Kapitel 15: Niemals vergessen

„Hallo Große."

Papa schloss mich in eine feste Umarmung und ich vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das mit der Situation überfordert war und jetzt Schutz suchte. Vielleicht war das auch gar nicht so falsch.

Papa und ich lösten uns voneinander und setzten uns an den Tisch. Wir waren in Kalorius Restaurant und es war das erste Mal seit vier Tagen, dass ich das Regierungsgebäude verlassen hatte. Ich hatte beschlossen, mir eine Auszeit zu nehmen. Das brauchte ich einfach.

Papa saß mir gegenüber, seine braunen Augen lachten mich an. „Und, wie läuft es bisher?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern. „Es läuft gut. Alles, was wir brauchen, müssen wir selber machen, weil die Magie im Seelenreich sonst unsere Sachen auflöst."

Beeindruckt hob er seine Augenbrauen. „Du musst dir sogar Klamotten selber machen?"

Ich nickte.

„Hört sich anstrengend an." Papa schlug die Karte auf, um sich ein Getränk auszusuchen.

„Das ist es auch. Und irgendwie habe ich das Gefühl, die setzen uns da auf Diät. Es gibt immer nur Brot und Suppe."

„Dann trifft es sich ja gut, dass wir jetzt hier sind." Papa zwinkert und ich lächelte.

Eigentlich hatte ich ihm von Ranajea erzählen wollen. Von Féamo.

Aber ich entschied mich um. Er würde sich dann nur Sorgen machen. Und er würde wollen, dass ich das ganze abbreche. Aber das konnte ich nicht. Ich dachte an Katie und daran, dass ich sie vielleicht bald wiedersehen würde. Wenn ich nicht bei der Seelensuche mitmachte... dann wäre die größte Chance in meinem Leben zunichte gemacht. Bei dem Gedanken krampfte sich mein Herz zusammen.

Vielleicht würde er mir auch nicht glauben. Ich wusste es nicht. Aber ich hatte nicht vor, es herauszufinden. Meine Entscheidung war gefällt.

Es war schwer, meinen Vater das zu verschweigen. Seitdem Katie gestorben war, hatten wir nur noch uns beide. Wir verließen uns aufeinander. Wir teilten denselben Schmerz.

Vielleicht nicht ganz. Er hatte Mama gekannt. Er hatte sie über alles geliebt, das wusste ich. Ich fragte mich, ob ich so leben könnte, wie er, wenn ich Mama besser gekannt hätte. Ich hatte sie geliebt und tat es jetzt immer noch, aber... als sie getötet worden war, war ich grade mal fünf Jahre alt gewesen.

„Papa..." Ich zögerte, weiterzusprechen.

„Was ist?" Er sah auf. Als er mein Gesicht sah, wurde sein Blick eine Spur besorgt.

„Bin ich Mama ähnlich?" Ich hatte ihn das nie gefragt. Niemals. Ich wusste, dass es ihm wehtat, wenn er von ihr sprach.

Er schwieg eine ganze Weile und sah mich gedankenverloren an.

Dann sagte er leise: „Sie hat Tiere geliebt, genauso wie du. Sie wäre begeistert von Demurì. Und sie hat immer still gelächelt, wenn du und deine Schwester gespielt haben. Du erinnert mich an sie, wenn du lächelst." Er machte eine kurze Pause und zupfte an der Stoffserviette. „Wenn sie erschöpft war, hatte sie immer eine kleine Falte auf der Stirn. Die hast du auch, wenn du müde bist. Manchmal... manchmal fällt es mir dann schwer, dich anzusehen. Weil du mich so sehr an sie erinnerst."

Eine Träne rann aus seinem Augenwinkel und ich merkte, dass meine Augen brannten. Doch ich war, wie immer, nicht in der Lage, zu weinen.

Papa räusperte sich, und als er weitersprach, klang seine Stimme so rau, wie Sand auf Metall.

„Du wirst sie finden, Große. Und wenn du Mama und Katie dann gefunden hast... dann sag ihnen, dass ich sie liebe. Sag ihnen, dass ich sie niemals vergessen habe."

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