Ein Phoenix werden

Ich habe in meinem Leben schon den ein oder anderen Phoenix gesehen.

Jetzt allerdings verstehe ich, dass mein Vater sich bei seiner Größe definitiv zurückgehalten hat.

Gabriel mit seinen fünf Meter Höhe ist riesig. Und mächtig dazu.

Er sieht meinem Vater nur bedingt ähnlich.

Gabriels Phoenix-Gestalt ist wesentlich definierter. Ich kann jede seiner feuergelben Feuerfeder erkennen.

Genau wie sein Kopf, der der Form eines Adlers ähnelt.

Mein Vater dagegen hat die Form eines Pfauen.

Brennendes und zugleich fließendes Feuer stellt Gabrieles Gestalt da. Wie ein lebendiger Feuerball in Form eines Vogels. Dabei gehen die Lichtstrahlen des Feuers von ihm aus.

Hellgelbe Feuerstrahlen, die allesamt von seiner Brust entspringen. Dort auch, wo wahrscheinlich sein Herz liegt, ist sein Feuergefieder hellgrün.

„Du bist wunderschön." entkommt es mir bei seinem Anblick.

Der Phoenix gibt einen Lachenden Ton von sich. Danke, Frosti. Dann ist es jetzt mal Zeit dich in dein Gefiedergewand zu werfen!, ertönt es in meinem Kopf.

Es ist immer noch Gabriels Stimme, die in meinem Kopf spricht. Zwar sind die Endungen der einzelnen Wörter mit einem leichten metallischen Unterton versehen, aber es ist immer noch er.

Gut. Dann bin ich jetzt dran.

Ich sehe mir seine Gestalt nochmals an. Versuche mir die Größe einzuprägen und das schillernde Licht, das von ihm ausgeht.

Dann schließe ich die Augen und lasse das Feuer, das längst durch meine Adern brennt, nicht nur durch meine Flügel, sondern auch durch den Rest meines Körpers brennen zu lassen.

Ich atme tief aus, spüre einen leichten rauchigen Hauch aus meiner Lunge kommen. Das scheint der richtige Weg zu sein.

Zögere nicht, Emma. Lass das Feuer die Oberhand gewinnen. Ich bin direkt hier. Die passiert nichts. Lass einfach den Prozess zu. Niemand wird dich daran hindern., spricht mir Gabe weiter zu.

Und ich nehme es an. Ich atme immer entspannter, lasse das Innere Feuer in mir, dass sofort bei meinen Ausrastern an die Oberfläche kommt zu und lasse es immer höher steigen.

Ich spüre wie es auf meiner Haut kribbelt. Ich spüre die Wärme und Geborgenheit.

Denk nur an dich. Denk dran, wer du bist und wer du sein willst.

Wer ich sein will ... wer soll ich sein?

Das habe ich mich solange schon gefragt. Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Ich dachte so lange, dass Steve mein Zuhause wäre.

Aber da habe ich mich geirrt. Mein Zuhause ist nicht Charles Schule. Nicht unsere alte gemeinsame Wohnung hier oder in Wakanda.

Mein Zuhause ist bei mir. Ich bin mein Zuhause. Es ist kein Ort. Keine Person. Ich bin es, bei der ich mich wohlfühlen soll und muss. Und nachdem so vieles in meinem Leben in die Brüche gegangen ist, nachdem sich mein Leben wieder und wieder neu gefunden hat, muss ich es mir selbst wert sein, an erster Stelle zu stehen. Niemand wird mich mehr aufhalten. Niemand hält mich mehr klein oder zurück. Ich bin Emma Frost.

Der White Phoenix. Tochter des Dark Phoenix und die verdammte White Queen!

Mach die Augen auf, Frost!, höre ich Gabe in meinen Gedanken sagen und folge seiner Anweisung.

Ich sehe an mir herab - und muss feststellen, dass meine Umgebung plötzlich sehr geschrumpft ist.

Als ich an mir herabsehe, sehe ich nun auch mein eigenes Gefieder. Es ist strahlend hell und weiß.

Und mein Geist? Er ist normal geblieben. Gabriel hat nicht gelogen.

Als wenn ich das nötig hätte!, sagt der Green Phoenix neben mir und tätschelt mit der riesigen Kralle auf.

Oh weh. Da muss ich meinen Geist nun doch wieder besser kontrollieren. Aber das stellt für mich nun wirklich kein Problem da. Rasch lasse ich den Zugang zu meinen Gedanken für Gabriel auf einer anderen Leitung meines Gehirns laufen. Eine einseitige. Eine zweite Spur von mir zu ihm mache ich ebenfalls auf, sodass er nicht mehr ungehindert in meinen Gedanken wühlen kann.

Ich sehe ein weiteres Mal an mir herab und versucht mich zu drehen - und reiße dabei den nächstgelegenen Baum mit mir um. xxGibt es hier einen See in der Nähe, in dem ich mich mal ansehen kann?

Gabes gibt erneut ein lachendes Geräusch von sich. So selbstverliebt, Frosti?

Ha ha! gebe ich trocken zurück und folge Gabriel, der bereits losgelaufen ist. Als wenn du nicht sehen wollen würdest, wie du aussiehst!

Sein Adlerkopf dreht sich während des Laufens zu mir um. Ich könnte dir sagen, wie großartig du aussiehst. Aber du würdest es mir ohnehin nicht glauben.

Skeptisch versuche ich meine Augenbrauen zusammenzuziehen - um kurz darauf zu merken, dass ich als Phoenix gar keine habe. Das fühlt sich seltsam an.

Aber im Ganzen fühlt sich diese Gestalt unglaublich gut und mächtig an mir an. Ich habe das Gefühl, mit diesem Körper um die ganze Welt zu fliegen.

Das können wir auch. Ist das einfachste. Drei kräftige Flügelschläge und du bist in Brasilien. Fünf mehr und du bist über den Ozean. Natürlich nur mit genügend Übung, lehrt mich der Green Phoenix und watschelt weiter.

Ich habe ziemlich Probleme, mit ihm Schritt zu halten. Mit diesem großen Körper durch so enge Baumpassagen zu laufen.

Bis wir am See sind, reiße ich noch weitere fünf Bäume mit mir, während Gabriel fast schon aus Trost einen einzigen Baum mit den Fuß zum Sturz bringt.

Am See angekommen, sehe ich neugierig hinein. Gabriel, der sich direkt neben mich stellt, folgt meinem Blick in den Spiegel des Wassers.

Ich bin genauso groß wie er. Einzig mein Kopf ist kleiner.

Mein Schnabel ist spitzer. Mein Kopf ein wenig flacher.

Der Rest meines Körpers gleicht dem von Gabriel und dem meines Vaters.

Nur ist mein Feuergefieder deutlich fleckiger.

In unterschiedlichen hellen Feuertönen verläuft es über meinen Körper.

An welchen Vogel erinnere ich mich bloß?

Gabelracke, antwortet der Green Phoenix sogleich. Er wird auch als schönster Vogel der Welt bezeichnet.

Da die Sache mit den Augenbrauen ja leider nicht funktioniert, lege ich den Kopf leicht schräg, um meine Verwunderung kund zu tun. Du kennst dich also mit Vogelarten aus. Na sieh einer an!

Wieder gibt Gabriel einen lachenden Ton von sich. Du scheinst mir immer wieder zu vergessen, dass ich ein paar Tage älter bin als du. Zwangsläufig kommt man solchen Themen früher oder später näher, wenn man sich überall auf der Welt schon einmal niedergelassen hat.

Ich verdrehte die Augen. Du bist nicht älter als ich. Du hast vielleicht nur ein wenig mehr Erfahrung.

Ich bin älter, Frost! Zumindest am Stück betrachtet! Du hast deinen Geist öfters ausgeruht als sonst wer!

Ich verdrehte erneut die Augen und sehe dann erneut auf unsere Spiegelbilder herab.

Gabriel und ich sind gleich. Ja, vielleicht unterscheiden uns Kleinigkeiten. Aber unserer Grundaufbau ist gleich.

Das hier bin ich. So wie ich eigentlich einmal vorgesehen war. Als Phoenix.

Jetzt, wo ich mich so sehe ... ein Neuanfang. Eine Ankünpfung an das, was ich einst einmal war.

Gabriel hat Recht. Ich bin nicht nur der White Phoenix. Nicht nur Emma Frost. Nicht nur Mutter, Mutantin und Gefährtin der X-Men. Ich war und bin immer noch die White Queen. Ich bin alles davon.

Das Wesen, das mir entgegensieht, ist auf niemanden angewiesen. So mächtig und stolz muss ich auf mich und meine Fähigkeiten sein. Kämpfen. Immerzu.

Das klingt doch nach was, Frosti., höre ich Gabriel in meine Gedanken sprechen.

Bevor ich etwas erwidern kann, kommt Gabriels Kopf plötzlich auf meinen zu. Sanft legt er seinen an meinen ab, bis sich unsere Schnäbel berühren.

So wie es die Vögel in der Natur auch machen, wenn sie Zuneigung zueinander empfinden. Ist das zwischen uns ... Zuneigung? Also von seiner Seite aus?

Mir ist es für den Moment egal. Seine Wärme an mir zu spüren, tut gerade unheimlich gut.

Bereit für deine erste Flugstunde, Frosti?, fragte, als er irgendwann wieder den Kopf von meinem wegzieht und mich ansieht.

Eigentlich nicht, will ich erwidern, entschließe mich aber dazu, zu Nicken.

Wer ist schon ein Phoenix, der nicht fliegen kann? Ein Angsthuhn bin ich bestimmt nicht.

Sehr gut, antwortet Gabriel also und läuft ein paar Schritte von mir weg - nur um dann in einer beeindruckenden Bewegung seine mächtigen Feuerflügel von sich zu strecken. Im Prinzip ist es nicht anders als das Fliegen, wie du es bisher gewohnt bist. Der Körperschwerpunkt ist ein anderer. Versuch nicht weiter nachzudenken. Kräftig mit den Flügeln schlagen und los gehts.

Und das zeigt er auch vor. Zwei kräftige Schläge seine meterlangen Flügel braucht es nur, um abzuheben.

Seine Flügelschläge sind so mächtig, dass der aufkommende Wind von ihnen, die Bäume um uns herum in Bewegung setzt. Er steigt in die Luft auf, dreht eine Rund um den See, um genau von mir wieder herunterzugleiten. Dann sieht er zu mir. Jetzt du. Und sei unbesorgt. Solltest du im Wasser landen, ist das nicht das aus. Wasser kann weder uns, noch unseren Gefieder etwas anhaben. Alles Wasserdicht. Wird auch nur kurz Strudeln, wenn das Feuer auf Wasser trifft. Ähnlich wie bei einem Unterwassevulkan.

Na sehr toll, denke ich mir, doch sogleich folge ich seiner Aufforderung und strecke die Flügel aus.

Es fühlt sich einfach so an, als wären es meine Arme. Es gibt einfach kein fröhlicheres Gefühl. Höchstens der Minigedanke, dass Steve womöglich gerade irgendwo wie aus dem Nichts Panik verspürt.

Aber das ist nicht mein Problem.

Das hier bin ich. Und ich habe das Recht, so zu sein.

In die Luft zu heben ist einfacher als ich dachte. Ich folge strikt den Vorgaben von Gabriel und staune nicht schlecht wie einfach es ist, zu fliegen. Kaum bin ich vom Boden abgehoben, sehe ich schon wie der Green Phoenix mir folgt.

Immer höher in die Lüfte steige ich auf, genieße es, als der Wind mein Federkleid kitzelt. Als wir beide längst über den Wolken sind, versuche ich in der Luft stehen zu bleiben - und genieße die Aussicht. Es hat mich lediglich sieben Flügelschläge gekostet so weit oben zu sein. Nicht einen Tropfen Schweiß.

Was ist nur alles in dieser Gestalt möglich?

So vieles, Emma., höre ich Gabriel in meinen Gedanken sprechen. Er ist dicht an mir dran und noch nie habe ich einen Vogel anmutiger fliegen sehen als ihn. Er ist der Inbegriff von Schönheit, gepaart mit Eleganz, Macht und Kraft.

Ich hoffe, ich lerne auch noch so auszusehen - falls ich es nicht schon mache.

Wollen wir mal ein wenig um diesen kleinen Planeten fliegen, Frost?

Sofern ein Vogel lächeln kann, mache ich dies und nicke. Ich bin so unheimlich gespannt auf alles und folge Gabriel sogleich als dieser umdreht und losfliegt.

Er legt ein wirklich gutes und schnelles Tempo hin und ich muss mich bemühen, ihm zu folgen. Aber schnell habe ich den Bogen raus und kann nach wenigen Minuten den Ausblick genießen. Wenige Flügelschläge bis wir New York verlassen haben und an die Grenze zwischen Nord- und Südamerika kommen.

Nur wenige Momente bis ich Brasilien erkenne, samt ihrer Wahrzeichen.

Es ist so unglaublich. Ich folge Gabriel weiter. Fliege mit ihm über den angrenzenden Ozean, teste aus wie es ist, sich fallen zu lassen, bis mein Körper die Meeresoberfläche fast berührt.

Ich spüre das leichte Knistern zwischen Feuer und Wasser an meinem Gefieder. Gabriel ahmt meine Geste nach, verschwindet sogar für wenige Momente im Wasser, um gleich danach wieder aus dem Ozean aufzusteigen. Funkelnde Wasserperlen springen in die Luft und verzaubern den Moment noch mehr.

Ich will auch wissen, wie sich das anfühlt, fliege ein Stück höher, um mich danach in die Tiefe des Meeres zu stürzen.

Wie Gabriel schon gesagt hat, passiert mit dem Gefieder nichts. Einige Luftblasen steigen zwar auf, doch ich erlösche nicht.

Auch hier scheine ich vollkommen in meinem Element zu sein. Unterwasser zu fliegen ist so unglaublich einfach mit dieser enormen Flügelkraft.

Gabriel taucht neben mir ein. Das ist unglaublich hier, oder?

Absolut! Wie tief können wir tauchen?, will ich wissen und durchquere mit ihm einige bunte Korallenbänke im Eiltempo.

Keine Ahnung. Ich schätze um einiges tiefer als Wale. Ich hab nie versucht die Grenzen zu erreichen.

Wale? Ich werde hellhörig und lege noch einen Gang zu.

Gemeinsam schwimmen wir durch das Meer und tauchen immer tiefer - und nach vielen Meilen bleibe ich stehen und staune nicht schlecht als an mir dieses unglaubliche Wesen vorbei schwimmt.

Ein echter Blauwal schwimmt unbekümmert an mir vorbei. Er scheint vor Gabe und mir absolut keine Angst zu haben und treibt unbekümmert weiter.

Mir dagegen springt die Kinnlade herunter. Oder eher gesagt, die Schnabellade. Hast du das gesehen?, frage ich Gabriel, den ich nur in meinem Kopf leise Kichern höre.

Habe ich. Der Typ schwimmt immer hier lang.

Verwundert reiße ich den Kopf zu ihm herum. Du kennst diesen Wal?

Er nickt. Der Typ ist unverkennbar mit seiner Narbe auf der linken Augenseite. Hast du von hier aus nicht gesehen, aber sie ist da. Inzwischen kennt er es gut, wenn ein Phoenix hier auftaucht. Deshalb schienen wir ihn nicht zu kümmern.

Das ist unglaublich!

Ist es, Frost! Wollen wir weiter?

Ich sehe mich kurz in dem dunklen stillen Meer um. Erkenne die Ruhe, die es ausstrahlt und auch die leichte Strömung, die meinen Körper leicht bewegt. Ich glaube, ich will mir den Rest für ein anderes Mal aufheben.

Das kann ich gut verstehen. Dann lass uns zurückkehren., gibt Gabriel mit freundlichster Stimme zurück und gibt uns den Weg zurück vor.

Es bedarf kaum Kraft oder riesigen Aufwand, um zurück an unseren Ausgangspunkt zu kommen. Noch weniger, um meine alte Gestalt anzunehmen. Ein tiefer Atemzug und den bewussten Wunsch wieder eine Mutantin zu sein und schon stehe ich wieder auf menschlichen Beinen - und nackt dazu vor Gabriel, der selber keine Klamotten trägt.

Aber das kümmert mich wirklich gar nicht mehr. Begeistert laufe ich auf ihn zu und kann die Glückshormone kaum zurückhalten. „Das war einfach unglaublich! Ich hätte nie gedacht, dass es sich so anfühlen würde. So normal, aber zu gleich so befreiend. Befreiend. Freiheit. Den Wind und das Wasser zwischen den Federn zu spüren - es ist einfach so ... wow!"

Gabriels sonst so strenge Miene ist ebenfalls von Glück umworben. Seine Hände greifen nach meinen und ohne zu zögern verschränken sich unsere Finger ineinander. „Absolut. Für mich ist es auch jedes Mal unglaublich."

Ich nicke sofort und würde am liebsten die nächste Tour planen als meine Endorphine plötzlich eine neue Richtung einschlagen - beim Anblick von Gabriels grünen wunderschönen Augen.

Plötzlich lodert das Feuer unter meiner Haut wild auf - und ich erinnere mich an seine Vorabwarnung.

Die Anziehung, das Verlangen und diese gewisse Mischung aus Gier und Sehnsucht breitet sich immer tiefer in mir aus.

Gabriel scheint es nicht anders zu gehen. Das Grün seiner Augen wird finster. „Soll ich dich nach Hause bringen oder"

Ich lasse ihn nicht aussprechen. Längst haben meine Hände sich an seine beider Wangen gelegt, während wir uns küssen.

Du kannst mich gern nach Hause bringen, wenn wir hier fertig sind., sage ich in seinen Kopf hinein.

Gabriels Hände legen sich auf meine Taille. Er vertieft unseren Kuss noch mehr. Hier? Du bist ja verwegener als ich gedacht habe. Das gefällt mir.

Sag das nochmal, wenn du den Sand an deinem Hintern spürst. Und das bei diesen frischen Temperaturen.

Werd ich nicht. Werde ich nie. Nie bei dir. Unser Feuer wird uns wärmen. Immer.

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