23 T. S. O. M.
Liebe Samantha, liebe Scarlett,
wenn ihr das hier lest, bin ich tot. Es ist in Ordnung und ich bin glücklich damit. Seit Scarlett ihre Magie erhalten hat und ich wusste, dass soetwas existiert, konnte ich einfach nicht mehr ohne Magie leben. Ich wollte mich den T. S. O. M. anschließen, denn sie gaben mir Hoffnung. Auch, wenn es mich nun das Leben gekostet hat. Ich werde euch vermissen. Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen.
Eure Amanda
Scarletts Wangen waren feucht, ebenso wie ihre Augen. Sie fragte sich, ob sie Amanda vielleicht noch hätte retten können, wenn sie mehr für sie da gewesen wäre. Doch ein Teil des Briefes machte sie stutzig. T. S. O. M. Was hatte diese Abkürzung zu bedeuten? Vielleicht hatten sie endlich einen Hinweis auf den Mörder.
Es war Morgen. Matt stand vor dem Büro seines Vaters. Er musste mit ihm nochmal über die Morde sprechen. Auch, wenn er nur wenig Hoffnung hatte, etwas Neues zu erfahren. Nachdem er geklopft hatte, ertönte eine tiefe Stimme.
»Herein.«, rief Mr. Lyall.
Matt trat ein und setzte sich auf den alten Ledersessel an der linken Wandseite.
»Dad«, begann er. »Ich wollte wissen, ob du irgendetwas neues herausgefunden hast?«
»Wenn du mit ›Neues‹ meinst, dass ich jetzt weiß, dass es vermutlich mehr Verschwörungstheoretiker gibt, als man zählen kann, dann ja, ich hab was neues herausgefunden.«, scherzte er. Matt hasste es, wenn sein Vater das tat. »Allerdings glaube ich eher, dass du wegen der Morde hier bist. Leider muss ich dich da enttäuschen, denn ich konnte nicht einmal ansatzweise nützliche Informationen dazu finden.« Er seufzte.
Matt setzte zu einer Antwort an, jedoch klopfte es in diesem Moment.
»Herein.«, rief sein Vater wieder,wobei es dieses Mal mehr wie eine Frage klang.
Ein blondes Mädchen öffnete die Tür und trat vorsichtig ein.
»Ich glaube, ich habe vielleicht einen wichtigen Hinweis auf den Mörder.«, sagte Scarlett mit fester Stimme.
Ihre Miene war finster, aber entschlossen.
»Was? Wie?«, fragte Matt vollkommen verwirrt.
»Weißt du noch, dass du mir gestern Abend diesen Brief von Amanda gegeben hast?«
»Ja, aber…« Er überlegte.
»Ich glaube Amanda hat uns einen Hinweis auf ihren Mörder gegeben.« Scarlett war überzeugt von dem, was sie sagte.
»Wie wäre der?«,mischte sich Mr. Lyall ein.
»Haben Sie schon Mal die Abkürzung T. S. O. M. gehört?«, fragte sie.
»Hmm, ich glaube nicht, aber ich werde auf jeden Fall nachsehen, was ich im Internet dazu finden kann.«
Während Mr. Lyall recherchierte, kam Scarlett auf Matt zu.
»Ich glaube wir sind wirklich nah dran weiter zu kommen.«, sagte sie enthusiastisch.
»Ich hoffe es.«, erwiderte er.
Als sein Vater immer länger zu recherchieren schien, verließ Scarlett den Raum wieder und bat Matt ihr später zu berichten, ob er etwas herausfinden konnte.
Matt saß immer noch auf dem Sessel, dessen Leder schon ganz verfärbt und abgenutzt war. Seine Gedanken machten Sprünge, was, wenn auch diese Spur ins Leere führte? Sie hatten keine weiteren Anhaltspunkte mehr. Vermutlich würden die Morde immer weiter fortgeführt werden. Immer mehr Menschen würden ihr Leben verlieren.
»Ich habe etwas!«, rief Matts Vater plötzlich.
Sofort sprang Matt auf und stürmte auf Ryan Lyall zu, um einen Blick auf dessen Laptop zu erhaschen. Die Website, die aufgerufen worden war, wirkte auf den ersten Blick sehr schlicht. Doch der Name zog Matts Aufmerksamkeit augenblicklich auf sich:
𝕋. 𝕊. 𝕆. 𝕄.
»Es gibt nicht wirklich viele Daten auf der Seite, vermutlich das meiste verschlüsselt. Ich werde jedoch versuchen, ein paar nützliche Informationen zu finden.« Die Stimme seines Vaters klang hoch konzentriert.
»Konntest du schon herausfinden, was es mit dieser Abkürzung auf sich hat?« Matt versuchte, sich seine Ungeduld nicht zu sehr anmerken zu lassen.
»Nein, aber ich werde mich auf jeden Fall darum bemühen.«, versprach er ihm.
Matt warf einen letzten Blick auf den Laptop und seinen Vater, bevor er sich umdrehte und den Raum verließ.
Er ließ seine Hände aufleuchten und sie ein paar feurige Funken sprühen. Es war eines der wenigen Dinge, die momentan noch etwas Ruhe in ihn einkehren ließen. Der Trainingsraum war leer und er war allein. Immer wieder ließ er sein Kairé glühen. Das golden schimmernde Gelb beruhigte ihn jedoch nicht, weshalb er mit ein paar Flammen die brandfesten Matten Feuer fangen ließ.
»Mal wieder die Wut über deine eigenen Gedanken raus lassen?«, neckte ihn eine vertraute Stimme.
Es war eine hohe weibliche Stimme, die ihm schon den einen oder anderen Nervenzusammenbruch bereitet hatte. Alessandro gab sein Training erst einmal auf und wandte sich Sienna zu, die ihn selbstgefällig musterte.
»Du hast doch keine Ahnung.«, gab er zurück.
»Von diesem ganzen Magie-Kram vielleicht nicht, aber du siehst gerade eher danach aus, als wolltest du jemandem den Kopf abreißen.« Ihr Lächeln war weder freundlich noch unfreundlich. Es war die typische Art, wie sie ihn ansah, wenn sie sich ihm als ältere Schwester überlegen fühlte.
»Ja, das stimmt. Und zwar dir.«, erwiderte er. »Lässt du mich jetzt weiter trainieren?«
»Gut, wenn das so ist, du weißt ja, wie du mich erreichst, falls du dich doch bei mir ausheulen willst.« Damit machte sie auf ihren hochhackigen Schuhen kehrt, warf sich die dünne Cordjacke über, die sie über ihrem Arm hängen hatte während ihrer Anwesenheit, öffnete die Tür und verschwand.
Allerdings hatte sie es geschafft, Alessandros Gedanken wieder in eine Richtung gehen zu lassen, die er unbedingt hatte vermeiden wollen. Er musste wieder an die letzte Woche denken. An diesen Abend, an dem er zusammen mit Scarlett in den Fluren gestanden und auf Matt gewartet hatte. Scarlett wusste nicht, was er am Telefon gesagt hatte, doch ihm waren die Worte nur allzu gut in Erinnerung geblieben. Matt hatte gewollt, dass er und Scarlett Zeit verbrachten. Er hatte anscheinend gedacht, es würde zwischen den beiden funken. Doch da hatte er sich gewaltig geirrt. Denn er und Scarlett waren vermutlich das, was man unter dem Begriff Bekannte verstand. Nicht mehr und nicht weniger. Sie mussten dadurch, dass sie beide Auserwählte waren, miteinander auskommen, doch mehr eben nicht. Doch Matt schien das nicht verstehen zu wollen. Eigentlich hätte es Alessandro sogar klar sein müssen, dass, wenn nicht Matt, er mit Scarlett eine Liebesbeziehung führen sollte. Aber das würde nicht passieren.
»Alessandro!«, rief jemand völlig außer Atem.
Genervt drehte er sich um und sah in Matts Gesicht.
»Lass mich bitte in Ruhe trainieren! Du hast mir in letzter Zeit genug zugesetzt.«
»Darum geht es nicht. Wir haben einen guten Hinweis auf den Mörder! Allerdings scheint die Website, die mein Dad gefunden hat, verschlüsselt zu sein. Und ich wüsste vielleicht, wer uns da helfen könnte.«, fügte er hinzu.
»Also…ich nicht.«, folgerte Alessandro.
»Nein,doch nicht du! Aber ist Siennas Freund nicht im IT Bereich tätig?«
»Schon, aber er hat nichts mit der Magie zu tun. Wie sollen wir ihm erklären, dass er geheime Daten entschlüsseln soll?«, fragte er, immer noch nicht überzeugt.
»Fragen wir doch Sienna, sie kennt ihn von uns schließlich am besten.«,sagte Matt leicht hin. »Weißt du wo sie im Moment ist?«
»Sie war eben hier, sie müsste also noch in der Station sein.«, überlegte Alessandro.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte Matt sich ab und stürmte durch die Tür.
»Hey, warte!«, rief Matt, während er das braunhaarige Mädchen mit der Cordjacke am Arm festhielt.
»Ey, lass das! Bist du nicht der komische Freund meines Bruders?«, fragte Sienna und musterte ihn abfällig.
»Ooh, ist ja gut, bist du immer so…desinteressiert?« Er ließ Sienna los und hielt die Hände in die Höhe.
Sie öffnete den Mund, die Brauen missbilligend zusammengezogen.
»Warte.«, schnitt Matt ihr hastig das Wort ab. »Wir brauchen deine Hilfe!«
»Was? Mein kleiner Bruder braucht Hilfe? Ist ehrlich gesagt nicht wirklich überraschend, allerdings hätte ich nicht gedacht, dass er mich darum bittet. Und erst recht nicht, dass er das über dich tut.«, erwiderte sie misstrauisch.
»Nein.« Er fuhr sich etwas hilflos durch die Haare. »Wir, also ich, Alessandro und Scarlett, brauchen die Hilfe von deinem Freund.«
»Du meinst Nathan?« Nun schien sie tatsächlich verblüfft.
Matt nickte heftig. »Ja, er hat doch viel mit IT zu tun, oder?«
»Schon…aber was wollt ihr verdammt nochmal von ihm?!« Sie schien wirklich etwas aufgebracht zu sein.
»Die Kurzfassung?«, gab Matt nach.
»Jedes Detail.«,bestand sie.
Dann begann er zu erzählen.
Eine Woge feuriger Hitze umgab sie. An ihrem ganzen Körper, von oben bis unten. Wie ein Feuer, das sich über ihre Haut legte und sie kitzelte, als wäre es nur ein sanfter Hauch des Windes. Und dieses Feuer gefiel ihr, es gefiel ihr sogar sehr. Es streichelte ihre Haut, verführte sie. Ein Gefühl, von dem sie nie genug bekommen könnte. Vor ihr saß der, der es auslöste. In Kanes Augen spiegelten sich diese Gefühle ebenfalls, was Scarletts Herz nur noch heftiger gegen ihre Brust hämmern ließ. Sie ließ ihre Hände von seinen Schultern zu seinem Kopf hochwandern und fuhr mit ihren Fingern durch seine seidigen Haare. Noch nie in ihrem Leben hatte sie jemanden auf diese Weise berührt. Bei ihm wusste sie es nicht. Vielleicht hatte er schon die ein oder andere Freundin gehabt. Während ihr dieser Gedanke kam, merkte sie, dass sie immer mehr von ihm abließ. Ihre Küsse wurden schwächer und weniger intensiv. Ihre Berührungen entfernten sich weiter, bis sie ihn nach Luft ringend anblickte. Auch sein Atem ging schnell, in seinen Augen spiegelte sich seine Verwunderung.
»Ist irgendwas?«, wollte er wissen, während sein Blick an ihr auf und ab wanderte.
»Nein…ist schon gut.«, winkte sie ab. »Oder…naja…für mich ist es das erste Mal, dass ich einen festen Freund habe…und ich habe mich gefragt, wie das bei dir ist?« Sie hörte selbst, wie unsicher und nervös sie klang.
Doch sie konnte ihm vertrauen. Sie liebte ihn und wenn er dasselbe für sie empfand, dann würde sich nichts zwischen ihnen ändern. Er schien sich unschlüssig zu sein, denn er zog die Brauen zusammen und musterte sie auf eine eigenartige Art.
»Ich weiß nicht, ob du sie kennst, aber es gab da mal ein Mädchen. Ihr Name war Susanne Beleur. Wir waren fünfzehn, es war nichts ernstes. Nur hier und da ein paar Zärtlichkeiten. Allerdings tat sie das nicht nur bei mir, es gab viele Jungs in der Stadt, die ein gewisses Interesse an ihr hatten…« Er legte eine Pause ein und drehte den Kopf leicht zur Seite. Man konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel das hier zu erzählen. »Tja, eines Tages, war sie verschwunden.«, beendete er.
»Nicht jede Geschichte hat ein Happy End.«, sagte er kühl, als er das Mitgefühl in Scarletts Miene erkannte.
Er wandte sich ab und entfernte sich etwas von ihr. Sofort sprang Scarlett von seinem Bett auf, zog sich ihr Shirt wieder über und berührte ihn vorsichtig an der Schulter.
»Ich liebe dich, das weißt du, ja?« Sie wusste, dass es nichts bringen würde ihm ihr Mitleid aus zu sprechen, deshalb versuchte sie ihm zu helfen, indem sie für ihn da war.
Ihm zeigte, dass er mit ihr reden konnte, wenn er denn wollte. Kane drehte ihr zaghaft das Gesicht wieder zu, vorsichtig streckte er seine Hand aus und berührte ihr Gesicht. Er fuhr ihre Wangenknochen entlang, abwärts über ihren Kiefer zu ihrem Hals.
»Um das zu wissen, brauche ich keine Worte.«, flüsterte er und beugte sich nach vorn, um seine Lippen erneut auf ihre zu pressen.
Der mittlerweile vertraute Geschmack von Minze und Alkohol, der auch seinen Duft stets begleitete, breitete sich in ihrem Mund aus. Seine Zunge schlang sich um ihre, spielte mit ihr. Sie grub die Finger in sein Shirt und schmiss ihn auf das Bett. Sie liebte dieses Gefühl, was er ihr gab und auch sein Verständnis für all ihre Probleme. Sie wünschte sich, dass das hier niemals enden müsste…
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