Kapitel 17
"Schau Mal dahinten.", sagte ich zum Tiger, als wir ein etwas größere Wiesenfläche überquerte.
Ich deutete auf den Horizont in der Ferne, wo einige Felsen hoch aus dem Wäldern ragten. Interessiert folgte der Blick meines Begleiters meinem Arm.
"Siehst du dahinten den Felsen mit den drei Spitzen?"
Er nickte auf meine Frage.
"Über die Felsen kommst du in das Tal in dem mein Dorf liegt.", erklärte ich ihm.
"Das ist dann, nach dem Dorf, unser nächstes Ziel. Und das Dorf wo wir jetzt hingehen, liegt relativ mittig von diesem Wald."
Ich ließ mein Arm etwas nach links schwenken und deutete auf den Mischwald, der recht nah vor uns lag. Er nickte verstehend und lief dann direkt darauf zu. Ich folgte ihm wieder.
Wir kamen gut voran und so würden wir das Dorf am späten Vormittag erreichen. Je eher desto besser.
Ich hatte keine Ahnung wie lange es dauern würde bis der Heiltrank fertig wäre. Ganz übel wäre es natürlich, wenn das eine tagelange Geschichte wäre, weil Zeit hatten wir dafür nämlich nicht...
Wir erreichten den Wald und auch schnell einen der Wege, der uns zu dem Dorf bringen würde. Wir liefen den Weg entlang, der über kleine Bäche und entlang von kleinen Beerenfeldern führte.
Hin und wieder ließ ich meine Hand an den Büschen kurz unauffällig vorbeigeleiten und genehmigte mir die ein oder andere Handvoll Beeren. Das führte jedesmal zu einer belustigten Reaktion meines Begleiters. Sei es ein belustigtes Schnaufen, oder ein Augenrollen, wenn ich relativ schnell hinter einander zulangte. Und jedes Mal legte ich meinen Finger auf meine Lippen, was ihn dann nochmal mehr amüsierte.
Und so kamen wir tatsächlich recht zügig an dem Dorf an. Doch diesmal sah ich nicht ein mir die Blöße zu geben und den Weg durch das Dorf zu wählen.
"Lass uns außen herum gehen. Der andere Eingang liegt quasi direkt neben dem Haus des Heilers."
Der Tiger sah zwar kurz überrascht aus, schien aber kurz nachzudenken und nickte dann zustimmend. Also führte ich ihn südlich am Dorf vorbei zu dem Eingang, der im Osten lag.
"Da ist es schon.", sagte ich und nickte zu dem Haus das keine zehn Meter vom Eingang entfernt stand.
Prinzipiell hätte er es sich auch alleine denken können, da vor dem urigen Haus gefühlt tonnenweise an Kräutern und Wurzeln zum trocknen hingen.
Ich atmete noch einmal tief durch und machte mich dann auf den Weg zur Eingangstür. Da ich dieses Heiler sehr oft besuchte, wusste ich, dass er eigentlich immer im Haus war, da er nicht mehr so gut zu Fuß war.
Ich spürte wieder das beruhigende Gefühl von Fell an meinem Bein, was mir doch noch ein bisschen Mut gab. Und so klopfte ich an der Tür, als wir direkt davor standen.
Ich vernahm den vertrauten humpelnden Schritt von der anderen Seite der Tür und gleich darauf wurde die Tür aufgemacht.
Der alte Elf, der in seinem zusammengeschrumpelten Zustand immer noch größer war als ich, blickte auf mich herunter.
Als er mich erkannte zog er seine Augenbrauen zusammen und strich sich nachdenklich über den langen weißen Bart.
"Was machst DU, bitte hier?"
So verachtungsvoll wie er die Frage stellte, war ich mir sicher, dass er wusste, dass ich eigentlich nicht mehr wiederkehren sollte.
Mit diesem Schlag in die Magengrube, öffnete ich nur zitternd die Provianttasche und holte das Feenhaar heraus und hielt es ihm hin.
Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab und sofort nahm er das Kraut an sich, als wäre es ein zerbrechliches Baby.
"Feenhaar...", murmelte er ungläubig.
"Dass ich das noch in meinen alten Tagen in den Händen halten darf..."
Dann besann er sich und warf mir einen strengen Blick zu.
"Ich weiß nicht, wie du da heran gekommen bist und dennoch hier stehst, aber ich kann mir denken was du von mir willst."
Er dachte kurz nach.
"In drei bis vier Stunden ist der Trank fertig. Warte im Wald, ich lasse dich holen." Er sah an mir von oben bis unten herunter.
"Im Dorf will dich eh keiner haben."
Dann knallte die Tür vor mir wieder ins Schloss.
Stumm bedeutete ich dem Tiger mir wieder zu folgen.
Ich führte ihn wieder aus dem Dorf ein paar Meter in den Wald rein, zu einer kleinen Quelle umringt von Nadelbäumen und weichen Moosboden. Ich ließ mich auf den Rücken in das Moos fallen. Hier war mein üblicher Ort, wenn ich so wie jetzt warten musste, bis der Alte Tränke für mein Dorf fertig gestellt hatte.
Ich spürte wie alle Anspannung von mir abfiel. Dass ich so unter Strom stand war mir nicht bewusst gewesen.
Ich seufzte und starrte in den Himmel. Ich fühlte mich wieder so leer. Der Kontakt mit anderen Elfen war immer noch so niederschmetternd... Jedesmal aufs neue.
Ein hübsches Fellgesicht schob sich wieder in meinen Blickfeld. Ich sah direkt zum Tiger, der über mir stand und mich wieder besorgt ansah. Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
"Ich erkläre es dir heute Abend.", wimmelte ich ihn ab.
"Dann kannst du auch... Besser reagieren..."
Verstehend nickte er und legte sich nun auch neben mich hin, hielt aber den Kopf weiterhin oben. So konnte ich ihn immer noch aus meiner Liegeposition betrachten.
"Hast du eigentlich keine Familie, die sich vermisst?", fragte ich ihn einfach, als mir die Frage in den Sinn kam.
Kurz sah er mich überrascht an, aber fast zeitgleich legte sich ein Schleier der Trauer auf seinen Blick. Er sah in die Ferne und ließ keinen Ton verlauten. Dafür machte er eine Bewegung die ich als Schultern zucken interpretierte. Er hatte wohl noch Familie, als er fort ging...
Ich verstand aber auch seine Unsicherheit, was in den Jahren passiert war, wo er nicht mehr zurück gekommen war. Ob sie alle noch da waren, oder...
Ich ließ den Gedanken stehen.
Ich rappelte mich auf, rutschte zu dem Fellberg und legte meine Hände um seinen Hals. Ich kam mir etwas unbeholfen vor, da ich gefühlt noch niemanden von mir aus umarmt hatte, aber ich hatte den Eindruck, dass er das jetzt brauchte.
"Wenn das alles rum ist, suchen wir deine Familie.", versprach ich ihm.
Er legte seinen großen Kopf auf meine Schulter ab und ich spürte eine Träne auf diese tropfen.
So blieben wir eine Weile sitzen.
Doch irgendwann löste ich die Umarmung wieder und rutschte etwas zurück. Dankbar blinzelte er mich an, doch ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Im Endeffekt war das das erste Mal wo ich versuchte jemanden zu trösten.
"Wir... Sollten versuchen etwas zu schlafen...", räusperte ich mich verlegen.
"Dann können wir heute Nacht länger unterwegs sein."
Der Tiger nickte langsam und machte dann eine auffordernde Bewegung, dass ich mich wieder an seinen Bauch bewegen sollte.
Lächelnd rutschte ich zwischen seine Pfoten und lehnte mich an seinen weichen Bauch. Wenn er darauf bestand...
So bequem wie die letzten zwei Nächte hatte ich auch noch nie geschlafen und solange ich das so ausnutzen konnte...
Und so war es auch nicht verwunderlich, dass ich schnell auch wieder einschlief.
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