28 Ertränkt
Auf einmal wurde ihr ganz schlecht, während Tränen ihr die Sicht verschleierten. Vielleicht lag es daran, dass sie gerade jemanden umgebracht hatte, oder sie hatte zu viel Magie eingesetzt. Möglicherweise auch beides. Sie spürte, wie sie würgen musste, wollte sich wegdrehen, doch da ergriff sie der Schwindel. Die Welt fing an zu schwanken, in ihrem Kopf dröhnte es. Schwarze Flecken wurden vor ihren Augen immer größer. Als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen, fiel sie der Länge nach hin. Doch sie sah weder den Aufprall noch spürte sie ihn. Denn langsam fiel sie in Ohnmacht und das letzte was sie wahrnahm, war wie jemand ihren Namen rief.
...
Als sie aufwachte, war es bereits stockfinstere Nacht und Sterne strahlten am Himmel. Ihr Kopf tat noch etwas weh, doch es schien ihr ansonsten gut zu gehen. Erst nach einiger Zeit sah sie die rubinroten leuchtenden Augen, die sie anblickten und das dazugehörige Gesicht. Er war also doch nicht tot gewesen. Sie zuckte zusammen und wollte hastig weg von Matt. Sie rappelte sich auf und rannte davon. Doch nach nur wenigen Metern zog der Boden sie wieder an sich und sie schloss die Augen und wartete auf den Aufprall. Dieser kam allerdings nicht, als zwei muskulöse Arme sie packten und festhielten. Langsam ließen sie sie zu Boden gleiten. Als sie sich umwandte, sah sie wieder in Matts Gesicht, dessen Augen wieder bernsteinfarben waren. Sie wollte so schnell es ging wieder aufstehen und davon hasten, doch er hielt ihre Schulter gepackt.
»Scarlett, bitte, ich will dir nicht weh tun.«, sagte er. Doch in seiner Stimme war kein Hass, keine Missgunst mehr.
»Was…?« Die Verblüffung stand ihr vermutlich ins Gesicht geschrieben.
»Ich…Das war ich nicht!« In seiner Stimme war ein Flehen zu hören. »Ich…Ich könnte dir niemals weh tun, du musst mir glauben!« Und da sah sie es. Seine Augen, klar wie Wasser. Das war es, was falsch gewesen war, seine Augen. Sie waren trüb und undurchsichtig gewesen, doch nun wieder so durchlässig wie Kristalle, in denen sich alle seine Emotionen spiegelten.
Sie wurde ruhiger, und das merkte auch Matt, denn er ließ ihre Schulter nun los.
»Und Alessandro…«, fuhr er fort, aber stockte dann und lief davon.
Er stürmte in die Richtung des Flusses, währenddessen stülpte er sich das Shirt über den Kopf und ließ es auf das Gras fallen. Er machte sich nicht mehr die Mühe seine Schuhe auszuziehen und sprang in das Wasser des Flusses, das durch den Winter eisig kalt sein musste. Einen Moment war es still, nur das Zirpen der Grillen war zu hören. Mit großen Augen sah sie Matt nach. Was hatte er vor?
Wenige Zeit später durchbrach Matt die Wasseroberfläche. Das Wasser schimmerte im Mondlicht auf seiner Haut, seine Haare fielen ihm nass in die Stirn. Seine Brust hob und senkte sich hektisch. Mit all seiner Kraft zerrte er an etwas - der Sack, den er vor ein paar Stunden in den Fluss geworfen hatte - und hievte sich an Land. Scarlett stand auf und lief zu ihm. Sie ignorierte den Schwindel, der sie wieder gen Boden ziehen wollte und kniete sich am Ufer neben ihm nieder. Matt war bereits dabei, mit seinem Dolch den Stoff des Beutels zu durchtrennen.
Als dies erledigt war, faltete er den Stoff auseinander und darunter lag jemand.
»Alessandro.«, keuchte sie fassungslos, obwohl sie es bereits geahnt hatte.
»Es…Es tut mir so leid.«, stammelte Matt. Seine Stimme brach.
Heiße Tränen rannen über seine Wangen. Noch nie hatte sie ihn so traurig erlebt. Am Boden zerstört. Zerrissen. Selbst als sein Bruder gestorben war, hatte er noch etwas Fassung behalten können. Doch nun ließ er sich auf den steinigen Boden des Ufers sinken. Er zitterte am ganzen Leib, und Scarlett war sich sicher, dass dies nicht nur an dem Flusswasser lag. Er vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte. Laut und herzzerreißend. Auch Scarletts Augen tränten. Sie konnte den Blick nicht von Alessandros leblosen blassen Körper abwenden. Er hatte stundenlang im Wasser des Flusses gelegen. Das konnte niemand überleben, auch nicht er. Alessandro war tot. Kein Ton entwich ihr, doch am liebsten hätte sie geschrien. Sie hätte Matt dafür gerne den Hals umgedreht, doch sie wusste, dass irgendetwas Kontrolle über ihn gehabt haben musste. Er wollte das alles nie, auch wenn es erschreckend gewesen war. Auch wenn er unverzeihliche Dinge getan hatte. Es war nicht seine Schuld. Und so saß sie bloß da und weinte stumme Tränen, um einen Jungen, den sie kaum gekannt hatte. Der sie nie hatte leiden können. Und doch fühlte sich sein Tod schlimmer an als all die Morde zuvor. Irgendetwas in ihrem Herzen hatte immer noch Gefühle für ihn. Sie konnte nicht loslassen und hatte es auch nie gekonnt. Aber jetzt war es zu spät, denn er würde nicht wiederkommen.
...
Sie saßen dort, minutenlang und schwiegen. Irgendwann beugte Matt sich vor, packte Alessandros reglosen Körper und schloss ihn ein letztes Mal in die Arme. Er hielt ihn eine ganze Weile fest, bevor es ihm gelang, ihm vorsichtig wieder auf den Boden sinken zu lassen. War er vorhin nicht blasser gewesen? Scarlett schluckte schwer. Sie wollte sich nicht von ihm verabschieden, doch es war unabdingbar. Und so umarmte sie ihn. Das erste und das letzte Mal. Sein Körper fühlte sich kalt und nass an. Seine Augen waren geschlossen und sie dachte unwillkürlich an das tiefe Grün und das zarte Braun. Sie wollte es nicht, doch es gab nur noch diese Gelegenheit. So näherte sie ihre Lippen den seinen, auch wenn sie in einer festen Beziehung war, es war ihr egal. Sie würde Alessandro nicht wieder sehen, und dies war momentan nun mal ihr einziger Wunsch. Aber kurz bevor sich ihre Münder trafen, spürte sie etwas. Ein Herzschlag. Zwei. Sein Herz schlug. Sie hatte keine Ahnung, wie das möglich war, doch es interessierte sie auch nicht. Alessandro lebte, alles andere war unwichtig! Schnell ließ sie von ihm ab. Seine Augen öffneten sich zaghaft und er blickte in Scarletts Gesicht.
»Was…?«, fragte er und blinzelte mehrmals, um richtig wach zu werden.
Jetzt war Scarlett nur noch mehr verwirrt, seine Lungen mussten bis oben hin mit Wasser gefüllt sein. Doch er sprach, atmete. Als wäre er nie ertränkt worden. Er war immer noch blass, doch langsam wurde er wärmer und sie spürte das Blut in seinen Adern.
»Du…du lebst.«, war das einzige, was sie hervorbrachte. »Wie ist das möglich? Du…warst tot.«
»Ich…Ich weiß es nicht.«, murmelte er nach einer Weile und drehte den Kopf.
Er erblickte Matt. Obwohl er gelitten haben musste unter dem Sauerstoffmangel, sprang er ohne mit der Wimper zu zucken auf und hechtete auf Matt zu. Dieser war zu überrascht und erleichtert darüber, dass Alessandro lebte, um sich davon zu machen. Mit aller Kraft, die er in seinem geschwächten Zustand aufbringen konnte, stieß er Matt in den nassen, schlammigen Boden des Flussufers.
»Verräter!«, schrie er Matt entgegen.
Vielleicht war er nicht so geschwächt, wie Scarlett erwartet hatte, denn Matts Arme liefen unter dem Druck von Alessandros Händen blau an.
»Ich war das nicht!«, rief er ihm unter Schmerzen entgegen und biss die Zähne aufeinander.
»Ich weiß was du getan hast!« Alessandro schien außer sich vor Wut.
»Mörder!«, brüllte er.
»Glaubst du wirklich, ich würde dir so etwas antun?!« Matt schien ihn mit seinem Blick anzuflehen. Auf seinem Gesicht klebten noch feuchte Tränen.
»Ich…Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll.« Er klang nachdenklich, ließ aber langsam von Matt ab.
»Ich war nicht ich selbst…irgendetwas stimmte nicht… Es war wie Gedankenkontrolle, aber anders.«, meinte Matt und stöhnte vor Schmerz auf, als er versuchte, seine Arme zu bewegen.
Alessandros Finger waren als rote Abdrücke zu erkennen, darunter und darum herum war alles bläulich verfärbt.
»Es waren Emotionen, die ich einmal hatte, aber das habe ich schon längst hinter mir gelassen. Doch sie flammten wieder auf. Hass und Wut.«, erklärte er. »Irgendwie war ich es… und dann auch wieder nicht.« Matt wartete nicht auf eine Erwiderung, um weiter zu erzählen, doch es fiel ihm sichtlich schwer, davon zu berichten. »Ich war noch irgendwo da, konnte aber nicht viel tun. Nur…«
»Der Schweiß!«, unterbrach ihn Scarlett. »Das warst du, oder?«
»Ich glaube schon.«, räumte er ein. »Aber es war ein einziges Chaos in meinem Kopf. Es war schrecklich. Ich konnte nichts tun, nur mit ansehen, wie ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben zu seinem Grab trug.« Er senkte den Blick. Er schien sich nicht zu trauen, Alessandro in die Augen zu sehen.
»Wo sind eigentlich Ruby und die anderen hin?«, fragte Scarlett, als sie bemerkte, dass die drei nicht mehr auf der Erde lagen.
»Shit!«, fluchte Matt. »Die sind bestimmt schon auf dem Weg zu den Hütern!«
Alessandro sah irritiert zwischen den beiden hin und her.
Scarlett erzählte ihm kurz, was passiert war, und dass Ruby, Skylar und Sascha die Hüter und daraufhin die Polizei informieren wollten.
»Dann sollten wir nicht mehr lange bleiben, schließlich wissen sie, dass wir hier sind.«, meinte er. Matt und Scarlett nickten.
»Aber wohin sollen wir?«, fragte Matt.
Alessandro kratzte sich nachdenklich am Kopf. Vielleicht war es auch Unentschlossenheit. »Wir könnten zu meiner Mom, sie wohnt zwar nicht so nahe, aber immer noch in L. A.«
»Okay, dann gehen wir.« Scarlett stand auf. Sie war weiterhin wackelig auf den Beinen, wollte sich aber nichts anmerken lassen.
»Soll ich dich stützen?«, fragte Matt mit einem Blick auf ihre zittrigen Knie.
»Nein.«, erwiderte sie. »Mir geht es gut.«
Er sah sie noch einen Moment an, bevor er sich vom Boden ab stieß und den Fluss entlang schritt. Alessandro tat es ihm gleich und folgte ihm. Scarlett lief hinter ihnen her und spürte wieder diesen Schwindel, der sie an den Boden fesseln wollte, so wie Matts Fesseln es vor wenigen Stunden noch taten. Doch sie ging weiter, Schritt für Schritt und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass der Einsatz ihrer Magie sie dermaßen geschwächt hatte. Allerdings wurde es für sie immer schwieriger, dem Drang, sich einfach fallen zu lassen, nicht nachzugeben und gleichzeitig ihr Tempo zu halten. Alessandro und Matt entfernten sich immer weiter vor ihren Augen. Und dann war es vorbei. Ihre Beine gaben unter ihr nach und Scarlett sackte auf den Boden. Dann ließ sie sich in den tiefen Abgrund der Bewusstlosigkeit fallen.
...
Sterne funkelten schwach am Himmel, waren allerdings kaum zu erkennen. Der Mond gab ein kaltes weißes Licht von sich, das wenigstens für etwas Helligkeit sorgte. Sie spürte die warme Decke unter ihren Händen, in die sie gehüllt war. Es war völlig still, bis auf ein paar Autos, die zu hören waren. Kopfschmerz pochte in ihrem Kopf, dennoch setzte sie sich vorsichtig auf. Unter ihr sah sie Dachziegel. Sie war auf einem Dach. Diese Feststellung bereitete ihr im ersten Moment Schrecken, aber als sie sich weiter umsah, entdeckte sie Alessandro, der ein Stück entfernt ebenfalls auf der flachen Dachschräge saß. Die Beine überkreuzt und auf die Hände gestützt betrachtete er den tintenblauen Nachthimmel über ihnen. Sie erinnerte sich, was passiert war und zuckte kurz zusammen, wobei ihre Nägel ein kratzendes Geräusch auf den Dachziegeln verursachten. Ruckartig wandte Alessandro den Blick vom Himmel ab und sah zu Scarlett hinüber. Er schien nicht bemerkt zu haben, dass sie aufgewacht war.
»Geht es dir gut?«, wollte er wissen.
Sie nickte zögerlich. »Wo sind wir hier?«
»Auf dem Dach des Hauses meiner Mom.« Er sprach darüber, als hätte er nie hier gelebt, doch sie wusste, dass es bevor er auserwählt wurde, sein Zuhause gewesen war.
»Wieso hast du mich hier rauf gebracht?« Es war bitterkalt, doch die kuschelige Decke wärmte sie. Trotz dessen fröstelte sie leicht.
Er gab keine Antwort. Er schien mit sich zu ringen, ob er ihr sagen sollte, weshalb sie hier waren und blickte unruhig umher. Letztendlich schien er sich dann doch dazu zu entscheiden, etwas zu erwidern.
»Ich dachte, es würde dir gefallen.« Seine Stimme war leise, wie ein Säuseln im Wind. Er wich ihrem Blick aus und sah wieder in den nacht dunklen Himmel.
Sie wagte es, sich weiter umzusehen, und entdeckte hinter ihnen auf dem Dach ein offenstehendes Fenster, wodurch sie vermutlich hierher gelangt waren. Der Wind blies ihr kühl ins Gesicht und durch die Haare, was allerdings nicht ungewöhnlich war für eine Nacht im Dezember.
»Ich bin mir sicher, dass T. S. O. M. für das, was mit Matt geschehen ist, verantwortlich ist.«, sagte Alessandro. Man hörte, wie er sich beherrschen musste, um in gemäßigtem Tonfall zu sprechen. »Ich schwöre dir, dafür - dafür, was sie Matt, was sie dir und auch mir angetan haben - dafür werden sie büßen!«
Ein Geräusch wie von berstendem Stein war zu hören und Scarlett zuckte instinktiv zusammen. Als sie sich um blickte sah sie, dass der Dachziegel unter Alessandros linker Hand gesprungen war.
»Warst du das?« Er wusste, was sie meinte, fragte aber dennoch scheinheilig nach.
»Der Dachziegel.« Sie war nicht in der Stimmung, sich scharfe Wortgefechte mit ihm zu liefern und gab eine einfache Antwort.
»Ja, das Haus…ist sehr alt. Viele der Ziegel sind brüchig, ebenso wie das Mauerwerk und brechen schon bei geringem Druck.« Er legte seine Hand auf einen noch heilen Ziegel.
Er hatte Glück, dass keine Stücke aus dem Stein des Dachziegels gebrochen waren und sich in seiner Haut verfangen hatten. Sie fuhr selbst einmal mit ihrer Hand über mehrere der Ziegel, doch spürte nichts von ihrer Zerbrechlichkeit, als sie sachte darauf drückte. Sie waren alt, ja, aber instabil…nicht wirklich. Sie fragte ihn jedoch nicht danach, da sie wusste, dass er ihre Frage nicht beantworten würde.
»Es ist schon lustig.«, meinte sie irgendwann und wandte sich ihm zu.
»Wovon redest du?« Die Verwirrung war ihm mehr als deutlich anzusehen.
»Bald ist Weihnachten.«, fuhr sie fort und ihr wurde bewusst, wie viel Zeit schon vergangen war, seit sie auserwählt wurde. »Und statt sich Gedanken um die Deko, das Essen und die Geschenke zu machen, sind wir hier.« Wobei hier mehr metaphorisch gemeint war, als dass sie wirklich einen Ort meinte. »Und versuchen, etwas aufzuhalten, von dem wir nicht einmal wissen, wie mächtig es ist.« Ihre Augen richteten sich wieder auf den Himmel, an dem im Horizont langsam die Sonne aufging und die Welt mit Licht erfüllte.
»Das ist mir egal.«, erwiderte er. »Wir sollten es wenigstens versuchen.« Seine Worte waren fest und von tiefer Überzeugung, doch selbst er konnte die Zweifel nicht aus seinen Augen vertreiben. »Dafür wurden wir auserwählt. Um die Menschen vor der Magie zu schützen. Und dieser Pflicht, werde ich auch nachkommen.«, sprach er weiter. »Egal, ob du denkst, dass wir dazu nicht imstande sind. Egal, wie unsere Chancen stehen. Was glaubst du wohl, wie das Leben funktioniert?« Seine Augen funkelten herausfordernd. Doch er fuhr unbeirrt fort. »Man muss kämpfen. Um alles. Denn wenn du es nicht tun würdest, hättest du längst alles verloren was dir kostbar ist.«
In seinen Augen lag ein unverkennbares Strahlen - er wusste, wovon er sprach. Sie hatte nichts zu erwidern auf seine Worte. Alles was er gesagt hatte, kam ihr unwirklich, nicht real vor, aber je mehr sie darüber grübelte, desto mehr Sinn ergab es. Als ihr Vater gegangen war, hatte sie gekämpft, um ihretwillen. Ihr Leben war ihr zu wertvoll gewesen, um es wegen eines Mannes, der sie nie wieder sehen wollte, wegzuwerfen. Sie hatte gekämpft. Und jetzt musste sie wieder kämpfen, um das Leben von Menschen, die ihr zu kostbar waren, um sie zu verlieren.
Sie saßen still auf dem Dach und betrachteten eine Weile den Sonnenaufgang. Der Himmel strahlte in den unterschiedlichsten Farben, von einem hellen Blau-Grau über ein zartes Violett hin zu einem samtigen Orange.
»Du hattest recht.«, merkte sie an.
»Hab ich das nicht immer?«, fragte er mit einer Spur Arroganz in der Stimme.
Sie schnaubte genervt. Er rückte ein Stück näher und knuffte sie mit dem Ellbogen leicht in die Seite.
»Was soll das?«
»Okay, ich höre ja schon auf.«, mahnte er sich selbst. »Aber was genau meinst du, womit ich Recht hätte.«
Seine Neugier war ihm angesehen. Sein Blick wurde unruhig, als sie nicht sofort antwortete.
»Damit, dass es mir gefallen würde.«, gestand sie dann dennoch, auch wenn es ihr gefiel, wie gebannt er auf ihre Lippen starrte.
Mittlerweile war die Sonne komplett aufgegangen und beleuchtete die Welt wie eine goldene Münze.
»Wir sollten bald gehen, Matt wacht sicher bald auf.« Er fuhr sich verlegen durch die Haare. Scarlett konnte fühlen, dass ihm die Situation unangenehm war.
Über Matt hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Ob es ihm gut ging? Doch Alessandro meinte, er hätte hier geschlafen, weshalb sie hoffte, dass es ihm zumindest physisch gut ging. Sie selbst spürte immer noch die schmerzende Stelle an ihrem Kopf, auf die Matt mit dem Brecheisen eingedroschen hatte. Scarlett verschränkte ihre Finger mit denen von Alessandro, als er dabei war aufzustehen. Er hielt in der Bewegung inne und ließ sich noch einmal neben ihr nieder. Er sah sie unverwandt an, beugte sich dann jedoch vor und flüsterte ihr zu: »Ich weiß, wie du mich am Fluss angesehen hast, was du tun wolltest.«
Scarlett durchfuhr ein kurzer Schock. Sie wusste nicht, wie viel er mitbekommen hatte. Wusste er, dass sie ihn hatte küssen wollen?
»Das solltest du in Zukunft lieber lassen.«, meinte er. »Zu deinem eigenen Wohl.«
Er beugte sich noch weiter vor und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn, was den Schmerz, den seine Worte verursachten, nur noch mehr schürte. Ein bittersüßes Versprechen. Er hatte keine Gefühle für sie. Zumindest nicht solche, wie sie sich erhoffte. Sie wusste, dass sie ihn aufgeben musste. Sie hatte Kane, reichte das nicht? Sie hätte schon vor langer Zeit aufhören sollen, etwas für ihn zu empfinden. Doch sein Blick machte es ihr schier unmöglich, dieser Vernunft zu folgen.
Dann befreite er seine Finger aus ihren und erhob sich. Scarlett sah ihm nach, wie er auf das offene Fenster zu ging, ehe sie realisierte, dass auch sie aufstehen und ins Haus gehen sollte. Sie kam zittrig auf die Beine und folgte ihm mit langsamen, zögerlichen Schritten. Auch, wenn es immer noch schmerzte, glaubte sie, dass sie nun bereit war. Bereit, ihn aufzugeben und weiter zu leben.
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