Kapitel 13: Unberechenbar
Am nächsten Tag wurde ich wieder von dem Geräusch geweckt. Am Vortag war es, nachdem ich die Hose fertiggestellt hatte, schon fast Abend gewesen und ich hatte mir eine Pause gegönnt. Auf die Frage, worum es in dem Streit von Benau und Féamo gegangen war, wusste niemand eine Antwort und damit hatte ich mich damit zufrieden gegeben. Im Grunde ging es mich auch nichts an.
Jetzt standen wir wieder im Saal und die Stimmung war angespannt. Benau schien gereizt und übernächtigt, Venelia hatte wie immer schlechte Laune und Féamo schien gelangweilt- und genervt. Terimano und ich waren die Einzigen neutralen in dieser Gruppe und zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie anstrengend die Seelensuche sein würde, und das auch ohne die Gefahren, die auf uns lauern würden. Wie sollten wir diese Reise bestreiten, wenn wir uns nicht vertrugen?
Ich seufzte leise und schob diese Gedanken fort. Ich musste mich um meine Ausrüstung kümmern. Am heutigen Tag fertigte ich zwei Oberteile an, eins mit kurzen Ärmeln und eins mit langen Ärmeln und Kragen, welcher meine Haut schützen sollte.
Als ich damit fertig war, gesellte sich Terimano zu mir und begutachtete meine selbstgenähten Werke. „Das sieht gut aus", sagte er und musterte die Oberteile eingehend.
„Danke", sagte ich. „Und woran arbeitest du grade?"
„Ich bin grade dabei, mit Waffen zu experimentieren. Ich bin mir sicher, dass wir welche brauchen werden."
Ich wusste, dass wir welche brauchen würden und ich wusste, dass sie wichtig waren, um uns zu schützen, aber mir war unwohl bei dem Gedanken, ein Lebewesen verletzen zu müssen. Andererseits... wenn diese Wesen uns gefährlich wurden, mussten man sich doch verteidigen... oder?
Ich drehte mich um und lehnte mich an den Pfosten eines Stands. Mein Blick schweifte durch den Saal. Venelia und Benau standen zusammen an einem Stand und alberten herum und Féamo... war weg.
Ich runzelte die Stirn. Er war wirklich weg. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zu der Empore. Ranajeas Stuhl war leer.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ich durchquerte den Saal und stieg, diesem Gefühl folgend, eine der zwei Treppen zu der Empore nach oben. Langsam ging ich auf die Tür zu, hinter dem die Räume der Seelensucher lagen. Vorsichtig drückte ich die Klinke hinunter.
Ich hörte Stimmen. Ich erkannte sie sofort. Dunkel, aber gleichzeitig bittersüß- Féamo. Und melodisch, ein berauschender Singsang- Ranajea. Was machten die beiden hier? Ich ging den Flur entlang, leise und darauf bedacht, nicht aufzufallen. An Féamos Tür hielt ich an und lauschte. Die beiden waren definitiv dadrin. Was war hier los?
„Das erklärt rein gar nichts." Féamos Stimme klang unnachgiebig und ich fragte mich, wie er auf die Idee kam, so mit unserer Herrscherin zu sprechen.
„Du musst es nicht verstehen. Du bist noch jung, dir fehlt die Erfahrung."
„Das hat nichts mit Erfahrung zu tun. Wie können Sie dieses Vorhaben nur in Erwägung gezogen haben?" Seine Stimme wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch tiefer. Er war wütend.
„Sie ist unberechenbar. Und sehr stark. Wir müssen diese mögliche Gefahr bannen. Es gibt Geheimnisse, von denen ich nicht will, dass sie entdeckt werden." Ranajeas Stimme klang unter dem Singsang scharf und ich zweifelte nicht daran, dass sie ihm etwas antun könnte- und auch würde, wenn er ihr im Weg stand. Wer war sie wirklich? Was wusste er, über sie?
„Unberechenbar? Wovor haben Sie Angst, Ranajea? Wenn sie nichts zu verbergen haben, wird sie nichts entdecken." So langsam dämmerte mir, von wem die Beiden sprachen und mir stockte der Atem.
„Wie ich bereits sagte, du musst das nicht verstehen. Noch ist nichts geschehen und solange das so bleibt, wird nichts passieren. Sollte sie Probleme machen, erwarte ich, dass du dich darum kümmerst." Ihre Stimme war so kalt, dass mir das Blut in den Adern gefror.
„Wie können Sie so etwa tun?" Es war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, das durch die Tür zu mir drang.
„Ich beschütze die Welt lediglich vor etwas, das so schlimm ist, dass du es dir nicht mal vorstellen kannst. Und gleichzeitig will ich nur das beste für das Land. Wie ich bereits sagte, das musst du nicht verstehen."
Schritte ertönten und ich zog mich schnell zurück, versteckte mich hinter den langen, dunklen Vorhängen eines Flurfensters.
Mein Herz schlug bis zum Herz. Eisige Kälte klammerte sich um meine Kehle und ich hätte fast einen erstickten Laut von mir gegeben. Schritte entfernten sich und eine Tür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Als es still blieb, kam ich hinter dem Vorhang hervor und flüchtete in mein Zimmer. Dort ließ ich mich mit dem Rücken gegen die Wand sinken.
Ab jetzt musste ich mich von Ranajea fern halten. Und von Féamo. Ich hatte keine Ahnung, was ich da grade belauscht hatte, aber es war mit Sicherheit etwas, bei dem ich sehr vorsichtig sein musste. Der Gedanke versetzte mir aus unerfindlichen Gründen einen Stich.
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