Botschaft, Spaziergänge und Paartherapien

Ich saß noch gefühlte Stunden auf der mittlerweile leeren Tribüne und starrte an die Stelle, an der ich Jacob zuletzt gesehen hatte. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass Janine sich von mir verabschiedet hatte und so war ich nun allein, sogar Coach Mason war schon fort.

Ich fragte mich, warum genau ich immer das Glück hatte in sowas hineinzugeraten, warum hatte ich nicht einfach meine Klappe halten können? Denn im Endeffekt war es doch klar gewesen, dass Jake spielen würde, also was hatte mir dieses Gespräch gebracht, außer, dass er jetzt sauer auf mich wahr? Rein gar nichts.

Nach einer weiteren Ewigkeit die ich dort gesessen hatte, stand ich auf, die Sonne hatte heiß auf mich geschienen und ich fühlte mich wie ein Grillhähnchen, wenn ich noch länger dort verharrt hätte, hätte ich vermutlich demnächst auch wie eines ausgesehen.

Mein Rücken tat mir vom krummen Sitzen weh und ich streckte mich ausgiebig, ich war müde.

Dann machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria, es hatte gerade zur Pause geklingelt und vielleicht würde ich Max oder Bella dort finden.

Doch dem war nicht so, meine Freunde waren wie vom Erdboden verschluckt und ich lief allein umher. Ich hätte eigentlich nach Hause gehen können, aber ich wollte irgendwie nicht, also strich ich durch die Gänge.

Allein, bis ich, mir mittlerweile sehr bekannte, schnelle Schritte auf High Heels im nun leeren Korridor vernahm. Ich machte mir nicht die Mühe stehen zu bleiben, ich lief einfach weiter, bis Jennifer mich eingeholt hatte und neben mir her lief.

Kurz sagte sie gar nichts und ich dachte schon, das ich zumindest heute verschont wurde, doch dann holte sie Luft und setzte zum Reden an, doch ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.

„Wenn du jetzt vorhast mir zu erzählen, dass du mich fertig machen wirst, lass es, denn ich hab's echt gecheckt, okay?"

Ich sah in ihr schönes, doch leider böses Gesicht, sie grinste breit und seufzte theatralisch. „Oh Evan, du hast ja keine Ahnung. Ich wollte dir nur mitteilen, dass du nicht mehr lange hier sein wirst."

Ich machte ein wenig interessiertes Gesicht. „Aha und warum, wenn ich fragen darf?"

Sie warf sich ihre braunen, langen Haare über die Schulter und betrachtete ihre pinken Acrylnägel interessiert, während sie ihr widerlich siegreiches Gesicht aufgesetzt hatte.

„Deine Freunde werden sich bald gegen dich wenden, dafür werde ich sorgen."

Ich muss an dieser Stelle anmerken, dass ich diese selbstverliebte Psychopathin nie ernst genommen hatte, aber in diesem ausgestorbenen Gang, bekam ich bei diesen Worten eine Gänsehaut.

„Höchst interessant, erzähl mir mehr." Sagte ich, versucht gelangweilt und unbeeindruckt zu klingen, doch das gelang mir nicht so perfekt wie sonst.

Sie blieb stehen und sah mir direkt in die Augen.

„Die Welt hasst Verräter, Evan." Damit ging sie davon und ließ mich wie eine Idiotin stehen. Was hatte sie damit gemeint? Warum sollte ich eine Verräterin sein?

Ich sah ihr nach und fragte mich, was für kranke Spiele sie trieb. Die Sache mit meinem Eistee war kindisch gewesen, doch das hier wirkte nicht mehr ganz so dumm. Das hier sollte ich eventuell ernster nehmen. Vielleicht hatte ich Jennifer Brown unterschätzt, vielleicht war der Streich mit dem Klowasser nur gewesen, damit ich dachte, das Ganze würde nicht schlimm werden. Vielleicht hatte sie alles geplant, zuerst wollte sie mich in Sicherheit wägen und jetzt griff sie erst so richtig an und zwar dort wo es wirklich wehtat: Bei meinen Freunden.

Oder sie wollte mir nur Angst machen und am Ende geschah gar nichts, denn irgendwie kam Jennifer mir nie vor wie eine besonders intelligente Person.

Ich fuhr mir durch Haare und beschloss die Sache vorerst zu vergessen, bis wirklich etwas geschah, denn ich musste mich jetzt nicht verrückt machen, wenn sie vielleicht nur große Reden schwang, aber nichts tat.

Ich entschied, dass ich Bella oder einen der anderen eh nicht finden würde und lief zur Redaktion, wo ich überraschenderweise Janine erneut antraf.

Sie saß an ihrem Schreibtisch, der dem meinen gegenüber stand und tippte unaufhaltsam etwas in ihren Computer.

Ich besah mir unsere Ecke in der Redaktion. Wir hatten sie zwar noch nicht lange besetzt, doch sie sah schon recht gemütlich aus. An der Wand hinter meinem Schreibtisch hing ein Poster von den Patriots, Tassen und Bilder lagen rum und überall klebten diese kleinen Klebezettel in schrillen Farben, die uns an Termine erinnern sollten. Janine hatte vorgeschlagen einen kleinen Kalender zu kaufen, damit wir die Sachen lieber da eintragen sollten, doch bis jetzt hatte es keiner von uns getan.

Ich setzte mich ihr gegenüber und schaltete meinen Computer an. Ich sah zu ihr, ihr Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet und ihre Stirn lag in feinen Falten der Konzentration.

Ich räusperte mich leise und sie schreckte zusammen.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht stören." Ich lächelte vorsichtig, obwohl mir gerade absolut nicht nach Lächeln zumute war, aber es funktionierte, sie lächelte zurück.

„Wie weit bist du schon mit dem Artikel? Kann ich helfen? Ich hab nichts zu tun und ich will nicht nach Hause, um ehrlich zu sein."

Janine winkte mich zu ihr herüber und ich überflog ihren Text. Er war nicht schlecht, vielleicht etwas kantig, aber das wichtigste stand drin. Ich formulierte einige Sätze um, damit sie schöner klangen, ansonsten war nicht mehr viel zu tun.

Doch Janine wollte nochmal eine Nacht drüber schlafen und es erst morgen an Mr. Griffin schicken, damit ging sie auch schon wieder und zum erneuten Male stand ich allein da.

Eventuell sollte ich auch einfach heimgehen, ehe Jennifer noch eine seltsame Botschaft für mich hatte.

Ich seufzte und schaltete den PC aus, verließ das Gebäude und setzte mich an die Bushaltestelle. Es war ein schöner Tag. Der Himmel strahlte in einem hübschen königsblau und die Sonne stand hoch, einige Vögel sangen und ein seichter Wind strich über San Francisco.

Ich setzte meine Kopfhörer auf und genoss den Tag.

Als ich Zuhause angekommen war, war ich ironischer Weise auch dort allein, Emma und Jack waren wohl noch in der Schule und Mom und Dad auf der Arbeit.

Doch ich konnte nicht schon wieder den Tag in meinem Zimmer verbringen, so wie die meisten Tage seitdem wir hier waren.

Ich beschloss einen Spaziergang zu machen um den Kopf frei zu kriegen. Ich fühlte mich in letzter Zeit so müde und gestresst, ein bisschen frische Luft würde mir sicherlich gut tun.

Ein paar vereinzelte Autos fuhren an mir vorbei, doch sonst war in dem Wohngebiet nicht viel los. Ein großes Haus reihte sich an das andere, die Straßen waren nicht sehr breit und man hätte auf den ersten Blick gar nicht erwartet, dass man sich grade in San Francisco befand, das einzige was an die Stadt erinnerte, waren die hügeligen Straßen, die teilweise sogar recht steil waren.

Letztere machten mir beim Laufen auch zu schaffen, abermals wurde ich von meinem Körper daran erinnert, dass Sport nicht so mein Ding war.

Ich sah mich um und erkannte plötzlich ein bekanntes Gesicht.

In einem der grünen Vorgärten stand Mr. Turner mit seinem Golden Retriever Jake und stritt sich mit seinem Nachbarn über den weiß gestrichenen Gartenzaun hinweg.

Ich blieb auf der anderen Straßenseite stehen und fixierte die beiden Rentner. Worum es genau ging, konnte ich auf die Distanz nicht genau sagen, doch offenbar war Jake ein Teil des Problems, denn der alte Mann, dessen Namen ich nicht kannte, gestikulierte immer wieder in Richtung des Hundes, der sich traurig auf das Gras gelegt hatte und sein Gesicht mit den Pfoten bedeckte.

Plötzlich sah Mr. Turner sich um und erblickte mich, im ersten Moment erwartete ich, dass er sich nicht mehr an mich erinnerte, immerhin war es drei Wochen her, dass ich mich verirrt und bei ihm geklingelt hatte, doch nach einer kurzen Zeit, in der Ratlosigkeit auf seinem Gesicht lag, verwandelte sie sich in ein breites Lächeln.

Er winkte mich zu ihm rüber und ich gab ihm die Hand. „Schön dich wieder zusehen, Eva."

Ich lächelte noch breiter. „Evan, Mr. Turner, aber ja, freut mich auch."

Der wütende Nachbar hatte sich leise vor sich hin schimpfend zurück in sein Haus verzogen und Mr. Turner wirkte schon fast erleichtert, dass ich ihren Streit unterbrochen hatte.

Vorsichtig deutete ich auf die nun geschlossene Tür des Nebenhauses. „Was war denn da los?"

Mr. Turner fuhr sich durch sein von Falten zerfurchtes Gesicht und seufzte. „Ich bin zu schwach um regelmäßig mit Jake rauszugehen und deshalb rennt er oft im Garten umher, bellt viel und kaut oder kratzt am Zaun, dass stört die Williams und wir streiten oft. Sie wollen das ich Jake abgebe, aber das kann ich nicht." Er sah liebevoll zu seinem Hund herab und strich ihm über den Kopf. „Er ist doch mein bester Freund."

Das zu hören, machte mich traurig. Ich kannte den alten Mann ja eigentlich gar nicht, doch irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er ohne den Hund einsam wäre, doch auch Jake tat mir leid, denn ein Hund brauchte nun mal Auslauf und ehe ich es mir versah, sprach ich den Gedanken, der mir im Kopf rum schwirrte auch schon aus. „Ich könnte mit ihm Joggen gehen, vielleicht tue ich es dann auch endlich mal regelmäßig, weil ich mich dann nicht mehr drücken kann." Ich lachte leise auf und rechnete mit einer Absage, doch Mr. Turner sah mich begeistert an.

„Das würdest du tun? Ich wäre dir echt dankbar und Jake schien dich zu mögen."

Ich lächelte. „Klar, ich hab eh nichts zu tun."

Mr. Turner beugte sich erneut zu seinem pelzigen Mitbewohner runter und wuschelte ihm durchs Fell. „Hast du gehört, Jake? Evan geht mit dir."

Wir einigten uns darauf, dass ich Jake jeden Mittwoch und jeden Sonntag bei Mr. Turner abholte, wofür ich jedes Mal fünf Dollar bekam. Ich wollte eigentlich nicht bezahlt werden, denn es brachte mir ja auch was; ich kam mal raus und konnte endlich Ausdauer aufbauen, aber Mr. Turner ließ sich nicht umstimmen.

Nachdem er mich noch zu einem Tee eingeladen hatte, machte ich mich auf den Heimweg. Es war schon komisch, mit einem eigentlich fremden alten Mann Tee zu trinken und dann auch noch zwei Mal die Woche seinen Hund auszuführen und das alles auch noch spontan, doch ich fühlte mich total gut. Es war zwar nur eine Kleinigkeit, doch es fühlte sich an wie eine gute Tat.

Als ich am späten Nachmittag wieder Zuhause ankam, war meine ganze Familie im Wohnzimmer versammelt und ich zog eine Augenbraue hoch. „Was ist denn hier los?"

Meine Eltern saßen auf der Couch und meine Geschwister standen mit skeptischen Blicken vor dem Fernseher und sahen die beiden Erwachsenen an.

„Wo warst du, Evan?" Fragte meine Mutter ein bisschen wütend und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.

„Ich war spazieren, hab Mr. Turner getroffen und jetzt gehe ich zwei Mal die Woche mit seinem Hund und bekomme Geld dafür. Und ich hab Tee mit ihm getrunken."

Mein Vater sah mich düster an. „Mr. Turner? War das nicht dieser alte Mann, von dem ich dich abholen musste, weil du den Weg nicht mehr gefunden hast?"

Ich nickte und er schüttelte den Kopf. „Das kommt nicht in Frage, du kennst den Mann doch gar nicht, wer weiß was der im Sinn hat. Ich lasse dich nicht mit einem Fremden allein, keine weiteren Besuche bei diesem Typen, ist das klar?"

Ich verschränkte meine Arme und sah ihn stur an. Ich hatte so gute Laune gehabt und das obwohl ich diesen Streit mit Jacob hatte und Jennifer mal wieder ihren Feldzug weiter führte, doch die war jetzt verschwunden, mir fiel auf wie scheiße der Tag eigentlich gewesen war und schon landete meine Laune beim Erdmittelpunkt.

„Warum nicht? Ich helfe einem alten Mann, der nicht mehr oft genug mit seinem Hund rausgehen kann und kriege sogar Geld dafür, sieh es als einen Job. Andere Teenager gehen Babysitten oder geben Nachhilfe und ich führe einen Hund aus, wo ist dein Problem?"

Ich hatte mir offenbar einen schlechten Tag für solche Eröffnungen ausgesucht, denn Dad wurde jetzt richtig wütend. Sein Kopf lief dunkelrot an und eine Ader an seiner Schläfe begann gefährlich zu pulsieren.

„Du hast auf mich zu hören, Evan Valerie Scott, ist das klar? Ich traue diesem Mann nicht! Und ..."

Mom verdrehte die Augen und unterbrach ihn. „Und es ist okay. Ich finde es gut, dass du anderen helfen willst und dir einen Job gesucht hast. Nicht alle alten oder auch nicht alten Männer sind auch gleich pädophil, also entspann dich, Peter."

Ich nickte heftig und seufzte. „Mein ich doch."

„Aber wir wollen euch etwas viel wichtigeres erzählen." Begann Mom und sofort rasten mir einige schreckliche Szenarien durch den Kopf. Ließen sie sich scheiden? Würde Dad ausziehen?

Ich stellte mich zu Emma und Jack und wir sahen die beiden erwartungsvoll an. Ich nahm Emmas kleine Hand, sie zitterte und ich drückte sie, damit sie wusste, dass alles gut werden würde.

Mom holte tief Luft. „Also. Wir hatten gehofft, dass mit dem Umzug alles besser werden würde, doch irgendwie hat das nicht ganz so gut geklappt, also habe ich euren Vater dazu überredet, dass wir zu einer Paartherapie gehen, was haltet ihr davon?"

Kurz waren wir alle sprachlos, dann hatte sich zumindest Jack wieder gefangen und legte dann auch direkt los.

„Das bringt doch eh nichts. Ich bitte dich, Mom, du wirfst unsere Lieblingscornflakes nach Dad und jetzt dürfen wir sie nicht mehr kaufen weil du es mit ihm in Verbindung bringst. Euch hilft keine Therapie. Euch hilft die Scheidung."

Moms Mund klappte auf, Dads Augen weiteten sich. Emma begann zu schluchzen und ich seufzte nur, war ja klar dass er das sagen musste. Insgeheim wusste ich zwar, dass er irgendwo Recht hatte, doch ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass doch alles wieder gut werden würde. Und ich fand es gut, dass auch Mom und Dad diese Hoffnung noch hatten.

„Jack ... Sag sowas nicht. Ich liebe deine Mutter und wir werden uns auf keinen Fall scheiden lassen, sei dir da sicher." Flüsterte Dad in den stillen Raum und Jack lachte freudlos auf.

„Wenn du sie liebst, warum hast du sie dann betrogen? Das versteh ich einfach nicht! Welcher Mensch tut sowas?"

Darauf hatte Dad nichts mehr zu sagen und mein Blick flackerte zu meiner Mutter, die kraftlos auf der Couch saß. Ihr Gesicht war aschfahl und sie wirkte kaputt.

„Mom?" Fragte ich vorsichtig, sie sah zu mir auf.

„Wir müssen jetzt stark sein und ... Und wir werden es mit dieser Therapie versuchen, wir ... Wir werden kämpfen." Sagte sie ganz so, als wollte sie gar nicht uns davon überzeugen, sondern sich selbst.

Schnell wischte sie sich eine einzelne Träne von der Wange und lächelte breit, ganz so als sei nichts gewesen und ich konnte schon wieder an die Decke gehen. Warum war es in meiner Familie so üblich, dass immer alles unter den Tisch gekehrt wurde, warum waren meine Eltern nicht einmal so ehrlich und zeigten uns ihre wahren Gefühle? Ich war mir sicher, dass Dad am liebsten geschrien hätte, einfach um es mal raus zu lassen. Manchmal musste man Schreien, manchmal ging es einem danach besser. Und Mom, sie sollte endlich mal weinen und es nicht immer mit einem gekünsteltem Lächeln verbergen.

„Ich gehe morgen und kaufe euch eure Cornflakes wieder, ja? Alles in bester Ordnung, diese Therapie wird uns helfen und damit auch euch." Sagte sie und stand auf.

Damit war unsere Familiensitzung vorbei und ich ging auf mein Zimmer. Dieser Tag war komisch gewesen und ich wusste gar nicht, worüber ich zuerst nachdenken sollte. Jacob, Jennifer oder meine Eltern?

In dieser Nacht schlief ich mit einem schlechten Gefühl ein und fiel in einen ruhelosen Schlaf, der mir Alpträume bescherte.

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Hey Leute,

heute ein etwas kürzeres Kapitel, ist eigentlich auch nur ein kleiner Füller hehe, seid ihr gespannt was Jennifer im Schilde führt? was denkt ihr könnte es sein?

Und was denkt ihr? Wird die Therapie die Ehe von Evans Eltern wieder gerettet?

Ich würde mich sehr über eure Kommentare freuen <3

xoxo Beccy

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