Kapitel 15
„Happy birthday to you! Happy birthday to you! Happy birthday, liebe Dela, happy birthday to you!"
Ich schiebe überrascht die Terrassentür hinter mir zu und schaue geradewegs zu einer klatschenden Kayla und einem Muffin tragenden Darian. Kayla springt mich nur so an und zieht mich lachend in eine feste Umarmung, die gar nicht herzlicher sein könnte. Ich atme ihren vertrauten, leicht süßen, Duft ein und frage mich, womit ich sie bloß verdient habe.
„Ich hab dich so lieb, Dela. Danke, dass es dich gibt", flüstert sie sanft in mein Ohr, drückt mir einen Kuss auf die Wange und löst sich daraufhin aus der Umarmung.
Nun steht Darian mit seinem wunderbaren Grinsen vor mir, das fast so schief wie die kleine Kerze auf dem Muffin ist. „Auspusten", befiehlt er, was ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen lasse.
Nachdem das Feuer erlischt, presse ich fest die Augen zu und denke an meinen Wunsch. Der Wunsch, dass mir meine besten Freunde nie verloren gehen und dass ich Elian wieder in die Arme schließen kann. Und auch wenn die meisten Wünsche nie in Erfüllung gehen, lodert doch dieses kleine Feuer der Hoffnung in mir und wehrt sich widerspenstig dagegen auszugehen.
Auch Darian schlingt nun seine langen Arme fest um mich, sodass ich beinahe erdrückt werde. Meine Füße heben sogar ein wenig vom Boden ab, bis er mich loslässt und meiner Lunge somit erneut die Luftzufuhr gewährt wird. Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, dass mein Gesicht einen leicht bläulichen Ton angenommen hat.
„Geschenke!", ruft Kayla aufgeregt und stürmt mit Darian aus dem Wohnzimmer. Kurz darauf kommen sie mit Päckchen zurück, die in buntes Geschenkpapier eingewickelt sind.
Das breite Lächeln auf meinem Gesicht ist wie fest getackert, als Darian mit hellblauen Veilchen vor mir steht und mir somit einen Teil meiner Mutter schenkt. Wenn ich sie in etwas sehe, dann in diesen Blumen. Sogar den Topf hat er mit Papier eingewickelt.
„Es ist nicht viel, aber ich wollte sie dir unbedingt holen. Auch wenn wir diese Reise zusammen haben."
Ich nehme die Blumen dankend entgegen und drücke Darian einen sanften Kuss auf die Wange, die sich durch die leichten Bartstoppeln rau anfühlt. Wenn ich daran denke, dass er bis vor kurzem keine Rolle in meinem Leben gespielt hat, wird mir ganz flau im Magen.
Nun streckt mir meine beste Freundin schon fast verlegen ein kleines Geschenk entgegen, das ich an mich nehme und vorsichtig öffne, während Kayla vor sich hin nuschelt.
„Es tut mir leid, dass es nicht viel ist, aber du weißt ja, wie das mit dem Geld ist und ich hab mir wirklich Mühe gegeben und hoffentlich magst du es, aber wenn nicht, dann-" Ich unterbreche ihren kleinen Redeschwall, indem ich meine Hand auf ihren Mund drücke und selbst das Wort ergreife.
„Es ist großartig, was Besseres hättest du mir nicht schenken können. Danke."
Meine Fingerkuppen streifen zart über das Glas, welches das Foto darunter schützt. Elians, Kaylas und meine Augen strahlen mir entgegen, alle drei haben wir ein riesiges Lächeln aufgesetzt, das wir damals stolz meiner Mutter präsentiert hatten. Ich kann mich an diesen Tag erinnern als wäre es gestern gewesen. Es war wunderbar warm und zu der Zeit hatte Kayla schon bei uns gewohnt. Meine Mutter liebte sie und hatte sie wie ihr viertes Kind behandelt. Wir verbrachten den ganzen Tag gemeinsam im Garten, spielten Spiele, redeten und lachten. Wenige Tage später lag Mama tot in ihrem Bett.
Eine Träne tropft auf die glatten Oberfläche, ihr Aufprall scheint in meinen Ohren widerzuhallen und übertönt die bedrückende Stille, die sich außerhalb und innerhalb von mir breit macht.
„Ich habe es letztens in den Kartons gefunden..."
Behutsam lege ich den Fotorahmen beiseite und nehme das kleine, selbstgemachte Armband heraus, das noch als einziges in dem Papier liegt. Es ist eines wie Kayla und ich sie immer früher getragen haben. Ein Freundschaftsarmband. Vielleicht mag es für den ein oder anderen nicht sonderlich viel bedeuten, doch für mich bedeutet all das die Welt.
„Danke", hauche ich ein weiteres Mal benommen und nehme sie erneut in die Arme.
Ich war noch nie sonderlich gut darin, meine Gefühle in Worten oder überhaupt auszudrücken, aber in diese Umarmung stecke ich alles und hoffe, dass sie es zu spüren bekommt.
„Jetzt reicht es aber mit der Sentimentalität! Heute wird gefeiert, also macht euch fertig, meine Kinder!"
Sie wischt schnell über ihre Augen und klatscht dann übermotiviert in die Hände. Darian und mich scheucht sie kurz darauf in unsere Zimmer, sodass wir uns umziehen und für den Ausflug in die Stadt fertig machen.
Ich ziehe ein luftiges schwarzes Kleid von früher an, lege etwas Make-up auf und mache mir zu guter Letzt die Haare, woraufhin wir uns im Wohnzimmer treffen und auf das Taxi warten, das wir ausnahmsweise zur Feier des Tages bestellt haben. Wenn Darian mitbekommen hätte, wie sehr wir uns darüber gefreut haben, hätte er uns sicherlich für vollkommen verrückt erklärt.
Der Besagte sitzt lässig auf der Couch, während ich unauffällig meinen Blick über ihn schweifen lasse. Er trägt ein weißes Hemd, das perfekt auf seiner Haut sitzt, kombiniert mit einer hellen Jeans, sowie hellen Sneakern. Plötzlich schauen seine dunklen Augen direkt in meine, weswegen ich am liebsten ertappt wegschauen würde, doch ich halte seinem Blickkontakt stand, bis er leicht grinsend den Kopf wegdreht. Man muss lediglich den Eindruck erwecken irgendetwas zu sein, ein wenig schauspielerisches Talent haben und schon ist man die Selbstsicherheit in Person. Auch wenn man in Wahrheit alles andere als das ist. Es ist eine Kunst, die jeder einzelne von uns erlernen kann.
„Das Taxi ist da", teilt uns Darian mit und hält uns seine Hände entgegen, um uns von den Stühlen aufzuhelfen.
Wir quetschen uns zu dritt zu dem freundlichen Fahrer, der sich nach dem Ziel erkundigt und kurze Zeit später losfährt. Ich tausche aufgeregte Blicke mit Kayla, die neben mir auf der Rücksitzbank sitzt und ihre roten Lippen zu einem breiten Lächeln verzieht. Auch sie sieht absolut hinreißend aus mit ihren großen, betonten Augen, dem schönen Kleid und ihrer wunderbaren Ausstrahlung, mit der sie wirklich jeden verzaubern kann.
„Ich werde mir gleich eine scharfe Italienerin angeln, heißen Tango bis in die Nacht tanzen und vielleicht den ein oder anderen Kuss verteilen", schwärmt Kayla mit geschlossenen Augen, was ich mit einem amüsierten Kopfschütteln quittiere. Doch auch das leichte Stechen in meiner Brust lässt sich nicht ignorieren.
Nach wenigen Minuten Fahrt hält das Auto, woraufhin Darian bezahlt und wir uns von dem Fahrer verabschieden. Sobald ich ausgestiegen bin, kann ich schon die gedämpfte Musik hören, die aus dem Stadtinneren kommt und ein vorfreudiges Kribbeln in mir aufkommen lässt. Natürlich waren Kayla und ich die letzte Zeit mehr als nur einmal in einem Club, doch nicht um zu feiern, sondern der... Arbeit wegen, weshalb ich mich nun noch mehr auf die Party freue. Außerdem herrscht hier eine vollkommen andere Atmosphäre. Alles ist so viel unbeschwerter. Magischer.
Auf dem Marktplatz angekommen, werden wir überschwänglich von vorbeigehenden Leuten begrüßt und es dauert nicht lange, bis jeder von uns ein Getränk in die Hand gedrückt bekommt. Die Atmosphäre ist wie schon das letzte Mal bezaubernd, doch nun ist der Marktplatz mit bunten Lichtern und Lampions geschmückt und überall stehen dekorierte Tische. Am Rand ist ein Buffet, sowie eine kleine Bar aufgebaut und auf der anderen Seite befindet sich eine kleine Tanzfläche mit Band. Wenn ich es mir die vorigen Tage auch noch so oft vorgestellt habe, derartig bunt und vollkommen war es nie.
„Ich hab einen Bärenhunger. Wer kommt mit das Buffet plündern?" Kayla schaut abwartend zwischen uns hin und her, letztendlich gehen wir alle gemeinsam zu den mit Essen übersäten Tischen und schaufeln uns riesige Teller auf, mit denen wir uns einen leeren Tisch suchen. Von Pasta und Braten bis über Suppe und Tiramisu ist alles dabei, was das Herz begehrt. Beim ersten Bissen muss ich mir schon beinahe das Stöhnen verkneifen, was Kayla jedoch mal wieder nicht so eng sieht.
Nach einem ausgiebigen Hauptgang und einem kleinen Stück Tiramisu bin ich pappsatt und zweifle daran, mich je wieder bewegen zu können. Das aufgedrehte Nervenbündel neben mir, das so viel gegessen hat, dass es platzen müsste, springt jedoch schon energiegeladen auf und schaut immer wieder zu einer hübschen Schwarzhaarigen, die ungefähr in unserem Alter sein müsste.
„Ich verabschiede mich, meine Freunde. Es ist nun Zeit für den Nachtisch. Habt Spaß, ich werde ihn auf jeden Fall haben."
Mit einem eindeutig zweideutigen Zwinkern wendet sie sich von uns ab und steuert schnurstracks auf ihre Auserwählte zu, die sie sofort in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Es ist gar nicht zu übersehen, dass sie mehr als angetan von ihr ist und es würde mich in kleinster Weise wundern, wenn ich Kayla erst morgen früh wieder zu Gesicht bekomme. Die Italienerin verschlingt meine beste Freundin nur so mit ihren Blicken. Ich kann es ihr nicht verübeln, doch trotzdem möchte ich aus einem unerfindlichen Grund, dass sie es nicht tun würde.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich mir ausgerechnet bei Kayla abschauen kann, wie man richtig flirtet", bemerkt Darian beeindruckt. Ich zucke mit den Schultern und beobachte, wie sie der Unbekannten in einer gekonnten Bewegung über den Arm streicht. Sie lässt wirklich nichts anbrennen.
„Sie ist gut darin, anderen den Kopf zu verdrehen."
Wir beobachten die beiden Frauen noch einen Moment, bis mein bester Freund sich mit einem verschwörerischen Grinsen zu mir wendet.
„Darf ich uns zwei Hübschen einen Drink besorgen?"
„Ich dachte schon, du fragst nie."
Wenig später kehrt Darian mit einer Flasche Schnaps zurück und schenkt uns beiden großzügig ein. Wir stoßen an und kippen das hochprozentige Zeug in einem runter. Wenn eines sicher ist, dann die Tatsache, dass wir alles andere als nüchtern nach Hause kommen werden.
„Auf ein weiteres Jahr voller Gesundheit, Freude und Liebe!"
Auf diese Art und Weise geht es eine Weile weiter, wir reden über dies und das, der ein oder andere Schnaps wird getrunken, bis Darian leicht angetrunken aufsteht und mir seine Hand entgegenhält.
„Ich bitte um diesen Tanz, Cindy."
„Der Herr."
Ich greife lachend nach seiner warmen Hand, er zieht mich hoch und ich mache einen Knicks, woraufhin wir noch mehr lachen. Alles ist so unglaublich lustig.
Gemeinsam suchen wir den Weg zu der kleinen Tanzfläche, die relativ gut gefüllt ist. Mittlerweile ist die Sonne ganz untergegangen, lediglich die Sterne und Lichter spenden Helligkeit. Die Band spielt ein schnelles und fröhliches Lied, sodass ich von Darian durch die Gegend gewirbelt werde und ihm, wenn auch etwas widerwillig, die Führung überlasse.
Mir ist nicht bewusst, wann es genau dazu kam, doch mittlerweile tanzen wir eng umschlungen, als würde uns niemand zusehen. Es hat sich eine gewisse Spannung zwischen uns aufgebaut, die sich einfach nicht ignorieren lässt und die ich auch nicht ignorieren will, denn heute ist unser Abend und ich sollte mir nicht immer den Kopf über jedes kleine Detail zerbrechen, das am Ende doch keine Rolle spielen wird. An etwas Spaß ist noch niemand gestorben. Darian ist attraktiv. Ich vertraue ihm.
Seine großen Hände umschlingen meine Taille, während ich meine in seinem Nacken verhake und alles einfach geschehen lasse. Was sollte schon groß passieren? Unsere Körper bewegen sich dicht aneinander gedrängt zum Rhythmus des Songs, während wir keine Sekunde unseren intensiven Blickkontakt abbrechen. Seine Augen sind wunderschön dunkel und reflektieren die kleinen Lichter um uns herum, sodass es aussieht als würde ein Feuerwerk in ihnen stattfinden.
Ich löse mich leicht von ihm, um ein wenig allein zu tanzen, doch er zieht mich ruckartig zu sich zurück, woraufhin sein warmer Atem auf meinen Lippen zu spüren ist. Die Luft um uns herum ist zum Zerreißen geladen und raubt mir beinahe den Verstand, als Darian plötzlich seine weichen Lippen auf meine presst und so den letzten Abstand zwischen uns überbrückt.
Wir sind nur Freunde, was ich auch nicht ändern will und Freunde sollten wahrscheinlich nicht miteinander rummachen, doch in diesem Moment ist es mir absolut egal. Ich bin nicht bereit für eine Beziehung, doch dieser Kuss fühlt sich richtig an. Es muss doch auch nicht immer gleich eine Beziehung sein, oder? Seine Lippen auf meiner erhitzten Haut, seine Hände an meiner Hüfte, in diesem Moment fühlt es sich einfach mehr als richtig an.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in letzter Zeit mehrere Menschen geküsst habe und es nun mal keine besondere Bedeutung für mich hat, aber ich erwidere den Kuss fordernd und lasse meine Hände von seinen Wangen zu seinem Nacken und wieder zurück wandern. Diese leidenschaftliche Knutscherei erweckt meinen Hunger auf mehr und plötzlich sind mir viel zu viele Menschen an diesem Ort und die Kleidung auf Darians Haut könnte ebenfalls verschwinden. Sein Mund wandert tiefer bis zu meinem Hals, auf dem er feuchte Küsse verteilt und findet schließlich wieder zurück zu meinen Lippen, was mir ein Keuchen entlockt.
Schweratmend lösen wir uns voneinander, woraufhin Darian mir mit Lust erfüllten Augen entgegenblickt.
„Wollen wir zu Hause weiter feiern?"
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