Das Krankenhaus
Vina schien mir nach wie vor nicht entgegen kommen zu wollen. Während ich jetzt wenigstens einen weiteren Soldaten außer Elias hinter mir stehen hatte, prustete sie nur und setzte sich zu den anderen ans Lagerfeuer. Erschöpft schüttelte ich den Kopf und ließ mir von Elias mein Zelt zeigen.
„Die Gruppenführerin bekommt selbstverständlich ein eigenes Zelt" erklärte er mir, aber mir war das unangenehm. Ich wollte eigentlich nicht anders behandelt werden als die anderen und wenn Soldaten wie Vina nicht so einen Aufstand gemacht hätten, dann hätte ich kein Problem damit gehabt bei den Soldaten im Gruppenzelt zu schlafen.
„Wie hat der Kommandant die Nachtwache geregelt? Vielleicht komme ich etwas an Vina heran, wenn ich wenigstens eine Sache genauso mache wie er" fragte ich etwas ratlos. Elias lachte auf.
„Auf sie hat Vina es besonders abgesehen, ich hätte erwartet das sie schneller von ihr akzeptiert werden"
„Tja... falsch gedacht. Also?" hakte ich nach.
„Zwei Soldaten, alle zwei Stunden" antwortete er knapp und ich war erleichtert das der Kommandant eine ähnliche Regelung hatte wie die die ich geplant hatte. Ich sattelte mein Pferd ab und brachte meine Taschen in mein Zelt, während einer der Soldaten sich bereit erklärte mein Pferd zu versorgen. In meinem Zelt packte ich meine Mappe aus, in der sich meine Notizen und wichtigsten Planungen befanden. Noch einmal sah ich mir den Weg an den wir am nächsten Tag reiten wollten. Still hoffte ich das die Autobahn frei war und das dort nicht alles mit Autos und anderen Dingen vollgestellt war und das wir gut mit den Planwagen durchkamen. Auf gar keinen Fall wollte ich quer durch die Stadt reiten müssen.
Das wäre reinster Selbstmord. Ehe ich mich dann aber noch weiter in diese Ängste hineinsteigern konnte, öffnete sich der Reißverschluss meines Zeltes ein Stück und Elias spähte hinein.
„Genug gearbeitet Leutnant. Kommen sie raus ans Lagerfeuer" geschlagen atmete ich aus und klappte meine Mappe wieder zu.
Schweigend setzte ich mich zu den Soldaten die alle etwas aßen und sich über alte Zeiten vor und während der Apokalypse unterhielten. Einer der Soldaten reichte mir ein Stück Brot und eine kleine Schüssel Gemüseeintopf welche ich dankend annahm und schweigend aß.
„Wie war das denn bei ihnen Leutnant?" wurde ich unerwartet gefragt. Ich zuckte zusammen und blickte auf.
„Was? Was meinen sie?"
„Na, was haben sie vor der Apokalypse gemacht?" einige der Soldaten sahen mich erwartungsvoll an. So als würden sie jetzt eine Spannenden Geschichte aus meiner Vergangenheit erwarten. Doch was hätte ich ihnen groß erzählen sollen? Das ich schon vor der Apokalypse nicht wusste was ich mit meinem Leben anfangen sollte? Ich überlegte und kam zu keinem wirklichen Entschluss.
„Als die Apokalypse ausbrach war ich 20. Ich war noch in der Findungsphase"
„Hoffentlich haben sie die jetzt endlich überwunden" maulte Vina gleich. Ich reagierte nicht darauf, denn ich hatte von Anfang an damit gerechnet, dass ihr meine Antwort nicht gefiel. Ich aß meine Schüssel leer und als ich sie gerade zu den anderen leeren Schüsseln stellte, traute sich eine zögerliche Soldatin eine weitere Frage zu stellten.
„Es gibt da ein paar Gerüchte über sie... könnten sie uns sagen ob die stimmen?" sofort verdrehte ich die Augen. Mir waren Gerüchte nicht fremd. Wie ein lästiger Begleiter der wie eine Klette am Hosenbein klebte.
„Schießen sie los. Ich bin schon gespannt was jetzt wieder für ein Blödsinn über mich erzählt wird" Die Soldaten tauschten unsichere Blicke.
„Nun... die Gerüchte betreffen den Gefreiten und den Kommandanten" sie musste nicht weitersprechen. Ich wusste genau wo das Gerücht hinführte. Das gleiche konnte ich mir schließlich Jahrelang wegen Jamie anhören. Durch meinen wütenden Blick verstanden die Soldaten gleich das mir das gegen den Strich ging, denn sie führten den Satz nicht mehr zu Ende.
„Kann eine Frau nicht mit einem Mann zusammen sein ohne das gleich solche Gerüchte entstehen? Der Kommandant ist mein Vorgesetzter und Kilian ist mein Kollege und ein Freund. Ich kann mich in meinem Beruf nun mal nicht von Männlichen Personen fernhalten. Aber um eure Frage zu beantworten. Nein. Da läuft nichts, lief nichts und wird auch nie was laufen" verdeutlichte ich meinen Standpunkt. Mit einem genervten „Werdet Erwachsen" und „Gute Nacht" verzog ich mich zurück ins Zelt. Später hörte ich noch wie Elias die Einteilung der Nachtwache für mich übernahm.
Verzweifelt versuchte ich zu schlafen, doch meine Sorgen über den nächsten Tag und die Gespräche der Soldaten die Wache hielten sorgten dafür, dass ich kein Auge zubekam. Zweimal bekam ich die ablöse der Wache mit und wusste so, dass ich vier Stunden wach da lag und mich hin und her wälzte. Doch irgendwann schlief ich dann doch ein.
Völlig gerädert wachte ich kurz vor Sonnenaufgang wieder auf. Die Soldaten begannen schon das Lager abzubauen und ich war erleichtert das es zu keinen Zwischenfällen in der Nacht gekommen war. Denn unseren Unbekannten Feind durften wir niemals vergessen. Ich schüttete mir kaltes Wasser ins Gesicht und sattelte mein Pferd, in der Hoffnung das keiner bemerkte wie müde ich noch war. Keiner schien sich zu trauen mich in irgendeiner weiser anzusprechen und auch wenn ich das im Grunde für ein schlechtes Zeichen hielt, war ich auch dankbar dafür, da ich keine Energie für Anspruchsvolle Gespräche hatte.
In kürzester Zeit war das Lager abgebaut und die Karawane bewegte sich im Schritttempo auf die Autobahnauffahrt zu, die uns direkt zum Krankenhaus führen sollte.
Auf der Autobahn standen glücklicherweise weniger Autos als ich erwartet hatte. Die Planwagen konnten gut hindurchnavigieren. Dennoch war der Anblick kein angenehmer. Die Autos waren teilweise durch schwere Unfälle hier liegen geblieben und auch die andern sahen aus als wären sie an den Rand gefahren um schnell aus dem Auto zu fliehen. Die Wenigsten Autos wurden mitten auf der Fahrbahn zurückgelassen. Warum sie so eilig geflohen waren, ließ sich nicht mehr ausmachen. Der Asphalt der Straße war rissig und zu Teilen aufgesprungen. Sträucher, Moos und andere Pflanzen kämpften sich durch jede Ritze an die Oberfläche zurück, so als würde sich die Natur das zurückholen was ihr die Menschheit genommen hatte.
„Wie kann etwas gleichzeitig schrecklich und schön aussehen?" sagte ich leise, während ich die Umgebung weiter betrachtete. Hinter den Bäumen die neben der Autobahn standen konnte man nach den ersten Kilometern schon die ersten Dächer der Hochhäuser sehen.
„Ich kann die Stadt schon sehen!" rief die junge Soldatin erfreulich und fast so als hätte sie nicht damit gerechnet, dass wir es überhaupt so weit schafften. Meine Gedanken schweiften einen Moment zu den anderen. Zum Kommandanten und meinen Freunden die sicher hinter der Mauer saßen und nicht ahnten wie weit wir es bereits geschafft hatten. Meine Zuversicht war einen Moment so hoch, dass ich mich innerlich darauf freute ihnen bei unserer Rückkehr alles zu erzählen und zu beschreiben. Ein lautes krähen riss mich aus meinen Gedanken. Als ich in den Himmel hinaufsah flog ein Rabe über unseren Köpfen hinweg. Kurz glaubte ich das es Raven gewesen sein konnte, doch sie war bestimmt nicht der einzige Rabe der hier seine Runden zog. Aber der Rabe blieb vor uns auf der Straße stehen und krähte uns an.
„Was hat das Vieh?" fragte Vina herablassend. Ich erinnerte mich als ich Liv von der Intelligenz von Raben erzählt hatte. Raben konnten sich auch Gesichter merken und als der Rabe mich direkt anzusehen schien, wusste ich das es nicht irgendein Rabe war. Sie hüpfte auf der stelle und ich begann mich umzusehen. Wir waren schon kurz vor der Ausfahrt zum Krankenhaus und die Stadt war schon in direkter Reichweite. Und dann sah ich sie. Zombies. Ungefähr zehn an der Zahl die regungslos auf der Straße lagen. Genau an der Ausfahrt die wir hinunterreiten mussten. Beeindruckt sah ich zu Raven.
„Du wolltest uns warnen" ich steckte den Arm aus und sie flog direkt darauf zu und landete. Als Dankeschön holte ich ein paar Nüsse aus meiner Tasche heraus und gab sie ihr.
„Was machen wir jetzt?" fragte ein Soldat. Ich überlegte während ich Raven wieder weiterfliegen ließ.
„Unseren Job. Langsam anschleichen und sie Töten" ich sah zu Vina „Und zwar leise" sie verdrehte die Augen, ritt dann aber mit den anderen Soldaten voran um die Zombies zu eliminieren. Ich ritt hinterher um sie im Fernkampf mit meinen Pfeilen zu unterstützen. Doch sie waren schnell. Jeder übernahm einen Zombie und sie waren erledigt noch bevor sie aufstehen konnten.
„Da können wir wohl deinem Raben danken" stellte Elias beeindruckt fest und dann betraten wir fünf Jahre nach dem Ausbruch der Apokalypse als erste Einheit die Stadt Mentyriel.
Fassungslos und Fasziniert zugleich stand ich im inneren der Stadt und konnte es kaum glauben.
„Wir haben es geschafft" hauchte ich und sah mich dabei um. Nichts hier sah aus wie früher. Die Häuser waren vermodert und der Putz der Fassaden bröckelte an allen Ecken zu Boden. Die Fenster waren größtenteils kaputt und die Straßen waren mehr von Moos bedeckt als das man den Asphalt der ursprünglichen Straßen darunter erkennen konnte. Verrostete Autos und Hauswände wurden von dichtem Efeu eingeschlossen und die Bäume die früher immer zurückgeschnitten wurden, wuchsen nun unkontrolliert in die Höhe. Leise und mit wachsamem Auge ritten wir durch die Straßen. Hier und da sah man Zombies zwischen den Häusern und auf der Straße liegen. Sie regten sich nicht und sie schienen uns dank der Pferde nicht riechen zu können.
„Warum bewegen die sich nicht?" fragte ich neugierig. So etwas hatte ich noch nirgends gelesen.
„Wenn Zombies, oder viel mehr das Virus lange Zeit keine Nahrung bekommt verfallen sie in eine ähnliche starre wie in der Nacht. Nur das sie viel aggressiver sind schneller sind, wenn sie in dieser Phase einen Menschen riechen. Es wundert mich tatsächlich das der Geruch der Pferde ausreicht um uns zu überdecken" erklärte Elias und ich bereute meine Frage gleich. Denn zu wissen, dass wir zwischen tickenden Zeitbomben hindurchritten, gefiel mir überhaupt nicht. Eines der Pferde trat plötzlich auf eine Metallplatte die versteckt unter den ganzen Pflanzen lag. Ein lautes scheppern erklang und wir blieben alle regungslos auf der Stelle stehen. Aber die Zombies reagierten nicht. Sie blieben einfach liegen.
„Das ist komisch... sie hätten aufwachen müssen" stellte Elias erschrocken und erleichtert fest.
„Was stimmt nicht mit diesen Zombies?" fragte ich irritiert aber im Grunde war ich nur froh das wir nicht von ihnen überrannt wurden.
„Keine Ahnung. Aber lass uns weiter, bevor sie es sich noch anders überlegen" ich stimmte ihm zu und wir ritten ungehindert bis zum Krankenhaus weiter.
Unsicher blieben wir vor dem Haupteingang des Krankenhauses stehen. Etwas in mir sagte mir, dass es bisher viel zu gut lief und ich fragte mich ob hier etwas oder jemand seine Finger im Spiel hatte.
Sind das vielleicht gesteuerte Zombies? So wie die hinter dem Ost-Tor? Diese Gedanken hielt ich aber lieber für mich, da ich dafür keinerlei Beweise hatte. Wir stiegen von unseren Pferden und banden sie an den Planwagen fest, dann verteilte ich die Liste der Krankenstation auf der die wichtigsten Dinge standen die wir bergen mussten.
„Wenn ihr noch etwas anderes findet das wir brauchen können, nehmt es auch mit. So lange es in die Wagen passt" erklärte ich „Wir gehen zu zweit rein. Keiner geht irgendwo alleine hin. Die Planwagenfahrer bleiben draußen, damit wir im Notfall schnell abhauen können"
„Jawohl, Chef" kam es sarkastisch von Vina und langsam reichte mir ihr Respektloses Verhalten. Also ging ich auf sie zu, nahm all meinen Mut zusammen und sah ihr direkt in die Augen.
„Jetzt reicht es mir. Du willst mich nicht als deine Vorgesetzte Akzeptieren? Ok. Dann machen wir eine Gruppe und du wirst beurteilen, ob ich in diesem Krankenhaus gute Arbeit leiste oder nicht" perplex sah sie mich an und ich war froh das sie ihre Kommentare einmal für sich behielt „Wenn du dann immer noch der Meinung bist, dass ich ungeeignet bin, kannst du das dem Kommandanten gerne mitteilen und ich werde zurücktreten" ihr Blick verschärfte sich.
„Sie legen ihre Karriere in meine Hände?"
„Ganz genau" alle tauschten irritierte Blicke. Auch Vina, bis sie siegessicher lächelte. „Ich werde sie dann aber auch im Gegenzug als meine Nachfolge empfehlen. Überlegen sie es sich also gut" fügte ich noch schief grinsend hinzu, was ihr lächeln schlagartig verschwinden ließ. Danach betraten wir das völlig heruntergekommene Krankenhaus und teilten uns auf.
Alles war verdreckt, die Lichter flackerten und beleuchteten die unordentlichen Gänge wie in einem Horrorfilm.
„Sie gehen vor" befahl ich.
„Haben sie etwas Angst? Das sollten sie als Führungsperson nicht haben" maulte sie und zog ihr Schwert.
„Angst ist eine normale Menschliche Emotion und nein ich habe keine. Aber ich bin Fernkämpfer und sie sind Nahkämpfer. Oder soll ich mit einem Pfeil voran gehen?" Vina rümpfte wieder ihre Nase, so wie sie es immer tat, wenn sie mir nicht widersprechen konnte. Eine weile liefen wir durch die Gänge, vorbei an Patientenzimmern in denen es außer Seife und Desinfektionsmittel nichts zu holen gab. Irgendwann kamen wir in ein Stationszimmer in dessen Schränke noch Herz- und Schmerzmedikamente zu finden waren. Auch einen Notfallkasten und Verbandsmaterial konnten wir hier noch finden.
„Volltreffer" sagte ich als ich Infusionen uns das dazugehörige Material fand. Nach kurzer Zeit waren unsere Säcke gefüllt und wir brachten sie raus zu den Wagen. Eine Gruppe versuchte zwei Ultraschallgeräte über den Hof zu fahren und als wir gerade wieder reingingen, kam uns eine weitere Gruppe mit Krücken, vollen Säcken und Schienen entgegen.
Bis in den späten Nachmittag räumten wir das Krankenhaus leer ohne auch nur einen Zombie im Gebäude zu Gesicht zu bekommen und langsam kam mir das Verdächtig vor.
„Kommt es ihnen nicht auch viel zu still hier vor?" fragte ich während wir zusammen mit einer anderen Gruppe den OP-Saal leerräumten.
„Ja, ich hätte gedacht das es in einem Krankenhaus nur so von Zombies wimmeln sollte" kamen die gleichen bedenken von einem Soldaten. Genau in diesem Moment rauschte mein Walki Talki. Jeder hatte eines dabei, doch da ich es den ganzen Tag noch nicht gehört hatte, zuckte ich zusammen.
„Leutnant, bitte kommen" ertönte die verzerrte Stimme.
„Ich höre"
„In der Kantine ist etwas" ich sah zu Vina. In ihren Augen leuchtete etwas auf, so als hätte sie die ganze Zeit auf Aktion gewartet.
„Wir kommen" ich steckte das Gerät weg und sah zu den anderen „Ihr macht hier weiter. Ich und Vina müssen zur Kantine" die Soldaten nickten und wir machten uns sofort auf den Weg, ohne auch nur zu ahnen was uns dort erwartete...
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