28 | a c h t u n d z w a n z i g
[go away - Tate McRae]
ALS ICH AUFWACHE fühle ich mich seltsam. Total benebelt und irgendwie so, als hätte ich gestern zu tief ins Glas geschaut. Aber eigentlich bin ich mir relativ sicher, dass ich nichts getrunken habe.
Doch, einen einzigen Drink, wenn ich mich richtig erinnere. Aber nicht mal den habe ich ausgetrunken. Er war nur eine Zeitvertreibung, bis ich Lou fand.
Fand ich Lou überhaupt? Ich habe keine Ahnung. Irgendetwas ist passiert, irgendetwas ...
Plötzlich schnellt die Erinnerung in einem rasenden Tempo durch mein Gehirn und erschrocken reiße ich die Augen auf.
Meine Gedanken wandern zu Cade. Zu Cades Händen. Seinen Berührungen.
Ruckartig setze ich mich auf. Mein Herz rast und kalter Schweiß bildet sich in meinem Nacken.
»Sie ist wach«, höre ich eine mir vertrauter Stimme neben meinem Kopf und wende mich zu ihr um.
Sofort eilt Mason zu mir und hockt sich neben mich. Behutsam nimmt er meine Hände in seine und wärmt sie.
Dankbar versuche ich zu lächeln, scheitere aber daran. Es ist alles viel zu schlimm.
Mein Kopf wandert im Raum umher, um
mich zu orientieren, und ich merke, dass ich auf Talias Sofa liege.
Sie selbst sitzt am Fußende. Besorgt mustert sie mich, aber das ist sie nicht die einzige. Lou, Marissa, Clary und Owen schauen alle mit vor Sorge verzogenen Gesichtern auf mich hinab.
Und bei diesem Anblick wird mir fast warm. Aber nur fast, denn die von innen kommende Kälte überwiegt das Gefühl.
»Sie zittert«, sagt Mason in diesem Moment und sofort springt Talia auf. Sie nimmt eine Decke und breitet sie sorgfältig über mir aus.
»Dan- ... Danke«, wispere ich bibbernd. Dann suche ich mit meinem Blick nach Clary, die sofort aufsteht und bei mir ist. Ihre Körperwärme tut mir gut. »Was ...?« Ich lasse den Satz in der Schwebe hängen und alle im Raum sehen sich ernst an. Doch gerade, als Mason anfangen will, zu sprechen, überlege ich es mir anders und hebe dir Hand. »Stopp. Ich ... ich will es nicht hören. Ich kann mich erinnern. An alles.«
Bedrückendes Schweigen legt sich über uns. Aber nicht nur das. Auch in mir drin bildet sich ein Schweigen, das ich nicht ganz erklären kann.
»Wie habt ihr mich gefunden?«, will ich nach einer Weile leise wissen.
Mason lacht trocken auf. »Das ist eine verrückte Geschichte.«
Ich ziehe die Brauen hoch. Dann schiebe ich entschieden die Decke von mir und erhebe mich. Alle gucken mich erschrocken an, aber ich winke schnell ab. »Ich muss nur aufs Klo. Danach will ich die Geschichte wissen.«
Ihre Blicke folgen mir bis ich die Badezimmertüre hinter mir schließe. Mir ist schwindlig und kotzübel. Als ich in den Spiegel sehe, erschrecke ich vor mir selbst. Nicht, dass ich total zerstört aussähe. Nein, gerade im Gegenteil. Ich sehe perfekt aus. Als wäre nie irgendetwas passiert. Als wäre ich gestern nicht kurz davor gewesen ...
Ich schüttle schnell den Kopf und gehe auf die Toilette. Als ich fertig bin, schaue ich wieder in den Spiegel. Eine ganze Weile stehe ich da und starre mich an, ohne jegliche Regung. Irgendwann laufen mir Tränen aus den Augenwinkeln, aber sogar diese sehen makellos aus. Früher wollte ich immer perfekt aussehen beim Weinen, aber jetzt finde ich es mehr als ätzend.
Seufzend kehre ich ins Wohnzimmer zurück, wo mich alle bereits erwarten. Und jeder von ihnen bemerkt meine Tränen, doch ich bin ihnen so dankbar, dass sie den Mund halten.
»Die Geschichte, Mason«, sage ich mit kratziger Stimme und setzte mich auf das Sofa.
Mason seufzt tief und schaut zu Lou hinüber. »Lou hat mich angerufen und mir gesagt, was los ist. Natürlich bin ich sofort los gefahren.« Er schluckt fest.
Lou kommt auf mich zu, sie sieht fertig aus, aber natürlich immer noch hübsch, so wie immer. Langsam setzt sie sich neben mich. »Ich kam gerade in den Club und ging zur Bar. Da sah ich Talia, die total verheult aus einen der Hinterräume herausgestürmt kam. Als sie mich sah, ist sie sofort zu mir geeilt. Sie kam nicht zu Worten, sondern hat nur herum gestottert. Also habe ich sie geschüttelt, bis sie mir die Wahrheit sagte und mir alles erzählte. Ich habe sie angeschrien, was sie für ein schlechter Mensch sei. Ich war total geschockt. Aber sie saß nur da, auf dem Barhocker, und hat geheult. Also habe ich ihr deine Tasche aus der Hand gerissen, dein Handy rausgeholt und blind die erste Nummer unter deinen Favoriten angerufen, nachdem mir Talia dein Passwort gesagt hat. Und jetzt frag mich nicht, woher sie es kennt. Ich habe keine Ahnung. Naja, den Rest der Geschichte kennst du schon.«
Geschockt und mit weit aufgerissen Augen schaue ich sie an. »Talia hat mich also quasi gerettet, nachdem sie mich unter Drogen gesetzt hat?«
Lou schluckt. »Ja.«
Kopfschüttelnd wende ich mich ab und starre auf meine Hände. Das Schlimmste daran ist, dass ich Zara nicht mal richtig böse sein kann. Ich weiß, dass sie im Prinzip kein schlechter Mensch ist. Aber sie liebt Cade – warum auch immer. Und es ist bestimmt keine Liebe, in der sie sich gegenseitig helfen und unterstützen. Es ist toxisch und fast schon eine Art Besessenheit. Sie würde alles für ihn tun, auch, wenn dadurch anderen Menschen Schaden zugefügt wird. Eigentlich kann sie einem echt leid tun. Sie sollte dringend dieser Liebe entfliehen und neu anfangen.
»Sydney?« Clary nimmt meine Hände in ihre und ich hebe den Kopf. »Ich weiß, dass es schlimm ist. Mehr als schlimm. Aber versuch, mit uns darüber zu reden, okay? Vielleicht geht es dir dann besser. Wir sind da.«
Dankbar lächle ich sie schwach an. »Ich weiß. Eigentlich hätte ich gerne etwas zu essen.«
»Wird sofort gemacht«, entgegnet Talia und verschwindet, gefolgt von den anderen, in der Küche. Nur ich und Mason bleiben zurück.
Er setzt sich vorsichtig neben mich. »Ich will dich nicht alleine lassen.«
Also bleiben wir stumm nebeneinander sitzen. Aus der Küche dringen die Töne von klapperndem Geschirr und leisem Gemurmel zu uns herüber.
»Was passiert jetzt mit Cade und diesem ... anderen Typen?«, frage ich leise.
Mason sieht mich an. In seinem Blick liegt so viel Wärme und Fürsorglichkeit, dass ich mich kurz darin verliere. »Wir sollten sie anzeigen«, erwidert er genauso leise.
Ich nicke. »Okay. Aber ... ich weiß nicht, ob ich dazu wirklich schon bereit bin.«
»Lass dir alle Zeit, die du brauchst.« Er rutscht näher zu mir heran und will mich berühren, aber ich rücke reflexartig von ihm ab.
Schmerz spiegelt sich kurz in seinen Augen, doch im nächsten Moment ist er sofort wieder verschwunden.
»Tut mir leid ... ich kann ... nicht«, stottere ich und weiche seinem Blick aus. Ich wünschte, ich könnte ihn umarmen, ihn küssen. Aber etwas in mir hindert mich daran. Es ist wie eine unsichtbare Schutzmauer, die letzte Nacht hochgezogen wurde.
»Du musst dich nicht entschuldigen«, sagt er sofort und sieht mich so lange an, bis ich ebenfalls zu ihm aufblicke. »Niemals musst du dich dafür entschuldigen.« Seine Stimme trieft geradezu von blankem Bedauern.
»Ich dachte niemals, dass ...« Ich breche ab und starre auf die Decke hinab, die um meinen Körper geschlungen ist. »Egal.«
Mason zieht die Brauen zusammen und fixiert mich mit seinem besorgten Blick. »Ich weiß,
es fällt dir schwer, aber du kannst mit mir darüber reden, okay?«
Ich nicke und seufze tief. »Was ich jetzt sage, du ... darfst es nicht falsch verstehen.«
»Okay?« Verwundert runzelt er die Stirn.
»Ich habe nie mit so etwas gerechnet, weißt du?«
»Wie meinst du das?«, flüstert er und rückt noch ein Stück näher zu mir, aber immer noch mit genügend Abstand.
»Eine ... Vergewaltigung. Ich dachte nie, dass mir sowas passieren könnte.« Ich senke den Blick.
»Aber ... warum, Syd? So etwas schreckliches kann leider jeder Frau passieren. Die Welt ist grausam. Vor allem manche Männer.« Er schüttelt sich und greift nach meiner Hand.
Diesmal lasse ich die Berührung zu. Ich seufze tief. »Versprich mir, dass du mich jetzt nicht für bescheuert hältst.«
Er sieht mir lange und intensiv in die Augen. Sein Blick ist warm und voller Liebe, die nur mir gilt. Und das erwärmt mein Herz. Es lässt die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern und verpasst mir eine angenehme Gänsehaut. »Ich würde dich nie, wirklich niemals, für etwas, was du sagst, bescheuert finden. Okay?«
Ich nicke und lächle leicht. Dann werde ich wieder ernst und schlucke hart. »Ich dachte immer, ich ... sei zu ... hässlich für eine Vergewaltigung. Deswegen ... habe ich nicht damit gerechnet.«
Drückende Stille legt sich über uns.
»Was?«, flüstert Mason völlig fassungslos.
»Ja, weißt du, es ist noch nicht so in meinem Kopf verankert, dass ich jetzt schön bin. Es kann von außen noch so viel mit deinem Körper passieren, es ändert rein gar nichts an deiner Denkweise über dich selbst.«
Wieder herrscht Schweigen und plötzlich wird mir das Gewicht meiner eigenen Worte extrem bewusst. Ich fühle mich nicht schön. Das ist eine verdammte Tatsache. Ich fühle mich noch immer wertlos, minderwertig und schlecht. Die Genmanipulation kann noch so viel an mir perfekter machen – in meinem Gehirn ist es nicht so verankert. Wenn ich über mich selbst nachdenke, sendet es mir noch immer grässliche, kleinmachende Signale.
»Sydney ...« Mason ist sprachlos. Doch dann huscht Zorn über sein Gesicht. »Verdammt, so etwas hat nicht mit dem Aussehen zu tun. Es hat nichts damit zu tun, wie du dich anziehst oder präsentierst. Es liegt am Täter, okay? Cade ist ein verdammtest Arschloch, ohne Respekt für Frauen. Er sollte eingesperrt werden, verdammt! Hör bitte auf, so etwas zu sagen, Sydney ...« Gegen Ende wird seine Stimme leiser und flehend sieht er mich an.
Etwas unbeholfen zucke ich mit den Schultern und wende den Kopf ab. Ich weiß, dass er recht hat. Aber nur, weil jemand recht hat, heißt das nicht, dass du sofort dein Gehirn umpolen kannst.
Das Problem ist, dass er das nie verstehen wird. Mason ist unglaublich toll. Sein Charakter und seine Sicht auf Dinge ist Goldwert. Die Welt bräuchte echt mehr von seiner Sorte.
Aber er hat keine Erfahrung mit Dunkelheit, Leere und selbstvernichtenden Gedanken. Er tut alles dafür, um für mich da zu sein und das rechne ich ihn wirklich hoch an. Aber Fakt ist, dass er es niemals ganz nachvollziehen werden kann.
Er will gerade irgendetwas sagen, als die anderen ins Wohnzimmer zurückkehren. In den Händen balancieren sie Tabletts, auf denen Teller und Gläser stehen.
Clary setzt sich auf die andere Seite neben mich und der Rest verteilt sich ebenfalls auf dem großen Sofa.
Ich spüre ihre besorgten Blicke und am liebsten, würde ich sie anfahren, dass sie aufhören sollen, so zu starren. Aber ich weiß, dass sie es nur gut meinen, also lasse ich es bleiben.
Clary stellt mir einen der Teller auf den Schoß. Darauf liegen zwei Brötchen, eins mit Honig bestrichen, das andere mit Erdbeermarmelade. Ein schwaches Lächeln legt sich auf meine Lippen. Es sind meine Lieblingsfrühstückaufstriche.
Vorsichtig entziehe ich Mason meine Hand, die noch in seiner lag.
Dann beginne ich zu essen und weil die dad Schweigen mir zu viel wird, sehe ich Talia an. »Willst du ... den Fernseher anmachen?«
Erst wirkt sie etwas perplex, aber dann nickt sie und fischt die Fernbedienung aus der Sofaritze. Sie schaltet durch die Kanäle, aber auf den meisten läuft nur Müll. Schließlich hält sie bei einer Tierdokumentation über Elefanten.
Stumm essen wir und beobachten ein Jungtier beim Trinken aus einem Wasserloch. Das Alles ziemlich absurd. Wir sitzen ernsthaft hier und schauen eine Dokumentation, nach allem, was gestern passiert ist?
Aber vielleicht ist es besser so. Dann muss ich schon nicht reden. Ich weiß nämlich nicht, ob ich die Kraft dazu habe.
Ein lautes Klingeln lässt uns hochschrecken und ich bemerke, dass es sich dabei um mein Handyklingelton handelt. Es liegt auf dem Sofatisch und ich greife danach, während Talia den Fernseher auf stumm stellt.
»Wer ist es?«, will Mason wissen.
Ich werfe einen Blick auf das Display und bereue ich gleich wieder. »Mein Vater«, erwidere ich, meine Stimme bebt.
»Du musst nicht rangehen«, schlägt Lou vor, aber das halte ich für keine gute Option.
Kopfschüttelnd nehme ich das Gespräch an und stelle auf Lautsprecher. »Dad?« Meine Stimme ist dünn und schnell räuspere ich mich.
»Sydney, wo bist du?«, bellt er barsch.
»Bei Talia«, antworte ich leise und starre auf meine Finger.
»Komm nachhause. Wir müssen in die Klinik fahren, du wirst das neue Gesicht sein.«
Mein Atem stockt und alles in mir wehrt sich gegen diesen Entschluss. »Dad, ich ...« Schluckend sehe ich zu Mason auf, der besorgt auf mich herab blickt. »... Ich möchte das nicht«, beende ich zittrig meinen Satz.
»Sei nicht albern, Sydney. Du kommt sofort nachhause! Es ist die richtige Entscheidung. Keine Wiederrede, hörst du?« Damit legt er auf.
Ich atme laut aus und lege das Handy weg.
»Ich lasse dich da nicht hin–«
Mit einer Handbewegung unterbreche ich Mason mitten im Satz. »Es hat keinen Sinn. Ich muss es tun. So lange ich nicht ausführlich mit ihm über alles rede, wird er mir nie erlauben, einen Rückzieher zu machen. Ich werde da jetzt hin fahren.«
»Ich komme mit, Syd. Ich lasse dich das doch nicht alleine machen!« Masons Stimme überschlägt sich und in seinen Augen tobt etwas Wildes. Plötzlich habe ich Angst, was passieren wird, wenn er auf meinen Vater trifft.
»Nein«, währe ich also schnell ab. »Das ist keine sonderlich gute Idee, mein Vater würde das nicht so toll finden.« Mein Blick wandert stattdessen zu Clary und sie versteht sofort.
»Sie hat recht, Mason. Ihr Vater würde womöglich die Krise bekommen, wenn er irgendeinen Jungen bei seiner Tochter sieht, bei so einer wichtigen Angelegenheit«, schaltet sie sich ein.
»Ich bin aber nicht irgendein Junge, ich – «
»Das weiß er doch nicht!«, unterbricht Owen Mason bestimmt. »Mason, Schätzchen, wie wäre es, wenn du die Frauen die Sache regeln lässt? Clary begleitet Syd, dann ist sie nicht so alleine. Danach können wir immer noch beratschlagen, wie es weitergeht.«
Ich nicke und auch Mason gibt sich schließlich geschlagen.
Alle Beteiligten begleiten Clary und mich zur Tür und bevor ich gehe, drückt mir Mason einen Kuss auf die Stirn, umschließt mein Gesicht mit seinen warmen Händen und flüstert: »Sei vorsichtig, okay?«
***
Ich bin tatsächlich vorsichtig, so wie er es mir geraten hat. Ich schaue meinem Vater kaum in die Augen; eigentlich schaue ich niemanden in der Klinik in die Augen. Nicht mal der netten Krankenschwester, die mich weich ansieht und als einzige so etwas wie Mitleid zeigt.
Clary steht die ganze Zeit still neben mir, aber es tut gut zu wissen, dass sie bei mir ist. Dass ich das alles hier nicht alleine durch machen muss.
Kaum waren wir dort, wurden wir in einen viereckigen, weißen Raum geführt, in dem eine riesige grüne Leinwand hinten an der Wand aufgestellt ist. Ein weißer Barhocker steht direkt davor, auf den eine teuer aussehende Kamera gerichtet ist.
Die gegenüberliegende Wand ist verglast und dahinter sitzen ein paar Leute an einem Tisch, der aussieht, wie ein Mischpult, an dem die ganze Zeit irgendwelche Knöpfe blinken. Wahrscheinlich hat es etwas mit der Bedienung der Kamera zu tun.
Jetzt sitze ich auf genau diesem Hocker und habe genau das Stativ vor der Nase.
»Entspann dich einfach«, empfiehlt mir Dr. Wilson und seine Stimme hört sich an wie ein widerlicher Weichspüler.
»Wie läuft das jetzt genau ab?«, will mein Vater wissen.
»Wir nehmen ein paar Aufnahmen auf und schneiden sie dann zu einem ganz normalen Werbespot zusammen, im Namen unserer Firma.« Dr. Wilson schaut durch die Kameralinse.
»Ist das überhaupt legal?«, brummt Clary. »Ich meine, eine Genveränderung war bisher an Menschen immer zu unerforscht und verboten!«
Dr. Wilson wirft ihr einen genervten Blick zu. »Und wer sind Sie?«
Clary kreuzt die Arme vor der Brust und hebt die Brauen. »Ich bin Sydneys beste Freundin und möchte eben ein paar Sachen wissen.«
Fast hätte ich gelächelt, wenn ich mich nicht so furchtbar leer in mir drin gefühlt hätte.
Dr. Wilson brummt. »Wir sind gerade daran, alle Genfirmen in Amerika zu legalisieren. Und ja, logischerweise haben wir bereits das Go der Regierung, sonst würden wir wohl kaum ein Werbespot für das öffentliche Fernsehen drehen, oder?« Er richtet sich auf und streckt mir die Daumen nach oben hin.
Clary schnaubt nur über diese Antwort.
»Wir drehen jetzt. Und denk dran, Sydney: Du bist Model! Zeig uns dein umwerfendes, von uns entwickeltes Lächeln!«
Von uns entwickeltes Lächeln. Von uns entwickeltes Lächeln. VonunsentwickeltesLächeln.Vonuns...
Während des ganzen Drehs kreisen die Worte in meinem Kopf umher und ich habe das Gefühl, sie verschlingen mich von innen nach außen und ziehen mich in eine leere Dunkelheit. Ich weiß, dass es von ihnen erschaffen ist. Aber das macht es nicht besser.
Trotzdem bekomme ich es irgendwie hin, ein Lächeln aufzusetzen und mich genauso zu positionieren, wie sie es von mir wollen.
Nach einer Stunde haben wir schon alle Aufnahmen im Kasten und erschöpft und erleichtert springe ich von dem Hocker.
Clary nimmt mich sofort sanft an die Hand, als ich zu ihr trete. Dankbar lächle ich sie leicht an.
»Ich schicke euch in ein paar Tagen das Video zu, dann könnt ihr es noch sehen, bevor es im TV läuft.« Dr. Wilson grinst sein weißes Zahnpastalächeln und mir wird schlecht.
»Es hat mich wie immer gefreut, mit Ihnen zu arbeiten, Sydney.« Er reicht mir seine Hand und widerwillig lasse ich Clarys los und schüttle seine.
Auch meinem Vater reicht er die Hand und die beiden tauschen noch ein paar freundschaftliche Sätze, bis wir endlich zum Ausgang der Klinik gehen.
Im Auto schaltet mein Vater das Radio an, aber entschlossen drehe ich es leise und schaue ihn an. Clary sitzt hinten in der Mitte und lehnt sich soweit zu uns nach vorne, wie es geht.
»Können wir nochmal darüber reden, Dad?« Meine Stimme zittert. Ich sehe, dass er genervt ist.
»Was ist denn nun schon wieder, Sydney? Du wolltest das alles! Es war deine freie Entscheidung und jetzt kannst du keinen Rückzieher mehr machen, so funktioniert das nicht!«
Ich zucke zusammen. Irgendwie hat er recht. Ich wollte es tatsächlich. Aber das hat sich längst geändert.
»Es ist nur so, dass ...« Ich suche nach den richtigen Worten. »...ich möchte einfach nicht dieses Gesicht für die Firma sein, Dad. Ja, ich wollte da mitmachen, aber jetzt wird es mir zu viel. Ich kann das nicht mehr mitmachen.« Meine Stimme bricht und ich wende den Blick ab.
»Das ist so lächerlich, Sydney! Weißt du, was eine große Chance es ist, Werbung für die Firma zu machen? Du bist mittlerweile eine kleine Berühmtheit und zudem ist die Genklinik eine gute Sache für viele Menschen, die an sich etwas grundliegend ändern wollen. So, wie du es wolltest. Zudem habe ich bereits den Vertrag unterschrieben und es wäre sehr schwierig, dumm und teuer, da wieder rauszukommen!« Mein Vater umklammert das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten.
»Wie viel Geld zahlen sie Ihnen, hm?«, mischt sich Clary ein und schüttelt wütend den Kopf. »Unfassbar, wie Sie mit Syndey umgehen! Merken Sie nicht, dass sie es mental nicht schafft? Hat das Glück ihrer Tochter keine Priorität für Sie?«
Dad presst fest den Kiefer aufeinander und ich merke, wie er sich anstrengt, nicht die Kontrolle zu verlieren.
Ich drehe mich zu Clary und schüttle den Kopf. Ich freue mich zwar sehr, dass sie mir hilft, aber das muss ich alleine machen.
»Ich rede nicht mit dir darüber, solange sie dabei ist.« Mein Vater reckt das Kinn und verstummt.
»Und kindisch sind Sie auch noch, ich fasse es –«
»Clary!«, unterbreche ich sie und sie zieht sofort entschuldigend den Kopf ein. »Dad, fahr sie nachhause und dann reden wir, okay?«
Er überlegt einen Moment, dann nickt er und sieht mich kurz an. »In Ordnung, mein Schatz.«
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