17 | s i e b z e h n
[all mine - PLAZA]
DIE GANZE RESTLICHE Woche zieht an mir vorbei. Ich bin gedanklich irgendwie immer woanders, beschäftige mich nie wirklich mit dem, was ich wirklich tue.
Außenherum bin ich wie in Watte gepackt, diese weiße, flauschige Schicht trennt mich von der restlichen Welt, schirmt mich fast vollständig ab.
Innerlich schreie ich. Aber niemand hört mich. Das Loch in mir ist größer geworden und droht mich zu verschlucken. Mir geht es so schlecht, dass ich alle von diesen Tabletten nehme, die mir die Krankenschwester verschrieben hat. Doch sie helfen nicht wirklich, machen mich nur für wenige Stunden benommen.
Clary merkt, dass es mir nicht gut geht, aber sie sagt nichts. Unser Verhalten ist angespannt und eine große, unsichtbare Trennwand hat sich zwischen uns geschoben, ohne, dass wir etwas dagegen tun können. Ohne zu wissen, was es eigentlich ist.
Früher hätte ich um unsere Beziehung gekämpft. Aber jetzt... ich bin einfach nur noch müde. Von allem. Von jedem.
Am Freitagmittag bekomme ich eine Nachricht angezeigt, die mich nach langer Zeit wieder aus dieser komischen Abwesenheit zieht. Sie ist von Talia, welche mir über Instagram geschrieben hat.
Ohne zu zögern tippe ich darauf und lese mir die Nachricht durch, die einsam in dem Chat herum geistert.
Hey, Syd. Heute Abend gibt es eine Party in meinem Apartment. Komm doch gegen 19:00 Uhr. Die anderen Models wollen dich auch kennenlernen.
Eine Weile starre ich einfach nur emotionslos auf das Display, bis meine Sicht verschwimmt. Schnell blinzle ich. Ein schwaches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich tippe eine zustimmende Antwort.
Ich habe noch genau zwei Stunden, bis die Party anfängt. Also rolle ich mich aus dem Bett, mit dem Willen, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Tief seufzend schlüpfe ich aus meinen Klamotten und stelle mich unter die Dusche. Das Wasser entspannt mich. Löst die verkrampften Muskeln und klärt meinen Kopf wieder einigermaßen.
Als ich das Badezimmer wieder verlasse, geht es mir wieder halbwegs gut. Die Watteschicht um mich herum ist nur noch dünn, in meinem Inneren herrscht nicht mehr allzu viel Chaos.
Ich lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl sinken und rolle damit zu meinem Schminktisch. Dann beginne ich mich zu schminken, öffne meine Haare und lasse sie ungekämmt und ungebändigt über die Schultern fallen, sodass sie dieses Aussehen haben, als hätte ich gerade irgendetwas furchtbar spannendes erlebt.
Zum Schluss stecke ich mir Ringe an die Finger, schiebe mir Ohrringe in meine Ohrlöcher und ziehe ein paar feine, silberne Ketten an.
Dann stehe ich auf und kümmere mich ums Outfit. Nach einem langen Überlegen, entscheide ich mich für ein schwarzes Top, das eigentlich schon fast nur ein BH ist, weil es genau unter der Brust endet. Dazu kombiniere ich eine enge schwarze Hose und ziehe eine Hüftgeschnittene Lederjacke drüber. Als ich in den Spiegel gucke, erinnert mich das Gesamtbild an Isabelle Lightwood, aus den Schattenjägerromanen, die ich vor ein paar Jahren verschlungen habe.
Zufrieden schlüpfe ich in schwarze Heels, um das Outfit abzurunden, packe meine kleine Umhängetasche und sehe auf die Uhr. 18:25.
Perfekt. Das reicht mir noch für eine gemütliche Fahrt, vielleicht sogar extra so gemütlich, damit ich ein bisschen zu spät komme, damit ich nicht die Erste bin und die Party schon voll im Gange ist.
Mein Dad ist nicht da, er arbeitet, wie meistens. Also durchquere ich den Eingangsbereich ohne aufgehalten zu werden und steige in mein Auto.
Ich muss gar nicht extra gemütlich machen, denn ich irre eine ganze Weile in der Gegend herum, ohne die Adresse zu finden, die sie mir noch geschickt hat. Erst, als ich sie resigniert in Google Maps eintippe, komme ich beim Ziel an.
Ein riesiges, vornehm aussehendes Mehrfamilienhaus erstreckt sich vor mir. Ich bin in einem sehr reichen Stadtviertel, noch reicher, als das, in dem ich wohne, und das sieht man auch auf den ersten Blick. Allein an den Autos, die alle so teuer sind, dass ich staunend den Blick wandern lasse.
Ich parke und steige aus. Vor dem Haus stehen zwei Typen mit Uniformen unter einem roten Pavillon, der die Tür überschirmt. Das Bild, das sich vor meinen Augen abspielt, sieht genauso aus, als wäre es aus einem klassischen amerikanischen, älteren Film entsprungen, in dem die Protagonisten gerade auf ein Fünfsternehotel zu geht.
Die beiden Männer nicken mir zu und ich trete in den Eingangsbereich ein. Der Raum ist riesig, ist beinahe eine Halle, hat hohe Decken und Marmorboden, in dem ich mein Spiegelbild sehe.
Staunend drehe ich mich einmal um die eigene Achse. An den Wänden stehen Sofas und ein Teppich liegt davor. An der gegenüberliegenden Wand sind die Aufzüge angebracht und eine Treppe schlängelt sich um die Ecke empor.
Ein paar einzelne Menschen befinden sich mit mir hier, manche davon sehen so aus, als würden sie auch auf die Party gehen.
Ich folge dem Strom zu den Aufzügen und schaue nochmal nach, in welches Stockwerk ich muss. Sieben.
Dementsprechend drücke ich auf die Ziffer und der Fahrstuhl schließt sich. In der engen Kabine stehen drei weitere Leute in meinem Alter. Zwei Mädchen in pinken, knallengen Kleidern, Paillettenschals, sehr hohen High Heels und Glitter-Make-up und ein Typ in einem buntgemusterten Hemd, durchwuschelten schwarzen Haaren und einer Anzughose, die er allerdings lässig kombiniert hat.
Besagter Kerl mustert mich nun eindringlich, lässt sein Blick forschend über meinen Körper gleiten, verharrt eine längere Zeit bei meinem tiefen Ausschnitt und landet dann in meinem Gesicht. Ein Grinsen liegt auf seinen Lippen. »Ich wette, du bist das erste Mal auf einer von Talias Partys«, sagt er in einer etwas quietschenden, aber sanften, Stimme und ich nicke.
Ich nutze sein Starren aus, um ihn ebenfalls näher anzusehen und bemerke, dass er viele silberne Ketten mit breiten Ösen trägt – an einer hängt ein kleines Schloss –, schwarz umrandete Augen hat, sein Hemd fast bis zur Mitte hin aufgeknöpft ist und er ein Regenbogenbändchen um das Handgelenk trägt. Er sieht gut aus, aber man muss wirklich nicht mal diesen sogenannten Schwulenradar haben – wie diese es gerne benennen – um genau das zu bemerken. Nämlich, dass er zu hundert Prozent auf Typen steht.
Er scheint zu merken, was in meinem Kopf vorgeht, und grinst wieder breit. »Dein Outfit ist zwar heiß, Schätzchen. Aber du wirst sehen, was auf diesen Partys abgeht. Bunte Farben, bis dir fast die Augen ausfallen. Talia ist für ihre schrillen Partys bekannt und diese immer eine Legende.« Er kommt ein Stück näher und legt den Kopf schief. »Und nur besondere, von ihr auserwählte Menschen haben Zutritt. Wie kommst du dazu?«
Ich mag ihn irgendwie auf Anhieb. Er wirkt sympathisch und charismatisch, seine Ausstrahlung würde ihn wahrscheinlich meilenweit erkennen lassen.
»Ich modele mit ihr«, antworte ich etwas kurz angebunden und er lacht wissend auf.
»Aha, so ist das. Noch eine von diesen eingebildeten Ziegen.«
Empört sehe ich ihn an. »Also hör mal.«
Er lacht nur und hebt beschwichtigend die Hände. »Ich mach nur Spaß. Die sind alle nett – zumindest die meisten – und können gut feiern.« Er grinst.
»Wie heißt du eigentlich?«, frage ich neugierig und auch, weil ich nicht weiß, was ich zum vorherigen Thema noch sagen soll.
»Owen«, wieder grinst er breit, »und du, Schätzchen?«
Keine Ahnung warum, aber ich mag es, dass er mich so nennt. »Sydney.«
»Interessant.« Er grinst und ich lache, weil an meinem Namen wirklich so gar nichts ›interessant‹ ist.
»Das hier – so nebenbei – sind Carly und Camryn. Sie sind zweieiige Zwillinge. Aber ich nenne sie lieber Diva eins und Diva zwei«, erläutert Owen schmunzelnd mit einem Blick zu den Blondinen in den pinken Kleidern.
Ich lache und die beiden Angesprochenen drehen sich zu uns. »Sehr witzig, Owen«, sagt Blondie eins – so nenne ich sie jetzt, weil ich nicht weiß, wer von ihnen wer ist –, ihre Mundwinkel umspielt aber ein belustigtes Lächeln und ich merke, dass es ihr nichts ausmacht.
Blondie zwei wendet sich mir zu. »Sydney also.« Sie lächelt freundlich. »Schön, dich kennen zu lernen.«
Ich erwidere die Floskel mit einem Lächeln und die Türen öffnen sich im siebten Stock.
Schon im imposanten Hausflur hören wir laute Bässe und Gekreische.
Owen beugt sich zu mir. »Ich sage ja: Totale Legendenpartys.« Er grinst und ich muss es ebenfalls, dann stehen wir vor einer großen, breiten Wohnungstür.
Blondie eins und zwei machen sich erst gar nicht die Mühe ruhig zu klopfen oder zu klingeln – nein. Eine von ihnen hämmert mit der Faust an die Tür, während die andere Sturmklingelt. Wahrscheinlich hört man uns anders gar nicht.
Im nächsten Moment wird die Türe schwungvoll aufgerissen, so schwungvoll, dass Blondie eins fast nach vorne kippt. Owen neben mir lacht schadenfroh und sie zeigt ihm den Mittelfinger.
Im Türrahmen steht Talia. Ihr blondes Haar fällt ihr offen auf die Schultern, sie trägt ein blutrotes, enges Kleid, gemusterte Kniestrümpfe, Luftschlangen um den Hals und grüne High Heels.
Okay, das ist wirklich, ähm... schrill.
Ihre Augenlider sind in einem Regenbogenfarbverlauf geschminkt und der Eyeliner besteht aus flüssigem Glitzer.
Als sie mich sieht, verzieht sich ihr Mund zu einem großen Lächeln und sie torkelt auf mich zu. »Sydney! Schön, dass du da bist.« Schwungvoll zieht sie mich in eine feste Umarmung.
Kurz bin ich perplex und verwirrt, aber dann erwidere ich sie mit einem Lächeln. Noch nie wurde ich irgendwo so ausgelassen begrüßt und ich spüre, wie gut es mir tut. »Klar. Ich freue mich, hier zu sein. Danke für die Einladung«, erwidere ich, als wir uns von einander lösen und sie winkt grinsend ab.
Ihr Gesicht leuchtet, ihre Augen sind glasig und verschleiert, aber die scheint gut gelaunt zu sein, auch wenn man ihr ihren steigenden Alkoholpegel ansieht. »Natürlich«, kommt es dann über ihre Lippen und mit der Hand wedelnd zeigt sie ins Innere des Apartments. »Alle eintreten«, kichert sie gut gelaunt und Blondie eins und zwei, Owen und ich treten in den Flur.
Schon hier ist die Party im vollem Gange. Jede Menge Menschen in unserem Alter lehnen an den Wänden, unterhalten sich, lachen, trinken aus Flaschen oder edel aussehenden Gläsern.
Talia bahnt sich einen Weg durch die Menge und verschafft uns so einen Durchgang, der in den beeindruckenden Wohnbereich führt. Das Apartment ist riesig, das weiß ich, auch wenn ich noch nicht alles gesehen habe. Allein das Wohnzimmer ist so groß, dass hier locker zwei Klassenzimmer reinpassen. Die Decken sind hoch, die Wände schlicht weiß und an der gegenüberliegenden Wand stehen Sofas auf denen Kissen in Felloptik drapiert sind. Davor liegen Teppiche und an einer anderen Wand sind schlichte, hellgraue Regale aufgestellt, auf einem von ihnen steht eine riesige Soundanlage, die laute Technomusik im Raum verteilt. Topfpflanzen stehen im Zimmer verteilt und ein moderner Kronleuchter baumelt von der Decke.
Das ganze Wohnzimmer ist mit Menschen gefüllt, es ist heiß und stickig.
Talia führt uns schnurstracks zur anderen Seite des Raums, wo eine sperrangelweit offene Tür angebracht ist, die in eine Küche mit moderner, stilvoller Einrichtung führt.
Der Küchentresen ist zu einer Bar umgewandelt, jede Menge Flaschen, Becher, Gläser und Schalen mit Eiswürfeln und Zitronenscheiben sowie Minzblättchen stehen darauf.
Talia beugt sich über den Tresen, schnappt sich verschiedene Flaschen und hantiert eine Weile, dann wendet sie sich zu uns um und reicht uns drei Gläser randgefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, Zuckerrand, Zitronenscheibe befestigt am Rand und Minze im Inneren.
»Cocktail a la Talia«, erklärt sie lachend und ich probiere einen Schluck. Es schmeckt süß, aber frisch und erstaunlicherweise beinahe gar nicht nach Alkohol. »Ihr müsst aber aufpassen – man schmeckt eigentlich den Alkohol fast gar nicht heraus. Aber es ist ziemlich viel drin«, warnt sie uns noch, während Owen das Glas schon in einem Zug geleert hat.
»Das sagst du jedes Mal. Dabei ist das doch der Sinn. Und du verträgst einfach nichts, Lia«, erwidert er schmunzelnd und Talia wirft eine der Luftschlangen, die um ihrem Hals hängen, nach ihm, lacht aber dabei und verdreht belustigt die Augen.
»Ach halt die Klappe, Owen.« Sie wendet sich zu Blondie eins und zwei, die aber schon in einem Gespräch mit zwei Typen vertieft sind und nur noch Augen für sie haben. Talia zuckt mit den Schultern und dreht sich wieder zu uns.
In diesem Moment klärt sich ihr Blick ein bisschen und sie starrt auf einen Punkt hinter unseren Köpfen. »Mara«, ruft sie laut und winkt eine Person zu uns her, die bis jetzt noch außerhalb meines Blickfeldes ist.
Doch im nächsten Augenblick steht ein Mädchen vor uns. Sie hat ungefähr schulterlanges – ein bisschen länger –, dunkelbraunes Haar, braune Augen, eine schöne Figur, die in einem engen roten Kleid aus Samtstoff steckt, und auf ihren Lippen liegt ein offenes Lächeln.
»Das ist Marissa«, stellt Talia sie vor. »Sie wohnt mit mir hier. Ich kenne sie auch vom Modeln.«
Marissa grinst und nimmt mich zur Begrüßung in den Arm. »Du bist also die berüchtigte Sydney. Lia hat viel von dir erzählt. Von eurem Chemie-Shooting.« Sie lacht auf und mustert mich neugierig.
Ich lache ebenfalls und trinke einen Schluck. »Ach, ist das so.« Ich drehe mich grinsend zu Talia und diese rollt nur mit den Augen. »Du hast mir gar nicht erzählt, dass du eine Mitbewohnerin hast«, sage ich an sie gerichtet.
»Ja, stimmt. Weißt du, es ist ohne ziemlich einsam in dieser großen Wohnung.«
Ich nicke einfühlend und Owen tippt mir auf die Schulter. Verwundert drehe ich mich zu ihm.
»Komm, ich führ dich rum. Zeige dir jeden, den du einfach kennen musst.« Dabei redet er so übertrieben dramatisch und legt sich passend dazu die Hand aufs Herz, dass ich kichern muss.
»Ich habe wohl keine andere Wahl.« Beschwingt winke ich Marissa und Talia zu, dann gehe ich hinter Owen her, der wieder ins Wohnzimmer tritt.
Gut gelaunt schiebt er mich durch die Menge, auf die improvisierte Tanzfläche. »Das da«, er deutet auf ein Mädchen, in einer grauen Jogginghose, pastellrosa Spitzen-Bustier und einer pinken Federboa, welche um den Hals gelegt ist, »ist die berüchtigte ›Pinky‹, wie Talia sie immer nennt.«
Ich staune und beobachte das honigblonde Mädchen, dass sich elegant und sexy zugleich auf der Tanzfläche bewegt, von Mädchen und Typen umringt ist und sogar in Jogginghose extrem schön aussieht.
»Das ist sie also. Habe auch schon von ihr gehört«, kommentiere ich und Owen lacht leise.
»Ja, Talia erzählt – oder eher: lästert – gerne über sie.« Schmunzelnd geht er weiter und zieht mich hinter sich her. »Wir gehen zu ihr.«
»Was? Nein, ich...« Weiter komme ich mit meinem Protest nicht, da stehen wir schon vor ihr. Vom Nahen ist sie noch schöner, aber ich wette, dass irgendwas in ihrem Gesicht künstlich gemacht ist.
Ihr Blick legt sich nun auf uns und ihre Stirn kräuselt sich. »Owen«, sagt sie tonlos und hält in der Bewegung inne.
»Eisprinzessin«, sagt er und sie lacht trocken auf.
»Ha, ha.« Ihr Blick landet auf mir. »Wer ist das?«
Hallo, ich stehe direkt vor dir, frag mich doch selber, du blöde Pute.
»Das ist –«
»Ich bin Sydney«, unterbreche ich Owen schnell und bestimmt und höre ihn leise Lachen.
Pinky zieht die Brauen hoch und legt den Kopf schief, um mich zu mustern. »Aha, du bist die, die mir meinen Job weggenommen hat.«
Sie macht mich aggressiv. »Ich habe ihn dir nicht weggenommen. Ich bin einfach besser.«
Raunen geht durch die Reihen der Schaulustigen und Pinkys Stirn legt sich wütend in Falten. »Wer denkst du, wer du bist?« Sie kommt näher und kreuzt die Arme vor der Brust.
»Die, die dich von deinem Thron werfen wird«, entgegne ich leise und fast bedrohlich und sie schnappt empört nach Luft. »Und jetzt entschuldige mich. Ich habe wirklich besser zu tun, als mich mit dir abzugeben.«
Als ich mich umdrehe, spüre ich genau die Blicke auf meinen Rücken, spüre, wie mir alle hinterher schauen, höre das Raunen und Gemurmel.
»Das war... wow.« Owen schaut mich bewundert an und nickt zufrieden. »Endlich hat's mal jemand gesagt. Sehr gut.«
Ich lache und er grinst so breit wie ein Honigkuchenpferd.
Wir gehen weiter durch die tanzende Menge und mein Blick bleibt reflexartig an einem braunen Haarschopf kleben. Als sich der Schopf in meine Richtung dreht, erkenne ich den Typen sofort. Braune Haare, weiche Gesichtszüge und schokoladenfarbene Augen. Der junge Mann aus dem Aufzug.
»Oh, oh, ich sehe deinen Blick«, sagt Owen neben mir und schaut ebenfalls zu dem Typen herüber.
»Hä?«, mache ich abgelenkt.
»Er ist zwar wirklich heiß – und leider hetero – aber mit ihm würde ich mich nicht einlassen.« Owen legt den Kopf schief und schmachtet den Kerl an.
»Will ich doch gar nicht«, entgegne ich eine Spur zu hastig.
»Genau, Will«, lautet seine Antwort nur und ich verstehe gar nichts mehr.
»Hä?«, entweicht es wieder meinen Lippen, ohne dass ich es mir verkneifen kann.
»Sein Name ist Will«, klärt mich Owen nun auf und seufzt. »Passt zu ihm, wirklich. Jeder will mit Will.«
Ich muss lachen und Owen ebenfalls. »Jeder will mit Will?«, wiederhole ich nach Luft schnappend, »wie bist du denn da drauf gekommen?«
Er grinst verschwörerisch. »Dienstgeheimnis.«
Ich schüttle amüsiert den Kopf und richte meinen Blick wieder auf diesen Will, mit dem anscheinend jeder will. Er ist wirklich heiß, da hat Owen recht. Das ist mir schon neulich im Fahrstuhl aufgefallen, als ich auf dem Weg zu meiner Agentin war, aber jetzt, in dem angenehmen Licht, sieht er nochmal besser aus.
»Du tust es immer noch«, kommentiert Owen die Situation trocken.
»Was?«, frage ich abwesend.
»Du starrst ihn an. Glaub mir, wenn du ihn kennen würdest, würdest du nicht –«
»Tue ich«, schneide ich Owen das Wort ab.
Diesmal ist er derjenige der »Hä« macht und die Stirn fragend runzelt.
Ich reiße meinen Blick von dem Schönling und schaue Owen an. »Ich kenne ihn. Nicht so, wie du jetzt denkst, guck nicht so«, er lacht, »ich habe ihn im Fahrstuhl neulich getroffen. Er dachte ich bin zwanzig oder so.«
»Und du bist?« Owen legt den Kopf schief.
»Sechzehn.« Ich grinse und er auch er sieht etwas verwundert aus, sagt aber nichts dazu.
»Aber jetzt mal im Ernst, an deiner Stelle würde ich mich wirklich von ihm fernhalten, ich habe schon genügend Mädchen getröstet, die sich mehr erhofft haben und dann...«
Plötzlich landet Wills Blick auf mir, sein Gesichtsausdruck wechselt von verwundert zu erfreut – Owen verstummt –, dann kommt Will auf uns zu.
»Oh, verdammt«, flucht Owen leise und im nächsten Moment steht Will schon vor uns.
Er legt den Kopf schief und mustert mich lächelnd. »Die sechzehnjährige.«
»Der einundzwanzigjährige.« Ich schmunzle und er räuspert sich etwas verlegen.
»Ich habe dich gewarnt«, raunt mir Owen zu, grinst aber dabei, obwohl sich sein Tonfall tatsächlich halbwegs ernst angehört hat. »Ich lass die Turteltauben dann mal alleine.« Er zieht ab und plötzlich sind da nur noch Will und ich.
»Was machst du hier?«, fragt er, während ich etwas unsicher aus meinem Glas trinke. Ich brauche mehr Alkohol.
»Ich modele mit Talia zusammen«, erkläre ich ihm kurz angebunden und er nickt wissend.
Einen Moment sehen wir uns nur stumm an, seine Blicke verschaffen mir Gänsehaut, so intensiv sind sie.
»Willst du tanzen?«, fragt er dann, seine Stimme ist rau und kehlig.
»Will ich mit Will tanzen?«, platzt es aus mir heraus und prompt werde ich rot. Super, Syd.
Aber er lacht bloß. »Du weißt also bereits, wie ich heiße.«
Ich lächle beschämt, weil ich mir vorkomme, wie eine Stalkerin. Er nimmt meine Hand und führt mich auf die ›Tanzfläche‹ und kaum sind wir dort, zieht er mich an seine harte Brust, sodass ich erschrocken nach Luft schnappe.
Er lächelt zu mir herab und wir beginnen uns im Takt zu bewegen. Bei Cade habe ich geführt und gesagt wo es lang geht. Jetzt macht er es. Und ich kann mich nicht entscheiden, was ich lieber mag. Mich von sicheren Schritten und weichen Händen führen zu lassen oder mich aufreizend zu bewegen, mit dem genauen Wissen, was ich damit bei den Typen anstelle.
Eigentlich ist es seltsam. Ich bin noch immer schüchtern und unsicher, obwohl ich jetzt aussehe, als wäre ich aus einem Modemagazin entsprungen, aber wahrscheinlich hat das Gefühl einfach nichts mit der Schale zu tun. Doch auf der Tanzfläche – dort fühle ich mich selbstbewusst, sicher mit dem was ich tue, und ich fühle mich begehrenswert, schön. So wie es schon damals mit Cade beim Tanzen war. Und heute fühle ich diese Gefühle wieder.
Sein Blick ist dunkler geworden und sein Gesicht ist von meinem nur noch wenige Zentimeter entfernt. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut und schlucke trocken.
»Du bist wirklich schön«, flüstert er und diesmal nehme ich das Kompliment freudig entgegen, ohne mich aus dem Staub zu machen – wie bei Cade –, weil meine Unsicherheit wieder ihr eigenes Ding durchzieht.
Ich lächle und komme noch näher, berühre mit der Unterlippe leicht seine Wange und spüre ein Beben, das durch seinen Körper geht. »Du siehst auch nicht schlecht aus«, flüstere ich ganz leise.
Scharf zieht er die Luft ein, seine Hände wandern zu meiner Taille und eine von ihnen weiter, zu meinem Hintern. Eine Gänsehaut läuft über mein Rückgrat.
Ich hebe den Blick und schaue ihn intensiv an, dann lege ich meine Arme um seinen Hals und wir bewegen uns langsam zur Musik, unsere Körper berühren sich dabei ununterbrochen an allen möglichen Stellen.
Ich rutsche bewusst noch näher an ihn heran, sodass kein Blatt Papier mehr zwischen uns passen würde, und er atmet zischend aus.
»Wie ist dein Treffen gelaufen, neulich?«, frage ich diese unbedeutende Frage, spreche sie aber verführerisch aus und sein Blick wandert zu meinen Lippen.
»Du willst jetzt ernsthaft über meinen Job reden?«, fragt er halb verblüfft, halb abgelenkt, womöglich von meinen Lippen.
Ich zucke unschuldig mit meinen Schultern und ich sehe, dass er hart schluck. Im nächsten Moment dreht er mich einmal um die eigene Achse, bis ich fast in seine Arme falle, vom Schwung, doch er fängt mich mit Leichtigkeit auf und drückt mich wieder an seine Brust. Nun bin ich in einer leicht nach hinten gebückten Haltung – er stützt mich – und er ist über mich gebeugt, sein Gesicht schwebt senkrecht über meinem.
»Also, ich will jetzt nicht über meinen Job reden«, sagt er schmunzelnd und mein Atem geht schneller, als seine Lippen meine bei den Worten streifen. Mein Unterleib zieht sich zusammen und ein kleines Keuchen entweicht meinen Lippen.
»Ach, will Will nicht über seinen Job reden?«, flüstere ich grinsend und er verdreht die dunklen Augen.
»Nein, Will will etwas ganz anderes machen.« Sein Tonfall ist lustvoll und seine Stimme bebt.
»Dann sollte Will wohl das machen, was er machen will«, wispere ich und genau in diesem Moment treffen seine Lippen auf meine.
Der Kuss ist köstlich und fordernd, verlockend, leidenschaftlich und stürmisch. Die Luft zwischen uns scheint zu knistern und wieder zieht sich mein Unterleib auf diese angenehme Weise zusammen.
Diesmal bin ich schon viel erfahrener, weiß genau, wie ich meine Lippen und die Zunge bewegen muss, dass es ihm gefällt. Und tatsächlich – er stöhnt leise in meinen Mund und ich muss es ebenfalls.
Mit einem weiterem Schwung zieht er mich wieder aufrecht hin, sodass wir wieder eng aneinander voreinander stehen. Nun liegen seine beiden Hände auf meinem Hintern und ich bewege langsam meine Hüften.
»Fuck«, flüstert er gegen meine Lippen.
Meine Hände fahren durch seine Haare, streichen über seinen Hals, zu seiner Brust, wo ich sie liegen lasse.
Wir lösen uns von einander, aber nur, dass er meinen Hals mit Küssen bedecken kann. Er saugt leicht und an dieser einen bestimmten Stelle, oberhalb des Schlüsselbeins, verharrt er länger. Ich weiß, dass es später ein Knutschfleck geben wird, aber es kümmert mich nicht.
Ich lege meinen Kopf genussvoll in den Nacken und stöhne auf. Dann packe ich fordernd sein Kinn und ziehe ihn wieder zu meinem Mund.
Diesmal ist der Kuss noch lustvoller, noch begieriger.
»Wir sollten von hier verschwinden«, wispert er und ich nicke benommen. Diesmal werde ich mich nicht drücken.
Er ist nett, süß, lieb und behandelt mich gut – viel besser als Cade –, ist reifer und sieht total gut aus. Ich will es.
Auch, obwohl Owen mich gewarnt hat. Und, obwohl ich tief im Inneren eine Vorahnung habe, dass er recht haben könnte, fühlt sich das hier viel zu echt und gut an. Und richtig. Ich bin mir plötzlich sicher, dass er mich nicht verletzten wird.
Also gehe ich mit, als er mich an der Hand nimmt und aus der Menge zieht. Kaum sind wir in einem ruhigerem Teil des Flurs, dreht er sich zu mir und drängt seine Lippen gegen meine, drückt mich an die Wand und platziert die Hände rechts und links neben meinem Kopf.
Nach diesem stürmischen Kuss zieht er mich weiter, aber wir kommen wieder nicht weiter, weil diesmal ich diejenige bin, die ihn an die Wand drängt und küsst.
Doch nach weiteren Küssen kommen wir tatsächlich bei einer Tür an, die er wissend aufdrückt, ohne den aktuellen Kuss zu unterbrechen, ohne hin zu sehen. Als hätte er das schon tausend Mal gemacht. Und das hat er wahrscheinlich auch. Aber es ist mir egal.
Der Raum ist dunkel und wir stolpern auf das riesige Bett zu, ohne unseren Kuss zu unterbrechen. Ich lasse mich auf den Rücken fallen und er beugt sich über mich. Mit einem plötzlichen Reflex, rolle ich mich über ihn, sodass ich jetzt oben bin.
Mit ungeduldigem Gesichtsausruck ziehen wir uns gegenseitig unsere Oberteile aus, während ich meine Hüften bewege und er aufstöhnt.
Ich beuge mich zu ihm runter, fahre mit den Händen über seine nackte Brust, verteile überall darauf federleichte Küsse.
Er lässt seine Hände zu meinem Hosenbond gleiten und entledigt mir die Jeans. Auch seine ist bald darauf verschwunden, genauso wie mein BH. Die Klamotten landen unachtsam auf dem Boden, aber das kümmert uns nichts.
Nach einem weiterem stürmischen Kuss, sieht er mich eindringlich an, in der Hand eine Kondomverpackung. »Bist du sicher, dass du es willst?«
Ich lächle, darüber, dass er fragt. Lange sehe ich in seine Augen, dann nicke ich entschlossen, immer noch lächelnd. »Ja, Will, ich bin mir sicher, dass ich will.«
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