Kapitel 25

Ich habe absolut keine Ahnung das wievielte Glas das hier ist, das ich mit Max trinke und mein Zeitgefühl ist ebenfalls verloren gegangen. Ehrlich gesagt, weiß ich durch den ganzen Alkohol nicht einmal mehr, wie ich heiße. Wir kichern wie verrückt, wobei mir der Grund dafür rätselhaft ist. Dabei wackeln seine dunkelbraunen Locken süß auf und ab, was alles noch lustiger macht. Seit unserem Zusammentreffen hatten wir über dieses und jenes geredet, während Mengen an Alkohol geflossen sind und noch immer fließen. Er ist nett, lustig und vor allem bezahlt er mir meine Drinks, was ihn nochmal um einiges sympathischer macht.

Kayla habe ich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen, aber es ist mir egal. Gerade ist mir alles egal. Mein Kopf ist in Watte eingepackt, meine Gedanken unklar und meine Zunge viel zu schwer, um einen vernünftigen Satz zu bilden. Ich liebe es. Alle Sorgen sind vergessen. Die ganze Welt kann mich mal am Arsch lecken.

„Ich hab eine wirklich schöne Wohnung. Willst du sie dir mal ansehen?", lallt Max, was mich schon wieder zum Lachen bringt. Ich drücke meine Lippen auf seine Wange, einfach weil ich Lust dazu habe, und grinse ihn daraufhin schief an. „Klar."

Mit seiner großen Hand umfasst er mein Kinn, schaut mir kurz fragend in die Augen und presst schließlich seine vollen Lippen auf meine. Ich lehne mich nach vorne, um den Kuss zu intensivieren, wobei ich das Gleichgewicht verliere und gefährlich nach vorne falle, doch Max hält mich schnell, so gut es geht, fest. Endlich jemand, der mich mal auffängt. Wieder lachen wir, da die gesamte Situation unglaublich witzig ist. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß. Und wenn es nach mir geht, haben wir gleich noch mehr Spaß.

„Ich muss mal meiner... Freundin Bescheid sagen. Sonst bin ich tot", kichere ich und torkele auf Max' Nicken hin auf die Tanzfläche. Ich stolpere mehrmals über meine eigenen Füße und lege mich einige Male fast hin, weswegen ich glücklich grinse, als ich endlich Kayla entdecke, die wild mit einer jungen Frau am Tanzen ist. Offensichtlich bin ich nicht die Einzige, die eine großartige Nacht hat.

„Ich gehe mit Max. Tschüss", brülle ich über die laute Musik hinweg, doch Kayla beachtet mich nicht wirklich.

Vielleicht hat sie mich gehört, vielleicht auch nicht. Gleichgültig zucke ich mit den Schultern und kämpfe mich zurück zur Bar.

„Ich hoffe, deine Wohnung ist schön."

Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd und stupse seine Nase an. Eigentlich wollte ich noch etwas hinzufügen, aber mein Mundwerk scheint mir nicht mehr zu gehorchen. Egal. Hauptsache Max gehorcht mir gleich.

Gemeinsam verlassen wir den Club, wobei wir gefährlich schwanken und uns aneinander abstützen müssen, um nicht umzufallen. Max erzählt mir irgendetwas von Socken und Zwergen, wovon jedoch nicht einmal die Hälfte von meinem Gehirn aufgenommen wird, aber ich lache einfach zwischendurch. Wir torkeln durch die dunklen Straßen und kommen tatsächlich irgendwann an einem Mehrfamilienhaus an, vor dem Max stehen bleibt. Es mir ein Rätsel, wie lange wir gebraucht haben und auch wie mein Kumpane überhaupt den Weg gefunden hat. Ich hätte mit großer Sicherheit nicht nach Hause gefunden. Zum Glück kann ich mit Max schlafen. Bei Max meinte ich natürlich. Komischerweise kommt mir dieses Haus irgendwie bekannt vor. Aber ich bin ganz sicher, dass ich noch nie in dieser Gegend war. Viel zu wohlhabend.

Unsere lauten Stimmen hallen noch viel lauter im Treppenhaus wider, was sich unglaublich lustig anhört. Zum Glück wohnt er nicht im obersten Stock, das wäre zu anstrengend gewesen. Vor der Tür kramt er in seiner Hosentasche rum, bis er endlich den Schlüssel findet, ungefähr zwanzig Mal das Schloss verfehlt und sich zwischendurch immer wieder an der Wand abstützten muss. Ich lache die ganze Zeit, weil es zu witzig aussieht. Als der Schlüssel drinnen steckt, lässt sich das Schloss nicht drehen. Also der Schlüssel im Schloss.

„Scheiße. Falsche Tür", prustet Max und schwankt zu der Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Gerade, als er sie endlich aufbekommen hat, öffnet sich auch die andere. Und plötzlich sehe ich Darians verschlafenes Gesicht. Um genau zu sein, sehe ich es zwei Mal. Er sieht nicht gerade glücklich aus.

„Ich glaube er ist mit dem linken Fuß aufgestanden." Max versucht zu flüstern, doch ist sehr laut und belustigt. Darians Miene verfinstert sich daraufhin nur noch mehr.

„So guckt er in letzter Zeit öfter. Weißt du, ich bin die Laus auf der Leber", kichere ich.

„Was machst du hier?"

„Ich will ihr meine Wohnung zeigen", kommt es prompt von Max, der demonstrativ den Arm um mich legt.

„Wo ist Kayla?"

Ich zucke nur mit den Schultern und will schon meinem neuen Kumpel hinterher, als Darian mein Handgelenk festhält und mit seinen beschissenen, wunderschönen tiefbraunen Augen in meine Seele blickt.

„Komm bitte mit", sagt er so dunkel und rau, dass sich all die Härchen auf meinem Körper aufstellen. Am liebsten würde ich mich und meine scheiß weichen Knie verfluchen, als ich schließlich unter seinem flehenden Blick einknicke.

„Seine Wohnung ist wohl schöner als meine", lallt Max und lässt sich an der Wand runter rutschen. Ich möchte ihm helfen und falle dabei lachend auf ihn.

Darian stöhnt genervt und legt den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken, bevor er mich unter den Armen packt, mich mühelos aufstellt und danach auch Max wieder auf die Beine hilft. Tatsächlich begleitet mein bester Freund ihn in seine Wohnung, wo er ihn bestimmt ins Bett bringt. Der Gedanke lässt mich dumm lachen. Ein paar Minuten oder Stunden später – vielleicht hatten die beiden Sex – kommt Darian zurück. Ich betrachte ihn genau, um die Anzeichen eines frisch gevögelten zu erkennen.

„Hattet ihr GV?", frage ich interessiert und gebe mir große Mühe ernst zu bleiben, während er mich in seine Wohnung schiebt und die Tür hinter uns schließt. Als ich mich zu ihm umdrehe, lässt mich sein intensiver Blick taumeln. Gott, warum muss er so verdammt attraktiv sein?

„Die einzige Person, die ich gerade wirklich verdammt gerne ficken würde, bist du", haucht er dicht an meinem Ohr.

Ich schlucke schwer und versuche das Ziehen zwischen meinen Beinen zu ignorieren. Doch bevor ich etwas antworten kann, geht er an mir vorbei und tippt wild auf seinem Handy herum.

„Kayla ist zu Hause und ziemlich wütend. Ich ehrlich gesagt auch", gibt er ernst zu.

„Seid ihr jetzt die Spaßpolizei? Ich hab ein wenig getrunken, wo ist das verdammte Problem?!" Ich stöhne genervt auf und lasse mich auf sein dunkles Sofa fallen, was ich sofort bereue. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Kopf und die Welt um mich herum dreht sich.

„Du riechst schlimmer als eine Dorfkirmes."

Konzentriert schließe ich die Augen und gebe mir alle Mühe, nicht zu kotzen. Ich werde nie wieder trinken.

„Erst machst du auf eifersüchtig und jetzt willst du auch noch meinen Papi spielen? Ich bin dir nichts schuldig und du mir auch nichts", gebe ich so nüchtern wie möglich zurück. Neben mir sinkt das Sofa unter Darians Gewicht ein.

„Ich weiß. Und mein Verhalten von vorhin tut mir auch wirklich leid." Ich drehe meinen Kopf zu ihm und so sitzen wir dort nachts auf dieser Couch, während wir das Gesicht des anderen studieren. „Ich kann leider nichts gegen meine Gefühle tun."

Mittlerweile sind seine Worte nur noch ein Hauchen. Ein Hauchen, das in meinem Inneren einen Sturm auslöst. Ich komme ihm näher, kann diese unbändige Anziehung zu ihm nicht länger aushalten. Will seine weichen Lippen auf meinen spüren. Seinen schneller werdenden Herzschlag hören und seine liebkosenden Hände auf meiner warmen Haut fühlen. Gerade will ich die letzten Millimeter zwischen uns überbrücken, als Darian sich plötzlich zurückzieht.

„Du solltest Wasser trinken und dann schlafen. Morgen geht es dir bestimmt beschissen."

Seine Stimme klingt belegt und ich bringe nur ein ernüchtertes und peinliches Nicken zustande. Erst will ich ihm erzählen, dass ich eben nichts von ihm will und dann will ich ihn küssen? Was zur Hölle ist falsch mit mir?!

Darian bringt mir Wasser, einen Pullover und eine Jogginghose, putzt mir die Zähne und schminkt mich ab, da ich zu nichts von alldem im Stande bin. Zwischendurch übergebe ich mich ein paar Mal, schaffe es zum Glück aber immer, in die Toilette zu kotzen.

Als ich endlich in seinem Bett liege, da er natürlich auf dem Sofa schlafen will, deckt er mich zu und drückt mir einen unendlich sanften Kuss auf die Stirn, der mir noch einmal zeigt, dass ich niemals gut genug für ihn wäre. Und dann denke ich an Kayla, die mich ebenfalls so fühlen lässt. Ich bin wirklich geliefert. Geschafft schließe ich die Augen, während Darian leise das Zimmer verlässt und das Licht löscht.

„Glaub mir, ich hätte nichts lieber getan als dich zu küssen."

Das Erste, was ich nach dem Aufwachen spüre, sind schreckliche Kopfschmerzen. Mein Kopf ist kurz davor zu platzen. Ich habe gestern Nacht wohl alles gegeben. Meine Mission, mir die Birne wegzusaufen, ist auf jeden Fall mehr als gelungen.

Vorsichtig öffne ich die Augen und versuche gegen das helle Licht im Raum anzublinzeln, wobei sich das Zimmer jedoch ganz schnell als ein fremdes herausstellt. Das ist nicht mein Regal, nicht meine Wände und auch nicht mein Bett. Doch dann kommen all die Erinnerungen der letzten Nacht schlagartig zurück und mir wird wieder klar, dass es Darians Bett ist, in dem ich liege. Ich kneife die Augen fest zusammen und lasse meinen schmerzenden Kopf zurück ins Kopfkissen sinken. Verdammte Scheiße.

Kayla liegt hoffentlich zu Hause in unserem Bett. Ich weiß gar nicht, ob sie gut Heim gekommen ist. Oder, ob sie wirklich mitbekommen hat, dass ich verschwunden bin, weswegen ich hoffe, dass sie nicht ausrasten wird. Schlechtes Gewissen macht sich in mir breit, da die Befürchtung in mir auftritt, dass sie ganz allein den Heimweg antreten musste. Vielleicht hat sie aber ebenfalls eine andere Person begleitet. Ich werde es wohl noch herausfinden.

So leise wie möglich stehe ich auf, um Darian nicht zu wecken, falls er noch schläft. Ehrlich gesagt hält sich der Wunsch, ihn nach dieser Nacht zu sehen, in Grenzen. Einen kurzen Blick in den kleinen Spiegel, der an einer der Wände hängt, bestätigt, dass ich mehr als mitgenommen aussehe. Zum Glück hat Darian Schadensbegrenzung betrieben, indem er mein Make-up entfernt und die Perücke abgenommen hat. Dementsprechend liegen jedoch meine Haare platt und matt auf meinem Kopf.

Ich schleiche in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen und will gerade wieder umdrehen, als ich meinen besten Freund an der Kaffeemaschine entdecke. Jedoch hat er mich bereits bemerkt.

„Morgen", kommt es verschlafen aus Darians Mund. „Hast du gut geschlafen?"

„Ja. Und du?"

„War schon mal besser."

Stille breitet sich zwischen aus. Etwas peinlich berührt schaue ich überall hin, nur nicht zu ihm. Ich hasse diese Angespanntheit. Aber wie verhält man sich, nachdem man dabei erwischt wurde, wie man vollkommen betrunken mit einem Mann nach Hause gegangen ist und dann die andere Person küssen wollte, die auch noch Gefühle für einen hat? Ich bin so ein schrecklicher Mensch. Warum kann es kein Handbuch für solche Situationen geben? Seine Augen sind fest auf mich gerichtet und über ihnen liegt ein unergründlicher Schleier. Früher wusste ich immer sofort, was in Darian vorgeht. Heute bin ich ratlos.

Meine Gedanken laufen auf Hochtouren. Soll ich den Smalltalk weiterführen? Einfach nett lächeln und davonschleichen als wären wir uns nie begegnet und dann nach Hause gehen? Oder soll ich das Offensichtliche einfach ansprechen? Er sagt mir, dass er mich nicht gerne mit anderen sieht und erklärt mir, was er davon hält, wenn ich mit anderen rummache und dann stehe ich vor seiner Tür und will plötzlich ihn küssen.

Es ist als würden wir in einem Porzellanladen stehen, in dem ein Elefant wütetet, der dabei ist, alles zu zerstören. Aber wir stehen lediglich herum und versuchen dieses riesige Etwas zu ignorieren, weil es leichter und angenehmer ist, als den Elefanten von der Zerstörung abzuhalten.

„Was würdest du davon halten, wenn wir zu euch fahren und auf dem Weg Frühstück besorgen?"

„Hört sich super an", erwidere ich ehrlich begeistert.

Wir machen uns in Stille bereit zum Fahren, wobei ich versuche meine Gedanken so gut wie möglich von dieser Situation zu entfernen. Lieber denke ich daran, was Elian wohl gerade macht. Wie es ihm geht und was ihn beschäftigt. Und gezwungenermaßen denke ich auch an meine große Schwester, die ihr Leben auf einer Insel genießen dürfte.

Wenige Minuten später sitzen wir in Darians Auto, das er in Richtung meines Stadtteils lenkt. Lediglich die leise Musik aus dem Radio und die Geräusche des Motors leisten uns Gesellschaft.

„Wenn du mein Verhalten heute Nacht als übergriffig empfunden hast, tut es mir sehr leid", kommt es plötzlich von Darian. „Es hat mich nichts anzugehen, was du mit wem machst. Ich hätte dich vielleicht nicht in meine Wohnung kommandieren sollen." Tief atmet er durch, bevor er weiter redet. „Aber du warst so schrecklich betrunken und ich hatte Angst um dich, in diesem Zustand bei einem fremden Mann. Und vielleicht war ich auch ein bisschen eifersüchtig."

Seine Augen lösen sich für einen kurzen Moment von der Straße und huschen zu mir.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich bin dankbar, dass du mich so gut verpflegt hast. Ohne dich hätte ich heute Morgen schrecklich ausgesehen", erwidere ich mit einem Grinsen, woraufhin Darian lacht. In diesem Moment habe ich das Gefühl, dass wir die unangenehme Phase überwunden haben. Dass wir wieder weiter machen können wie zuvor.

Wir halten bei einem Bäcker an, wo wir Brötchen und Croissants kaufen und kommen wenige Minuten später vor dem Mehrfamilienhaus an, das sich mein Zuhause nennt. Das schlechte Gewissen und die Angst vor der Reaktion meiner besten Freundin werden immer größer, weswegen ich Darian vorschicke, als wir die Wohnung betreten. Die Brötchentüte halte ich dabei schützend vor mich, als könnte sie über Leben und Tod entscheiden. Kaum habe ich die Tür geschlossen, kommt Kayla wutentbrannt aus unserem Zimmer geschossen.

„Hast du sie noch alle?! Du kannst doch nicht einfach vollkommen betrunken mit einem wildfremden Typ verschwinden!", klagt sie mich an und kann vermutlich gerade so an sich halten, dass sie mich nicht schüttelt. „Wenn du sowas noch ein verschissenes Mal machst, bist du sowas von tot. Toter als tot. Weißt du, wie gefährlich das ist?!", beendet sie vorerst ihre Schimpftirade und mustert mich mit in die Seiten gestemmten Armen.

„Ich hab- Frühstück?" Ich halte die Tüte vorsichtig hoch und schenke Kayla meinen reuevollsten und demütigsten Blick. Sofort erhellt sich ihre Mimik, doch sie versucht immer noch streng und wütend zu sein, was ihr jedoch nicht richtig gelingt.

„Dann muss ich dir wohl vergeben", presst sie hervor, nimmt die Tüte und läuft zur Küche, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Sofort ertönt das Klappern von Tellern und Besteck.

„Ach, übrigens: Hallo, Darian." Sie streckt kurz grinsend ihren Kopf aus der Tür, macht sich dann aber sofort wieder an die Arbeit. Darian lacht leise vor sich hin und deutet dann mit der Hand an, dass ich vorgehen soll. Bestimmt hat er noch Angst.

Was für ein chaotischer Haufen. Aber es ist mein liebster.

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