Kapitel 42
Der Bass wummert durch meinen Körper, während ich mich ausgelassen bewege. Die Tanzfläche ist nur so von Menschen überfüllt und immer wieder drängeln sich Leute an uns vorbei.
Sonst würde es mich stören, doch heute kann rein gar nichts mehr meine Laune trügen. Kayla tanzt zwischen Darian und mir, wobei wir uns immer wieder damit abwechseln, wer in der Mitte tanzt und in den Genuss von gleich vier Händen und zwei Körpern kommt, die sich an den eigenen reiben. Ihr perfekt geformter Hintern sieht in dem schwarzen eng anliegend Kleid unglaublich aus und presst sich gegen meine Mitte. Meine Hände erkunden dabei ihren Körper und ich kann deutlich sehen, dass Darian bei diesem Anblick schwer schlucken muss.
Auch er sieht verdammt heiß in seinem weißen Hemd aus, das er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hat und somit seine Tattoos zum Vorschein kommen lässt. Die Venen an seinen Unterarmen und großen Händen treten deutlich hervor und lassen mich wünschen, dass sie bestimmte Dinge mit mir anstellen. Unsere Blicke verhaken sich, wobei seine Augen augenblicklich dunkler werden. Ich glaube, wir denken dasselbe.
Kaylas fährt durch ihre kastanienbraunen Haare, die ihr gerade so zum Kehlkopf reichen und dreht sich um, sodass sie nun mich anschaut und sich an Darian drängt. Auch ich komme näher und tanze sie von vorne an. Für einen kurzen Moment frage ich mich, wie es wohl für sie anderen von außen aussehen muss, doch als ich den komischen Typ hinter uns sehe, der uns lüstern entgegenblickt, wird mir klar, dass es wohl einigen gefallen muss. Kein Wunder, immerhin ist mein Freund und meine Freundin scheiße heiß. Ich komme ja selbst nicht darauf klar.
Das Licht ist gedämmt, zwischendurch huschen bunte Lichter über die Tanzfläche und es regnet goldenes Konfetti. Ich konzentriere mich nur auf meine Bewegungen, Kaylas und Darians Körper an meinem und ihren Atem auf meiner Haut. Lasse die laute Musik durch mich hindurch laufen und mich leiten. Mein Kopf ist frei und erlaubt mir endlich noch mal, einfach nur Spaß zu haben und die Zeit zu genießen. Ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und lasse meine langen blonden Haare hin und her schwingen. Ich hatte ganz vergessen, wie gut sich das Leben anfühlen kann. Den tiefen Atemzug, den ich nehme, bereue ich kurz darauf sofort, denn der Schweißgeruch ist doch sehr stark.
Es ist mehr als komisch, ohne Perücke und Verkleidung hier zu stehen. Ich bin einfach nur ich und zum ersten Mal seit langem bin ich stolz darauf und schäme mich nicht. Ich habe viele Fehler gemacht, aber im Endeffekt hat Mama mir doch beigebracht, dass sie nicht das sind, was mich definiert. Sondern wie ich damit umgehe. Und ich will jeden Tag erneut alles dafür geben, die beste Version von mir zu sein. Zu vergeben und zu lieben. Auch mich selbst. Kayla und Darian zeigen mir schließlich wie es geht.
Die Zeit, in der wir im Club geklaut haben, war aufregend, keine Frage. Das Adrenalin, welches durch meinen Körper strömte, wenn ich den Geldbeutel aus der Tasche oder die Uhr unbemerkt vom Handgelenk zog. Das Gefühl, wenn wir erfolgreich rausgingen und mehr Geld hatten als vorher. Für einen Abend ein anderer Mensch zu sein. Ungehemmt mit fremden Menschen rumzumachen. Doch es war nicht richtig. Es ist niemals richtig sich an anderen zu bereichern und sie auszubeuten. Egal wie viel sie und wie wenig ich habe. Wir haben es getan und es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber ich habe einiges daraus gelernt. Irgendwie hat mir dieses, wie auch alle anderen noch so kritischen und schlimmen Erlebnisse, dazu verholfen zu wachsen. Ich habe Scheiße gebaut, jedoch habe ich daraus gelernt. Ganz davon abgesehen, konnten Kayla und ich sogar Freundschaften dadurch schließen. Kian meldet sich noch regelmäßig bei uns, wir wollen uns demnächst auch wieder treffen. Er ist schwer in Ordnung.
Ich muss an Stella denken, die wirklich gut küssen konnte und mir ebenfalls dazu verholfen hat, den Gedanken zuzulassen, dass ich Frauen attraktiv finde. Vielleicht hätte ich ohne diese Erfahrung noch viel länger gebraucht, um das mit Kayla anzunehmen. Ich nehme mir fest vor, sie auf Instagram zu suchen, wenn wir wieder zu Hause sind, auch wenn ich sie wahrscheinlich nicht finden werde. Trotzdem würde ich sie gerne entschädigen. Sie war super nett und sehr sympathisch. Das macht das sowieso schlechte Gewissen noch größer.
Darians Lippen auf meinen reißen mich aus meinen Gedanken und sofort erwidere ich den Kuss leidenschaftlich. Ich verschränke meine Arme in seinem Nacken, wobei ich aber darauf bedacht bin, seine Haare nicht zu zerstören. Seine Waves liegen so perfekt, dass ich nicht dafür verantwortlich sein will, wenn sie es nicht mehr tun. Der Kuss schmeckt minzig und leicht nach Alkohol. Darians herber Duft gibt mir das letzte und als sich seine Zunge zwischen meine Lippen schiebt, geben meine Knie komplett nach. Jedoch sind wir hier inmitten einer Menschenmenge, sodass ich mich von ihm löse und ein wenig Abstand zwischen uns aufbaue.
Ich blicke tief in seine wunderschönen dunkelbraunen Augen, die mich so sehr an flüssige Schokolade und Honig erinnern. Ich versuche all meine Liebe in diesen Blick zu legen und mein Herz wird ganz schwer, als seine Augen diesen weichen, liebevollen Ausdruck bekommen und er mir das Gefühl gibt, die wertvollste und schönste Person in diesem Universum zu sein. Das schönste ist jedoch, dass er Kayla mit demselben Blick anschaut.
Ich drehe mich um, womit meine Sicht auf unsere Freundin fällt, die ihre Hüften gekonnt zur Musik bewegt und in diesem Moment von einem Mann angetanzt wird. Das scheint ihr jedoch gar nicht zu gefallen, denn sie dreht sich abrupt zu ihm um und schenkt ihm einen vernichtenden Blick, woraufhin er entschuldigend die Hände hebt und sich an die nächste ranmacht. Als Kayla sich wieder zu uns tritt, erhellen sich ihre Gesichtszüge und sie tanzt mit einem breiten Lächeln auf uns zu. Ich kann die Liebe, die ich beiden gegenüber verspüre, kaum in Worte fassen. Es tut fast weh.
„Ich geh mal auf Toilette", brülle ich ihnen entgegen, woraufhin sie nicken und ich mich durch die Menge in Richtung der Treppen quetsche.
Mittlerweile drückt meine Blase so stark, dass ich fast Angst bekomme es nicht zur Toilette zu schaffen. Ich beschleunige mein Tempo und zum Glück ist eine Kabine frei. Während ich mir die Hände wasche, betrachte ich meine geröteten Wangen, den leicht verschmierten Eyeliner und die verknoteten Haare. Aber nichts daran stört mich. Ich sehe glücklich aus. Und diese Tatsache macht mich gleich noch glücklicher.
Erneut auf der riesigen Tanzfläche angekommen, halte ich Ausschau nach meinen Partnern, die ich schließlich an dem Ort entdecke, wo wir auch zuletzt getanzt haben. Ich bleibe stehen und versuche jedes Detail dieses Anblicks in mich aufzusaugen. Ich sage es wahrscheinlich zum zehntausendsten Mal, aber sie sehen atemberaubend aus. Und wenn ich sehe, wie Kayla sich an Darian drückt und ihre Körper zu einer Einheit verschwimmen, die sich aufreizend bewegt, entstehen Gedanken in mir, die selbst mich erröten lassen. Womit habe ich sie bloß verdient?
Gerade als ich mich die restlichen Meter zu ihnen hindurchdrängen will, legt sich eine Hand auf meine Taille und ein großer Körper drückt sich von hinten an mich. Ich will schon zu einer Tirade aus Schimpfwörtern ansetzen, während ich mich umdrehe, als mir Kians breites Grinsen entgegenblitzt, das sich nun auch auf meine Lippen ausbreitet. Sofort schlinge ich meine Arme um ihn, da ich mich wirklich freue ihn zu sehen. Kian, der Partylöwe. Eigentlich hätte ich fast damit rechnen müssen, dass wir ihn hier treffen.
„Hey, Süße", erwidert er nah an meinem Ohr, sodass ihn hören kann. Obwohl er schon laut redet, übertönt ihn die Musik trotzdem fast.
„Ich freue mich, dich zu sehen!", brülle ich ihm entgegen und fasse seine Hand, an welcher ich ihn durch die Menge ziehe.
Er scheint leicht überrascht, folgt mir jedoch trotzdem ohne jegliche Widerworte. Bei Kayla und Darian angekommen, schließt sie ihre Arme ebenfalls freudig um Kian, der die Umarmung sofort erwidert und sich mindestens genauso zu freuen scheint. Darian schlägt bei ihm ein und sie tauschen kurz ein paar Worte, die ich nicht verstehen kann.
Ich schenke meiner Freundin einen kurzen Kuss, bevor ich erneut mir ihr tanze, was uns einen stolzen Daumen nach oben von Kian einbringt. Lachend und Kopf schüttelnd ziehe ich ihn und meinen Freund näher und animiere sie dazu weiter zu tanzen. Kian bringt uns mit seinen speziellen Tanzmoves immer wieder zum Lachen und jeder tanzt mal mit jedem. Besser hätte ich mir den Abend kaum vorstellen können.
So verbringen wir schließlich die ganze Nacht, bis meine Füße schmerzen und ich zehn Liter Wasser trinken könnte. Gemeinsam beschließen wir, dass es um vier Uhr nun Zeit ist zu gehen, nur Kian mischt sich weiter unter die Menge und verspricht sich zu melden, wenn er zu Hause angekommen ist. An der frischen Luft angekommen, atme ich gierig ein und streife sofort die hohen Schuhe von den Füßen. Kayla tut es mir gleich und auch Darian knüpft sein Hemd noch ein wenig mehr auf, da uns allen mehr als heiß ist und der frische Wind wie gerufen kommt.
„Ich muss schon sagen, einfach zu feiern macht dann doch mehr Spaß, als währenddessen noch Leute beklauen zu müssen", gibt Kayla belustigt zu, wobei ich nur zustimmen kann. Nicht ständig Angst haben zu müssen, erwischt zu werden, ist deutlich entspannter.
Wir laufen stillschweigend die leeren Straßen entlang und genießen den Moment. Ich lege den Kopf in den Nacken und starre in den dunklen Himmel, an welchem die Sterne deutlich zu sehen sind. In solchen Momenten wird mir immer bewusst, wie klein und unwichtig wir eigentlich sind. Wir leben unsere eigene kleine Unendlichkeit in einer noch viel größeren Unendlichkeit. Es ist schon verrückt.
Immer wieder laufe ich aus Versehen gegen meine Freunde, die sich schließlich bei mir unterhaken, sodass ich nicht noch gegen eine Straßenlampe oder so laufe. Nach weiteren Minuten des Gehens, erstreckt sich die große Wiese eines Parks in dieser Stadt. Ich verspüre das Verlangen mich ins Gras zu legen und noch ein wenig den Himmel zu betrachten, weswegen ich Darian und Kayla dorthin ziehe und mich dann auf den weichen Boden fallen lasse. Geschafft strecke ich die Glieder von mir und beobachte, wie sich die beiden neben mich fallen lassen. Ihre Gesichter liegen nah neben meinem. Ich kann mich kaum entscheiden, ob ich lieber sie oder den Himmel angucken soll, weswegen ich immer wieder nach oben und dann neben mich schaue.
Ich muss an Elian denken, der wohl nun schlafend in seinem Bett liegt und frage mich, ob er genau so glücklich ist, wie ich es bin. Es fühlt sich immer noch surreal an, dass ich ihn endlich wiederhabe. Ganz sicher werde ich ihn nie wieder loslassen und verlieren. Das wird mir nicht noch einmal passieren. Lieber sterbe ich.
Mir ist bewusst, dass auch die nächste Zeit anstrengend und hart wird. Ich muss mich um einen Ausbildungsplatz kümmern und darauf hoffen, dass meine Schwester ehrlich war. Es wird schwer werden, die ganzen Schulden abzubezahlen. Die Vergangenheit aufzuarbeiten und mich aus ihren Krallen zu befreien. Aber ich bin so gewillt wie noch nie, jeden Tag für eine bessere Zukunft für mich und die Menschen zu kämpfen, die ich liebe. Gewillt, einen Tag nach dem anderen zu bestreiten und jeden Tag die Chancen zu nutzen, die mir geschenkt werden. Jeden Tag als einen neuen Anfang zu sehen.
Es wird nicht alles auf einen Schlag plötzlich gut werden. Ich habe jedoch Menschen, die mir die Welt bedeuten und die mich unterstützen. Sie und die kleinen schönen Momente sind es, die das Leben lebenswert machen. Und egal was noch kommen mag, ich will verdammt nochmal leben und es genießen.
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