorgt! Wir haben dich nach eurer Trennung tagelang nicht angetroffen. Wir wussten nicht wie es dir geht und wo du bist. Zum Unterricht oder den Übungsstunden bist du auch nie erschienen. Und jetzt sehe ich dich endlich. In Begleitung eines Fremden! Was soll das über dich aussagen?"

Nicht explodieren, Emma. Nicht explodieren. Ich weiß, was Steve jetzt getan hätte. Er hätte mir seine Hand auf die Schulter gelegt, einmal ein warmes „Emma, ist gut" von sich gegeben und meine Wut erstickt. Aber egal wie oft er es auch bei mir gemacht hatte, mein Temperament hat es trotzdem nie gezügelt.

Weil ich eben so bin.

Gabe dagegen steht nur interessiert an unserer Diskussion da und verfolgt das Wortgefecht. Er lässt es mich ausleben. Wahrscheinlich würde es ihn noch erheitern, wenn ich Scott in Flammen aufgelassen würde.

Also lächle ich so künstlich wie ich kann. „Scott, mein lieber Freund. Keiner von euch, weder du, noch Jean, Beast , Kitty, der Eisjunge oder ein anderer von euch Übungsstundenlehrer habt auch nur einmal an meine Tür geklopft, hinter der ich die ganze Zeit gesessen und mir die Augen aus dem Kopf geheult habe. Die einzigen, die sich nach mir erkundigt haben, waren Logan, Charles, Eric und hin und wieder Rouge, Gambit und Ororo. Euch hat es einen Scheiß interessiert, was mit mir war. Wahrscheinlich habt ihr sogar die Daumen morgens gedrückt, mich nicht zu sehen, um der Chance zu entgehen, dass ich weinend einem von euch in die Arme falle. Aber, Achtung Wortspiel, ich bin wie der Phönix aus meiner eigenen Asche auferstanden und mir geht es gut. Und surprise, surprise! Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Selbst ich als Mutantenfrau darf mir hin und wieder ein wenig Gesellschaft gönnen.
Aber falls es dich beruhigt zu wissen, in deiner unglaublich mitfühlenden Stimmung mir gegenüber, der Typ hier ist kein Trostpflaster. Wir kennen uns schon. Ich habe ihn nicht im Callboy-Handbuch deiner Liebsten gefunden."

Wäre Steve jetzt hier, hätte es nun wirklich das erste ernst gemeinte „Emma!" gegeben.

Aber da ist nichts. Und mein inneres Feuer? Es brodelt zwar wie das Magma eines Vulkans vor sich hin und her und wieder nehme ich aus dem Augenwinkel eine kleine Flamme an meiner Schulter wahr, aber ich röste ihn nicht.

Noch nicht.

„Emma!" sagt Scott entrüstet und tritt einen Schritt zurück.

Gabe kichert erneut leise vor sich hin. Dann jedoch stupst er sich von der Wand ab und tritt neben mich. „Wenn ich gewusst hätte, was hier alles als Superheld rumläuft, und dafür noch bezahlt wird, hätte ich wahrscheinlich doch den Weg eines X-Men nehmen sollen."

Ich schüttle nur den Kopf und widme mich wieder der Tür zu. Mit einem leisen Knacken öffnet sich die Tür und springt auf.

„Dein Zustand ist wirklich besorgniserregend, Emma!" tadelt Scott weiter, scheint sich aber losmachen zu wollen. „Und damit du es weißt, Steven war vorhin auch schon hier gewesen! Hat bei uns geklingelt. Auch er hat sich tierische Sorgen um dich gemacht. Er wollte zwar nicht sagen, was los war, aber nach deinem Verhalten von gerade eben, lässt das auf einiges Schlussfolgern! Ihr müsst dringend miteinander reden! So kann das nicht weitergehen. Es geht nicht nur um dein Leben, sondern auch um das eures Kindes!"

Ach du große Scheiße. Das hat mir auch noch gefehlt.

Seufzend schließe ich die Augen und bete dafür, dass sich unter mir einfach der Boden auftut und mich verschlingt.

„Ich hab ihm geschrieben. Es ist alles gut." rechtfertige ich mich, obwohl ich es am liebsten nicht getan hätte.

Was geht es dem Vogel an, was ich privat mache?

„Hoffen wir mal." sagt Scott streng und geht. Und mit ihm meine Lust auf diesen eigentlich noch so schön geplanten Abend.

Noch vor der geöffneten Tür hebe ich den Kopf wieder an und sehe zu Gabriel, der Scott noch grinsend einen schönen Abend wünscht. „Das nächste Mal gehen wir zu dir."

Immer noch höchst amüsiert legt der Green Phoenix seinen Arm um meine Taille. Eine Geste, die neu ist und mich gleichermaßen erstaunt wie erwärmt. „Mach dir nichts draus. Aller Anfang ist schwer. Und Typen wie Scott Summers wird man es nie recht machen. Der wird eher von den X-Men austreten als zuzugeben, dass er Unrecht mit dir hat."

Ich schüttle frustriert den Kopf.

„Was mich dagegen eher wundert, ist dass laut deiner Aussage, sich keiner der sonst so heldenhaften X-Men um dich gekümmert hat. Ich dachte, ihr seid eine große bunte Familie." spricht Gabriel weiter und wirkt nun ernster.

Ich zucke mit den Schultern. „Sie sind alle so lange neutral, bis sie gezwungen sind, sich zu entscheiden und zu wem würde man eher halten als zum loyalen und heroischen Captain America? Held Amerikas und bester Avenger. Ich bin in den meisten Augen nur launisch, temperamentvoll, eisig, unnahbar und überstürzt."

„Nun ja." beginnt Gabriel und beugt sich ein Stück zu mir herab. „Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich die Mutantin White Queen wählen. Unnachgiebig. Witzig. Charmant. Loyal. Kämpferisch. Mutig und ein Stehaufmännchen. Vielleicht hin und wieder etwas wechsellaunisch, aber ich glaube nicht, dass sie das wegen den falschen Personen ist."

Nun bin ich es, die die Brauen in die Höhe zieht. „Du beschüttest mich mit Komplimenten. Entweder bist du krank oder"

Gabe grinst breit. „Oder ich hab ein wenig an dir und deinem Leben Gefallen gefunden."

Mein Herz klopft wild auf. Ich drehe mich nun Gabe volleinst zu und lege die Arme um seinen Hals. „Du weißt schon, dass du mich so nicht aufmuntern musst?"

Er schnaufte amüsiert auf. „Tu ich nicht.
Ich unterstütze lediglich. Ich greife nicht ein. Meinetwegen fackle den Typen ab. Er hat's verdient. Fackle die Schule ab. Mir egal. Ich vertraue ein wenig auf dein Urteilsvermögen. Den Rest deiner mentalen Gesundheit kannst du wieder ganz herstellen. Und ich mag diese temperamentvolle und schlagfertige Emma Frost, die immer mehr wieder zum
Vorschein kommt und wegen der ich meine Absichten dir gegenüber eingestellt habe."

Mein Grinsen wird breiter. „Von wegen, ich kann dir heute keine Komplimente mehr entlocken, Mhm?"

Statt einer Antwort senkt Gabe den Kopf zu mir herab und schenkt mir einen sehnsüchtigen Kuss, der mir mehr Antwort gibt als jedes andere Wort.

Das Magma beginnt in mir zu brodeln. Nicht aus Wut, sondern aus einem Verlangen und einer Leidenschaft heraus, wie ich sie schon seit längerem nicht mehr gespürt habe.

„Hast du Rauchmelder in deiner Wohnung?" fragt Gabriel zwischen zwei Küssen und sieht für einen kurzen Moment, in dem auch ich die Augen aufschlage, zu meiner Schulter, an der vorhin schon kleine Flammen aufgekommen sind.

„Habe ich. Aber die Batterie ist längst rausgenommen." hauche ich zurück und lasse meine eine Hand in sein dunkles Haar eintauchen. Es ist so seidig weich, dass mir für einen Moment der Hauch von Eifersucht überkommt.

„Sehr gut." fügt Gabriel zu und dreht mich in Richtung geöffnete Tür zu.

Ich bin so aufgeregt wie ein Kleinkind vor Weihnachten. Ich meine ja, ich habe nun schon einige Mal mit Gabriel geschlafen. Aber bisher immer ohne meine flammende Leidenschaft, wenn ich sie so nennen darf. Als ob ich noch nicht volleinst bereits war, mich ihm zu öffnen.

Zuvor gab es auch noch keinen Grund für derartige emotionale Ausbrüche. Aber nun, mit seinen unwiderstehlichen Komplimenten und dem Wissen, dass ich meinen Partner ausnahmsweise Mal nicht beim Sex verbrenne, lässt es mich vor Freude fast an die Decke gehen.

Gabriels Hand wandert in meinen Nacken. „Schon mal einen Flammenkuss gehabt, Frosti?"

„Du meinst mehr als Rauch und Asche auf meiner Zunge wie vorhin am See?" Frage ich neckisch nach und ernte ein Lächeln des Phoenix, das mir durch Mark und Bein geht.

Für einen Spalt öffnet der Phoenix seinen Mund und lässt mich die Flammen darin erkennen. „Keine Asche. Kein Rauch. Ich bin schon ein ziemlich lange Zeit neugierig darauf, wie es sich anfühlt, wenn Phoenixfeuer auf Phoenixfeuer tritt. Nur bis jetzt hat sich dein Feuer noch nicht an die Oberfläche gewagt."

Mein Atem geht schwer. Ich will es wissen. Ich will wissen wie es sich anfühlt, einfach loslassen zu können. Ohne Angst dabei haben zu müssen, meinen Partner zu verbrennen.

Unsere Münder sind schneller aufeinander, als ich mich versehen kann. Mit voller Leidenschaft öffnet Gabe seinen Mund und lässt seine in Feuer umgebene Zunge an meine kommen.

Noch nie habe ich so etwas intensives und heißes gespürt. Nicht im eigentlichem Sinne von Hitzeheiß, sondern von erotisch heiß.

Das Feuer, das auf meiner Zunge entflammt fühlt sich wie zuckerwarmer Honig an. Samtig. Weich. Ich könnte darin versinken.

Meine beiden Hände finden den Kragen seines Pullis und ziehen ihn ohne zu zögern hinein in mein Reich.

*

Seit meiner Trennung von Steve habe ich wohl selten so gut geschlafen wie in dieser Nacht.
Was nicht zuletzt auch an den Sachen vor dem Zubettgehen liegt.

Gabriel ist eine Offenbarung für mich. Genauso gepolt wie ich. Wahrscheinlich, weil er so ist wie ich.

Für einen kleinen Moment dachte ich noch, er würde doch Heim fahren, anstelle mir ins Bett zu folgen. Doch er warf einfach die Bettdecke zurück und stieg in mein Bett hinein.

Seitdem liegen wir hier. Aneinanderliegend. Eng umschlungen und schlafend.

Für diese Stunden schaltet mein Kopf endlich ab und ruht. Keine Gedanken an die Trennung. Keine Gedanken an unseren neuen Feind. An meinen Vater oder das was noch wird.

Natürlich würde ich wohl noch besser schlafen, wenn ich Ophelia hier wüsste. Aber auch das, so gestehe ich mir ein, ist für diese Nacht in Ordnung.

Es wird sich für alles eine Lösung finden. Und diese Nacht wird der Beginn dazu sein.

Klopf. Klopf. Klopf.

Ich reiße die Augen auf und sitze beinahe im Bett als ich das wilde Klopfen an meiner Wohnungstür vernehme.

Brennt es?

Ist jemand eingebrochen?

„Emma! Emma!" höre ich eine männliche Stimme nach mir rufen, die ich im Halbschlaf allerdings kaum zuordnen kann.

Ein kurzer Blick auf den Wecker neben mir lässt mich seufzen. Es ist vier Uhr morgens.

Wenn das jetzt Wolverine ist, lasse ich ihm seine Klauen lackieren!

„Emma!" ruft es erneut, gefolgt von einen wilden Klopfen.

Gabriel neben mir dreht sich brummend zur Seite und zieht die Decke dabei höher.

Fein. Dann muss ich alleine ran.

Seufzend schlage ich die Decke zurück, stehe auf und hole mir meinen seidenen weißen Morgenmantel aus dem Kleiderschrank.

Ein kurzer Blick in den Spiegel, in dem winzigen Flur meiner Wohnung, sagt mir, dass der Abdruck von meinem Kissen noch bestens zu sehen ist. Wahnsinn.

Egal.

Das Klopfen wird nicht milder.

Gähnend schließe ich die Tür auf und öffne sie. „Logan, ich schwöre, wenn du jetzt auch noch ankommst!" brumme ich und sehe zu meinem ungebetenen Gast auf - und verliere sämtliche Mimik aus meinem Gesicht.

Vor mir steht ein absolut aufgelöster Steve Rogers, der mich ansieht als wäre ich Jesus selbst, der aus seiner Steinkammer auferstanden ist.

„Emma! Gott sei Dank!" haucht er und urplötzlich bin ich seiner Umarmung gefangen.

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