Kapitel 23: Wasser

„Und was jetzt?"

Benaus Stimme durchschnitt die angespannte Stille. Wir standen vor den Ausläufen des Dschungels. Der Boden war immer feuchter geworden, je weiter wir gegangen waren und irgendwann waren vor uns die ersten Pflanzen erschienen. Sie waren kräftig grün und strahlten lebendige Frische aus.

„Nun ja", sagte Terimano und strich sich seine blonden Locken nach hinten. „Wahrscheinlich sollten wir... da reingehen."

„Wir wissen nicht, was da auf uns lauert", wandte ich ein. „Dieser Dschungel hat nicht umsonst seinen Namen."

„Wir werden schon nicht direkt angefallen und aufgefressen werden", meinte Venelia mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Als niemand ihr antwortete, schluckte sie. „Werden wir nicht, oder?"

Hilfe suchend blieb ihr umherirrender Blick an Féamo hängen. Er lächelte beruhigend „Wirklich gefährlich wird es erst, wenn wir tiefer in den Dschungel reingehen. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein." Seine Stimme klang noch rauer als sonst, was vermutlich an dem Wassermangel lag. Wahrscheinlich würden wir sterben, bevor wir überhaupt im Dschungel angelangt waren. Irgendwie war ich nicht in der Lage, einen optimistischen Gedanken zu fassen.

Er sah mich an. „Was meinst du?"

Ich zuckte mit den  Schulter und musterte meine Umgebung. „Ich finde, wir sollten so lange weitergehen, bis uns nur noch ein gutes Stück zum dichten Teil des Dschungel fehlt. Dann können wir morgen bei gutem Tageslicht hinein gehen."

Terimano nickte. „Klingt logisch. Also dann?" Er marschierte los und wir folgten ihm.

Der Boden hatte tatsächlich mehr Feuchtigkeit gewonnen, als wir zum dritten Mal in dieser Reise unser Lager aufschlugen, dieses Mal auf freier Fläche, ein paar kleine Pflänzchen waren das einzige, das uns Schutz bieten konnte.
Benau und ich wollten wie immer das Lager vorbereiten, als Terimano dazwischenfunkte.

„Kommst du mal, Limeana? Ich könnte Hilfe gebrauchen."

Etwas verwundert beauftragte ich Venelia, die Decken aus meinem Rucksack zu nehmen, dann ging ich auf Terimano zu, der auf mich wartete.

„Was ist denn?", fragte ich und musterte das Ding, das er in seinen Händen hielt.

„Wir gehen auf Wassersuche", sagte er und seine blassen, graublauen Augen leuchteten.

„Glaubst du, es gibt hier in der Nähe Wasser?", fragte ich, während ich hinter ihm her stapfte. Bei dem Gedanken daran, schien meine Kehle Feuer zu fangen.

Er drehte sich zu mir und lief rückwärts weiter. „Sieh dich um", meinte er und ich gehorchte und ließ meinen Blick schweifen.

„Äh..." Ich kratzte mich am Kopf. „Ich sehe nichts", gestand ich.

Terimano lachte. „Dann komm her und schau zu."

Ich ging zu ihm und hockte mich neben ihn auf den Boden. Er nahm das merkwürdige Gerät, setzte es auf die Erde und drückte es hinunter. Und wie durch ein Wunder... sammelte sich Wasser darin.

„Wie...", stammelte ich und Terimano lachte ein weiteres Mal, dieses Mal zufrieden.

„Schau, an der Öffnung des Behälters befindet sich eine Membran. Sie ist aus dem Fell eines Macras gefertigt, allerdings nur von der Innenseite. An der Außenseite befindet sich ein Tuch, durch das die Flüssigkeit gelangt und anschließend in den Behälter kommt. Dort wird durch das wasserdichte Macrafell von innen verhindert, dass das Wasser wieder herausläuft." Terimano grinste, angesichts meiner sprachlosen Miene.

„Das ist..." Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Terimano, du bist ein Genie."

Er lachte auf. „Das ist ein bisschen übertrieben. Aber danke. Es dauert nur ein bisschen, bis wir genug Wasser zusammengesammelt haben."

Es dauerte tatsächlich lange. Terimano holte einen zweiten Wassersammler und ich ging auf Wassersuche. Fast zwei Stunden lang versuchten wir, genug Wasser aus dem Erdboden zu gewinnen und am Ende reichte es grade so aus, dass jeder zwei Schlucke trinken konnte. Aber das Gefühl zählte. Wir waren nicht hilflos.

Währenddessen fragte ich mich, warum er unbedingt wollte, dass ich mit ihm mitkam. Als ich ihn darauf ansprach, zuckte er mit den Schultern.

„Ich habe gemerkt, dass du nicht unbedingt gut auf Féamo zu sprechen bist. Da dachte ich, dass ich dir einen Gefallen tue, wenn du mal nicht die ganze Zeit mit ihm zusammen bist."

Ich sah zu Boden und stocherte mit einem Stöckchen in der Erde. „Danke. Das ist... sehr nett."

Terimano zuckte erneut mit den Schultern, aber er lächelte.

•••

Es war wieder kälter geworden und Féamo, Venelia und Benau hatten mithilfe meiner Streichhölzer ein Feuer entzündet. Als wir in Sichtweite kamen, sprangen sie auf.

„Wo seid ihr geblieben?", verlangte Venelia zu wissen und ihre Stimme klang scharf. Wahrscheinlich eher vor unterdrückter Angst, als vor Wut.

„Wir haben Wasser gesammelt", sagte Terimano und ich konnte sehen, dass Benau sich bei diesen Worten über den Hals strich, als wollte er das trockene Gefühl des Durstes vertreiben.

„Für jeden gibt es zwei Schlucke. Für mehr reicht es nicht", sagte ich eindringlich und reichte Benau den Behälter.

Mit glänzenden Augen nahm er ihn mir aus der Hand und schraubte den Deckel mit der Membran ab. Er schloss die Augen und trank einen Schluck. Er ließ das Wasser im Mund, genoss diesen Schluck, als wäre er der letzte, den er jemals nehmen würde.

Er reichte die Flasche weiter und jeder trank einmal- als ich an der Reihe war, schien es das Wohltuendste seit langem zu sein.

Dann schraubten wir den zweiten Behälter auf und tranken unseren zweiten Schluck. Es reichte nicht, um den Durst zu stillen, aber zumindest würden wir dann nicht an Flüssigkeitsunterversorgung sterben. Hoffentlich.

Fast hätte ich über die Situation gelacht. Wir saßen hier, in der feuchten Erde, waren dreckig, müde und durstig, unsere letzte Dusche lag drei Tage zurück und etwas richtiges gegessen hatten wir zuletzt mehrere Wochen in der Vergangenheit. Denn üppig war das Essen im Regierungsgebäude nicht gewesen.

Wir legten uns wieder zusammen auf die Matten, versuchten die Kälte auszusperren, indem wir Körper an Körper zusammengedrängt lagen. Die Anderen begannen, von unserem Leben zu erzählen, von Sachen die passiert waren, vor dem Ganzen. Ich hielt mich zurück und lauschte meinen Reisegefährten. Das Mal des Venérs kam in meine Gedanken und ich berührte die Stelle unter meinem Schlüsselbein. Es würde mir auf dieser Reise Glück bringen, dessen war ich mir sicher.

In dieser Nacht schliefen wir erst spät ein. Wir lachten zusammen, kicherten und schauten den Sterne am Horizont zu. Wir fragten uns, was da oben wohl grade geschah. Unsere Sorgen waren da oben so winzig klein. Die Situation erschien mir plötzlich erträglicher.

Ich drehte mich auf die Seite, mein Gesicht war Venelias Rücken zugewandt. Und ich schlief ein- zum dritten Mal seit vier Jahren, war es unvorstellbar ruhiger Schlaf.

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