Das Rekrutentraining

Auf dem Weg zum Trainingsplatz, der auch gleichzeitig ein Reitplatz war, musste ich mich auf jeden Schritt konzentrieren den ich machte um nicht irgendwann einfach stehen zu bleiben. Die wenigen um mich herum die um diese frühe Uhrzeit schon wach waren, starrten mich an und tuschelten teilweise, einige lachten sogar. Ich war im ganzen Dorf dafür bekannt mich zu weigern einer Gruppe anzugehören.
Ich hasse dieses Dorf.
Auf dem mit Sand bedeckten Platz nahe dem Südtor standen die anderen Rekruten schon aufgereiht Parat und um ehrlich zu sein habe ich bei den Prozentzahlen mehr erwartet als die Paar Männer und Frauen die hier standen. Kurz sah ich in die Menge und war einfach nur erleichtert zu sehen, dass Jamie nicht zu den 2% der Arbeiter gehörte.
„Gerade noch Pünktlich. Stellen sie sich in die Reihe Rekrut!" befahl der Kommandant. Eigentlich war das Training der Rekruten Aufgabe eines Feldwebels, aber die der Stadt- und Mauerwache weigerten sich ihr Wissen an Tod geweihte weiter zu geben und im Außenteam gab es nicht genug Soldaten um höhere Ränge zu vergeben. Also musste sich der Kommandant selbst um die Ausbildung seiner Rekruten kümmern. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen lief der Kommandant vor uns auf und ab.
„Ihr wisst warum ihr alle hier seid. Ihr wurdet dazu auserkoren die Mauer zu beschützen, Informationen zu sammeln und um seltene Vorräte für die Einwohner zu bergen. Die Expeditionen werden immer länger dauern, je mehr Dörfer wir Plündern. Ziel ist es genug Streitkräfte und Vorräte zu Bergen um die nähergelegene Stadt einzunehmen" erzählte der Kommandant und ich spürte wie die Anspannung bei jedem von uns anstieg. Die nächstgelegene Stadt Mentyriel war von Zombies überflutet. Als die Apokalypse damals begann, hatte ich es geradeso da rausgeschafft, weil ich dort zur Schule ging.
Und dort wollte der Kommandant mit seiner kleinen Armee hin?
„Das heißt dass wir alle draufgehen!" maulte der zappelige Rekrut der neben mir stand. Ich traute mich nicht etwas zu ihm zu sagen, da er einer der Leute war, dem man lieber aus dem Weg ging.
„Marco richtig?" fragte der Kommandant und ging näher auf ihn zu. Ich fing an zu schwitzen und das obwohl er es gerade gar nicht auf mich abgesehen hatte „Mit dieser Einstellung werden sie es jedenfalls nicht lange überleben" sagte er nur bevor er sich wieder den anderen zuwandte „In den nächsten Wochen werdet ihr von erfahrenen Soldaten in Nahkampf, Schwertkampf, Bogenschießen und Messer werfen unterrichtet. Am Schluss gibt es eine Prüfung, wer diese beim ersten Mal besteht wird an der Übungsexpedition bereits als Soldat teilnehmen. Viel Erfolg"
„Warum schießen wir sie nicht einfach mit Knarren ab!?" fragte jetzt der Vorlaute Kumpel von Marco. Ich konnte es mir nicht verkneifen mir die Hand vor die Stirn zu schlagen, was mir einen wütenden Blick von Marco einbrachte. Noch Wütender war der Kommandant der den Rekruten am Kragen packte. Seine Fersen hoben vom Boden ab und die Angst war ihm ins Gesicht geschrieben.
„Da braucht wohl jemand noch mal Theoriestunden in der Grundschule!" er ließ ihn fallen und sah dann zu mir.
„Rekrutin Wulf! Warum benutzen wir keine Schusswaffen gegen die Zombies!?" befahl er. Ich schwitzte.
„Weil... Zombies sehr gut hören... ein Schuss ist laut und würde unsere Position verraten" stammelte ich und hoffte dabei das ihm meine Antwort genügte.
„Wenigstens haben sie in der Schule mitgemacht Mrs Wulf" lobte er mich mehr oder weniger „Und jetzt Trainiert als würde euer Leben davon abhängen" mit den Worten verließ er den Trainingsplatz und er ließ uns mit drei Soldaten die uns streng Musterten zurück.

In der ersten Woche trainierten wir jeden Tag mehrere Stunden nur Nahkampf und was sollte ich dazu sagen? Ich war richtig schlecht darin. In einer Woche hatte ich mehr Sand aus meiner Kleidung geschüttelt als ein Kleinkind im Sandkasten und noch mehr habe ich Blaue Flecken und Schrammen kassiert. Das höchste was ich schaffte war es zweimal zu Blocken ehe ich durch einen tritt wieder im Sand landete. Marco und seine Kumpel lachten sich jedes Mal ins Fäustchen, wenn ich mich wieder aufraffte und Sand ausspuckte. Als die Trainerin einen Moment wegsah, traten sie mich oft wieder zurück in den Sand. An den Haaren zog Marco meinen Kopf wieder hoch.
„Du wirst die erste sein die drauf geht" dann ließ er meinen Kopf wieder zurück in den Sand fallen.
„Aufstehen Rekrut! Pause ist erst in einer Stunde!" befahl die Trainerin als diese zurückkam.
„Ja... Sir" keuchte ich und raffte mich mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder auf.
So ging es noch ein paar Tage weiter, bis zu einem bestimmten Tag als die Trainerin früher gehen musste und uns alleine trainieren ließ. Marco und seine Kumpel schafften es auch die anderen Rekruten gegen mich aufzubringen. Sie kreisten mich ein und grinsten mich schief an.
„So Mrs Neumalklug, jetzt bringen wir dir mal was bei. Nämlich das was einem blüht, wenn man uns dumm dastehen lässt" drohte Marco während er seine Fäuste ineinander schlug.
„Das mit dem dumm sein schafft ihr auch alleine" schnell erkannte ich das diese Aussage von mir keine gute Idee war. Sie ballten ihre Hände zu Fäusten und sorgten dafür, dass ich keine Möglichkeit hatte um aus dieser Falle zu fliehen „Ich habe euch doch gar nichts getan!" protestierte ich, doch das brachte mir nur den ersten Fausthieb ein, der sich dann von allen Seiten wiederholte. Ein paar gegen Schläge konnte ich austeilen, aber es waren zu viele und es dauerte nicht lange bis ich am Boden lag, die Arme über meinem Kopf gelegt und hoffend, dass sie bald aufhörten auf mich einzutreten. Plötzlich hielten sie inne.
„Schnell weg!" reif einer und schneller als ich es realisieren konnte, waren alle Rekruten vom Platz verschwunden. Noch eine Weile lag ich zusammengekauert da bevor ich mich mit einem Schmerzenden stöhnen auf den Rücken drehte und in den Himmel starrte.
„Ich hasse dieses Dorf" sprach ich meine Gedanken über meine Heimat endlich mal laut aus.
„Ich bin Neugierig wieso" hörte ich unerwartet die Stimme des Kommandanten. Mühsam setzte ich mich auf und tatsächlich stand er schief grinsend vor mir.
„Hat ihnen die Show gefallen?" fragte ich schnippisch, da ich immer mehr das Gefühl hatte nichts mehr verlieren zu können und es egal war wie ich mit dem Kommandanten sprach. Mein Tod war ohne hin schon besiegelt und wenn mich die Zombies nicht umbrachten, dann mit Sicherheit meine Kollegen. Doch ihm schien mein fast schon Respektloses Auftreten nicht zu interessieren, im Gegenteil, er lachte kurz auf während ich mir das Blut aus dem Gesicht wischte. Ich fragte mich ob ich ihn jemals lachen gehört hatte. Als er mir dann noch die Hand hinstreckte um mir aufzuhelfen, verstand ich die Welt erst recht nicht mehr.
„Reden wir" forderte er mich auf. Ich aber wollte dem Mann der mein Todesurteil unterschrieben hatte nicht die Hand reichen und stand ohne seine Hilfe vom Boden auf. Dann klopfte ich mir den Sand von der Kleidung und versuchte auf dem Weg zu seinem Büro nicht allzu Auffällig zu humpeln.

Als ich den Stützpunkt des Außenteams erreichte, fiel mir auf, dass ich mir dieses Gebäude noch nie genauer angesehen hatte. Was ich aber sagen konnte war, dass es im Gegensatz zu den Stützpunkten der Mauer- und Stadtwache armselig aussah. Die Mauerwache hatte ihren Stützpunkt in die Massive Stahlbetonmauer mit eingebaut und war mit Abstand eines der Stabilsten Gebäude des Dorfes. Die Stadtwache hatte ein zweistöckiges aus Stein gebautes Gebäude mit einem riesigen Keller in dem sich das Gefängnis befand. Und was hatte das Außenteam? Ein altes Holzhaus das früher mal ein Stall für Scharfe gewesen war. Nach Betreten des Gebäudes konnte ich gefühlt das Stroh noch riechen.
„Das ist der Stützpunkt des Außenteams?" fragte ich mit einem Hauch Enttäuschung in meiner geschwächten Stimme.
„Es ist nichts Besonderes, aber es reicht" antwortete der Kommandant und ging auf seine Bürotür zu. Sein Büro befand sich am Ende des Gangs. Eine dunkle Holztür mit einem vergilbten Fenster darin. Unter dem Fenster war ein vergoldetes Schild mit seinem Namen und seinem Rang angebracht. Rechts im Gang waren noch mehr so beschriftete Türen. Die Büros des Leutnants und der Feldwebel. Keiner von ihnen war noch am Leben, doch ihre Namen standen noch immer an ihren eingestaubten Bürotüren. Ein Schauder fuhr über meinen Rücken als ich die Namen las. Ein noch größerer Schauer folgte als ich an die Wand gegenüber blickte. Fotos der obersten Ränge waren wie ein Stammbaum an der Wand abgebildet. Unter jedem Bild standen der Name und das Todesdatum. Der Einzige der von ihnen noch lebte, war der Kommandant, der an der Spitze des Stammbaums hing. Das zu sehen machte mir klar, warum der Kommandant so war wie er nun mal war. Ich wollte mir nicht ausmalen wie viel Leid und Tod der Kommandant mitansehen musste.
„Verdammt! Die Tinte ist schon wieder leer" beschwerte sich Sullie, der an einem kleinem Bürotisch vor dem Büro des Kommandanten saß und sich durch mehrere Papierstapel kämpfte.
„Rege dich nicht so wegen ein bisschen Tinte auf. Mach eine Pause Sullie und hol dann neue Tinte aus dem Rathaus" kam es überraschend führsorglich vom Kommandanten, was ich allerdings damit in Verbindung brachte, das Sullie sein jüngerer Bruder war.
„Du verstehst das nicht! Wenn ich da schon wieder Tinte holen muss um neue Rekruten in eine Liste einzutragen schmeißen die mich dort im hohen Bogen wieder raus!"
„Warum das denn?" fragte ich entsetzt und die beiden sahen mich etwas perplex an.
„Nun, die Sterberate bei uns ist sehr hoch. Unsere Soldaten in eine Liste einzutragen, ist für die da oben reine Zeit und Ressourcenverschwendung" Fassungslos sah ich die beiden an. Es war zwar allgemein bekannt das das Außenteam keinen guten Ruf genoss, aber ohne sie, wären wir bestimmt schon lange verhungert oder erfroren.
„Wenn sie dir keine Tinte geben, verweise sie auf mich. Ich habe jetzt eine Besprechung" er öffnete die Tür und ließ mich in sein Büro eintreten. Es war überraschend gemütlich eingerichtet, wenn auch etwas düster aber so passte es zum Charme des Hauses.
„Setzen sie sich" bot er an und zeigte auf den Stuhl der fast schon auffordernd vor seinem Schreibtisch stand. Ich schluckte und setzte mich dann. Der Kommandant nahm mir gegenüber an seinem Massiven Eichenschreibtisch Platz. Der Schreibtisch war mit Abstand das Stabilste im ganzen Stützpunkt.
„Warum bin ich hier? Wollen sie mir jetzt sagen das ich nicht zur Soldatin tauge und bei der Übungsmission draufgehen werde? Danke, das weiß ich auch selber" fragte ich dann, als meine Nervosität langsam weniger wurde. Dennoch wagte ich es nicht ihn dabei direkt anzusehen und ließ meinen Blick über die alten Fotos schweifen die links von mir über einer antiken Kommode ander Wand hingen.
„Ich habe langsam das Gefühl sie denken nicht gut von mir" etwas irritiert sah ich ihn an. Seine Stirn schlug Falten und ich fragte mich plötzlich wie alt er war. Schätzungsweise Mitte 30. Dann verschränkte ich meine Arme und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
„Gerade glaube ich nur, dass sie sehr verzweifelt sind. Warum sonst sollten sie sich die größten Vollidioten des Dorfes ins Team holen?" lenkte ich ab.
„Sie haben eine gute Beobachtungsgabe" stellte er fest, dann sah er sich in seinem Büro um „Das Außenteam ist erbärmlich und bekommt keine Unterstützung. Gleichzeitig ist es aber die Einzige Überlebenschance die dieses Dorf noch hat. Wie passt das zusammen?" er lehnte sich näher in meine Richtung und starrte mich an. Die Nervosität war schlagartig wieder da und ich war nicht mehr im Stande ihm zu antworten. Das klopfen an der Tür rettete mich davor auf die Frage antworten zu müssen.
„Ich habe doch gesagt das du Pause machen sollst" schimpfte der Kommandant als sein völlig überarbeiteter Bruder mit zwei dampfenden Tassen sein Büro betrat.
„Ich bin sofort wieder weg. Hier" sagte er und stellte die Tassen auf den Tisch bevor er wieder verschwand. Der Kommandant stellte eine der Tassen vor mich.
„Kaffee?" fragte er nur, als wäre dieses Getränk eine Selbstverständlichkeit. Schnell griff ich danach und roch erstmal an der Tasse.
„Ich hatte schon seit Monaten keinen Kaffee mehr" sagte ich etwas zu verträumt. Früher hatte ich das Zeug Literweise verdrückt und war bei allen unter dem Spitznamen Kaffeejunkie bekannt.
„Ich dachte ihr Vater arbeitet bei der Stadtwache" stellte er fest während er mich irritiert dabei beobachtete wie ich an der Kaffeetasse schnupperte.
„Ja aber so geizig wie er früher mit Geld war, ist er es jetzt mit seinem Kaffee" konterte ich und nahm einen tiefen Schluck davon.
„Eine Sache interessiert mich brennend Mrs Wulf" wechselte er schlagartig das Thema.
„Das wäre?"
„Diese... Vollidioten die sie vorhin genannt haben. Sie sind wie sie Menschen die sich einfach keiner Gruppe angeschlossen haben und das nur, weil ihre Eltern höhere Ränge haben und sie es deshalb nicht für nötig hielten dem Dorf in irgendeiner Weise zu Dienen. Doch auf sie, trifft diese Beschreibung nicht zu. Warum ist das so? Warum sind sie keiner der Gruppen beigetreten?" Nachdenklich senkte ich die Tasse und sah wieder zu den Fotos rüber. Auf vielen waren er und sein Bruder noch sehr jung und sie sahen Glücklich aus.
„Sie waren ein Stadtkind nicht wahr?" stellte ich eine Gegenfrage. Er folgte meinem Blick.
„Was tut das zur Sache?"
„Ganz einfach. Sie wissen nicht wie es ist einem Kaff wie diesem hier aufzuwachsen. Ein Dorf das so klein ist das jeder jeden kennt und man ja keine falsche Bewegung tun durfte ohne, dass es am nächsten Tag jeder wusste. Alle schwärmen immer davon wie schön es ist auf dem Land groß zu werden, aber keiner redet darüber das es nur schön ist, wenn man dort auch geboren wurde. Ich war fünf als wir wegen besseren Schulen und besserer Bezahlung hierhergezogen sind. Doch dazugehören taten wir nie. Wir wurden ausgeschlossen, belächelt und nur als die dazu gezogenen bezeichnet. Keiner wollte was mit uns zu tun haben und bis auf Liv wollte niemand mit mir spielen als ich ein Kind war. Sie hassen uns!" schimpfte ich los und das kam mir vor als wollte das schon lange Mal raus. Der Kommandant sah mich mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Verständnis an.
„Warum sollte ich auch nur einen Finger für die Krumm machen, die mich Jahrelang wie Dreck behandelt haben!? Ich habe keine Angst zu sterben, aber es kotzt mich an, dass ich für die Menschen sterben muss, die dasselbe niemals für mich tun würden"... 

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