Kapitel 12: Arbeit und Streit
Es gab so viel, dass auf einer Reise wie der Seelensuche nützlich sein konnte. Und alle Dinge, die ich in diesen sechs Wochen herstellte, konnte ich dort benutzen. Blieb nur noch die Frage, was ich machen wollte.
Ich schlenderte umher und sah mir alles genau an. Es gab Stände für jedes erdenkliche Teil und es führte mir vor Augen, wie einfach ich es gehabt hatte, wenn ich zum nächsten Markt gegangen war, und einfach alles gekauft hatte, dass ich brauchte. Jetzt musste ich mir das selber zusammenbauen. Aber irgendwie hatte das auch einen gewissen Reiz, und ich war gespannt, wie ich mich schlagen würde.
Die anderen Auserwählten waren beinahe genauso unschlüssig, wie ich. Benau stand immer noch in der Mitte des Raums, wahrscheinlich war bei ihm die Reizüberflutung zu groß. Venelia schien entsetzt bei der Vorstellung, dass sie sich ihre Klamotten selber machen sollte. Féamo musterte jeden Stand mit flüchtigem Interesse. Ich bekam den Eindruck, dass er nichts ernst nahm und das alles nicht von großer Bedeutung für ihn war. Wenn ich nur daran dachte, schüttelte ich insgeheim den Kopf darüber.
Terimano saß auf den Boden und schrieb etwas auf ein Blatt Papier, so wie ich ihn einschätzte, machte er sich eine Liste von Dingen, die er brauchte.
Ich entschied mich für einen Stand, an dem ich lernen konnte, mir Kleidung zu machen. Das erschien mir am Wichtigsten, wenn ich nicht völlig nackt und ungeschützt in die Suche starten wollte. Es dauert etwas, bis ich mich für einen Stand entschieden hatte, denn um Kleidung herzustellen, gab es viele verschiedene Möglichkeiten.
Ich wählte einen aus, an dem ich mir selber wasserdichte Hosen machen konnte. Eine Frau mit scharf geschnittenem Gesicht und einem verkniffenen Mund nickte mir zu. Wortlos holte sie aus mehreren Kisten verschiedene Materialien und legte sie vor mir auf die Arbeitsfläche, die zwischen ihr und mir aufgebaut war.
„Mach es mir einfach nach", sagte sie. Ihre Stimme klang rau und abgenutzt.
Ich tat, wie mir empfohlen wurde und dann begann die Arbeit.
Die Hose bestand aus fertigen, aus feinen Pflanzenfasern gesponnenen Stoffstücken, der wärmenden Wolle irgendeines Tieres, und dem Fell eines Wesens, dessen Haare eine wasserabweisende Oberfläche hatte. Ich betrachtete die langen, dicken Haare, die im Licht graugrün schimmerten.
Bei uns wurde niemals ein Tier aus Nutzzwecken getötet. Wir nahmen von ihnen nur, was sie uns geben konnten, ohne dabei ihr Leben zu lassen. Fleisch kam somit nur sehr selten auf den Tisch- wenn, dann stammte es von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben waren.
Es gab kein Lebewesen, dass sich ausschließlich von Fleisch ernährte. Früher, vor sehr langer Zeit, hatte es noch solche gegeben, als die Magie noch nicht geweckt worden war und die Welt eine andere gewesen war. Heute waren die meisten Tiere Allesfresser- Tierkadaver wurden nicht verschmäht, doch auf die Jagd nach Fleisch ging niemand mehr, auch wenn es natürlich Tiere gab, die nicht einmal ein totes Tier anrühren würden. Sie waren reine Pflanzenfresser, wie zum Beispiel die Venérs.
Die Hose zu nähen, war eine schwierige und gleichzeitig spannende Arbeit und es fühlte sich gut an, etwas selber herzustellen.
Ich nähte mit Hilfe der langen, wasserabweisenden und festen Haare den Faserstoff aneinander, bis er meiner Größe und Form entsprach, einmal für die Vorderseite und einmal für die Hinterseite. Dann nähte ich die zu Bahnen gewebte Wolle an die Innenseite der Stoffstücke und am Ende kam die langwierigste Aufgabe: ich webte die grauen Haare zu einem Stoff, der so dicht sein musste, dass kein Wasser hindurch dringen konnte. Ein paar Mal blickte die Frau, die mich anleitete, mich streng an und dann musst ich einen Teil wieder auflösen und enger weben.
Als ich irgendwann fertig war und ich meine Finger schon nicht mehr spürte, nähte ich den selbstgewebten Stoff auf die Hose und setzte Vorder- und Hinterteil zusammen. Am Ende nähte ich noch einen Knöpfe an den Bund, und die Weite zu verstellen, denn die Frau hatte gesagt, dass mein Gewicht während der Suche abnehmen würde.
Endlich, endlich war ich fertig und ich betrachtete mein fertiges Werk voller Stolz. Als ich die Hose hinter einem Vorhang des Stands anprobierte, war ich zufrieden. Sie passte gut und war weich und warm- perfekt für eine Reise wie die, die mir bevorstand.
Ich beschloss, eine Pause zu machen und erst jetzt bemerkte ich die lauten Stimmen, die sich im umfunktionierten Festsaal erhoben hatten. Es waren Benau und Féamo.
Sie brüllten sich an, die Augen blitzten vor Wut und Zorn, die Luft schien zu knistern.
„Du solltest besser dein Maul halten, du Schwachkopf!", sagte Benau laut, ein Muskel zuckte an seiner Wange.
„Wer bist du schon als dämliches Muttersöhnchen, der sich an jede ranschmeißt, die ihm die Quere kommt, dass du mir sagen kannst, was ich zu tun habe?" Féamos Worte waren kaum mehr als ein Zischen. Er trat nahe an Benau heran und ich wusste, dass man sich jetzt nicht mit ihm anlegen sollte.
„Ich schwöre dir, solltest du sie auch nur einmal anfassen, wenn sie nicht ausdrücklich den Wunsch dazu äußert, dann wirst du es bereuen." Benau war mit jedem Wort Féamos kleiner geworden.
Féamo drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Saal.
Und ich sah ihm nachdenklich hinterher. Worum es wohl bei ihrem Streit gegangen war?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top