Der Aufbruch

Fassungslos starrte ich ihn an.
„Was hast du gerade gesagt?" hauchte ich ohne glauben zu können was ich gerade gehört hatte und auch Kilian schien gerade erst zu begreifen was er zu mir sagte, denn er zog ruckartig seine Hand zurück.
„Ich... meine... ich will nicht, dass du Verletzt wirst" stammelte er, als würde er versuchen das ganze wie einen ungünstigen Versprecher wirken zu lassen. Dennoch spürte ich wie mein Gesicht rot anlief. Schnell blickte ich zu Boden in der Hoffnung das er es nicht bemerkte.
„Ich passe schon auf mich auf... du musst dir keine Sorgen machen" murmelte ich nun. Ich begriff diese gemischten Gefühle nicht die sich wie ein Schwarm Stare in meiner Brust ausbreiteten. Es war mir unangenehm und am liebsten hätte ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen um der erdrückenden Situation zu entkommen. Ich verstand einfach nicht warum sich Kilian und der Kommandant immer solche Gedanken um mich machten. Früher hatte sich auch nie jemand für mich interessiert und jetzt wo so viele Leute um mich herum waren und stehts ein Auge auf mich hatten, überforderte mich das so sehr, dass ich mich am liebsten in meiner Wohnung eingeschlossen hätte. „Ich... sollte jetzt schlafen... ich muss morgen noch einiges Vorbereiten" lenkte ich ab um endlich aus der Situation zu entkommen.
„Verstehe... gute Nacht Kate" verabschiedete sich Kilian mit geknickter Stimme und ging. Mit rasendem Herzen schloss ich die Tür und blieb noch eine Weile wie angewurzelt auf der Stelle stehen ehe ich mich wieder löste um mich schlafen zu legen.

Am nächsten Morgen ging ich nach dem Frühstück direkt in mein Büro um noch einmal meine Route für morgen zu planen. Es fiel mir schwer mich auf die Landkarte zu konzentrieren, da die Sache mit Kilian immer wieder seinen Weg in mein Gedächtnis suchte. Nach ungefähr einer Stunde klopfte es an meiner Tür und der Kommandant, der bei dem Chaos in meinem Kopf sicher nicht hilfreich war betrat den Raum.
„Guten Morgen Leutnant. Ich wollte mich nach den Fortschritten ihrer Mission erkundigen. Ich nehme an das sie Morgen sehr früh aufbrechen werden?" fiel er gleich mit der Tür ins Haus. Stutzig sah ich zu ihm auf und überlegte ob er mich mit dieser Frage testen wollte.
„Nein, tatsächlich werde wir erst gegen Mittag losreiten" nun wirkte er verwirrt.
„Wieso das?" kurz studierte ich die Karte die vor mir lag.
„Wegen der Kritischen Zone. Wir brauchen ca. einen halben Tag dorthin und wir können die Zone nur nachts während der Starre durchqueren. Wenn wir mittags losreiten sind wir zum Einbruch der Dunkelheit dort und können sicher durch das Dorf und dahinter an dem Kreisverkehr die erste Rast einlegen. Wenn dann die Sonne aufgeht können wir auf die Autobahn reiten noch bevor sich die Starre vollständig auflöst" der Kommandant schien noch einen Moment über meine Idee nachzudenken.
„Das ist... ein wirklich durchdachter Plan. Sehr gute Arbeit Leutnant" er klang ein wenig enttäuscht darüber mir keine Verbesserungsvorschläge darbieten zu können.
„Danke, Sir" sagte ich daher nur knapp. Er nickte und wollte gehen, blieb aber an der Tür noch einmal stehen.
„Mir ist aufgefallen, dass sie in letzter Zeit viel Zeit mit Kilian verbringen"
„Ich verbringe auch Zeit mit meinen anderen Freunden. Worauf wollen sie hinaus?" konterte ich. Im Augenwinkel sah er zu mir.
„Ich möchte sicherstellen, dass sie sich nicht ablenken lassen"
„Das tue ich nicht, Sir" bestätigte ich ohne zu verstehen worauf er damit überhaupt hinauswollte. Erneut nickte er und verließ dann mein Büro.

Nachdenklich sah ich mir nochmal die Liste des Arztes an die er für mich zusammengestellt hatte und ging dann mit dieser zu den Planwagen bei den Ställen, wo mein Team gerade damit beschäftigt war die Wägen für die morgige Mission vorzubereiten. Der Kommandant hat mir zwei Planwagenfahrer und fünf Soldaten zu Verfügung gestellt. Darunter Vina und wie ich in dem Moment feststellen musste:
„Elias?"
„Guten Morgen Leutnant. Ich hoffe sie sind wegen morgen nicht allzu aufgeregt" Perplex starrte ich ihn an.
„Bis gerade eben war ich das nicht. Was machen sie denn hier?"
„Ich werde sie natürlich begleiten" fast hätte ich die Lister fallen lassen.
„Aber sie sind nicht mehr im Außendienst und wer kümmert sich um die Waldpatrouille, wenn sie weg sind?" sprudelten meine Bedenken einfach aus mir heraus.
„Keine Sorge. Der Kommandant ist durchaus dazu in der Lage mich in der Sache zu vertreten. Außerdem bin ich als Planwagenfahrer eingeteilt und werde in das direkte geschehen im Krankenhaus nicht involviert sein. Der Kommandant sah es als durchaus nützlich für sie, wenn sie einen Erfahrenen Soldaten dabeihaben, den sie im Notfall um Rat fragen können" etwas enttäuscht sah ich ihn an und er verstand direkt die Zweifel die sich wieder in mir ausbreiteten „Er zweifelt damit keineswegs ihre Fähigkeit an. Uns ist allerdings allen Bewusst, dass dies ihre erste eigene Mission ist auf die der Kommandant sie nicht begleiten kann. Eine Vorsichtsmaßnahme, nichts weiter" beschwichtigte er mich gleich und das zu hören beruhigte mich wieder.
„Ich verstehe. Danke Elias... ich werde ihre Hilfe sicher brauchen" bedankte ich mich bei ihm und sah dabei zu Vina die mich während ihrer Vorbereitungen immer wieder Missbilligend ansah. Elias klopfte mir auf die Schulter.
„Sie bekommen das schon hin. Der Kommandant würde sie nicht alleine losschicken, wenn er nicht glauben würde, dass sie die nötigen Fähigkeiten dazu haben. Vina braucht nur etwas länger um das zu auch zu erkennen" mit den Worten machte auch er sich wieder an die Arbeit und als ich erkannte das alle Soldaten sich zuverlässig auf die Expedition vorbereiteten, konnte ich mit gutem Gewissen zur Waffenkammer gehen.

In der endlich fertiggestellten Waffenkammer, saß Kilian im hinterm Eck an einem Eckschreibtisch. Eine helle Lampe beleuchtete seinen Schreibtisch, während der restliche Raum eher schwach beleuchtet war. Je näher ich seinem Schreibtisch kam umso nervöser wurde ich und ich konnte mir einfach nicht erklären warum seine Gegenwart plötzlich so ein eigenartiges Gefühl in mir auslöste. Bisher schien er mich jedoch noch nicht bemerkt zu haben, da seine Konzentration voll und ganz auf den Dolch in seiner Hand gerichtet war.
„Hallo Kilian" sagte ich zurückhaltend. Er zuckte kaum merklich zusammen und sah zu mir auf.
„Kate? Brauchst du etwas?"
„Ja... ähm... ich wollte wissen ob du mit der Waffenliste für die Expedition fertig bist" kurz sah er mich nur an und schien zu überlegen was er mit meiner Frage anfangen soll.
„Sicher... ja" er fing an hektisch etwas auf seinem Schreibtisch zu suchen „Hier... ihr könnt eure Waffen morgen früh holen" fügte er noch hinzu.
„Danke" sagte ich knapp und wollte gleich wieder gehen.
„Kate?" hielt Kilian mich noch mal auf. Angespannt blieb ich stehen „Das mit gestern tut mir leid... ich wollte dich nicht so überfallen. Ich weiß das du dich gerade in keiner einfachen Lage befindest... und..."
„Ist schon gut Kilian" unterbrach ich ihn sachte und sah mit einem sanften lächeln zu ihm „Mach dir darüber keine Gedanken. Es ist alles gut" auch er lächelte nun.
„Dann bin ich ja beruhigt... ich wünsche dir noch einen schönen Tag"
„Danke, dir auch" sagte ich und verließ mit einem guten Gefühl die Waffenkammer.

Bis in die Nacht hinein war ich dann noch in meinem Büro damit beschäftigt alles für den morgigen Tag vorzubereiten. So lange bis ich mit dem Kopf auf meinem Schreibtisch liegend einschlief. Mitten in der Nacht schreckte ich hoch, als ich im Gebäude etwas scheppern hörte. Ich rieb mir die Augen und sah mich um und nachdem ich müde begriffen hatte das ich mich in meinem Büro befand, hörte ich erneut ein lautes Geräusch. Irritiert stand ich auf um nachzusehen was das war und als ich im Gang stand sah ich, dass im Büro des Kommandanten noch Licht brannte. Als ich näher herantrat hörte ich zwei Männliche Stimmen im inneren. Durch die verschlossene Tür klangen sie so gedämpft, dass ich sie kaum verstehen konnte. Durch das Gemurmel konnte ich aber heraushören, dass der Kommandant mit seinem Bruder Sullie sprach.
„Das war deine Entscheidung Henry!" wurde Sullie plötzlich so laut das ich ihn verstehen konnte. Meine Neugierde war unerträglich und ich wollte unbedingt wissen worüber sie mitten in der Nacht stritten. Als es sich dann so anhörte als würde der Kommandant seine Faust auf den Schreibtisch schlagen, zuckte ich zusammen.
„Es war nicht meine Entscheidung, sondern ihre! Sie und weitere fähige Soldaten werden sterben!" schrie er dann. Ein Schock durchfuhr meinen Körper und das Gefühl das er mich damit meinte. Er war wütend auf mich und darauf das ich für ihn diese Expedition übernahm. Ich wollte nicht mehr hören und kochend vor Wut und mit geballten Fäusten lief ich zur Kaserne um die restliche Nacht in meinem Bett zu schlafen.
Am nächsten Morgen ging ich erstmal ausgiebig Duschen, da ich nicht wusste wann ich das nächste Mal die Gelegenheit dazu hatte. Anschließend traf ich Kilian in der Kantine und Frühstückte mit ihm zusammen.
„Bist du nervös?" traute sich Kilian nach langem Schweigen zu fragen.
„Komischerweise nicht. Der Wille dem Kommandanten zu beweisen, dass ich dazu sehr wohl fähig bin ist aktuell größer als die Angst davor zu sterben" Kilian runzelte die Stirn und schien zu überlegen wie er darauf reagieren sollte.
„Das... ist gut. Ich meine, dass du nicht Nervös bist" murmelte er dann und aß schweigend weiter „Ich muss jetzt leider los, damit ihr eure Waffen abholen könnt" lenkte er dann ab und räumte sein Tablett auf.
„Ok... dann sehen wir uns später" stammelte ich unsicher. Kilian nickte zustimmend und verließ dann die Kantine.

Während die Soldaten damit beschäftigt waren die Planwagen für die Expedition vorzubereiten, begab ich mich zur Waffenkammer um die Verteilung der Waffen zu beaufsichtigen. In dem Moment als ich am Stützpunkt ankam, trat gerade der Kommandant heraus. Ich sah ihn nur wütend an und lief ohne ihn zu begrüßen an ihm vorbei. Er wirkte verwirrt, schließlich wusste er nicht das ich einen Teil seines Gesprächs mitgehört hatte. Bei Kilian in der Waffenkammer angekommen, sah ich wie er hektisch umherlief und die Waffen zusammensammelte.
„Kann ich dir irgendwie helfen?" fragte ich irritiert. Kilian zuckte zusammen, so als hätte er nicht bemerkt das ich den Raum betreten hatte.
„Du bist schon hier? Ich... bin noch nicht so weit" sagte er hektisch und begann gleich wieder seine Liste zu studieren.
„Wir haben noch Zeit. Stress dich nicht so" versuchte ich ihn zu beruhigen. Doch das half ihm nicht wirklich.
„Ich will einfach nichts vergessen. Das Schlimmste was passieren könnte, wäre das die Waffen kaputt gehen oder ihr zu wenig Munition habt" Kilian schien mit seiner Aufgabe völlig überfordert zu sein und das in dem Moment als ich ihm helfen wollte der Kommandant mit einem strengen:
„Wie laufen die Vorbereitungen?" hereinkam, sah ich Panik in seinem Blick.
„Alles bestens. Sir!" fauchte ich ihn plötzlich an ohne mich dafür zu schämen oder mich für meine Respektlosigkeit zu entschuldigen. Stille füllte den Raum in dem keiner so recht wusste was er sagen sollte. Ich beschloss hinaus zu gehen und hielt mich gerade noch zurück dem Kommandanten beim Vorbeigehen nicht meine Schulter in die Seite zu rammen.
Mit schnellem Schritt lief ich in Richtung Ställe, doch der Kommandant folgte mir.
„Leutnant!" rief er mir nach, doch ich reagierte nicht darauf und lief einfach weiter. Bis gerade eben war mir gar nicht bewusst wie sauer ich auf den Kommandanten tatsächlich war. Er holte mich schneller ein als mir lieb war und als er mich an der Schulter packte musste ich meinen Reflex unterdrücken ihm eine Ohrfeige zu verpassen, da ich es hasste einfach angefasst zu werden.
„Was ist los mit ihnen?" fragte er und ich wusste nicht ob er wütend, verzweifelt oder besorgt war. Womöglich eine Mischung aus allen drein.
„Was soll sein? Ich habe zu tun und sie sicher auch" maulte ich und versuchte seinem Blick auszuweichen.
„Sie werden in wenigen Stunden auf eine Gefährliche Mission gehen und sie wirken als wären sie von etwas abgelenkt. Was ist los?" drängte er und das machte mich nur wütender auf ihn, denn wenn er sich nicht so laut über meine Unfähigkeit beschwert hätte, wäre ich jetzt auch nicht abgelenkt.
„Wieso? Weil sie mich für unfähig halten und glauben das ich eh sterbe und alle anderen mit in den Tod reiße!?" dem Kommandanten fiel alles aus dem Gesicht.
„Sie haben mich belauscht?" ich verdrehte die Augen.
„Belauschen kann man das nicht nennen. Achten sie in Zukunft darauf ob sie alleine sind bevor sie ihre Zweifel in die Welt hinausschreien!" fuhr ich ihn an und wollte weitergehen, doch der Kommandant hielt meinen Arm fest.
„Wie viel haben sie gehört?"
„Ich habe genug gehört" knurrte ich. Dann riss ich mich los und lief weiter ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen.

Bei den Planwagen angekommen übernahm ich direkt die Kontrolle über die Situation. Was dem ein oder anderen Soldaten nicht so gefiel.
„Wir bekommen das auch ohne ihre Hilfe hin, denn im Gegensatz zu ihnen ist das nicht unsere erste Mission" beschwerte sich Vina gleich und wollte mir die Liste aus der Hand nehmen auf der stand welcher Wage für welche Aufgabe vorbereitet wurde.
„Haben sie sich schon von ihrer Familie verabschiedet? Wenn sie mir nicht vertrauen müssen sie schließlich davon ausgehen, dass sie nicht mehr wiederkommen" Vina zögerte, so als wüsste sie nicht was sie dazu sagen sollte.
„Ich habe keine Familie von der ich mich verabschieden könnte. Und sie?"
„Selbst wenn meine Familie noch mit mir reden würde, hätte ich das nicht. Denn ich glaube daran, dass wir das schaffen. Wenn ihr nicht daran glaubt, dann wenigstens ich" ich glaubte mir selbst nicht das was ich da sagte, doch mit den Worten und einem eher vorgespielten Selbstvertrauen, gab ich ihr die Liste die sie unbedingt haben wollte zurück und ließ sie mit ihrem Perplexen Gesichtsausdruck einfach stehen und ging mein Pferd vorzubereiten.

Wenige Stunden Später standen wir dann endlich ausgerüstet am Süd-Tor und die nächste Diskussion mit Vina war nicht weit entfernt.
„Die Planwagen waren bisher immer hinten. Warum sollen sie jetzt ganz vorne fahren?" maulte sie mich an. Im Augenwinkel sah ich den Kommandanten der offensichtlich prüfen wollte wie ich mit der Situation zurechtkam.
„Die Planwagen sind die Langsamste Einheit. Warum sollen sie hinter uns her fahren ungeschützt und wir müssen dann auf sie warten. Die langsamsten geben das Tempo vor. Ende der Diskussion!" konterte ich. Vina rümpfte die Nase und verschränkte bockig ihre Arme vor der Brust.
„Sie werden unser Untergang sein!" fauchte sie mich noch an bevor sie auf ihr Pferd stieg. Eine wunderschöne dunkelbraune Stute mit heller Mähne und Schweif. Frustriert atmete ich aus, da ich genau wusste das ich mir das die ganze Expedition über anhören musste.
„Sie schlagen sich gut. Machen sie weiter so" lobte mich der Kommandant der unerwartet direkt hinter mir stand. Ich zuckte zusammen.
„Sie haben mich erschreckt... aber... danke... das wird nicht leicht werden mit ihr" er lachte leises.
„Wenn sie wieder da sind üben trainieren wir ihnen diese Schreckhaftigkeit ab" erstaunt sah ich ihn an.
„Sie glauben jetzt also doch daran das wir wieder zurückkommen?" fragte ich dann etwas mürrisch. Der Kommandant ließ seinen Blick über die Gruppe Soldaten schweifen die sich nach und nach auf ihre Pferde und Planwagen setzten.
„Das muss ich glauben. Außerdem sind sie perfekt vorbereitet und Fähig dazu" etwas erleichtert darüber das der Kommandant jetzt doch an mich glaubte atmete ich aus.
„Ich sollte los. Wir sehen uns spätestens in einer Woche" sagte ich zuversichtlich, doch das alles anders kommen sollte, dass wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht...

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