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Das wunderbarste Märchen ist das Leben selbst;
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Eiskalte Flüssigkeit wurde mir ins Gesicht geschüttet und sofort schreckte ich hoch und schaute mich panisch um.
"Ganz ruhig", sprach Reahlyn auf mich ein, der neben mir auf dem Boden saß und lächelte.
Verdammt, hatte er ein schönes Lächeln. Es ließ mich auch lächeln, obwohl ich eigentlich immernoch verwirrt sein sollte, doch das war ich irgendwie nicht. Er machte mir keine Angst. Im Gegenteil. Ich fand es absolut faszinierend, was er war.
Anscheinend war ich zu fest auf den Kopf gefallen....
"Kannst du mir bitte hochhelfen", flüsterte ich mit leiser Stimme und sofort erhob er sich, um mir seine Hände zu reichen, die ich annahm und mich hochziehen ließ. "Danke."
"Geht's wieder?"
Er hielt mich an meinen Schultern fest und dachte anscheinend, dass ich ohne seine Hilfe sofort wieder umkippen würde, was gar keine schlechte Idee war, bei dem, was ich erfahren hatte.
"Ja, es geht schon", murmelte ich leise und schaute ihn mir nach den neusten Erkenntnissen nun ganz genau an. Seine Lippen, die leicht lächelten... Seine blauen Augen, die mich fixierten... Seine verwuschelten Haare... Irgendwie sah er überhaupt nicht aus wie ein Wolf...
Ich streckte ihm meine Nase ein Stück entgegen und schnupperte an seinem Kapuzenpullover, was ihn dazu brachte, mich mit hochgezogener Augenbraue dabei zu beobachten.
"Was soll das?", grinste er und sofort fiel mein Blick wieder hoch in sein Gesicht.
"Du riechst wie ein ... naja ... Wolf", erklärte ich und verkniff mir das Wort Hund zu benutzen. Wer wusste schon, ob es ihn beleidigt hätte.
"Woher willst du denn wissen, wie ein Wolf riecht?, fragte er sofort mit einem belustigten Ausdruck, woraufhin ich verlegen schmunzelte...
"Naja... Wie ein nasser Hund, nur etwas frischer."
Sein lautes Lachen daraufhin ließ mich zusammenzucken, doch ich hatte mich schnell an den Klang gewöhnt und lächelte ihm erleichtert entgegen.
"Du reagierst ziemlich locker auf das alles, außer dem Ohnmachtsanfall. Ist wirklich alles okay?", wollte er dann doch nochmal wissen und ich nickte nur und zeigte dann auf den Stuhl, auf dem ich vorher noch gesessen hatte.
"Ich würde mich aber gerne hinsetzen und dich bitten, mir alles ganz genau zu erzählen."
"Aber natürlich", kam es sofort verständnisvoll von ihm und während ich den einen Schritt auf den Stuhl zumachte, schaute er mir ganz genau dabei zu, als würde er da sein wollen um mich aufzufangen, falls es mir doch nochmal schwindelig werden würde.
Ich fand es wirklich schön ...
Er setzte sich mir gegenüber, schaute mich abwartend an und ich atmete einige Male tief durch, um mich vollkommen auf ihn und seine Geschichte einzulassen. Es kam mir zwar immernoch absolut unwirlich vor, aber es entriss mich der Realität und das tat mir unglaublich gut. Als würde wenigstens ein Teil eines Märchens wirklich wahr werden.
"Also", fing ich dann nervös an und spielte unsicher mit meinen Fingern auf dem dunklen Holztisch. "Du bist also ein Wolf."
"Ja", sprach er leise und schien auch nervös zu sein wie ich wohl reagieren würde, denn er fuhr sich mehrmals durch seine braunen Haare.
"Und ich bin deine Seelenverwandte?", fügte ich unsicher hinzu und kaute dabei auf meiner Unterlippe.
"Ja", meinte er wieder nur und so langsam machte es mich wahnsinnig, ihm alles aus der Nase ziehen zu müssen.
"Kannst du jetzt bitte mal alles zusammenfassen, was ich wissen sollte?", fragte ich dann schon leicht aufgebracht und er reagierte sofort mit einem entschuldigem Lächeln.
"Also, wir Wölfe verwandeln uns zum ersten Mal in der Pubertät und lernen mit der Verwandlung und den uns gegebenen Sinnen in der Zeit umzugehen. Wenn wir dann ausgewachsen sind, also mit unserem 18. Lebensjahr, ist es uns bestimmt, einen Partner fürs Leben zu bekommen. Das kann ein anderer Wolf sein, aber auch ein Mensch, so wie du, nur spüren Menschen diese Verbindung nicht so sehr wie wir."
Er erzählte das ganze total ruhig und ich konnte ihm soweit auch folgen und obwohl es absolut faszinierend war, machte es mir irgendwie auch Angst. Ist ja nicht alltäglich, dass man für ein übernatürliches Wesen bestimmt war. Vielleicht hatte er sich ja auch getäuscht?
"Und woher weißt du, dass ich es bin? Ich meine, vielleicht hast du da was falsch gedeutet?", fragte ich skeptisch und tippte dabei aufgeregt mit dem Zeigefinger auf dem Tisch herum. Es war so spannend, dass ich kaum noch still sitzen konnte.
"Falsch gedeutet?", wiederholte er mich grinsend und schüttelte dabei leicht seinen Kopf. "Sowas kann man nicht falsch deuten. Ich hab dich schon gespürt, bevor ich dich gesehen hatte. Wusste über deine Gefühle bescheid. Wusste, was für ein herzensguter Mensch du bist. Dann sah ich dich, mitten im All in und es genügte ein Blick in deine Augen, da war ich dir vollkommen verfallen, Love. Ab diesem Moment zählte nichts anderes mehr für mich ... Nur du ..."
Seine Augen funkelten als er mir das erzählte und auch mein Herz begann plötzlich schnell zu schlagen. Die Art, wie er mich ansah, war so voller Liebe, dass es mir fast den Atem raubte.
"Aber dann kam mir Esteban dazwischen. Ich konnte dich danach nicht mehr finden. Erst wieder, als ich deine Angst spürte. Als ich mit jeder Faser fühlte, das du mich brauchst. Und dann sah ich dich, mit diesem Widerling in dieser Seitenstraße und hab überhaupt nicht lange darüber nachgedacht, was zu tun war. Natürlich ist es nicht mein Recht, dich für mich zu beanspruchen. Du triffst deine eigenen Entscheidungen und ich will dich zu nichts zwingen, deswegen lasse ich dir auch alle Freiheiten, obwohl ich es mir einfacher machen könnte", grinste er und zeigte dabei seine weißen Zähne.
"Einfacher?", wollte ich dann wissen und er biss sich genüsslich auf seine Unterlippe, was so unfassbar sexy aussah, das mein Blut plötzlich in Wallungen kam.
"Ich könnte dich markieren. Dann würdest du das gleiche fühlen wie ich und bräuchtest keine Zeit mehr mich kennenzulernen. Aber genau das möchte ich nicht und deswegen halte ich mich zurück."
"Wie markiert man denn jemanden?"
Ich wusste das männliche Hunde beim Gassi gehen pinkelten und das als Revier Markierung zählte, deswegen schaute ich ihn auch mit großen Augen an und hoffte damit vollkommen falsch zu liegen.
"Während wir miteinander schlafen, müsste ich dir in die Halsbeuge beißen", grinste er dann dreckig und sofort wurde ich knallrot. Ich hatte so oft so unbedeutenden Sex, aber das hier war etwas völlig anderes. Würde ich mit ihm schlafen, würde ich zu ihm gehören und ihn genauso lieben, wie er mich anscheinend schon jetzt liebte.
"Und was ist wenn du mit anderen Frauen schläfst und sie beißt? Sind sie dann auch auf ewig an dich gebunden?"
"Nein, nur meine Mate. Andere würden zwar an mich gebunden sein, aber nicht so, dass wir zusammen sterben würden."
Irritiert starrte ich ihn an und musste erstmal verarbeiten, wie wir über das Thema Sex plötzlich zum Thema Tod gekommen waren. Er bemerkte wohl wie nachdenklich ich war und holte tief Luft.
"Wenn ich dich markiere, dann ist das ein Versprechen fürs Leben. Wenn es dir schlecht gehen würde, würde es auch mir schlecht gehen. Wärst du glücklich, wäre ich es auch und wenn du sterben würdest, würde auch ich diese Welt verlassen. Deswegen ist es auch so, dass ich dich bewusst nicht einfach für mich beanspruche. Das ist eine Entscheidung, die du ganz alleine treffen musst und die ich, egal wie es ausgeht, akzeptieren würde."
Ich nickte und atmete einige Male beruhigend durch, ehe ich dann alles nochmal durchging und versuchte es zu begreifen ...
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