Freitag, 13. Juni 0:00 Uhr
Mom, falls du das gerade liest, habe ich wahrscheinlich eine sehr schwierige Entscheidung getroffen, über die ich schon lange, länger als du denkst, nachgedacht habe. Es tut mir Leid dass ich nicht mit dir darüber sprach, Mom. Ich werde dir hier über meine letzte Woche erzählen, was mir alles passiert ist, wovon du wahrscheinlich nichts mitbekommen hast. Hör mir zu Mindestens jetzt zu, was ich zu meiner Story zu sagen habe, auch wenn es für uns, für dich und für mich, zu spät ist. Hör mir jetzt zu, ich glaube das ist alles, was du gerade im Moment tun kannst.
Ich schaute kurz aus dem Fenster. Die Sonne war jetzt kaum noch zu sehen und bald würde es dunkel werden. Ich zog den Schreibtischstuhl zum Fenster, damit ich noch was lesen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass diese ‚Geschichte' eine lange sein wird.
Liebe Mom,
Ehrlich gesagt weiß ich selber nicht, wieso ich dir das alles schreibe. In der Hoffnung, dass du das lesen wirst? Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht will ich nur, dass du die Wahrheit erfährst. Die Wahrheit über mich. Über mein Leben. Mein WAHRES Leben. Nicht das Leben das du gedacht hattest, das ich führe. Nicht das perfekte, schöne Leben.
Ich will, dass du weißt, dass meine Entscheidung nicht deine Schuld war. Du bist eine tolle Mutter. Du wolltest immer nur das Beste für mich. Und du hast sogar immer versucht, alles für mich perfekt zu machen. Es muss schwierig für dich gewesen sein, mich alleine aufzuziehen. Ich weiß, dass du ab und zu so tust, als ob du schlafen würdest, aber in Wirklichkeit im Bett liegt und weinst, während du an dem Tag zurückdenkst, wo Vater uns für immer verlassen hat.
Ich konnte nicht anders als schmerzhaft zu lächeln. Das war meine Tochter. Ein schlaues Kind.
Und es tut mir Leid, dass ich dich jetzt nun auch in ein paar Stunden verlassen muss. Ich weiß, dass es unfair und verantwortungslos von mir ist, dich im Stich zu lassen. Aber gib mir nicht die Schuld dafür, Mom. Obwohl du nichts damit zu tun hast, ist das Ganze auch so wenig meine Schuld. Ich konnte nichts dagegen tun. Glaub mir. Nichts.
Während du das liest, wirst du dich manchmal wundern, wieso ich dir nichts gesagt hatte. Mom, ich konnte nicht. Ich weiß nicht wieso, aber ich konnte einfach nicht mit dir über all das reden. Vielleicht wenn ich dich um Hilfe gebeten hätte, müsste die Geschichte nicht so ein schreckliches Ende haben.
Aber ich hätte es bereut. Mein ganzes Leben lang. Ich wäre auf mich selber sauer gewesen für den Rest meines Lebens, angewidert von meinem Spiegelbild. Kein Selbstbewusstsein mehr. Ich hätte immer die Frage im Kopf gehabt: 'Was wäre passiert, wenn...'
Mom, ich wollte nicht so leben, wütend auf mich selbst. Jede Sekunde, in der lebte, zu bereuen. Also dachte ich mir ein Leben aus und erzählte dir sie. Ein perfektes, süßes Leben, eines, das ich gerne gehabt hätte, auch wenn für nur einen Tag. Eines, das ich leider nicht hatte. Und du hast mir meine Lügen abgekauft.
Ich glaube du bist die Erste, die das Recht hat, die Wahrheit zu erfahren. Du hast es verdient Mom.
Ich zögerte kurz. Ich war mir nicht sicher, ob ich das aushalten konnte, etwas zu lesen, das meine tote Tochter noch zu ihren Lebzeiten geschrieben hatte. Aber ich nahm mir meinen ganzen Mut zusammen, wovon jetzt schon nicht mehr viel übrig war, und blätterte die Seite um.
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