Kapitel Vier
Pov Iwaizumi
Seit zwei Jahren hat mich niemand mehr so genannt. Und ich bin froh darüber. Es würde sich falsch anfühlen, wenn jemand anderes als er das tun würde.
Oikawa hat seinen Blick vom Spielfeld genommen und sich mir zugewendet. Er hat mir eine Frage gestellt und erwartet eine Antwort, die ich ihm jedoch nicht geben kann.
Warum habe ich mich zu ihm gestellt? Er hat recht, die Tribüne ist groß genug. Warum habe ich mir dann den Platz neben ihm ausgesucht? Vielleicht wollte ich wissen, ob er tatsächlich nur wegen Kunimi und Kindaichi hier ist, oder ob er möglicherweise einfach nur eine Ausrede brauchte, um eine Sporthalle zu betreten. Vielleicht wollte ich auch einfach wieder seine Stimme hören und mich vergewissern, dass es
ihm gut geht. Warum sonst, sollte ich so viel reden? Das habe ich schon lange nicht mehr getan. Sagen werde ich ihm aber nichts davon.
„Der Blick von hier ist gut. Man sieht das ganze Spielfeld."
Er weiß, dass ich lüge und ich weiß, dass er mich durchschaut, aber niemand von uns sagt etwas dazu. Stattdessen sehen wir uns stumm das Spiel an, das unser ehemaliges Team gerade für sich entscheidet.
Als sie sich vor der Tribüne aufstellen und sich beim Publikum bedanken, wirft Kunimi mir einen fragenden Blick zu.
Nachdem er und seine Mannschaftskameraden sich umgezogen und frischgemacht haben, treffen wir Kindaichi und ihn auf der Tribüne. Der Rest sitzt schon unten und sieht den restlichen Spielen zu. Karasuno spielt gerade gegen das Team der Kakugawa High.
„Iwaizumi, du bist auch gekommen."
„Ich würde doch euer letztes Jahr nicht verpassen wollen."
„Und wie läuft es bei euch mit dem Volleyball?", will Kindaichi wissen. Ich werfe von der Seite einen Blick auf meinen einstigen besten Freund, dann antworte ich. „Könnte nicht besser sein. Mein Sportstudium macht Spaß und ab und zu spielen wir auch mit ein paar anderen Studenten. Manche von ihnen sind
echt gut. Und bei dir, Oikawa?"
„Wie jetzt, ihr spielt gar nicht mehr zusammen?"
„Nein."
„Aber du spielst doch noch, oder Oikawa?", hakt Kunimi nach.
Er schüttelt den Kopf und meidet meinen Blick.
„Ich spiele ab und zu beim Nachbarschaftsverein oder bei der Mannschaft von meinem Neffen mit."
Oh Mann, er könnte so viel Besseres haben, das ist doch unter seinem Niveau!
„Hattest du nicht so viele Angebote von irgendwelchen professionellen Teams?"
Er sieht auf den Boden. „Das hat sich nicht ergeben."
Nicht ergeben, pff! Er hat es selbst verbockt, dieser Scheißkerl!
„Ich gehe kurz auf die Toilette." Bevor ich bei jemandem Gewalt anwende...
Ich spritze mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und schlage mit meiner Faust auf das Porzellan. Meine Fresse, dieser Idiot kann wirklich keine Entscheidungen treffen! Das war noch nie anders.
Rückblick Grundschule | Iwaizumi
„Du bist auch dem Volleyballclub beigetreten, Oikawa?"
„Klar, ich mag Sport und du warst auch im Volleyballclub."
Ich grinse, weil ich es cool finde, dass mein bester Freund wegen mir einem Sportclub beigetreten ist. Hoffentlich macht es ihm genauso viel Spaß wie mir.
Meine Hoffnung wird erfüllt und wir gehen beide in dem Sport auf. Selbst wenn wir nach der Schule kein Training haben, gehen wir in den Park und spielen uns Bälle zu.
„Mist, das Baggern fällt mir immer noch total schwer... Der Ball fliegt hin wo er will!", beschwere ich mich.
„Das liegt daran, dass er deine Arme immer zu seitlich trifft. Du musst immer darauf achten, dass er ungefähr hier aufkommt." Er zeigt auf die Mitte meiner Unterarme und macht es vor. „Okay, aber wenn du mir noch einmal Tipps
gibst, werfe ich dir den Ball ins Gesicht, Shittykawa! Überleg dir lieber, wie du den Überhandpass richtig spielst."
„Hey, das ist gemein! Meine Überhandpässe sind schon viel besser geworden."
„Ach wirklich? Beweise es."
Ich werfe ihm den Ball so zu, dass er mir zuspielen kann. Er vergeigt es jedoch und der Ball landet auf seinem Kopf.
Lachend gehe ich zu meinem besten Freund.
„Schon viel besser, huh?"
„Halt die Klappe, Iwa-Chan, du bist so gemein!"
„Wollen wir lieber weiter normale Pässe üben?"
„Klar!"
Er nimmt den Ball und spielt mir so zu, dass ich baggern muss. Oikawa ist ein ziemlich umsichtiger Teamkollege. Nicht nur bei
mir sondern auch bei den anderen weiß er, was sie können und was sie noch üben müssen. Auch wenn seine Überhandpässe noch unterirdisch sind, der Rest seiner Fähigkeiten ist beeindruckend präzise.
Eine Weile spielen wir den Ball stumm hin und her, bis er das Schweigen bricht.
„Auf welche Mittelschule willst du eigentlich später gehen, Iwa-Chan?"
„Auf die Kitagawa Daiichi. Wieso?"
„Cool, dann komme ich mit. Meine Mutter hatte mich neulich gefragt, wo ich hin will und ich wusste nichts. Jetzt habe ich meine Antwort."
Ich freue mich, dass mein bester Freund und ich später weiter in einem Team spielen werden. Diese Freude hat mich nie hinterfragen lassen, wie schnell er eine so wichtige
Entscheidung nur meinetwegen getroffen hatte.
Rückblick Ende
Ich schaue in den Spiegel und frage mich wieder einmal warum. Er ist doch selbstbewusst. Er weiß, was er kann, wie
besonders er ist. Warum also nutzt er sein Talent nicht?
Warum entscheidet er nicht für sich selbst? Warum lässt er andere über sich bestimmen? Warum lässt er mich über sich bestimmen?
Ich habe es immer genutzt und ihn damit aufgezogen. Selbst der Trainer wusste das und hat stets mich geschickt, wenn Oikawa bei Turnieren mal wieder abhanden gekommen ist. Obwohl er auch auf den Trainer gehört hätte.
Man sieht es vielleicht nicht direkt, aber Oikawa versucht immer, es den Leuten um ihn herum recht zu machen. Er bemüht sich
darum, dass sie sich wohlfühlen. Sowohl beim
Volleyballspielen als auch im Alltag.
Er wusste aber, dass es mir auch recht gewesen wäre, wäre er zu einem professionellen Volleyballteam gewechselt. Klar, wir
haben bis zu dem Zeitpunkt alles zusammen gemacht und es wäre komisch geworden ohne ihn. Aber ob wir uns nicht gesehen hätten, während er in einem anderen Land ist oder in
derselben Stadt, macht für mich keinen Unterschied. Er hat es verbockt. Seine Zukunft, sowie unsere Freundschaft. Und ich
bin nicht derjenige, der sie für ihn reparieren wird.
Ich trockne meine Hände und gehe zurück in die Halle, wo gerade das Spiel von Oikawas Schützling abgepfiffen wird. Die Karasuno hat haushoch gewonnen.
„Wow, das ist mal ein beachtlicher Punktestand", kommentiere ich.
„Iwa-Chan, du bist wieder da. Die anderen wollen sich gleich aufwärmen, gehen wir in der Zwischenzeit etwas essen?"
„Tu nicht so, als wäre nichts gewesen, Shittykawa! Wir beide wissen, warum ich vorhin abgehauen bin", werfe ich ihm an
den Kopf. Dann setze ich noch hinzu: „Aber ich hab Hunger, lass uns gehen."
„Okay. Wohin? Ramen oder Sushi?"
„Wo willst du lieber hin?"
„Mir ist das-"
„Wenn du jetzt egal sagen wolltest, hast du weder Ramen noch Sushi, sondern meine Faust in deinem Magen."
„Ramen."
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