Auditions




Am Sonntag schälte ich mich halbtot aus dem Bett. Ich war so wie ich war ins Bett gegangen, alles was ich ausgezogen hatte waren diese teuflischen Schuhe und als ich viel zu früh erwachte trug ich noch immer das Kleid und Jacobs Hoodie.

Ich sah mich durch den Anblick von letzterem panisch um, Isabelles Sachen standen noch hier, ich sah auf mein Handy.

Ich komme vorbei um meine Sachen zu holen, bis gleich.

Ich riss mir den Hoodie förmlich vom Körper und stopfte ihn unter meine Bettdecke, sie durfte das auf keinen  Fall sehen, dann würde sie nur falsche Schlüsse ziehen.

Letztendlich war alles gut gelaufen, sie hatte ihren Kram geholt, hatte noch kurz versucht etwas zu den abendlichen Ereignissen aus mir herauszukriegen, dann ging sie aber auch wieder und ich beschloss den Rest des Tages zu schlafen.

Doch nachdem ich mich ein bisschen frisch gemacht und Jacobs Pullover in die Waschmaschine getan hatte, war ich so wach, das an schlafen nicht zu denken war. Ich dachte an das was gestern Abend passiert war und seufzte, das war also meine erste Highschool Party gewesen: Ohne Musik, ohne Alkohol und nicht mal eine Stunde lang und ach ja, ich hatte acapella eines der schnulzigsten Lieder überhaupt gesungen und mich dann davon geschlichen um den verschollenen DJ zu suchen.

Mir wurde schlecht wenn ich an Jacob und seine körperliche Verfassung dachte, er hatte richtig übel ausgesehen und irgendwie überhaupt nicht so, wie man eigentlich aussieht, wenn man eine Treppe runter fällt. Ich lag auf meinem Bett und rief mir jede einzelne seiner Bewegungen ins Gedächtnis, er war gelaufen als hätte er die Schmerzen seines Lebens und dann sollte ich auch noch Max anlügen ... Da war irgendwas ganz gewaltig faul und ich musste unbedingt wissen was es war.

Doch bevor ich weiter über das Mysterium Jacob Denver nachdenken konnte, klingelte mein Handy und Janines Name strahlte mich vom Display aus an. Ich seufzte. Janine war echt nett, aber seitdem sie ihre Schüchternheit mir gegenüber abgelegt hatte, war sie echt penetrant was die Schülerzeitung anging. Vermutlich war das auch irgendwie gut, wenn man bedachte, dass mein Gedächtnis quasi nicht vorhanden war, aber auf Dauer nervt es mich dann doch irgendwie.

Kurz überlegte ich, sie einfach wegzudrücken, aber das war irgendwie asozial, also drückte ich auf den grünen Hörer und nahm das Handy an mein Ohr.

„Hey, Janine, was gibt's?"

„Hast du im Kopf, das morgen die Auditions fürs Footballteam sind und das du nicht zum Unterricht, sondern zum Feld kommen musst?"

Okay, ich nehme alles zurück, Janine war praktisch.

„Oh Gott, ja richtig, gut das du es sagst."

„Evan, du musst dir solche Sachen doch irgendwie in dein Handy eintragen oder keine Ahnung, irgendwas halt, was ist wenn ich auch mal was vergesse und wir dann beiden nicht da sind?"

Ich räusperte mich. „Daaaaann, ist das blöd gelaufen."

Ich hörte wie sich das Mädchen auf der anderen Seite der Leitung durch die Haare fuhr und seufzte. „Na gut, egal. Wir sehen uns morgen und komm bloß nicht zu spät, ich will da nicht allein zwischen Möchtegernfootballspielern sitzen."

„Keine Sorge, ich werde sowas von rechtzeitig da sein, dass glaubst du gar nicht!" Meine Stimme triefte nur so vor gespielter Überzeugung, doch Janine kaufte es mir ab, wünschte mir noch einen schönen Sonntag und legte auf, ich ließ mich erleichtert in meine weichen Kissen fallen.

Was gut daran war, das ich morgen zu diesen Auditions musste, war das ich dann nicht in den Unterricht musste und somit auch nicht Gefahr lief Jennifer oder ihrer Clique über den Weg zu laufen.

Ich hoffte, das Janine damals in der Redaktion Recht behalten sollte, als sie meinte, dass Jacob ein unentbehrlicher Teil der Mannschaft war, also nicht an den Auditions teilnehmen musste, denn in seiner Verfassung wäre das eigentlich unmöglich.

Sorge kroch in mir hoch, was wenn Max mit dieser Tumorsache nicht Unrecht hatte, ich war mir nicht sicher, aber ich hatte auch schon sowas in der Richtung gehört ... Irgendwas von wegen Erschütterungen im Gehirn, die von den harten Stößen und Aufprällen beim Spielen herrührten und die halt Tumore auslösen konnten. Ich fuhr mir erschöpft durchs Gesicht, ich hoffte wirklich, dass er nur tollpatschig war.

Ich spürte dass mir der Kopf zu platzen drohte und beschloss für den Rest des Tages einfach mal ein bisschen abzuschalten. Ich setzte mich gemütlich hin, lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe und nahm meine Kopfhörer raus.

~

Am nächsten Morgen fühlte ich mich schon besser, der Tag nichts tun hatte mir geholfen ein bisschen runterzukommen. Ich saß grade mit Jack am Frühstückstisch, der sich durchgängig darüber beschwerte, dass er auch bei den Auditions zu sehen wollte, als Emma in die Küche kam und mir ihr Handy neben die Müslischüssel legte.

Auf dem Display war das Bild zu sehen, welches sie von Bella und mir gemacht hatte, als wir uns Samstag auf den Weg zur Party gemacht hatten.

Ich sah zu ihr hoch, ein triumphierendes Lächeln lag auf ihren Lippen, das ihre Augen erstrahlen ließ. Ich zog eine Augenbraue hoch.

„Was ist damit?"

„Du solltest das auf Instagram hochladen und die alten Bilder löschen."

„Und warum genau sollte ich sowas tun, Schwesterchen?"

Emma verdrehte die Augen und stöhnte theatralisch auf, dann setzte sie sich mir und Jack gegenüber und sah mich an, als ob es auf der Hand läge.

„Nichts gegen dich, aber deine alten Bilder aus Washington, sehen alle so ... Traurig aus, verstehst du? Aber du bist nicht mehr die traurige Evan, sondern die mit Freunden und diesem Hammer Kleid und Partyeinladungen. Zeig das, außerdem folgen dir immer noch richtig viele Leute von der alten Schule, du weißt schon, die Idioten die dich gemobbt haben, wäre es nicht mega cool ihnen zu zeigen, was sie verpasst haben?" Sie zwinkerte mir frech zu und ich sah mir das Bild nochmal genau an. 

Eigentlich war ich nicht besonders fotogen, doch das Bild war schon ganz schön, ich hatte ein Lächeln drauf und Bella hatte ihren Arm um mich gelegt, wir standen noch halb auf der Wendeltreppe und somit wirkte es, als ob wir zwei Prinzessinnen waren, die grade aus ihrem Schloss kamen. Zugegeben, ich wollte nie eine Prinzessin sein, aber in diesem Fall passte der Vergleich.

Ich zückte mein Handy und sah mir mein Profil an. Ein paar düstere Selfies mit dämlichen Filtern, auf denen ich nicht mal ansatzweise lächelte und dann noch eins, zwei Bilder von dem Naturschutzgebiet neben dem wir gewohnt hatten, was mir irgendwie das Image einer Einzelgängerin gab, die in ihrer Freizeit keine Ahnung, Vögel im Wald beobachten ging und zu guter Letzt war da noch ein Bild von meiner Familie. Ich sah auf das Datum und mein Herz zog sich zusammen, zwei Monate nachdem ich dieses Bild gepostet hatte, hatte Mom von Dads Affäre erfahren. Auf dem Bild lächelten wir alle, Emma hatte eine Zahnlücke und Mom und Dad hielten sich an der Hand.

Ich seufzte du sah meine Geschwister an.

„Vielleicht hast du Recht. Die Bilder sind sowas von nicht mehr aktuell."

Meine Schwester nickte zufrieden und sah mir dabei zu, wie ich eines nach dem anderen löschte, dann schickte sie mir das von Bella und mir und ich postete es.

Ich markierte meine neuen Freunde und schrieb Ich hasse hohe Schuhe drunter. Letzteres quittierte Emma mit einem bösen Blick, doch ich zuckte mit den Schultern, dann stand ich auf und schnappte mir meinen Rucksack.

„Beschwer' dich nicht, ich hab jetzt schon mein ganzes Profil geändert, da darf ich wohl wenigsten unter die Bilder schreiben, was ich will!" Ich lachte auf und Emma schmunzelte.

Dann verließ ich das Haus und stieg in den Bus, wie jeden Morgen war er bis unters Dach voll und ich fand keinen Sitzplatz. Also musste ich eingequetscht zwischen schwitzenden, lauten und überaus nervigen Teenagern stehen, bis wir endlich an der Darwin angelangt waren und ich mich raus drängte.

Vor dem Schultor wartete Adam, ich ging zu ihm und wir umarmten uns, er lächelte und fuchtelte mit seinem iPhone vor meinem Gesicht rum.

„Ich liebe dein neues Bild, aber du solltest vielleicht den Text nochmal ändern, naja egal. Ich find es super, dass du dein Depriimage endlich abgelegt hast und auch im Internet zeigst, wer du mittlerweile bist!"

Bei diesen Worten verdrehte ich die Augen, erstens fragte ich mich, warum in der letzten Zeit so viele Parallelen zwischen Emma und Adam zu erkennen waren und zweitens, fand ich es mittlerweile wirklich anstrengend, das hier alle so unglaublich viel Wert auf Social Media legten, das stresste mich irgendwie und am liebsten würde Instagram und Co. einfach löschen. Aber das brachte ich dann doch wieder nichts übers Herz.

Adam legte einen Arm um meine Schulter und gemeinsam liefen wir mit den anderen Schülern über den Schulhof der Darwin in Richtung Hauptgebäude.

„Ich wollte mich nochmal bei dir bedanken, dank dir war mein Geburtstag etwas ganz Besonderes. Und du hast echt eine schöne Stimme, hast du schon mal drüber nachgedacht in der Schulband zu singen?"

Ich lächelte schüchtern. „Nein, hab ich nicht und ich werde garantiert nicht in einer Band singen, dafür bin ich viel zu schlecht."

Er blieb entsetzt stehen und sein Arm rutschte von meiner Schulter. „Du singst wie ein Engel, Evan Valerie Scott! Wie ein verfluchter Engel! Und du musst dein Talent unbedingt zeigen! Hast du verstanden? Max ist doch auch in der Band, was ist da schon bei? Du kennst dann doch sogar jemanden dort!"

Ich hatte die Arme verschränkt und sah ihn kritisch an. „Ich denke nicht, dass das eine besonders gute Idee ist."

Adam fasste sich entrüstet an die Stirn und hakte sich bei mir unter, so liefen wir weiter. „Du solltest drüber nachdenken, Evan. Willst du nicht auch ein Stipendium? Dir ist doch klar, dass Colleges es lieben, wenn man an vielen AGs teil nimmt und beispielsweise in Bands von der Schule spielt, oder?"

Ich knirschte mit den Zähnen, da hatte er mich. Ein Stipendium. Was würde ich nicht alles dafür tun, um an eine richtig gute Universität zu gehen ... Korrekt, du hast es erraten, dafür würde ich sogar in der Schulband ohne Namen spielen und mich damit Max anschließen. Ich seufzte und sah Adam säuerlich an.

„Ich rede mal mit Max, mal gucken, vielleicht."

Siegessicher grinste Adam und klopfte mir auf die Schulter. „Du wirst es nicht bereuen, was hast du jetzt eigentlich?"

Ich deutete in Richtung der Sportplätze. „Heute sind die Auditions fürs Footballteam, ich muss da mit Janine hin, damit wir einen Artikel für die Schülerzeitung schreiben können."

„Ach ja stimmt, wünsch Jacob viel Glück von mir."

Ich zog meine Stirn in Falten. „Jacob muss auch an den Auditions teilnehmen? Ich dachte er wäre ein festes Mitglied."

Adam schüttelte den Kopf. „Leider nicht, aber ich hab ihn heute irgendwie auch noch gar nicht gesehen, hast du was von ihm gehört? Gings ihm am Samstag gut als du ihn besucht hast?"

Ich biss mir auf die Lippe und dachte wieder daran, wie lädiert er war und er sich kaum bewegen konnte. Am liebsten hätte ich Adam die Wahrheit gesagt, ich fühlte mich schlecht diese überaus wichtige Tatsache zu verschweigen, außerdem machte ich mir Sorgen, dass es etwas ernsteres sein könnte und somit keine Hilfe geleistet werden konnte, weil ja alle dachten es wäre alles in Butter, aber ich wollte Jacob auch nicht hintergehen, also beschloss ich vorerst noch die Klappe zu halten, doch sollte es schlimmer werden, würde ich das vielleicht nochmal überdenken müssen. Also nickte ich.

„Ja, es ging ihm soweit gut, er hat wie gesagt, nur sein Handy blöd runter geworfen und die Party vergessen, mach dir keine Gedanken, er wird schon rechtzeitig zu den Auditions auftauchen und auch wieder ins Team kommen."

Adam lächelte. „Feuer' ihn ordentlich an! Naja, wir sehen uns, viel Spaß."

Ich sah ihm hinter her, wie er zwischen den anderen Schülern verschwand und zu seinem Unterricht ging, sorgenlos und im Glauben, dass Jacob unversehrt war.

Bevor ich zu den Auditions ging, lief ich nochmal schnell aufs Klo um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu machen. Ich stützte mich aufs Waschbecken und besah mich im Spiegel. Von meiner morgendlichen Erholung war nichts mehr übrig, ich sah schon wieder genauso müde aus wie eh und je und meine grünen Augen wirkten stumpf, genauso wie mein Haar, dass sämtlichen Glanz verloren hatte.

Ich seufzte und band sie schnell zu einem Zopf zusammen und atmete tief durch. Während ich mich auf den Weg zum Footballfeld machte, hoffte ich insgeheim, dass Jacob heute einfach nicht auftauchen würde, es war viel zu riskant in seinem Zustand zu spielen und ich wusste, er würde es trotzdem tun. Also betete ich einfach, dass sein Bus ausfiel oder er solche Schmerzen hatte, dass er Zuhause blieb oder dass zumindest seine Eltern so vernünftig waren, ihn Zuhause zu behalten.

Doch als ich um die Ecke des Hauptgebäudes bog und freie Sicht auf das Feld hatte, musste ich wie so oft im Leben feststellen, dass meine Gebete nicht erhört worden waren. Denn da stand er, direkt neben den Tribünen mit dem Coach und in voller Quarterbackmontur, nur den Helm hatte er sich unter den Arm geklemmt, so dass ich schon aus der Ferne sein blaues Auge sehen konnte, mir lief es eiskalt den Rücken runter.

Ich blieb stehen und versuchte das Gespräch zwischen ihm und seinem Coach mitzuhören.

„Du bist unser bester Spieler und tauchst ausgerechnet heute so auf? Jake, du weißt, dass ich dich an jedem anderen Tag so auf die Bank gesetzt hätte, aber das geht heute nicht, du musst spielen, damit du wieder ins Team kommst, aber das kann ich eigentlich nicht verantworten. Du hast vier gebrochene Rippen und mehrere Prellungen, du kannst dich doch kaum bewegen, Junge."

„Ich schaff das, Coach."

Der Coach fasste sich an die Stirn und sah zum Feld, wo die anderen Spieler bereits standen und sich warm machten.

„Es sind starke Bewerber dabei, du müsstest eigentlich in Bestform sein und nicht halb tot, du schaffst das nicht und es ist auch einfach total gefährlich, okay?"

Jacob trat einen Schritt auf ihn zu.

„Bitte, ich muss es versuchen. Ich darf nicht aus dem Team fliegen, nicht wegen sowas!"

„Was ist nochmal genau passiert?" Hakte der Coach nach und Jake blickte zu Boden, er fuhr sich nervös durchs Haar und ich war mir ziemlich sicher, das seine Hand zitterte.

„Ich bin gestolpert und die Treppe runtergefallen, es war total dämlich und ich kann echt nicht wegen so einer Scheiße aus dem Team gekickt werden. Football bedeutet mir alles. Es ist mein Leben."

„Du bist unser bester Spieler, wie schon gesagt, ohne dich wären wir letztes Jahr nicht die besten in der Schulliga gewesen, ich will dich auch nicht verlieren, du könntest es weit bringen, Jake, aber ohne eine Teilnahme bei den Auditions, darf ich dich nicht einfach im Team behalten, dann machen alle einen Aufstand wegen Bevorzugung und so weiter."

„Dann lassen Sie mich teilnehmen, ich trau' mir das zu, ich habe meine Rippen getaped, sie sind gestützt und die Prellungen sind nicht das Problem."

Der Coach sah ihn lange an und ich sendete ein Stoßgebet gen Himmel, dass er ihn nicht teilnehmen ließ, doch meine Wünsche wurden abermals einfach ignoriert.

„Okay, ich lasse dich teilnehmen, aber ich will das du wirklich sofort abbrichst, sobald es zu schlimm wird oder du merkst, dass die Rippen irgendwas dummes machen, klar? Deine Gesundheit geht über Football, hab ich mich klar ausgedrückt?"

Jacob nickte. „Ja, Sir."

Er wollte sich schon abwenden und zum Feld gehen, als der Coach ihn am Arm festhielt.

„Wenn das nochmal vorkommt, dass du so ramponiert zum Training kommst, sehe ich mich gezwungen mit deinem Vater in Kontakt zu treten, Jake."

Ich konnte die Panik in Jacobs Stimme hören, als er seinem Coach antwortete. „Sir, mein Vater weiß wie tollpatschig ich bin, er hat das alles im Auge, machen Sie sich keine Sorgen."

„Das ist mein Job, Jake, ich bin dein Coach und du stehst hier unter meiner Obhut und ich fühle mich dazu verpflichtet, mich in solchen Fällen mit den Eltern meiner Schützlinge zu unterhalten, nur damit ich weiß, dass alles seine Richtigkeit hat und es dir Zuhause gut geht."

Daraufhin schwieg Jacob kurz.

„Seien Sie versichert, dass alles gut ist und egal was Sie damit andeuten wollen, es stimmt nicht. Ich bin die Treppe runter gefallen, mehr nicht."

Im Gesicht vom Coach zeichnete sich Traurigkeit ab, doch er nickte und gab ihm einen Klapps auf die Schulter.

„Okay, Jacob, dann viel Glück und vergiss nicht, dass du deine Grenzen kennen musst."

Damit ging der Coach an der Tribüne vorbei, Jacob blieb allein stehen und starrte mit ausdrucksloser Mine auf den grauen Boden.

Mein Herz klopfte wie wild, spätestens jetzt war mir klar, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte und ich lief mit eiligen Schritten auf den großen Jungen zu.

Erschrocken starrte er mich an, während ich versuchte mich möglichst groß zu machen, was bei seiner Statur wie ein schlechter Witz aussah, aber es war mir egal.

„Evan ... Was ..." Setzte er an, doch ich unterbrach ihn.

„Bitte spiel nicht, bitte. Kein Team der Welt ist es wert das du dich noch schlimmer verletzt."

Sein Blick verdüsterte sich. „Hast du das Gespräch mit Coach Mason etwa mitgehört?"

Kurz nagte ein schlechtes Gewissen an mir, doch das schüttelte ich es so schnell wieder ab wie es gekommen war. Ich verschränkte die Arme und so ihm direkt in die Augen.

„Ja, tut mir leid, aber Jake ich mache mir Sorgen um dich."

Er wirkte augenblicklich wütend. „Ach ja? Tust du das? Du hast doch gar keine Ahnung worum es geht, Evan! Du bist seit drei Wochen hier und denkst du weißt alles. Kleine Überraschung, du hast von nichts eine Idee, klar?"

Mein Selbstbewusstsein drohte wieder einzuknicken, doch ich blieb standhaft.

„Dann erklär' es mir, verdammt! Warum musste ich für dich deine Freunde anlügen? Warum spielst du obwohl du Samstag nicht mal ordentlich laufen konntest und warum willst du meine Hilfe nicht?!"

Seine Augen waren mittlerweile fast schwarz, so sehr kochte mein Gegenüber vor Wut.

„Das geht dich verflucht nochmal nichts an, steh mir nicht im Weg, ich hab zu spielen, damit ich wieder ins Team komme!"

Er wollte sich an mir vorbei schieben, doch ich hielt ihn fest, er starrte mich wütend an und riss sich los, wollte gehen, doch ich rannte ihm hinter her und stellte mich vor ihn.

„Nein!"

Er holte aus und schlug krachend gegen die Tribüne, ich zuckte zusammen und plötzlich bekam ich Angst, mein Atem ging schneller, ich war kurz davor ihm Platz zu machen, doch ein Teil von mir war noch immer mutig genug um ihm den Weg zu versperren.

„Du brauchst doch offensichtlich Hilfe, warum spielst du allen Leuten denen du was bedeutest etwas vor? Warum Jacob?"

„Was interessiert dich das? Kümmer' dich um deinen Scheiß, Evan."

„Wenn du gleich spielst, werde ich Max du Wahrheit sagen." Stieß ich hervor, was mich ehrlich gesagt selbst überraschte. Er sah mich noch immer aggressiv und aufgeladen vor Wut an, doch nach einer Weile zuckte er nur mit den Schultern.

„Mach halt, nichts wird mich davon abbringen heute zu spielen, klar?"

„Ich kann auch zu deinem Vater gehen und ihm sagen wie unvernünftig du bist, vielleicht kann er dich davon abbringen in Zukunft so dumm zu sein!" Sagte ich trotzig. Das war allerdings das dämlichste was ich hätte tun können, denn schon während ich anfing von seinem Vater zu reden, trat er ganz dicht an mich ran und drückte mich gegen die Tribüne, seine Hände waren zu Fäusten geballt, seine Knöchel zeichneten sich weiß ab, es sah unnatürlich aus auf seiner gebräunten Haut, er schlug nochmals gegen die Tribüne, was ein metallisches Krachen nach sich zog, das Blech vibrierte in meinem Rücken.

„Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein, Evan und vage es nicht meinen Vater anzusprechen, in die Nähe von ihm zu kommen oder auch nur über ihn nachzudenken, ich warne dich." Er sprach leise in mein Ohr, man hörte wie sehr er sich zurückhalten musste, mich nicht anzuschreien, seine Stimme war noch tiefer als sonst und brach zwischenzeitlich. Ich bekam eine Gänsehaut und sah ihm zitternd hinterher wie er seinem Coach aufs Feld folgte und mich einfach an die Tribüne gedrückt stehen ließ. Mein Atem ging flach, mein Herz raste und seine Worte hallten als bedrohliches Echo in meinem Kopf wieder. Ich schluckte und löste mich mit langsamen Bewegungen von dem kalten Metall der Tribüne.

Ich wartete noch ungefähr zwei Minuten, dann traute ich mich Jacobs Beispiel zu folgen und aufs Feld zu treten. Ich sah ihn bei den anderen stehen, sie redeten alle, doch er starrte erst auf das saftig grüne Feld und dann auf mich, sein Blick verfinsterte sich sofort und ich sah schnell weg und suchte die Sitzreihen nach Janine ab, was nicht lange dauerte, da es kaum Zuschauer gab.

Noch immer unter Schock und mit schnell pochendem Herzen setzte ich mich zu ihr, sie sah mich leicht genervt an und wollte grade zu einer tadelnden Rede ansetzten, in der sie mir den Sinn von Pünktlichkeit erklären wollte, doch ich unterbrach sie bevor sie richtig loslegen konnte.

„Lass gut sein, ich hatte echt keine guten Start in den Tag, okay?" Sie seufzte und schloss ihren Mund wieder, was mich erleichterte, ich konnte jetzt wirklich nicht noch jemanden gebrauchen der mich fertig machte.

Ich sah stumm auf das Feld, wo grade die Auditions begonnen.

Im Prinzip waren sie dasselbe wie ein normales Spiel, nur das beide Mannschaften aus Schülern dieser Schule bestanden und der Coach die schlechten immer wieder austauschte und am Ende des Spiels bekannt gegeben wurde, wer dieses Jahr im Team sein darf und wer zu schlecht war.

Es wurde angepfiffen und ich weiß, ich hätte auf das Gesamtbild achten sollen, doch ich verfolgte nur Jacob, wie er sich über das Spielfeld quälte und mehrfach zu Boden ging.

Ich sah kurz zum Coach und erkannte, dass er genauso besorgt war wie ich. Er war mir sympathisch, ich wünschte mein Bruder hätte in der Middleschool einen genauso guten Coach wie Jacob, dann wäre der Streit vielleicht nicht nötig gewesen. Immerhin würde er ab dem nächsten Schuljahr das Glück haben Coach Mason seinen Trainer nennen zu dürfen, das war wenigstens ein Lichtblick.

Janine beugte sich zu mir. „Ein paar Favoriten sind schon raus, aber sag' mal, weißt du was mit Jacob Denver los ist? Ich hab ihn noch nie so schlecht spielen sehen und das wo es heute um alles geht."

Meine Mine verhärtete sich. „Ich habe keine Ahnung." Kam es mir kalt über die Lippen und Janine machte ein nachdenkliches Geräusch.

„Ich hoffe er fliegt nicht raus, dass wäre tödlich fürs Team." Stellte sie sachlich fest und ich nickte monoton.

Er machte seinen Job echt schlecht und ich wusste, unter normalen Umständen hätte der Coach ihn schon lange ausgetauscht, doch ich konnte an seinem Gesicht erkennen, dass er mit Jacob mitfieberte und hoffte das es besser wurde.

Sogar ich hoffte es, denn auch wenn ich nicht gut hieß das er spielte, wollte ich trotzdem, dass er weiterhin im Team bleiben konnte, denn das schien ihm wirklich alles zu bedeuten, hatte er vorhin ja auch dem Coach gesagt.

Mit jedem Schritt wirkte er schwacher und sein Gesicht, oder das was man davon unter dem Helm erkennen konnte, wurde blasser und blasser.

Janine neben mir tippte wie verrückt auf ihrem Laptop rum und war sichtlich begeistert und schockiert zu gleich.

„Was denkst du, wird Denver im Team bleiben? Ich meine das ist echt grottig."

Ich wusste, das Janine es nicht böse meinte und sie ja auch nicht wissen konnte, unter welchen Bedingungen er spielte, aber dennoch machte mich ihre Aussage wütend.

„Ich hab keine Ahnung, warte doch einfach bis das Spiel vorbei ist, okay?" Fuhr ich sie an und sie hörte auf zu tippen.

„Ich weiß echt nicht was mit dir los ist, was zur Hölle ist bitte passiert? Das war eine ganz normale Frage und 'ne Feststellung, denn es tut mir leid, er spielt für seine Verhältnisse echt mies, das kann keiner bestrieten, ich mein schau' dir das doch mal an, Evan! Ich weiß ihr seid befreundet, aber das leider die Wahrheit."

Ich atmete tief durch und nickte. „Ja, ja tut mir leid. Wirklich. Ich bin echt gestresst und irgendwie ein bisschen gereizt, aber das ist nicht deine Schuld. Tut mir leid dass du das so zu spüren bekommst."

Ich sah sie entschuldigend an und sie lächelte zaghaft.

„Schon gut, jeder hat mal einen schlechten Tag, du kannst immer mit mir reden, wenn du mal was brauchst, okay? Ich weiß, wir sind nicht unbedingt die engsten Freunde oder so, aber ich bin trotzdem für dich da."

Ich lächelte und wünschte ich könnte ihr sagen, warum Jacob so schlecht spielte, aber ich konnte nicht riskieren das das in den Artikel kam, also sagte ich einfach gar nichts mehr, bis das Spiel vorbei war und Coach Mason die Entscheidung verkündete.

Es waren, wie Janine mir erklärte, die üblichen Verdächtigen bis auf einen Neuzugang, auch Jacob war dabei, was ganz eindeutig nur der Sympathie von Coach Mason zu verschulden war und nicht seinem Können. Diese Entscheidung traf auch augenblicklich auf harte Kritik, von den Tribünen wurden wüste Beschimpfungen gerufen, doch Jacob ging einfach ohne ein Wort zu sagen oder dem Coach oder seinem neuen-alten Team die Hand zu schütteln vom Platz.

Ich biss mir auf Lippe, am liebsten wäre ich ihm hinterher gelaufen, doch er hasste mich jetzt vermutlich und die Wut von vorhin war mit Sicherheit auch noch nicht ganz abgeklungen, also beschloss ich ihn in Ruhe zu lassen, auch wenn es mir schwer fiel.

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Hey Leute,

Ich melde mich endlich mit einem neuen Kapitel bei euch! Es war ja eigentlich geplant das es erst in der nächsten Woche kommt, aber ich war dann gestern so motiviert und voller Ideen, dass ich noch ein ganzes Kapitel geschafft habe, wheee

Naja, ich hoffe sehr das ihr es gut fandet und würde mich total über eure Meinung zu den neusten Wendungen freuen :)

Bis zum nächsten Kapitel

xx Beccy

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