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Etwas zu schnell stieg Shaha die Treppe hinauf und eilte zu ihrem Zimmer ganz am Ende des Ganges. Die Tür war weiß, fast wie eine Himmelspforte und mit den üblichen goldenen Ziffern bedruckt die ihre Zimmernummer verkündeten. Mit einem leichten Zögern griff sie nach der Klinke und drückte sie hinunter.
Als sie den Raum betrat, war es als würde sie in eine andere Welt eintauchen.
Das Zimmer war groß, genau wie das ihre daheim, doch es hatte einen Balkon, was ihr schon auf den Bildern am meisten gefallen hatte. An den gegenüberliegenden Wänden stand jeweils ein weißes Metallbett, in der Mitte des Raumes auf glänzendem Parkettboden lag ein lilaner Perserteppich und auf dem Bett ihre ebenfalls lilane Schuluniform. Die Wände und das ihrige Bett waren kahl und schienen regelrecht darauf zu warten, dass sie sich mit Hilfe ihrer Sachen in diesem Zimmer heimisch einrichtet. Beim bloßen Gedanken daran erschien ein breites, aufgeregtes Lächeln auf Shahas Lippen.
Als sie jedoch ihre Aufmerksamkeit der Seite des Zimmers zuwandte die bereits bezogen war, stockte ihr der Atem.
Die Wände waren in einem blassblauen Ton gestrichen, der sie an die Farbe des Himmels an einem klaren Wintertag erinnerte, das Bett war bezogen und feinsäuberlich gemacht. Die Bettwäsche war ebenfalls blassblau, diesmal erinnerte sie die Farbe jedoch an einen zugefrorenen See. Außerdem war sie mit zarten Schneeflocken bestickt, dessen weiße Farbe perfekt mit dem Rahmen des Bettes und den flauschigen Kissen harmonierten. Die Wände waren mit einigen Fotos verziert auf denen man verschiedenste Winterlandschaften bewundern konnte, gekröhnt wurde das ganze von einer silbernen Lichterkette, die sich um die Rahmen wand. Der Schreibtisch war aufgeräumt und relativ leer, hingegen quollen die Regalbretter regelrecht über vor lauter Büchern. Als Shaha sich die dunkelblauen und silbernen Umschläge genauer besah, erkannte sie, dass sie mit kyrillischen Schriftzeichen bedruckt waren. Die Themen waren hauptsächlich komplex und Mathematischen Ursprungs. Ihre Mitbewohnerin war also eine Slawin oder zumindest sprach sie eine slawische Sprache. Außerdem war sie ungewöhnlich begabt in Sachen Mathematik und damit wohl das ziemliche Gegenteil von Shaha selbst.
Ziemlich plötzlich öffnete sich eine Tür, die sie zuerst gar nicht bemerkt hatte, doch sie musste wohl zum angrenzenden Badezimmer führen. Heraus trat ein Mädchen, wahrscheinlich in ihrem Alter, doch sie war um mehr als einen Kopf kleiner. Shaha war es gewohnt größer zu sein, denn selbst für jemanden ihres Alter stach sie - zumindest unter den Mädchen - hervor. Doch ihre wahrscheinliche Zimmergenossin war winzig, ungefähr so groß wie das Mädchen mit der Eulenbrille, dass sie gesehen hatte als sie ankam. Sie wirkte zerbrechlich, was ihre großen blass eisblauen Augen und ihre helle Porzellanhaut noch unterstützten, zusammen mit ihrer winzigen Stupsnase und ihrem herzförmigem Gesicht ließ es sie sehr kindlich wirken. Ihre dunklen Haaren fielen in kaum erkennbaren Wellen bis hinab zu ihrer Taille und einige Kinnlange Strähnen, die wie ein früheres Pony wirkten, hatte sie sich nach hinten gesteckt, wohl damit sie ihr nicht ständig ins Gesicht fielen.
Sie schien etwas auszustrahlen, dass Shaha nicht recht in Worte fassen konnte.
Als das Mädchen sie bemerkte, breitete sich ein sanftes und doch strahlendes Lächeln auf ihren Lippen aus. »Du musst meine neue Mitbewohnerin sein! Herzlichen willkommen in Rosewood!«, summte sie mit melodischer, klarer Stimme. »Mein Name ist Vlada Belova, es freut mich sehr, dich kennen zu lernen.« und schon hatte sie Shaha mit ihrer offenen Art nicht nur willkommen geheißen, sondern auch regelrecht angesteckt.
»Freut mich ebenfalls, ich heiße Shaha Aziz.« erwiderte sie daraufhin.
Vladas Lächeln wurde nur noch breiter, ehe sie Shaha bei der Hand fasste und sie durch den Raum zu ihrem Schreibtisch zog. Dabei fiel Shaha auf wie angenehm kalt ihre Hand wirkte, etwas wie eine kühle Briese an einem heißen Sommertag. »Ich hab etwas für dich.«, murmelte die Brünette, während sie einen kleinen Karton aus einer der Schubladen hervor zog. Verlegen lächelnd nahm Shaha ihn entgegen »Danke, aber ich hab gar nichts für dich...«, musste sie eingestehen, doch das Mädchen winkte nur ab. »Sieh es als dein 'Willkommen in Rosewood-Geschenk' an. Und keine Sorge, ich hatte meines schon, als ich das erste Mal hierher gekommen bin.«, dies ließ wieder ein Lächeln auf Shahas Lippen erscheinen und sie öffnete das kleine Päcken, das liebevoll mit einer himmelblauen Schleife verziert worden war. Sogleich stieg ihr der süße Duft des Gebäckstücks in die Nase und sie musterte verzückt den kleinen kunstvoll mit Buttercreme verzierten Cupcake.
»Ich hoffe, du magst Vanille.«
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