Erste Challenge
Die erste Challenge beinhaltet, den Grundkonflikt und die WANTS und NEEDS des Protagonisten herauszuarbeiten. Für mich war es sehr hilfreich, diese Dinge konkret aufzuschreiben, da alle Handlungen des Hauptcharakters davon abhängig sind.
Spoiler-Alert: leichte Spoiler in der zweiten Hälfte der Challenge
Vìn hat das Pech, eines der Kinder zu sein, die auf Zaarlos geboren wurden.
Zaarlos ist eine Insel im Norden des Königreichs Castrhys, und sie wird von einem riesigen Militärcamp dominiert, in dem nur männliche Soldaten zugelassen sind. Trotzdem schafft es ein Soldat ab und zu, eine Hure auf die Insel zu schmuggeln, oder einer Mutter gelingt die Schwarzfahrt, weil sie ihren zwangseingezogenen Sohn nicht alleinlassen will. Aus derartigen Verbindungen ist eine Gruppe von Kindern entstanden, die in der Hackordnung von Castrhys ganz unten steht. Die Frauen, die auf Zaarlos erwischt wurden, schickte man umgehend auf das Festland zurück, doch die Kinder mussten bleiben – als nichts mehr als Sklaven.
In den ersten acht Jahren ihres Lebens gelang es Vìn und den anderen Bastarden, sich irgendwie durchzuschlagen. Aber dann gab es einen Führungswechsel auf Zaarlos, und Colonel Kostya – der jüngste Colonel in der Geschichte von Castrhys – erließ strenge Gesetze, die das Überleben der Bastarde beinahe unmöglich machten. Nun ist Vìn siebzehn, hat eine ganze Meute hungriger Kinder zu versorgen und sinnt auf Rache.
Sie ist fest überzeugt: wenn sie nur Colonel Kostya zur Strecke bringen kann, ändert sich das Leben ihrer „Familie" zum Besseren. Doch der Colonel ist streng bewacht und die Bastarde sind damit beschäftigt, im Militärlager zu überleben.
Insgeheim ist Vìn der Meinung, Zaarlos sollte ihren Bastarden gehören. Die Soldaten sind Eindringlinge, die auf dem Festland von Castrhys geboren wurden. Doch die einzigen Eltern, die Vìn kennt, sind die braune Erde und der blaue Himmel. Ihr Ziel, ihr innigstes WANT, ist es also, die Anführer des Militärcamps von ihren Thronen zu stoßen. Die Bastarde könnten dann endlich wirklich leben und müssten nicht nur im Schatten von Soldaten dahinsiechen. Deswegen begibt sie sich auf eine Mission, die Colonel Kostya leitet, und die zum Ziel hat, die unüberwindbaren Berge im Norden von Zaarlos zu durchqueren. Sie ist sich selbst nicht sicher, ob sie ihn besser gleich umbringen oder überzeugen sollte, die Gesetze umzuschreiben. Hauptsache, sie kommt irgendwie in seine Nähe, um endlich etwas an ihren furchtbaren Lebensumständen zu ändern.
Unfreiwilligerweise lernt sie Kostya dabei besser kennen und muss irgendwann zugeben, dass nicht er das wahre Problem ist. Auch Kostya hat Befehle, die er befolgen muss. Gegenüber Niedriggestellten spielt er grenzenlose Macht und Unnahbarkeit vor. In Wahrheit aber reicht ein Fehltritt und alle, die ihm wichtig sind, geraten in Gefahr. Er und Vìn, so unterschiedlich sie auch sind, haben einen gemeinsamen Feind: Der König von Castrhys ist es, der die Bevölkerung seines Landes gnadenlos unterdrückt. Es scheint unmöglich, dessen Alleinherrschaft auf irgendeine Weise anzufechten. Dabei ist genau das Vìns hauptsächliches NEED – Castrhys von der Unterdrückung zu befreien. Solang der König an der Macht ist, wird es Gerechtigkeit nicht geben.
Im Kampf gegen den König ist sie nicht allein. Auf ihrer Mission stoßen sie auf einen alten Bekannten von Kostya, der der eine Widerstandsgruppe ins Leben gerufen hat. Aber Vìn steht nun vor einer Entscheidung, die sie so nie erwartet hätte – nicht alle ihrer Bastarde sind dazu bereit, den Rebellen beizutreten. Sie ist gezwungen, einen Teil ihrer Familie auf Zaarlos zurückzulassen. Vìn weiß, dass sie dieses Opfer bringen muss, um dem Großteil der Bastarde ein schönes Leben zu ermöglichen, dennoch wird sie von Zweifeln und Reue überwältigt. Nur die vereinte Liebe ihrer Geschwister und Kostya, der sich zu ihrem engsten Vertrauten entwickelt, halten sie auf den Beinen. Auch Vìn vermisst ihre Insel, wenn auch nicht das Militärlager an sich. Sie hofft, dass Zaarlos zum Territorium der Bastarde wird, sobald sie es geschafft haben, den König zu stürzen. Denn dann steht einer Wiedervereinigung ihrer Familie nichts mehr im Wege. Die Aufgabe scheint zunächst zu gewaltig, doch mit dem Gedanken an ihre Familie ist Vìn bereit, alles zu tun.
Solang sie lebte, hatte niemand an sie geglaubt – irgendwann ist es so weit. Vìn ist bereit, ihnen allen zu zeigen, wozu ein Zaarlos-Bastard fähig ist. Der König wird nicht wissen, was auf ihn zukommt, wenn sie ihm erst zähnebleckend in die Augen blickt.
Vìn fauchte wütend auf. »Das ist purer Machtmissbrauch!«
»Wenn du einen anderen Mann an meinem Platz sitzen sehen willst, musst du wohl den König stürzen, Wölfchen.« Kostyas Ausdruck heuchelte derart falsches Mitleid, dass sie jegliche Vorsicht vergaß. Sie erlaubte den Funken seiner Schadenfreude, ihr Feuer zu entfachen.
»Vielleicht werde ich genau das tun.«
Sie trat einen Schritt näher an ihn heran, aber in seiner Miene fehlte jegliches Zeichen der Angst. Colonel Kostya zeigte nichts als einen Anflug von Neugier.
»Den König stürzen. Ihn, Euch, und alle, die sind wie ihr.«
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