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Diejenigen die wir lieben, können uns am meisten verletzen;
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"So und nun stoßen wir an. Josh! Vier Gläser und die beste Flasche Sekt, die wir da haben."
Fragend starrte ich Pablo an, auf dessen Schoß zu sitzen für mich die reinste Qual war, während Esteban neben uns eine Zigarette nach der anderen rauchte und ununterbrochen verloren in sein leeres Glas schaute. In mir zog sich bei seinem Anblick alles unangenehm zusammen, erst Recht, als mir die Worte wieder einfielen, die ich ihm als letztes an den Kopf geworfen hatte. Sein Herz war aber nicht das Einzige, dass seitdem gebrochen in einer Kluft der Verzweiflung lag...
Aber es war zu seinem Besten, also stand ich es tapfer durch und wandte meinen wehmütigen Blick wieder von ihm ab, um mich Pablo zuzuwenden.
"Was gibt es denn zu feiern?", wollte ich irritiert wissen und Pablo drückte mir sofort lächelnd einen Kuss auf meine Wange, der sich so aufgezwungen anfühlte, als würde mir jemand die Haut abkratzen.
"Seit wann brauchen wir denn einen Grund, um zusammenzusitzen und das Leben zu genießen", lachte er und sein Frohsinn war das absurdeste, was ich je erlebt hatte, vor allem in dieser mich vollkommen in die Dunkelheit herabziehenden Situation.
Schlimmer konnte es ja gar nicht mehr kommen ... dass dachte ich zumindest...
"Sieh an, sieh an", meinte Pablo dann und schaute dabei an meiner Schulter vorbei, wo auch mein neugieriger Blick dann hinfiel. Natalia kam mit einem fröhlichen Ausdruck den Flur entlang getapst, während nur ein dünnes, rotes Samtkleid ihren zierlichen Körper bedeckte. Sie warf ihre langen, blonden Haare elegant über ihre Schulter und stellte sich dann genau zwischen uns und Esteban, um diesen freundlich zu begrüßen.
"Na, Süßer", flüsterte sie und legte ihre Hand weit oben auf seinen Oberschenkel, wovon ich kurzzeitig so wütend wurde, das ich meine Fingernägel, die sich an Pablos Nacken befanden, tief in seine Haut rammte.
Sofort wandte ich meinen Blick entschuldigend zu ihm und er sah mich an, als würde er gerade darüber nachdenken, was er mir wohl für eine Strafe dafür aufdrücken sollte. War mir in diesem Moment aber scheiß egal.
"So", lenkte Josh dann alle Aufmerksamkeit auf sich und stellte jedem ein Glas hin, um dann die Sektflasche zu öffnen, um jedem etwas einzuschenken.
Immer wieder huschte mein Blick zu Esteban, bedacht darauf, dass Pablo es nicht mitbekommen würde.
Zu meinem Glück beachtete er Natalia überhaupt nicht und als sie dann ihre Hand noch weiter hoch zu seinem Schritt streichen ließ, hielt ich mit schmerzendem Herzrasen die Luft an, bis ich dabei zusah, wie er ihre Hand wegschubste, ohne sie überhaupt eines Blickes zu würdigen.
Auf meinen Lippen entstand ein erleichtertes Lächeln und als ich dann flüchtig zu Pablo sah, traf sein eiskalter Blick direkt meinen, der mich sofort dazu brachte, mich zu den Sektgläsern zu drehen.
"Hier", lächelte ich gespielt und reichte Pablo eins der Gläser, während ich meins festhielt und als Natalia dann Esteban eins reichen wollte, schüttelte er nur schweigend den Kopf.
"Ach, Bruder. Jetzt trink doch ein Glas mit uns. Außerdem solltest du Natalia nicht von dir stoßen. Sie hat ausgezeichnete Qualitäten", lachte Pablo und als Natalia sich dann mit ihren Brüsten voraus zu Esteban beugte, um ihm einen verführerischen Kuss auf die Wange zu hauchen, ertönte ein lautes Klirren und erschocken riss ich die Augen auf, während alle, sogar Esteban, mich verwundert musterten.
"Was ist denn nur los mit dir?", maulte Pablo mich aufgebracht an und ehe ich überhaupt realisierte, was passiert war, spürte ich plötzlich diesen ziehenden Schmerz in meiner Hand.
Meine Augen huschten über die Scherben, die sich leicht in meine Handinnenfläche gebohrt hatten, während Pablo mich an der Taille anhob um mich von seinem Schoß herunterzuschubsen.
Das wenige Blut floss ganz langsam über meine Haut und fasziniert davon, beobachtete ich diese rote Flüssigkeit, während alle anderen womöglich dachten, ich sei vollkommen verrückt.
So stand ich da und sah mit Schmerzen dabei zu, wie mich keiner der drei mehr beachtete.
Pablo wandte sich Esteban zu, genau wie Natalia und beide waren wohl mehr als scharf darauf, Esteban dazu zu überreden, eine unvergessliche Nacht mit der Blonden zu haben.
Die Musik um mich herum wurde leiser, selbst die Menschen kamen mir weiter entfernt denn je vor. Eine Einsamkeit brach in mir aus, die mich fast um den Verstand brachte, bis ich eine Hand an meinem Arm bemerkte, die mich aus meinem Chaos entriss.
"Komm. Ich hab hier ein Pflaster, aber wir sollten erstmal die Wunde reinigen."
Josh schaute mich mit seinen warmen Augen an und nachdem ich ihm dankbar entgegen genickt hatte, folgte ich ihm nach hinten ins Badezimmer.
Ich lehnte meinen Kopf an die kalten, weißen Fliesen, während Josh mit meiner Hand unter dem lauwarmen Wasser herumhandtierte, was sich sofort beruhigend auf mich und meinen Körper auswirkte.
"Ich bin nicht blöd", meinte er dann leise und ich schaute rüber zu ihm, doch er legte seine volle Aufmerksamkeit auf meine Wunden. "Mir ist klar, dass du leidest. Jeden Tag, aber die letzten Tage sind wirklich beängstigend, Love. Ich mache mir wirklich Sorgen. Da es anscheinend mit Pablo und Esteban zu tun hat, möchtest du dich vielleicht jemand neutrales öffnen?"
Flüchtig sah er mich an, doch ich gab nur ein Kopfschütteln von mir, was ihn schwer ausatmen ließ.
"Sag doch-"
Er wurde davon unterbrochen, dass Pablo durch die Tür ins kleine Badezimmer kam und ihm schweigend allein mit seinen Blicken klarmachte, uns alleine zu lassen.
Josh warf mir einen letzten entschuldigenden Blick zu, ehe er uns dann alleine ließ und bevor überhaupt irgendwas gesagt wurde, schnappte Pablo plötzlich nach meiner verletzten Hand und drückte so fest zu, dass ich laut aufwimmerte.
"Was sollte das eben?!", fragte er wütend und als ich ihm mit Tränen in den Augen entgegensah, kam kein Wort über meine zitternden Lippen, wodurch er nochmal fest zudrückte.
Ich biss die Zähne zusammen. Spürte den Schmerz durch meinen ganzen Körper ziehen und wusste, ich musste ihm irgendwas vorlügen.
Ich musste so lügen, dass ich mir selbst glauben würde...
"Es ist wegen Natalia", flüsterte ich dann und wich seinem eindringlichen Blick dabei nicht aus, während er mich langsam mit der anderen Hand an meinem Hals gegen die Wand drängte.
"Du willst nicht, dass Esteban sie fickt oder?", sprach er ohne Ausdruck und sofort schüttelte ich den Kopf, um meine freie Hand an seine Wange zu legen.
"Es geht nicht um Esteban", log ich und schaute ihm tief in die Augen. "Es geht um dich. Du hast von ihren Qualitäten gesprochen und da kamen die Bilder wieder in meinen Kopf, wie sie dir ..."
Er schien kurz nachdenklich und sofort öffnete er dann leicht seine Lippen und ließ meine schmerzende Hand und meinen Hals los, was mich tief Luft ziehen ließ.
Seine Augen schienen voller Erregung, was mir nur zu deutlich zeigte, dass er mir wirklich glaubte. Ein Stein fiel mir vom Herzen.
"Such dir jetzt einen Kunden. Morgen kannst du nach der Arbeit mit zu mir. Ich hab heute leider noch einiges zu tun", grinste er dreckig und selbst ich musste lächeln. Nicht wegen ihm, sondern weil es nicht mehr lange dauern würde, bis ich Benjamin wiedersehen würde und das nur dank meiner überzeugenden Art zu Lügen...
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