Kapitel 9: Kalte blaue Augen
Ich unterhielt mich lange mit Terimano und Féamo. Die beiden waren freundlich und ich wusste, dass ich mich bei der Seelensuche gut mit ihnen arrangieren konnte, ihnen vielleicht sogar vertrauen konnte. Denn das war enorm wichtig.
Bei Benau und Venelia sah das anders aus. Venelia war mir gegenüber nach wie vor feindselig gestimmt und auch Terimano schien sie nicht wirklich ausstehen zu können. Benau und Féamo dagegen schienen ihr zu gefallen. Eine Weile flirtete sie hemmungslos mit dem Muskelberg aus Walia, dann ging sie auf Féamo zu, machte ein paar Witze über die er verhalten lachte und spielte mit ihren Haaren.
Terimano und ich beobachteten das Ganze kopfschüttelnd.
„Ich wünschte, ich würde nicht hören, was sie sagt", seufzte Terimano irgendwann und leerte sein Glas. „Ich werde es nie wieder aus meinem Kopf kriegen."
„Das liegt nicht daran, dass du diese Gabe hast. Es wird mir genauso wie dir im Kopf bleiben."
Ranajea erschien plötzlich. Sie trug ein eng anliegendes, weißes Kleid, die blonden Wellen ihrer Haare fielen ihr elegant bis zur Hüfte. Sie war zweifelsohne eine schöne Frau.
„Na, wie fühlt es sich an hier zu stehen und zu wissen, dass man auserwählt ist?"
Ihr Lächeln strahlte durch den Raum, die perfekten Zähne schimmerten wie Perlen im Licht.
„Es ist... auf eine gewisse Art berauschend", sagte Terimano.
„Und es ist eine große Ehre, dass wir diese Chance bekommen haben", fügte ich hinzu.
Ranajeas Blick wurde ernst. „Es mag eine große Ehre sein, aber dafür ist es umso gefährlicher. Ihr riskiert dabei euer Leben, ich hoffe, das ist euch bewusst."
Natürlich war uns das bewusst. Man hatte es oft genug eingetrichtert bekommen. Aber ich glaubte nicht, dass uns etwas passieren würde. Bisher war noch nie jemand bei der Seelensuche gestorben. Und genau deswegen hielt ich es für sinnlos, sich zu viele Sorgen zu machen. Das lenkte nur ab.
Ranajeas Blick bohrte sich in meinen, als hätte sie meine Gedanken gehört. Ich hatte sie noch nie so nahe zu Gesicht bekommen und bemerkte erst jetzt, wie kalt und stechend ihre schönen, blauen Augen waren.
„Lasst euch überraschen. Ihr alle habt mächtige Gaben, so eine starke Gruppe an Seelensuchern ist mir noch nie untergekommen. Ich bin gespannt, wie ihr euch schlagen werdet."
Ein Lächeln erschien plötzlich auf ihrem Gesicht, das ihre Miene so grausam wirken ließ, dass ich verwirrt einen Schritt zurück trat. Terimano zog die Hände aus den Hosentaschen und spannte sich an. Also hatte ich es mir nicht eingebildet.
„Machen Sie sich keine Sorgen, Ranajea."
Féamos Stimme erklang hinter mir, dann stellte er sich neben mich, die Körperhaltung vollkommen entspannt. „Wir werden unbeschadet und erfolgreich wiederkommen."
Ranajea blickte zwischen uns hin und her, dann lächelte sie wieder, doch es sah gekünstelt aus. „Nun, wir werden sehen. Hoffen wir, dass alles sich zum Besten richtet."
Sie drehte uns den Rücken zu und entfernte das goldene Band. „Ihr könnt euch unter die Leute mischen. Genießt den Tag, die nächsten Wochen werden anstrengend für euch sein."
Mit diesen Worten, die wie ein Versprechen klangen, verschwand sie in der Menge.
Benau und Venelia gesellten sich zu uns.
„Was hat sie gesagt?", wollte Benau wissen.
Féamo neigte seinen Kopf. „Wir sollen uns vergnügen. Morgen wird es anstrengend."
„Vergnügen also." Ein selbstgefälliges Lächeln erschien auf den vollen Lippen des Walianers.
„Ich halt nach ein paar Bräuten Ausschau." Er ging, wie zuvor Ranajea, in die Menge und war bald verschwunden.
Terimano seufzte und nahm sich ein neues Glas.
„Sollen wir tanzen?" Venelia machte einen hinreißenden Augenaufschlag und sah Féamo an.
„Gerne." Und auch die beiden waren im Getümmel verschwunden.
Ich rieb mir über die Stirn. „Ich geh mal meine Familie besuchen", sagte ich und lächelte Terimano zu. „Wir sehen uns."
Er lächelte ebenfalls, dann trat ich zu den feiernden und tanzenden Leuten und wurde von der Masse verschluckt.
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