Kapitel 33: Sehr schnell

Unser Frühstück in der aufkommenden Helligkeit war karg, doch etwas anderes würde ich niemals erwarten. Es war so viel besser als das, was ich zuvor hatte essen müssen. So oft schon war es auch gar nichts gewesen.

Benau und ich redeten kaum. Wir packten unsere Sachen zusammen und gingen weiter. Ich war so übermüdet, dass ich fast nicht mitbekam, wo wir hingingen. Vielleicht lag das aber auch daran, dass alles gleich aussah. Ich wusste nicht, ob wir uns überhaupt vom Fleck bewegten, wenn wir einen Schritt machten. Die gleiche, graue Wildnis, Schritt für Schritt, Stunde für Stunde.

Bis, ohne Vorwarnung, etwas aus dem grauen Unterholz geschossen kam, und uns anfiel.

Ich stieß einen spitzen Schrei aus und machte einen Satz in die Luft. Benau fluchte lautstark und stolperte rückwärts, als ich, im Versuch diesem Etwas auszuweichen, gegen ihn prallte.

Die Kreatur, die uns nun gegenüberstand, war riesig und bei weitem das am gefährlichsten aussehende Wesen, das ich je gesehen hatte. Es war riesig und massig, große Hornplatten bedeckten den gesamten Körper des Tieres. Darauf prangten kleine Stacheln, ähnlich denen, die auch auf meinen Lianen waren und ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass sie giftig waren. Das Wesen hatte zwei spitze Hörner auf der Stirn, die fahl im dämmrigen Licht glänzten und im Nacken eine Art Halskrause, die ebenfalls mit Stacheln und Hörnern gespickt war. Meine Augen weiteten sich, als das Wesen den Kopf zu uns wandte.

Mir rutschte das Herz in die Kniekehlen. Die Chance zu überleben, erschien mir plötzlich sehr gering. Auch Benau, dem ich einen verzweifelten Blick zuwarf, war so blass geworden, dass ich schon befürchtete, er würde umkippen.

Das Tier stierte uns an, Augen, so rot wie Blut funkelten in tiefen Höhlen. Es stand dort und wartete darauf, dass wir einen falschen Schritt machten.

Nachdem es herangestürmt war, war es einfach stehen geblieben und wirkte so unbezwingbar, wie die Berge des Vergessens. Ich fragte mich, worauf es wartete. Vielleicht suhlte es sich in der Angst, die Benau und ich zweifellos ausstrahlten.

„Was sollen wir jetzt tun?", flüsterte ich erstickt.

Benau atmete zittrig aus. „Ich bin mir nicht sicher. Es ist sehr schnell, wenn wir weglaufen, haben wir keine Chance. Es würde uns einholen."

„Und wenn wir bleiben?"

„Dann frisst es und vermutlich auf."

Ergeben schloss ich die Augen. Hatten wir überhaupt eine Chance? Ich wollte am liebsten nicht darüber nachdenken. Aber was sonst sollten wir tun?

Der Boden erzitterte und es riss mich von den Füßen. Das Tier hatte einen Schritt gemacht und schnaufte nun, heißer Dampf quoll aus den Nasenlöchern. Die Beine dieses Ungeheuers schienen zu fett, um sich überhaupt zu bewegen, doch nun wurde mir mit Entsetzen klar, dass diese Beine keineswegs fett waren. Es waren Muskeln aus Stahl. Es würde uns zermatschen, mit einem einzigen Schritt zu Brei verarbeiten.

Wir konnten nichts tun. Ich sah mich unauffällig um, suchte vergeblich nach einem Ausweg, einer Fluchtmöglichkeit. Doch es war aussichtslos.

In meinem Körper setzte ein Zittern ein und ich schlang die Arme um mich. Ich konnte nicht glauben, dass das hier das Ende sein sollte. Wollte nicht wahrhaben, dass meine Suche niemals beendet sein würde. Denn eines wusste ich: würde ich jetzt sterben, wäre meine Mission, meine Bestimmung, nicht erfüllt worden. So egal es mir bisher gewesen war, jetzt merkte ich, dass das keineswegs der Fall war.

Ich begann, stärker zu zittern und kauerte mich zusammen. Obwohl mir kalt war, wütete eine Hitze in mir, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Sie schien direkt aus meinem Herzen zu entspringen und breitete sich mit jedem Herzschlag in meinem Körper aus. Ich wusste nicht, was plötzlich mit mir los war, dass ich so stark reagierte.

Ich hörte mein Herz schlagen, kräftig und unermüdlich. Das konnte nicht das Ende sein. Ich fühlte mich zu lebendig, zu intensiv spürte ich das Leben in mir.

Das Wesen wurde ungeduldig. Scheinbar hatte es genug von unsere Angst, jetzt ging es um andere Dinge. Ich konnte das blutdürstige Verlangen in den mordlustigen Augen sehen. Dieses Tier wollte uns töten, wollte sich an unser Fleisch heranmachen, wie ein Venér an jungen Blättern. Bei dem Vergleich stellten sich meine Haare zu Berge.

Die Kreatur machte einen Schritt auf uns zu, dann noch einen und noch einen. Instinktiv wich ich zurück, in meinem Augenwinkel sah ich, das Benau das Gleiche tat. Die Vernunft spielte jetzt keine Rolle mehr. Es zählte nur noch der rohe Wunsch des Überlebens.

Erneut stieg Dampf aus den Nasenlöchern dieses Tieres auf, und es spannte seine Muskeln an.

Und dann ging alles sehr, sehr schnell.

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