Dritte Challenge
In der dritten Challenge geht es um das Ziel des Romans. Bisher habe ich ja Spoiler größtenteils vermieden, aber seid gewarnt – hier spoilere ich, und zwar richtig. Vermutlich habe ich viel zu viel geschrieben, aber es laufen am Ende relativ viele Handlungsstränge zusammen, die alle irgendwie erklärt werden müssen... ;)
Es würde mich freuen, wenn ihr eure Meinung dazu abgebt. Ich würde gern erfahren, ob das alles Sinn macht oder ob ihr so etwas gern lesen würdet!
Spoiler-Alert: massive Spoiler während der gesamten Challenge (aber, keine Sorge, einige Plottwists habe ich noch für mich behalten)
Ist das Ziel des Romans eher emotional/psychisch oder körperlich/räumlich?
In der Endphase meines Buches kommt es zu einem klassischen finalen Kampf, und das Ziel besteht darin, die gegnerische Seite zu besiegen und zu überleben. Es ist also ganz eindeutig körperlich/räumlich. Denn durch einen Fehler von Vìn findet der Antagonist, General Sírnir, den Aufenthaltsort der Rebellen heraus, die seit vielen Jahren im Geheimen leben. Er benachrichtigt den König von Castrhys (der im Übrigen der Bruder des Generals ist), der seine Flotte losschickt, und marschiert selbst mit Fußsoldaten zum Unterschlupf der Rebellen. Doch hierbei kommt auch Vìns persönliches Ziel hinzu, das sie während ihrer Reise vorangetrieben hat: Sie hasst die Obrigkeiten, die in Castrhys an der Macht sind, und setzt alles daran, den General umzubringen. Aber die ultimative Aufgabe ist es, die Schlacht zu überleben und so vielen Rebellen wie möglich die Chance zu geben, zu fliehen. Sie sind das Einzige, was die Schreckensherrschaft des Königs aufhalten kann. Außerdem gilt es, Rai (einer der Rebellenführer, alter Bekannter von Kostya und neuer Vertrauter von Vìn) um jeden Preis zu schützen, denn er ist der Kronprinz von Castrhys und die letzte Hoffnung auf Frieden. (Der König ist in diesem Kampf nicht persönlich dabei und wird erst im letzten Teil der Trilogie gestürzt, General Sírnir ist der aktive Antagonist von Teil 1.)
Wie wird das Ziel erreicht?
Sieg über eine andere Figur/Macht, Selbsterkenntnis, Erfahrung
Hierzu noch eine schnelle Erklärung: Der Sieg über eine andere Figur dürfte offensichtlich sein, doch um zu überleben, braucht es für Vìn mehr als ihre natürliche Begabung mit Dolchen. Sie muss erkennen, dass sie nicht anders, nicht weniger wert ist als andere Menschen, was sie ihr Leben lang geglaubt hat. Um den Rebellen helfen zu können und mit ihnen als Einheit gegen die feindlichen Soldaten zu bestehen, muss sie zu einer gleichwertigen Rebellin werden. Dafür steht in diesem Punkt die Selbsterkenntnis. Die Erfahrung habe ich ergänzt, weil Kostya im Verlauf des Romans zu einem Sparringstrainer für Vìn wird. Sie hat sich einen wilden, regellosen Kampfstil angewöhnt, der sie selbst und andere in einer Schlacht gefährden würde, und muss sich in der finalen Schlacht an Kostyas Training erinnern, wenn sie überleben will.
An welchem Punkt endet die Storyline? Was hat sich im Vergleich zur Ausgangssituation geändert?
Die Rebellen sind der schieren Überzahl an Soldaten nicht gewachsen. Sie entkommen durch ein unterirdisches Tunnelsystem, trennen sich an dieser Stelle aber: Varnir, einer der Rebellenführer, ist überzeugt, dass Kostya ihren Aufenthaltsort verraten hat. Er lässt Kostya und Rai, der nach Varnirs Theorie mit Kostya unter einer Decke steckt und insgeheim auf der Seite seines Vaters kämpft, gefesselt zurück. Vìn und einigen anderen Rebellen, die ihnen treu sind, gelingt es, sie zu befreien und General Sírnir als Geisel zu nehmen. Das gibt ihnen die Möglichkeit, auf ein Schiff zu entkommen und Segel Richtung Zaarlos zu setzen. Vìn ist kurz davor, General Sírnir umzubringen, da hält Kostya sie auf: Der General ist sein Vater, was ihm zum Neffen des Königs von Castrhys macht. Doch er und Rai kämpfen wirklich auf der Seite der Rebellen und sind von den Taten ihrer Väter angewidert.
Zurück auf Zaarlos sammelt Vìn ihre Bastarde ein und erklärt ihnen die Situation. Dabei findet sie heraus, wie die Soldaten von den Rebellen erfahren haben: (Oje, dazu muss ich nochmal ziemlich weit ausholen.) Der Unterschlupf der Rebellen befindet sich auf Ocrioll, einer Insel, die als unerreichbar gilt. Das liegt vor allem daran, dass die Rebellen jeden Menschen abfangen, der einen Fuß auf die Insel setzt, und entweder in ihre Reihen aufnehmen oder töten. Nachdem Vìn mit Kostya auf ihre Mission aufgebrochen war und auch nach Wochen nicht zurückkehrte, schloss ihr bester Freund Milos sich einer Gruppe von Soldaten an, die trotz der angeblichen Unerreichbarkeit in Richtung Ocrioll gesendet werden. Sie werden gefangengenommen, doch Vìn befreit Milos und schickt ihn ins Lager zurück, da sie weiß, dass sie Bastarde nicht ohne sie und Milos auskommen können. Doch Milos trägt alle Informationen, die Vìn ihm gegeben hat, an den General weiter, in der Hoffnung, damit seine Gunst zu gewinnen und damit das Leben der Bastarde einfacher zu machen. Milos wird tatsächlich in die Reihen der Soldaten aufgenommen und nutzt seinen Lohn, um seine Familie zu unterstützen, doch für ein gesichertes Leben reicht das nicht aus. Als Vìn zurückkehrt und ihre Familie auffordert, für die Rebellen zu kämpfen, weigert Milos sich. Sein Leben lang hat er darauf hingearbeitet, gleichwertig mit den Soldaten zu sein. Er ist nicht bereit, das zurückzulassen. Für Milos ist der Auslöser, im Lager zurückzubleiben, dass Vìn seine romantischen Annäherungsversuche ablehnt. Milos ist in ihren Augen ihr Bruder und bester Freund, doch ihm hat das nie gereicht.
Die Storyline endet also mit einer Menge gemischter Gefühle in Vìn: Sie segelt mit ihren Brüdern und Schwestern nach Süden, auf einem Schiff, das auch den Kronprinzen von Castrhys und dessen Cousin beherbergt. Die Bastarde sind Kostya gegenüber sehr misstrauisch, doch sie vertrauen Vìn, die für Kostya und Rai ihre Hand ins Feuer legen würde. Sie setzen Segel gen Ren Lhar, einem Land auf der Südinsel, von dem gemunkelt wird, dass dort die Alte Magie noch lebendig ist und dessen Bewohner sich gegen die Schreckensherrschaft wehren.
Vor ihnen liegt die scheinbar unmögliche Aufgabe, den König zu stürzen, und hinter ihnen liegt ein Stück von Vìns Herzen: Zaarlos, die Insel, die sie in siebzehn Jahren nicht einmal verlassen hat, und Milos, der noch viel mehr ihre Heimat war als Zaarlos selbst. Sie schwört sich in diesem Moment, dass sie zurückkehren wird, sowohl nach Zaarlos als auch zu Milos. Sie weiß nur noch nicht, dass sie ihren besten Freund auf dem Schlachtfeld wiedersehen wird, und dass sie auf unterschiedlichen Seiten stehen werden.
(Ich werde hier nochmal die Ausgangssituation und die Endsituation gegenüberstellen, damit sie Sache etwas klarer wird.)
Ausgangssituation: Die niedriggeborenen Einwohner des Königreichs Castrhys leiden unter der eisernen Herrschaft des Königs. Vìn und ihre Gruppe an Bastarden haben unter diesen Bedingungen kaum Überlebenschancen und müssen für jeden Tag hart kämpfen - es ist mehr als Zeit, dass sich etwas ändert.
Endsituation: Die niedriggeborenen Einwohner des Königreichs Castrhys leiden unter der eisernen Herrschaft des Königs, doch einige Gruppen leisten bereits Widerstand. Vìn und ihre engsten Vertrauten – ihre Bastarde, Kostya und der Kronprinz mit einigen Rebellen – machen sich auf den Weg, Verbündete im Kampf gegen den König zu finden (und vielleicht auch eine magische Waffe, von der nur in Mythen die Rede ist). Sie sind bereit, alles zu tun, um das Volk von Castrhys zu befreien.
Nun geht es noch darum, wie die Hauptfigur dieses Ziel erreicht. Eigentlich sollen wir Stichpunkte machen, aber Stichpunkte mag ich wirklich gar nicht. Ich fasse mich in Sätzen so kurz wie möglich!
Was lernt die HF durch das Erreichen des Ziels?
Sie lernt, dass alle Menschen in Castrhys gleichwertig sind, selbst sie und die anderen Bastarde. Die Obrigkeiten sind nicht unverletzlich, sondern können gestürzt werden, wenn die Rebellen genügend Anhänger gewinnen und sich blind vertrauend zusammenarbeiten. Für sich selbst nimmt Vìn ganz spezifisch mit: sie ist etwas wert, sie ist mächtig, und sie wird diese Macht nutzen, um bis zum letzten Atemzug für die Befreiung von Castrhys zu kämpfen.
Wie fühlt sie sich dabei?
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt Vìn sich, als könnte sie etwas ändern. Sie ist erstaunt, als sie realisiert, welche Macht sie in ihren Händen hält – welche Macht jeder einzelne Mensch in den Händen hält. Selbst wenn sie nur ein Wassertropfen ist, der gegen die Schlossmauern des Königspalastes brandet, tausende Wassertropfen gemeinsam türmen sich zu einer Welle auf. Sie ist wütend, dass ihr diese persönliche Freiheit so lang vorenthalten wurde, doch sie ist auch entschlossen, diese auszunutzen.
Wer oder was hilft ihr dabei?
Kostya ist vor allem derjenige, der ihr bei der Erkenntnis hilft, dass sie etwas wert ist. Doch auch die anderen Rebellen lassen sie erkennen, dass sie nicht allein ist mit ihrer Verzweiflung und Wut gegenüber der Obrigkeiten. Und was Vìn ganz persönlich das Gefühl von einem Stückchen Macht gibt, sind ihre Dolche, die sie selbst herstellt und ungern aus den Händen legt. Außerdem eigen die sich sehr gut, Generälen die Haut aufzuschlitzen. (Und Colonels. Kostya zählt stetig mit, bisher hat sie siebenmal versucht, ihn umzubringen.)
Muss sie dafür etwas hinter sich lassen, wenn ja, was?
Diesen Punkt habe ich vorher schon ein wenig abgedeckt. Sie muss ihr vertrautes Zuhause, Zaarlos, verlassen, und ins Unbekannte segeln (was ihr insgeheim ziemlich Furcht einflößt). Und Milos, der sie auf jedem Schritt ihres Lebens begleitete, bleibt ebenfalls zurück.
Wodurch wird sie behindert/zurückgehalten?
Kostya ist ihr wertvollster Verbündeter, doch die Wut ihm gegenüber hält sie lange Zeit davon ab, ihm zu erlauben, ihr zu helfen. Auch, als sie Milos befreit, stellt er sie vor eine schwierige Entscheidung: Er drängt sie, mit ihm zu fliehen und zu den Bastarden zurückzukehren. Aber vor allem ist es ihre innere Überzeugung, nichts wert zu sein, die ihr bereits in die Wiege gelegt wurde, die ihr im Weg steht. Vìn ist kein schwacher Charakter, sie ist stolz auf ihren Stand als Bastard. Aber das ist nicht der richtige Weg, zu der mächtigen Kriegerin zu werden, die ihr vorherbestimmt ist.
Wie schafft sie es über die Hürden zum Erreichen des Ziels?
Vìn ist sehr stur darin, Kostya zu hassen. Doch er ist mindestens genauso stur, sie trotzdem dazu zu bringen, ihn zu mögen. Als sie zulässt, dass er an ihrer Seite steht, ist der Grundstein für ihre Entwicklung gelegt. Ihre feurige Wildheit und seine kühle Überlegenheit ergänzen sich gegenseitig und machen sie zu einem Team, das gegen beinahe jede Schwierigkeit bestehen kann. Außerdem sorgen Vìns Biss und Stolz dafür, dass sie nicht so schnell lockerlässt, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Selbst wenn das ein utopisches Ziel wie die Stürzung des Königs ist. Sie lässt sich von niemandem in die Schranken weisen und würde, wenn das nötig wäre, auch im Alleingang gegen den Palast marschieren. Nur gut, dass Kostya da ist, um genau so etwas zu verhindern.
Und es ist mal wieder Zeit für einen kleinen Ausschnitt aus dem Roman, der für Vìns Entwicklung ziemlich wichtig ist...
»Als ich euch Bastarde zum ersten Mal gesehen hatte... einige von euch waren nicht viel jünger als ich. Und doch reichte ein Blick und ich wusste, dass wir aus anderen Welten stammten.«
Vìn nickte einmal knapp. Sie erinnerte sich daran, als sie und Milos auf einer Schlafbaracke gekauert hatten, um einen Blick auf den neuen Colonel zu erhaschen. Damals hatte sie noch nicht gewusst, was seine Ankunft für sie bedeutete. Doch dann hatte er sie antreten lassen und mit eiskalter Miene seine ersten Beschlüsse verlesen lassen. Bastarde haben keinen Platz in Castrhys. Bastarde sind nichts als Zeichen von Ehrlosigkeit und Fehlschlag. Bastarden ist keine Mahlzeit zu schenken und kein Platz am Feuer. Bastarden ist kein Wissen über Castrhys und dessen rechtmäßige Bewohner weiterzugeben. Major Narviks Stimme hatte gezittert, als er an diesem Punkt angelangt war. Als die Sonne am nächsten Morgen aufgegangen war, hatten sie den alten Lehrer bereits fortgeschafft.
»Ich war gekommen, um über Zaarlos zu herrschen. Aber einige Wildnis kann man nicht bezähmen. Du bist ein Teil dieser Wildnis. Und du warst schon immer vielmehr die Königin von Zaarlos als ich es je sein werde.«
Als er Narvik hatte abtreten lassen, war der Blick des Colonels zu den Bastarden geschweift. Vìn hatte angenommen, er hätte es vergessen. Sie hatte Ikka hinter sich geschoben und ihm furchtlos entgegengesehen, nicht wissend, was diese Sätze für ihre Familie bedeuten würden. Als sich ihre Augen trafen, hatte sie geknurrt.
»Ich konnte euch nicht von der Insel verbannen. Vielleicht hätte Sírnir das gar nicht zugelassen. Aber ich konnte dafür sorgen, dass die Soldaten euch als das sahen, was ihr eigentlich schon immer wart – nicht wie sie. Eine andere Spezies, an der sie sich nicht vergreifen durften. Auch wenn das hieß, dass euer Kampf ums Überleben härter wurde.«
Milos hatte geschrieen, als sie ihm die Schale mit Eintopf aus den Händen gerissen hatten, die er wie jeden Morgen für seine Geschwister holte. Elèn war nur wenig später zusammengebrochen, als sie in den Minen vorangepeitscht wurde. Oding war im nächsten Winter erfroren.
»Sag' mir, ob ich einen Fehler gemacht habe.«
Er hob seine Hand und ließ sie zwischen ihnen schweben. Sie war wie erstarrt, die Erinnerungen füllten ihren Kopf vollkommen aus. Erst, als er seine Finger über ihre Wange streichen ließ, realisierte sie, dass sie weinte. Vìn zuckte zurück und wandte sich von ihm ab, Kostyas Anblick nicht länger ertragen könnend.
»Ich hasse den Colonel«, brachte sie irgendwann stockend hervor. »Ich werde ihn umbringen, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme.«
Diesmal war er es, der sie sprechen ließ. Sie konnte seinen Blick noch immer auf ihr ruhen spüren.
»Hier draußen bist du kein Colonel. Das waren deine Worte. Hier bist du Kostya, und ich bin Vìn.« Endlich hob sie den Kopf und sah ihn direkt an. »Sobald wir zurückkehren, töte ich dich für das, was du getan hast.«
Etwas flackerte in seinen Augen auf, aber er entzog sich ihr nicht. »Wenn wir zurückkehren, lassen wir eine Nacht und einen Tag verstreichen. Dann treffen wir uns bei den Greiferhorsten.« Er rückte wieder dichter an sie heran, als wäre ihm kälter geworden. »Ich werde unbewaffnet sein.«
Vìn lockerte bewusst ihre Muskeln und ließ sich gegen ihn sinken. Die Nacht würde noch lang dauern und eiskalt werden. Wenn sie den nächsten Morgen wohlauf begrüßen wollte, brauchte sie seine Nähe.
»Gut.«
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