Kapitel 74

Mir war schlecht. Aber so richtig. Stöhnend drehte ich mich von der einen auf die andere Seite in meinem Nachtlager.

Ich hatte viel zu viel Nachtisch gegessen. Aber es hatte so unglaublich gut geschmeckt. Und ich wollte von allem probieren, was Hyeyeon aufgetischt hatte.

Sie konnte es auch nicht glauben, dass ich noch nie etwas derartiges gegessen hatte. Doch Yoongi und Geumjae hatten es ja mitbekommen, wie ich behandelt wurde und konnten bestätigen, dass es unwahrscheinlich war, dass ich jemals so etwas probiert hatte.

Und ich bereute keinen einzigen Bissen. Zu gut hatte es geschmeckt. Doch jetzt musste ich die Quittung davon tragen.

Ich setzte mich auf. Im Liegen beschwerte sich mein Bauch nur noch mehr. Im Sitzen war es einigermaßen erträglich.

Ich überlegte. So gesehen könnte ich ja auch aufstehen und draußen einen kleinen Nachtspaziergang machen. Vielleicht tat das ja ganz gut. Schlafen konnte ich ja wie gesagt sowieso nicht.

Also stand ich auf und schob leise die Tür von dem Gästezimmer, in dem ich untergebracht war, beiseite und schlich mich Richtung Haustüre. Die anderen schliefen alle in ihren Zimmern.

Yoongis Eltern hatten sein Zimmer in keinster Weise angefasst. Irgendwo hatten sie wohl doch noch Hoffnung gehabt, dass er eines Tages wiederkehren würde. Und sie hatten ja Recht behalten. Deswegen schlief er wieder in diesem.

Ich schlich mich an dem Besuchszimmer vorbei, in diesem wir noch sehr lange gesessen waren. Es wurden Geschichten erzählt und Yoongi auf den neusten Stand der Dinge gebracht, was er in den vergangenen Jahren alles verpasst hatte. Ich saß hauptsächlich wieder nur neben dran und hörte gespannt zu.

Bis ich schließlich zu müde war und mitteilte, dass ich dich mein Bett aufsuchen würde. Und nur wenig später hörte ich wie auch die anderen zu ihren Zimmer gingen. Doch wie gesagt. An Schlaf war bei mit nicht zu denken.

Kurz blieb ich stehen und sah an die Stelle, wo Yoongi den ganzen Abend gesessen war. In meinen Augen war er zu ruhig, zu still gewesen. Und von mir viel zu weit entfernt sowieso. Doch ich wollte nicht in diese Familienwiederzusammenkunft reinfunken und war deswegen nur stiller Beobachter.

Ich hoffte nur, dass Yoongi es doch nicht irgendwie bereute wieder hier her gekommen zu sein, so still wie er war. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass nur mir dieser Tatsache aufgefallen war.

Ich schüttelte langsam den Kopf und überbrückte nun die letzten Meter zum Hauseingang. Vorsicht schloss ich die Tür wieder hinter mir und sog genussvoll die kühle Nachtluft ein.

Es wurde langsam Sommer und genau so roch es auch. Die Luft war nachts nicht mehr ganz so kühl und duftete einfach nach den Resten des warmen Tages. Der Mond leuchtete ein wenig auf die Felder, die um das Gehöft angelegt waren und ein leichter Wind bewegte sie Getreidehalme, die darauf wuchsen.

Ich sah mich kurz um und entschied dann ein wenig durch die Felder zu laufen. Ich mochte den Geruch des Getreides und so lief ich einige Zeit über die schmalen Grasstreifen, die zwischen den Feldern lagen.

Ich wollte gerade wieder umkehren und zurück zum Haus, da sich mein Bauch langsam wieder etwas beruhigt hatte, als ich mit einem Mal Schritte hinter mir hörte.

Sofort wirbelte ich herum, meine rechte Hand etwas hinter mich gesteckt und sofort ließ ich einen Feuerball in meiner Hand erstrahlen, der mir Licht bot und gleichzeitig auch meine Verteidigung sein würde.

Doch als ich sah, wer da einige Meter hinter mir stand, beruhigte ich mich sofort wieder. Der Feuerball erlosch und ich seufzte erleichtert.

"Hast du mich erschreckt.", seufzte ich.

Yoongi kam nun die letzten Meter auf mich zu und grinste mich schief an.

"Okay... Ich hätte aber auch nicht gedacht, dass deine Reflexe so gut sind. Ich hatte gerade echt Angst, du würdest mich abfackeln."

Überrascht sah ich ihn an, fing dann aber an zu Kichern.

"Keine Sorge, das würde ich nie tun.", grinste ich ihn an.

Sanft erwiderte er das Lächeln, dass sich eine gewisse Röte wieder auf meine Wangen legte.

"Folgst du mir schon lange?", fragte ich etwas unsicher. Langsam schüttelte er seinen Kopf.

"Nein. Ich bin deinem Geruch gefolgt. Scheint so, als hätte sie Zeit als Tiger mich etwas sensibilisiert. Ich habe die Haustüre gehört, habe dann festgestellt, du bist nicht mehr in deinem Zimmer und bin dir jetzt halt hinterher.", erklärte er mir.

"Aber warum bist du denn überhaupt raus?", fragte er verwundert. Ich klopfte auf meinen Bauch und verzog etwas mein Gesicht.

"Eventuell hatte Geumjae Recht gehabt und es war ein wenig zu viel Nachtisch.", gab ich schließlich leicht schmollend zu.

Erst sah er mich verdutzt an, bevor er dann zu lachen anfing. Ich musste auch lächeln. Das war der Yoongi, den ich den ganzen Abend vermisst hatte.

"Wundert mich jetzt auch nicht so wirklich, dass dein Bauch jetzt weh tut. Aber ist es jetzt wieder besser?", fragte er etwas besorgt. Ich lächelte.

"Der kleine Spaziergang hat ganz gut getan.", nickte ich, was auch wieder zu einem entspannteren Gesichtsausdruck von Yoongi führte.

"Und du? Warum bist du noch wach?", stellte ich schließlich ihm die Frage. Er seufzte und sah etwas in die Ferne.

"Konnte nicht schlafen.", gab er schließlich leise zu.

"Alles gut bei dir? Du warst schon den ganzen Abend so still.", fragte ich jetzt besorgt. Er seufzte.

"Ich habe noch nie groß geredet, wenn ich mit meiner Familie zusammen war.", erklärte er schließlich, was mich überraschte.

Ich hatte den Eindruck, dass er, seit dem wir uns kennengelernt hatten, doch immer die Gesellschaft mit mir und den anderen irgendwie genossen hatte.

"Und es ist so seltsam sie jetzt doch wieder zu sehen...", redete er schließlich weiter.

"Ich habe fünf Jahre auf diesen Moment gewartet. Und ich freue mich ja auch, dass ich wieder hier sein kann. Und ich habe sie vermisst und ich bin ja auch glücklich sie wieder zu sehen, aber irgendwie... Ich weiß auch nicht. Irgendwie fühlt es sich falsch an hier zu sein. Als wäre das nicht mehr mein Zuhause, was es einmal war..."

Überrascht sah ich ihn an. Er sah zurück in die Richtung, in der sein Elternhaus lag.

"Das hier ist nicht mehr mein Zuhause. Das ist nicht mehr das Leben in das ich zurück will, auch wenn ich mich fünf Jahre danach gesehnt habe.", sagte er leise, aber bestimmt. Allerdings hörte ich einen vierten Unterton heraus.

Ich konnte mir nur vorstellen, wie sich das für ihn anfühlen musste. Klar zum einen verstand ich ihn auch vollkommen. Ich hatte ja selber kein Zuhause und war ja nun auf dem Weg es zu suchen. Nur im Gegensatz zu ihm, hatte ich halt noch nie eins gehabt. Er sah wieder zurück zu mir und zögerte kurz.

"Tut mir leid, dass du jetzt das Opfer meiner inneren Gedanken werden musstest. Aber es musste raus. Dieser Gedanke spukt mir schon einige Stunden im Kopf und lässt mich etwas verzweifeln. Und bei meiner Familie wüsste ich nicht, wie sie darauf reagieren würden und du..."
Er stockte mitten im Satz.

Ich hatte ihn nicht ausreden lassen, sondern ihn stattdessen einfach umarmt. Mein Kopf lag an seiner Schulter und ganz leise hörte ich seinen Herzschlag.

Automatisch legten sich seine Arme um mich herum und ich musste mich zusammen reißen nicht zu seufzen. War das schön ihn einfach zu umarmen! Vor allem wo die letzten Tage auch das nächtliche Kuscheln nur von kurzer Dauer war.

Ein paar Minuten blieben wir so stehen, bis ich mich doch etwas von ihm löste, um ihm ins Gesicht zu schauen.

"Yoongi-Hyung? Du hast mir versprochen mich auf dem Weg nach meinem Zuhause zu suchen zu begleiten. Und weißt du was? Wir werden einfach so lange suchen, bis wir einfach beide unser Zuhause gefunden haben.", strahlte ich ihn an.

Erst sah er mich verdutzt an, doch dann schlich sich auch ein Lächeln auf sein Gesicht. Er seufzte, doch diesmal entspannter und zog mich wieder in eine Umarmung.

"Oh Jiminie, du bist einfach zu gut für diese Welt.", murmelte er und drückte mir einen Kuss auf meinen Haaransatz.

Ein wohliges Frösteln durchlief mich. Er löste sich wieder von mir und sah mir fest in die Augen und ich sah wieder Hoffnung und Mut darin wieder aufflammen.

"Das werden wir! Wir finden beide unser Zuhause! Auch wenn es vielleicht nicht da ist, wo wir dachten."

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