Die Zwangsrekrutierung

Ich versuchte gar nicht erst mich aus dem festen Griff des Soldaten zu befreien. Mal abgesehen davon das ich niemals genug Kraft hätte aufbringen können. Was wäre meine alternative gewesen, wenn ich mich tatsächlich hätte befreien können? Die Welt außerhalb der Mauer war lebensfeindlich und gefährlich. Ich hätte wahrscheinlich keine Nacht hier überlebt ohne von einem Zombie gefressen zu werden. Also ließ ich mich ergeben und mich meinem Schicksal stellend zurück zum Osttor eskortieren. Wir kamen an einer langen Strickleiter neben dem Osttor an und mir viel ein das die Soldaten so schneller auf der anderen Seite der Mauer waren um im Wald zu Trainieren und um sich in der näheren Umgebung umsehen zu können ohne gleich die riesigen Tore öffnen zu müssen. Unsanft stieß mich der Soldat gegen die Strickleiter die oben am Rand befestigt war. Zwei Mauerwachen standen oben und sahen sich in der Umgebung um.
„Los hoch mit dir und mach bloß keine faxen" drohte der Soldat und ich fing an zu klettern. Dichtgefolgt vom Kommandanten und seinen Soldaten.

Auf der Mauer angekommen sah der Kommandant die Mauerwache ernst an. Diese wiederrum sah nur verwirrt zu mir.
„Sie sollten den Osten besser überwachen. Offenbar ist es hier für Zivilisten besonders leicht einen Abstecher in den Wald zu machen" schlug er vor. Er wusste genau das die Mauerwache nur auf die Befehle ihres eigenen Kommandanten hörte, dennoch nickte sie und holte anschließend die Strickleiter wieder rauf.
Als wir dann unten am Fuß der Mauer ankamen sah ich die zahlreichen Blicke die auf mich gerichtet waren. Die meisten mit Unverständnis im Blick und die anderen nur verwirrt. Ein Eiskalter Schauer durchfuhr meinen Körper und ich malte mir alle möglichen Szenarien aus, was jetzt für eine Strafe auf mich zukommen könnte. Im inneren der Mauer standen neben ein paar schaulustigen Zivilisten vor allem Soldaten des Außenteams, die dem Kommandanten direkt unterstellt waren. Dazwischen standen aber auch einige Soldaten der Stadtwache, die mit dieser Mission nicht einverstanden gewesen zu sein schienen. Augenblicklich kam der Kommandant der Stadtwache Noah Williams auf uns zu.
„Eine Zivilistin außerhalb der Mauer?" fragte er zornig und er musterte mich eindringlich während ich ihm nur schuldbewusst auswich.
„Ja, du solltest die Sicherheit der Mauer nochmal kontrollieren" stellte der Kommandant die Kompetenz seines Kollegen in Frage. Dieser verzog beleidigt sein Gesicht.
„Ich werde das mit Isabella besprechen" Isabella Jones, die Kommandantin der Mauerwache und damit die einzige Frau in einer Führungsposition. Es wäre beeindruckender gewesen, wenn sie nicht so übermäßig stolz auf ihren Erfolg wäre. Ich hingegen stand einfach nur da und wartete darauf das mein Schicksal besiegelt wurde. Im Augenwinkel sah ich wie Jamie in unsere Richtung kam. Er sah extrem besorgt aus, doch ich traute mich nicht ihn direkt anzusehen. Der Blick von Noah Williams glitt nun wieder zu mir. Er sah wütend aus und mein Herz schlug immer schneller gegen meine Brust.
„Ich werde sie für dich festnehmen" auch der Kommandant des Außenteams drehte sich zu mir um, er musterte mich nochmal und grinste dann schief.
„Nein, das wird nicht nötig sein" sagte er dann und er nickte seinem Soldaten zu der mich dann einfach losließ. Verwirrt rieb ich mir den Arm und sah dem Außenteam hinterher, die sich auf den Weg zu ihrem Stützpunkt machten. Auch die Stadtwache stand noch einige Sekunden verwirrt da, bevor sie ebenfalls gingen. Nur mein Vater der im Hintergrund stand, blieb und kam dann mit einem Enttäuschtem Blick auf mich zu.
„Was hast du dir nur dabei gedacht!?" fuhr er mich gleich an. Ich wich seinem Blick aus und weigerte mich etwas dazu zu sagen „Was soll nur aus dir werden?" fügte er noch enttäuschter hinzu, dann folgte er seinen Kollegen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, doch bevor ich den Tränen in meinen Augen nachgeben konnte, kam Jamie zu mir und nahm mich in den Arm.
„Hör nicht auf ihn" flüsterte er und ich löste mich wieder von ihm.
„Das bin ich schon gewohnt... mich stört das nicht mehr" an Jamies Blick sah ich, dass er mir das nicht glaubte. Er sprach aber nicht weiter darüber und blickte dem Schwarm Soldaten hinterher.
„Da hast du nochmal großes Glück gehabt" stellte er fest und schien auch nicht zu begreifen warum ich nicht sofort festgenommen wurde.
„Da wäre ich mir nicht so sicher" sagte ich Armreibend. Ich wurde das Gefühl nicht los das diese Sache etwas mit dem Gespräch zu tun hatte das ich belauscht hatte „Hör mal Jamie, ich will nicht das du Schwierigkeiten bekommst. Wenn die Kommandanten fragen ob ihr mir geholfen habt, wisst ihr davon nichts klar!?" fuhr ich ihn ernst an.
„Aber..."
„Nichts aber! Ich habe gewartet bis ihr Pause hattet und bin dann über das Gerüst geklettert. Verstanden!?" drängte ich weiter. Er schluckte und nickte dann. Erleichtert atmete ich aus und Jamie brachte mich trotz meiner Proteste nach Hause.

Kurz bevor ich den Garten unseres Hauses betreten konnte, kam meine Mutter gerade mit dem großen leeren Kochtopf vom Marktplatz zurück. Hausfrauen im inneren der Mauer waren dafür verantwortlich die Tagesrationen für alle herzustellen und auf dem Marktplatz zu verteilen.
"Kate! Gut das du da bist, du kannst mir gleich mit dem Abwasch helfen" forderte sie mich gleich auf und drückte mir den Topf in die Hand.
„Ok" kam es nur als leiser Ton aus meinem Hals.
„Was ist los mit dir? Hast du einen Geist gesehen?" scherzte sie, doch ich war mir nicht sicher ob ihr lachen nur gespielt war. Ich zwang mir ein Lächeln auf, da ich die Zeit noch genießen wollte bevor mein Vater nach Hause kam und ihr erzählte was ich für einen Mist gebaut hatte. Nach dem Abwasch verkroch ich mich in meinem Zimmer um dort auf die Konsequenzen meines Handelns zu warten.
Zwei Tage vergingen. Meine Eltern waren immer noch sauer auf mich und die Kommandanten hatten den Handwerken ziemlich auf den Zahn gefühlt. Doch sie konnten dem Druck standhalten und erlitten keinen Schaden durch mich. Man merkte Jamie aber den Stress durch die Verhöre noch immer an.

Zusammen mit Jamie und Liv spazierten wir durch die Straßen des Dorfes und auch Liv war von meiner Aktion nicht begeistert, sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch ich kannte sie schon mein ganzes Leben und wusste das ihre Angespannte Haltung und die Verkrampften Hände mir geschuldet waren.
„Kamen die Kommandanten nochmal auf dich zu?" fragte Jamie nach längerem Schweigen.
„Nein... es ist eigenartig. Ich habe gegen das Gesetz verstoßen und sie lassen mich einfach laufen? Was soll das?"
„Sei doch froh Kate! Ich bin jedenfalls froh das ich dich nicht ihm Stadtgefängnis besuchen muss!" protestierte Liv und es wirkte als hätte sich das die letzten zwei Tage in ihr schon aufgestaut. Bevor ich jedoch darüber nachdenken konnte, wie ich auf dieses Gefühlsausbruch reagieren sollte, sah ich eine verdächtig dichte Menschenmenge vor dem Schwarzen Brett auf dem Marktplatz stehen.
„Was ist denn da los?" die beiden folgten meinem Blick.
„Das letzte Mal war da so viel los, als unsere Tagesrationen reduziert wurden" stellte Liv besorgt fest.
„Ich hoffe das ist nicht schon wieder der Fall. Wenn wir noch weniger zu essen bekommen, kann der Bürgermeister auch keine großen Leistungen mehr von uns erwarten" motzte Jamie bevor wir zusammen zur Menschenmenge liefen. Je näher wir kamen umso merkwürdiger wurde die Situation. Die Menschen schimpften, schrien und weinten sogar. Einige brachen sogar auf dem Boden zusammen.
„Was ist hier los?" fragte ich mich leise.
„Das kann nichts Gutes bedeuten" kam es nur von Liv die sofort mit Jamie anfing denen zu helfen die auf dem Boden lagen. Ich hingegen drängte mich durch die vielen Menschen bis zum Schwarzen Brett hindurch. Daran war nur ein Einziger Handgeschriebener Zettel:

An die Bevölkerung,

Es ist kein Geheimnis, das unsere Vorräte immer knapper werden, die Expeditionen immer länger dauert und unsere Truppen immer kleiner werden. Während die Bevölkerungsdichte im inneren der Mauer immer weiter ansteigt. Es gibt viele Arbeiter und viele Wachen, jedoch fast keine Soldaten. Darum sind wir nun dazu gezwungen, 5% der Wachen, 2% der Arbeiter und 100% der 18-30-jährigen Bewohnern welcher keiner Gruppe angehören für das Außenteam zu Rekrutieren.
Für das Überleben der Mauer!

Henry Rider
Kommandant des Außenteams

Fassungslos starrte ich den Zettel an und konnte einfach nicht glaube was ich da las.
„Eine... Zwangsrekrutierung?" stammelte ich. Mir blieb die Luft im Hals stecken als sich die losen Puzzleteile in meinem Kopf zu einem Bild zusammenfügten „Hat der Kommandant mich deshalb laufen lassen? Weil er wusste das ich sowieso Rekrutiert werde?" fragte ich mich selbst, bevor ich mich mit einem fast schon Schneeweißen Gesicht aus der Menge befreite. Erst als ich es aus der Menge geschafft hatte, hatte ich das Gefühl wieder Atmen zu können. Mir war schlecht und ich überlegte ob ich mich übergeben musste.
„Kate!" rief mir Liv zu als ich auf meine Knie sackte und zu keuchen begann.
„Ich... ich gehöre jetzt zum Außenteam" keuchte ich panisch. Liv fehlten die Worte und sie nahm mich in den Arm. Auch Jamie stand geschockt neben uns.

Sie und Jamie brachten mich zurück nach Hause, wo ich wie ein Stein in mein Bett viel.
„Es wird sicher alles gut Kate" versuchte Jamie mich zu trösten, aber ich reagierte nicht darauf. Die beiden ließen mich alleine und sobald sie die Tür hinter sich schlossen, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich weinte und schrie so lange bis mein Kissen nass und ich völlig Erschöpft war. Dann fiel ich in einen unruhigen schlaf.
Ich wusste nicht wie lange ich geschlafen hatte, nur das mich der ruf meiner wütenden Mutter weckte.
„Kate! Da steht jemand für dich an der Tür!" ich schreckte hoch und bemerkte das es bereits Abend war. Mit aufgequollenen Augen raffte ich mich auf und lief die Treppe zur Haustür hinunter, wo meine Mutter wütend und mit verschränkten Armen auf mich wartete. Das ich geweint hatte schien sie zu ignorieren. So wie sie es auch früher getan hatte als ich weinend von der schule nachhause kam.
„Du gehörst zum Außenteam und sagst mir das nicht!" fuhr sie mich an. Verwirrt machte ich die Tür weiter auf um nachzusehen wer dort stand. Mir stockte der Atem als der Kommandant des Außenteams zusammen mit seinem Bruder dort standen. Sullie hielt die Uniform feinsäuberlich zusammengelegt in seinen Händen.
„Sie sind wohl nicht sehr gesprächig Mrs. Wulf" stellte der Kommandant seine Hypothese auf.
„Ach sie und reden. Ich wüsste nicht mal wo sie sich überall herumtreibt, wenn ihr Vater mir das nicht erzählen würde" motzte meine Mutter los ehe ich etwas dazu sagen konnte. Geschlagen senkte ich meinen Blick und starrte den Boden an. Ich wusste nicht was sich der Kommandant dabei dachte mich ins Außenteam zu stecken.
„Mom! Bitte" flehte ich fast schon. Schließlich hatte ich mich schon genug vor dem Kommandanten blamiert.
„Was denn!? Stimmt doch!" zischte sie mich an. Mit den Worten machte sie kehrt und lief in die Küche. Nervös stand ich nun alleine dem Kommandanten gegenüber. Mit einem auffordernden Blick sah der große Blonde Mann auf mich herab. Seine starren Eisblauen Augen schienen mir direkt in die Seele zu blicken. Als würde er etwas darin suchen.
„Ich nehme mal an, zu sagen das ich keinen Bock darauf habe, bringt nichts" fing ich mit gespieltem Selbstbewusstsein an zu sprechen. Der Kommandant lehnte sich mir entgegen und grinste mich schief an.
„Sie Mrs Wulf, genießen tatsächlich die Qual der Wahl. Sie haben gegen das Gesetz verstoßen. Das heißt, dass sie die Wahl haben der Zwangsrekrutierung nach zu geben, oder für den Rest ihres Lebens im Gefängnis der Stadtwache zu sitzen und uns als Zwangsarbeiter im Bergwerk zu dienen" ich schluckte schwer und griff dann Reflexartig nach der Uniform.
„Da wähle ich doch lieber den schnellen Tod.... Danke" sagte ich nur während ich das Blut in meinem Kopf rauschen hörte.
„Ich hatte gehofft das sie sich so entscheiden. Wir sehen uns morgen auf dem Trainingsplatz. Vier Uhr, seien sie pünktlich" dann ging er und ließ mich wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Als ich es dann wieder schaffte mich vom Fleck zu bewegen und die Tür hinter mir zu schließen, stand meine Mutter noch wütend hinter mir.
„Ich habe dir gesagt, dass es so enden wird, wenn du dich nicht endlich einer Gruppe anschließt. Nie hörst du auf mich" es klang als wollte sie das schon lange zu mir sagen. Enttäuscht lief sie an mir vorbei um ins Bett zu gehen. Ich wusste das auch ich ins Bett gehen musste, da ich in ein paar Stunden auf dem Trainingsplatz stehen musste. Doch wie sollte ich nach der Aktion schlafen?

Wie ich bereits vermutet hatte, lag ich wach im Bett und starrte die Uniform an die neben meinem Bett auf einem Stuhl lag. Es war als würde sie mich verspotten. Ich war nur froh das ich den Nachmittag über schon geschlafen hatte. Als die Uhr an meiner Wand anzeigte das es halb vier war, quälte ich mich wieder aus dem Bett und zog die Uniform an. Es war keine besondere Uniform. Sie bestand nur aus einer braunen Lederjacke, einer schwarzen Jeans, Kniehohe Lederstiefel und einer Weißen Bluse, bei der ich mir sicher war das ich sie nach jeder Expedition wegschmeißen konnte. Sofern ich meine erste überhaupt überleben sollte. Das Einzige was mir bei dieser Uniform etwas Sicherheit gab, war die hauchdünne Schutzweste die ich unter der Bluse trug. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob mich das wirklich vor den Zähnen oder den krallen der Zombies schützen konnte. Zuletzt hielt ich das Rekrutenabzeichen in meiner Hand. Ein vergoldetes Wappen mit einem senkrechten Schwert darauf und nach einem tiefen Atemzug steckte ich mir das Abzeichen an die Brusttasche der Lederjacke und blickte in den Spiegel. Ich sah müde aus und meine Haare hingen zerzaust an mir herunter. Erst nachdem ich meine Haare gekämmt hatte, zu einem straffen Pferdeschwanz hochgebunden hatte und mir mein Gesicht gewaschen hatte, sah ich wie eine Soldatin aus. Nie hatte ich vor mich so zu sehen, als Soldatin in einem Krieg gegen Untote. Doch es war kein Traum oder eine Fantasie die mir mein Hirn vorspielte um mich zu warnen. Nein. Ich war eine Rekrutin des Außenteams, ich war auf dem Weg für die Mauer zu sterben... 

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