Fiebertraum

Je näher ich der Mauer und dem Osttor kam umso mehr bemerkte ich wie schwach und ausgelaugt ich eigentlich war. Ich konnte kaum aufrecht auf dem Sattel sitzen und Elijah lief ganz von allein auf die Mauer zu. Meine Augen wurden immer schwerer, so dass ich fast nur noch verschwommen sehen konnte. So konnte ich nicht einmal ausmachen wie weit es noch war oder wie lange ich noch durchhalten musste. Mein Brustkorb Schmerzte und schnürte mir die Luft ab. Plötzlich spürte ich Schmerzen in meinem Fuß die zuvor nicht da waren. Dann hörte ich das tiefe grollen der sich öffnenden Tore, die Glocke die die Rückkehr des Außenteams verkündete und das Gemurmel unzähliger Menschen die hinter dem Tor ungeduldig auf Überlebende warteten.
Ich ließ mich vom Sattel rutschen. Als meine Füße auf den Boden aufkamen fuhr ein stechender Schmerz durch meinen gesamten Körper und ich sackte beinahe zusammen. Doch da ich mich noch am Sattel festhielt blieb ich stehen. Als ich mich mit verschwommenem Blick der Menge zuwandte sah ich das jemand auf mich zu rannte, mich umarmte und an meinen Schultern rüttelte. Ich Erkannte sie nicht oder verstand was sie sagte, aber ich war mir sicher, dass es Liv sein musste. Wer sonst sollte sich solche Sorgen um mich machen? Wie in Trance versuchte ich die Beutel in meinen Satteltaschen zu suchen, aber ich war viel zu schwach um sie überhaupt zu öffnen. Aber ich musste dem Kommandanten sagen das mit den Zombies etwas nicht stimmte und das es was mit der Gestalt zu tun haben musste die ich im Wald gesehen hatte. Also beschloss ich loszulaufen, obwohl ich kaum etwas sehen konnte und mehr Humpelte als lief. Liv versuchte mich festzuhalten, sie schrie mich an, so dass ich sie sogar kurz verstehen konnte.
„Kate bleib stehen! Du bist verletzt!" doch ich lief einfach weiter.
„Kate!" sagte plötzlich eine feste Männliche Stimme. Sofort blieb ich stehen und konnte für einen Moment wieder klarsehen. Kilian stand vor mir und sah mich besorgt und voller Entsetzen an.
„Du musst in die Krankenstation" fügte er noch hinzu. Ich schüttelte den Kopf.
„Ich muss zum Kommandanten" hauchte ich und meine Knie begannen zu zittern.
„Er ist noch Bewusstlos. Was kann denn jetzt so wichtig sein das du deine Gesundheit gefährdest!?" fragte er nun und wirkte etwas verärgert.
„Er muss es erfahren" ich konnte kaum noch sprechen. Jeden Moment könnte ich das Bewusstsein verlieren.
„Was muss er erfahren Kate?" hakte er mit ausgestreckten Armen nach. Als wüsste er das ich jeden Moment umkippen könnte.
„Es... war... ein Hinterhalt" dann schwankte ich. Alles drehte sich und dann wurde alles Schwarz.

Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich schrecklich. Ich konnte meine Augen nicht öffnen, als hätte jemand Gewichte an meine Augenlieder befestigt. Ich konnte mich nicht bewegen, weil mein Körper sich anfühlte als würde ein schwerer Stein darauf liegen. Ich schwitzte und gleichzeitig war mir eiskalt. Gedämpft konnte ich jemanden am Fuß der Pritsche auf der ich Lag über mich sprechen hören.
„Sie hat zwei gebrochene Rippen, einen verstauchten Knöchel und eine Gehirnerschütterung. Nichts was man nicht behandeln kann. Was mir aber sorgen macht, ist das hohe Fieber" beschrieb unser Arzt meinen Zustand. Ich hörte das tiefe genervte Einatmen das mein Vater immer machte, wenn ich krank war.
„Sie wird damit schon fertig. Sie kannte schließlich das Risiko als sie ins Außenteam gegangen ist" kam es nun von meiner Mutter, als hätte ich mich Freiwillig zum Dienst gemeldet.
„Zeigt doch ein bisschen Mitgefühl. Sie hat ein Massaker überlebt!" hörte ich die zornige Stimme von Liv neben mir und ich meinte auch einen Kloß in ihrem Hals wahrzunehmen. Dann verlor ich wieder das Bewusstsein.

Ich fand mich in einem Dunklen Wald wieder. Die Baumkronen waren so dicht das kein Sonnenlicht hindurchdrang. Das kreischen unzähliger krähen schallte durch den Wald und ich war ganz allein.
„Hallo?" schrie ich verängstigt in den Wald. Dann hörte ich ein knurren und schlurfende Schritte die aus dem dichten Geäst auf mich zukamen. Panisch drehte ich mich hin und her, da es sich so anhörte als würde das Geräusch aus allen Richtungen kommen „Wer ist da? Zeig dich!" eine schwarze Gestalt mit unnatürlich Blauleuchtenden Augen tauchte wie ein schimmernder Lichtblitz vor mir auf und verschwand gleich wieder. Vor Schreck stolperte ich Rücklinks und fiel zu Boden. Das stöhnende Geräusch der Zombies tauchte aus den Wäldern auf und ich wusste nicht in welche Richtung ich fliehen sollte. Die Zombies die sich durch die schweren Äste der Tannen zwängten sahen anders aus als die die uns im Wald angegriffen hatten... sie... sie trugen eine Uniform... unsere Uniform „Nein... nein... das kann nicht sein... ich habe euch Verbrannt... ihr könnt keine Zombies sein!" schrie ich sie an, dann griffen sie mit ihren verwesten Händen nach mir. Ich stand auf und rannte. Ganz egal wo hin, ich rannte einfach. So lange bis ich über eine hochgewachsene Wurzel stolperte und in eine mit Blut gefüllte Grube stürzte. Hüfttief stand ich in Blut in dem Abgetrennte Arme schwammen. Sie bewegten sich, griffen nach mir und versuchten mich in die Tiefe zu ziehen. Ich schrie, schlug um mich und versuchte mich zu befreien, doch ich schaffte es nicht. Als mein Kopf in die Blutige Masse gezogen wurde, wachte ich wieder auf.

Schweißgebadet und schwer keuchend wachte ich auf und blickte direkt in das Antlitz der Mutter Maria.
„Bin... bin ich Tod?" fragte ich schwach.
„Nein Kate... du lebst" hörte ich Kilian der mit Kreidebleichen Gesicht neben mir saß. Ich beruhigte mich wieder und sah mich genauer um. Ich lag in der ehemaligen Kirche des Dorfes. Seit sie zu Beginn der Apokalypse als Lazarett benutzt wurde und jetzt ohne hin niemand mehr an einen Gott glaubte, wurde die Kirche heute wie eine Krankenstation für Langzeitkranke verwendet. Dumm nur das die Kirche am anderen Ende des Dorfes lag und die Kranken erst durch das halbe Dorf transportiert werden mussten. Noch so eine dämliche Idee des Bürgermeisters. Er glaubte es machte mehr Sinn die Krankenstation in der Nähe des Außenteams zu bauen, da sie seiner Meinung nach eher darauf zugreifen mussten. Jeder sagte ihm das es klüger wäre die Station an die Kirche zu integrieren, doch er wollte wie immer nicht hören.
Die Mutter Maria die ich also beim Aufwachen gesehen hatte, war nicht der Himmel, sondern eine Deckenmalerei die sich ungünstig passend direkt über meinem Bett befand. Ich wollte mir den Schweiß vom Gesicht wischen, doch als ich meine Hand heben wollte, waren diese ans Bett gefesselt.
„Warum bin ich gefesselt?"
„Du hast immer wieder Fieberträume in denen du um dich schlägst... nachdem du eine Schwester verletzt hast haben sie dich fixiert" erklärte Kilian mit belegter Stimme. Diese Albträume wiederholten sich immer wieder. Oft die gleichen, manchmal verändert. Doch der den ich zuletzt hatte, den träumte ich am häufigsten. Ich musste nicht darüber nachdenken was er zu bedeuten hatte... ich wusste es ganz genau. Es waren Schuldgefühle. Schuldgefühle den Soldaten gegenüber die ich nicht retten konnte. Schuldgefühle dem Kommandanten gegenüber dem ich einen Arm abgeschnitten hatte.
„Lebt der Kommandant noch?" fragte ich dann. Kilian schwieg einen Moment, was ich für ein schlechtes Zeichen hielt.
„Er hat knapp überlebt... wer auch immer ihm den Arm abgetrennt hat, hat ihm das Leben gerettet" erzählte er und ich konnte einen wütenden Unterton in seiner Stimme erkennen.
War er wütend? Auf den Kommandanten? Aber warum?
„Ich wars" gab ich schwach zu. Im Augenwinkel sah ich seinen entsetzten Blick. Er sagte jedoch nichts dazu. Wahrscheinlich fehlten ihm die Worte. Jedenfalls stand er nur auf um mir dann mit einem kühlen Lappen den Schweiß von der Stirn zu tupfen. Was eigentlich unnötig war, da sowohl mein Bett als auch meine Kleidung klatsch nass waren. Verträumt musterte ich sein Gesicht. Prägte mir jedes Detail ein. Seine schwarzen Haare die er nun kürzer trug als damals als ich ihn fand. Die Saphirblauen Augen mit denen er mich besorgt ansah ohne mir direkt in die Augen zu sehen. Die Sorgenfalten die sich auf seiner Stirn bildeten und der Stoppelbart der sein Markantes Kinn bedeckte. Ich wollte sein Gesicht berühren, ihm sanft über die Wange streichen, damit er aufhörte sich zu sorgen. Doch die Fesseln an meinen Händen erinnerten mich daran das ich das nicht konnte.
„Alles ok?" kam es plötzlich von ihm und ich bemerkte das er mir nun doch direkt in die Augen sah.
„Du hast ein schönes Gesicht" sagte ich ohne darüber nachzudenken oder es überhaupt laut aussprechen zu wollen. Kilian lachte auf.
„Da spricht wohl das Fieber aus dir" er legte das Tuch zurück in die Schale mit kaltem Wasser und wirkte nachdenklich.
„Ruhe dich aus. Ich sage den Schwestern Bescheid das du wach bist" dann ging er und ich starrte an die Decke von der die Wandmalereien auf mich herabsahen. Dann kamen bald die Schwestern um mich umzuziehen, abzuwaschen und um mein Bett frisch zu machen. Dabei sahen sie genervt aus, da sie genau wussten das ich sobald ich wieder einschlief wieder Albträume hatte und sie mit der Arbeit wieder von vorne beginnen konnten. Die ganze Prozedur strengte mich so an, dass ich tatsächlich kurz drauf wieder einschlief.

So ging es noch Tage weiter. Der Arzt wollte mich nicht entlassen, da er wollte das ich mich schonte, er wusste das sich die Soldaten des Außenteams nie daranhielten. Also behielt er mich so lange wie möglich in diesem Bett. Ich konnte es einerseits verstehen. Die Sorge meine gebrochenen Rippen könnten sich in meine Lunge bohren war schon ein guter Grund sich nicht zu sehr anzustrengen. Andererseits verloren wir jede Menge Zeit, da der Kommandant scheinbar nur dann bei mir war, wenn ich schlief. So sagten es mir jedenfalls die Schwestern. Also konnte ich ihm noch immer nicht von der drohenden Gefahr erzählen und ich wollte auch keinen boten schicken, da sich eine ganz bestimmte Sorge in meinem inneren breit machte.
Ich bekam mit das Liv, Jamie, Jana und Kilian regalmäßig nach mir sahen und mir heimlich Süßigkeiten brachten, welche die Schwestern hier nur ungern sahen. Als hätte die Apokalypse sie um Jahrzehnte zurückgeworfen. Einmal glaubte ich auch meinen Vater am Fußende meines Bettes stehen zu sehen. Meine Mutter kam mich nie besuchen.

Als die Schwestern endlich meine Fesseln lösten und ich mir meine geröteten Handgelenke rieb, nutzte ich die kurz darauffolgende Unachtsamkeit der Schwester aus um mich davon zu stehlen. In gekrümmter Haltung humpelte ich den steilen Weg in den unteren Teil des Dorfes hinab der direkt hinter dem Friedhof anfing der sich auf der anderen Straßenseite befand um die Beutel aus meiner Satteltasche zu holen. Ich wusste das sie da noch sein mussten, da es den Soldaten strengstens untersagt war in fremde Satteltaschen zu sehen. Also kämpfte ich mich bis zu den Ställen, bedacht nicht vom Arzt gesehen zu werden der in der Krankenstation nebenan arbeitete. Es war zum Glück gerade keiner im Stall, also schlich ich mich unbemerkt in die Sattelkammer und holte die Beutel heraus.
„Gut... man hat sie noch nicht entdeckt" stellte ich beruhigt fest und gleichzeitig rümpfte ich die Nase, als ich den Verwesungsgeruch bemerkte welche die Apparatur absonderte. Sofort machte ich mich auf den Weg zum Stützpunkt wo ich mich erst am Türrahmen anlehnen musste bevor ich eintreten konnte. Das Atmen viel mir nach wie vor sehr schwer.
„Kate! Sie sehen nicht so aus als hätten sie schon gehen dürfen" kam es gleich von Sullie der erschrocken vom Stuhl aufgesprungen war als ich die Tür aufgeschlagen hatte. Ich musste noch ein paarmal durchatmen ehe ich ihm antworten konnte.
„Ich habe ein Massaker überlebt.... und dem Kommandanten das Leben gerettet... ich gehe wohin ich will" knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen, da mich meine Gefangenschaft wie ich es schon fast nannte wütend gemacht hatte. Erstaunt sah er mich an, da er eine so direkte Art von mir nicht kannte. Ich selbst kannte sie nicht. Aber ich ignorierte es und stapfte mit schweren Schritten auf die Bürotür des Kommandanten zu.
„Er... will gerade niemanden sehen" versuchte er mich aufzuhalten. Ich hielt ihm die von Blut und Leichenflüssigkeiten getränkten Beutel entgegen.
„Das hier will er sehen" sagte ich mit Nachdruck. Sullie rümpfte die Nase und winkte mich weiter.

Energisch klopfte ich gegen die Tür und trat ein ehe der Kommandant mich darum bitten konnte. Der Kommandant saß an seinem Schreibtisch und sah mich für seine Verhältnisse etwas irritiert an.
„Nur zu. Treten sie ein" sagte er Sarkastisch. Kurz betrachtete ich ihn. Er war blass und man sah tiefe Augenringe unter seinen Augen. Offenbar schlief er nicht viel besser als ich. Sein linker Ärmel war ab den unteren Teil zu einem Knoten gebunden, dort wo zuvor noch der Rest seines Armes war. Ich schluckte schwer und stolperte näher auf seinen Schreibtisch zu. Zwanghaft versuchte ich stark und Selbstsicher zu wirken, so wie ich es bei Sullie gerade noch war. Doch die Schuldgefühle übermannten mich. Bevor er das merken konnte, legte ich ihm die Beutel auf den Tisch. Auch er rümpfte die Nase.
„Was ist das?" fragte er zynisch.
„Der Beweis..., dass wir angegriffen wurden"...

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top